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Deutsche Stilmöbel

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DWDS-Diagramm für „Stilmöbel“

Der Begriff Stilmöbel bezeichnet einen Möbelstil, mit dem zum Zeitpunkt der Herstellung ein früherer Stil nachgebildet wird. Entsprechend lautet die Definition für „das Stilmöbel“ im Duden: „als Imitation eines früheren Stils hergestelltes Möbelstück“[1].

Die Worterklärung vom DWDS [Wortauskunftssystem zur deutschen Sprache] fügt die zeitliche Dimension hinzu: „Möbel aus dem 19. oder 20. Jahrhundert, die in einem früheren Kunststil hergestellt worden sind“[2].

Stilperioden erhalten gewöhnlich erst in ihrer letzten Phase oder nach ihrem Ende eine Bezeichnung, die in der Folge Bestand hat. So wird der Begriff „Stilmöbel“ erst zu Beginn des 20. Jhs. bekannt und wird seitdem zur Abgrenzung von anderen Möbeltypen benutzt. Das Diagramm des DWDS über die Worthäufigkeit zeigt, dass das Wort „Stilmöbel“ erst nach 1900 – etwa zur Zeit des Ersten Weltkrieges – aufkommt und sich danach verbreitet, bis es um 1980 seinen Höhepunkt erreicht hat und danach seltener wird.

Stilmöbel in der ersten Hauptperiode 1830/40 bis 1910/20[Bearbeiten]

Wangenstuhl Neo-Gotik, 1870
Büfett Gründerzeit, 1890

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bildete sich mit dem Biedermeier in klassizistischer Linienführung mit Betonung der natürlichen Holzmaserung der vorerst letzte eigenständige Möbelstil. Darauf folgte der Historismus, von dem es in Rainer Haaffs Buch: Prachtvolle Stilmöbel/Historismus in Deutschland und Mitteleuropa heißt: „Der ‚Historismus' ist ein kunststilistischer Überbegriff für mehrere kurzfristig auf einander folgende bzw. gleichzeitig erfolgende Neostile in der Zeit von 1830/40 bis 1910/20“[3]. In dieser Periode wurde das bevorzugte Mobiliar in einem der historistischen Stile hergestellt: Neogotik, Zweites Rokoko, Louis-Philippe, Neorenaissance, Drittes Rokoko, Drittes Barock oder im Gründerzeit-Stil, der „von 1880 bis 1915 eine deutsche Stilabwandlung der Neorenaissance“[4] darstellt.

Die traditionell handwerklich arbeitenden Tischlerwerkstätten hielten sich gewissenhaft an die Vorbilder der jeweiligen Stilperiode, die Kunsthandwerker bewährten sich bei der getreuen Nachbildung oft als große Meister. Bei Rainer Haaff heißt es weiter: „Viele Stilmöbel des Historismus sind von kopistischer Art und somit dem jeweiligen Stilvorbild streng verpflichtet. Andere hingegen beinhalten zwar eine entsprechende Stilorientierung, lassen aber gleichsam zeitgemäße Zweckdienlichkeit, ökonomische Reduktion und kunsthandwerkliche Kreativität zum Ausdruck kommen.“[5]

Während des Historismus entstanden auch einfache Möbel ohne Zierrat, die nicht als „Stilmöbel" zu bezeichnen sind und als Zweckmöbel etwa für Arbeitsräume oder Quartiere von Arbeitern dienen. Schon in den Jahren vor der Jahrhundertwende gewannen diese Möbel an Bedeutung für Möbelwerkstätten, die in Folge der „industriellen Revolution" mit neu entwickelten Holzbearbeitungsmaschinen ihre Betriebe auf Serienfertigung umstellten.[6] Andererseits machte in den Jahren von etwa 1890 bis 1910 der „Jugendstil" mit hohem kulturellen Anspruch auf sich aufmerksam. Hier arbeiteten kreative Gestalter bei konsequenter Abkehr von historischen Formvorbildern daran, mit dekorativ geschwungenen Linien und floralen Ornamenten einen „eigenen Stil der Zeit" zu schaffen. Die kunstvollen Erzeugnisse des Jugendstils erreichten jedoch keineswegs die breite Zustimmung der Konsumenten.[7]

Zu Beginn des 20. Jhs. - noch im Kaiserreich - knüpften die Entwicklungen im Möbelbereich an die allgemein fest verankerten Vorstellungen des reichen Bürgertums an: Renaissance, auch Rokoko und Gotik blieben weiterhin in Mode. Die verschwenderische Anwendung von dekorativen Formen dokumentiert den pomphaften Zeitgeschmack. In diesen Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ist fast ausschließlich die Kategorie „Stilmöbel" präsent.[8]

Stilmöbel in der zweiten Hauptperiode 1910/20 bis 1980/90[Bearbeiten]

Büfett Spätviktorianischer Stil, 1930
Herrenzimmerschrank Italienisch Renaissance, 1930

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die neuen Geistesströmungen zunächst für die Gestaltung des persönlichen Wohnbereiches kaum bedeutsam. In der Bauhaus-Bewegung ab 1919 propagierten junge Architekten, Künstler und Kunsthandwerker neues Design, das ohne unnötigen Zierrat vor allem nach Zweckmäßigkeit und Materialgerechtigkeit ausgerichtet ist. Es entstanden Designklassiker, die große Aufmerksamkeit erregten, doch die Allgemeinheit lehnte die neuen Einrichtungsmuster als puritanische Nüchternheit weiterhin ab. Schließlich stagnierte die Entwicklung – auch durch die Diskriminierung im Faschismus nach 1933.[9] Der innovative Stil des „Art déco“ in Anschluss an den Jugendstil blieb ebenfalls nur eine Randerscheinung.

Bei der generellen Geschmacksunsicherheit bei Herstellern und Verbrauchern führte die Suche nach ansprechenden Formen immer wieder zur Besinnung auf die Tradition. Die Käufer bevorzugten gewohntes Mobiliar, das die begehrte behagliche Wohnatmosphäre versprach. So behielt das Stilmöbel weiterhin die Oberhand - und noch lange über den Zweiten Weltkrieg hinaus.

Der junge angehende Tischlermeister Bernward Spilker aus der Kunsttischlerei Anton Spilker, Steinheim schrieb 1936 in seiner Abhandlung Können historische Möbelstile im modernen Wohnraumverwendung finden?[10]: „Das Stilmöbel ist immer ,schön', denn es kann nicht ,veralten' – das sagt man so, und man sagt es immer in Zeiten gestalterischer und geschmacklicher Unsicherheit. Aber es ist einfach nicht wahr. Vielmehr gibt man sich einer wohltätigen Illusion hin, wenn man glaubt, daß Stilmöbel als ,zeitlos' von einer geschmacklichen Inflation nicht betroffen werden."

Zur Zeit der Währungsreform nach dem Kriegseinschnitt knüpfte die Möbelwirtschaft in Westdeutschland an die Entwicklung in der Vorkriegszeit an. Der Nachholbedarf in allen Bereichen der Einrichtungsindustrie verursachte eine starke Erweiterung der Betriebskapazitäten in wenigen Jahren. Das Verhältnis „Stil“ zu „Modern“ schien sich zunächst nicht geändert zu haben.

Eine im Juli 1954 vom Institut für Demoskopie in Allensbach durchgeführte Meinungserforschung bei Vorlage von Bildern verschiedener Einrichtungsstile zeigte als Ergebnis, dass von den westdeutschen Befragten 60 % die bürgerliche Linie [mit geschweiften Formen] der dreißiger Jahre und nur fast ein Drittel die gemäßigt-moderne Zimmereinrichtung bevorzugten.[11]

Kredenzschrank Louis XV, 1938

Die Veröffentlichung: 10 Jahre Möbel im Bundesgebiet des IFO-Instituts für Wirtschaftsforschung im Jahre 1957 stellte den Möbelabsatz wie folgt dar: „Die Möbelmesse 1956 zeigte deutlich, daß der Geschmack des westdeutschen Möbelkonsumenten sich inzwischen insofern gefestigt zu haben scheint, als heute entweder Möbel der gemäßigten modernen Linie oder reine Stilmöbel bevorzugt werden. Die sogenannte ,moderne Linie' wird nur von bestimmten Schichten gekauft und von der Mehrzahl der breiten Masse noch abgelehnt.“[12]

Für Ende der 1960er Jahre wurde in dem Artikel Neue Möbel in altem Stil der Zeitschrift Zuhause vom September 1967[13] der Stilmöbel-Anteil in der Bundesrepublik Deutschland noch mit rund 40 % angegeben. Die Verbreitung von Stilmöbeln schwächte sich von dem Höhepunkt im Anschluss an die Periode des Historismus nur langsam über die Jahrzehnte bis 1980/90 ab.

Die Vielfalt an Stilmöbeln – stilreine oder modifizierte, hoch- oder minderwertige, teure oder billige - wurde von allen Gesellschaftsschichten begehrt, unabhängig von der Stellung, dem Wohlstand oder der Bildung der Möbelkonsumenten.[14]

Entwicklung der Stilmöbel-Merkmale in zweiter Periode[Bearbeiten]

Eckanbaureihe mit Fernsehschrank Chippendale, 1955

Im 20. Jahrhundert weichen Stilmöbel in Entwurf und Ausführung von ihren Vorbildern stetig weiter ab, weil neue Faktoren den Entwurf von Stilmöbeln beeinflussen.[15]

Wohnzimmerschrank Barock, 1960

Einflussfaktor 1 – Veränderte Raumverhältnisse, neuer Unterbringungsbedarf: Neue Möbeltypen[Bearbeiten]

In den Proportionen der Möbeltypen bahnt sich ein auffallender Wandel an. Die traditionellen Schrankmöbel zeigen wegen der herkömmlich hohen Räume eine Betonung der Senkrechten, nun gewinnt die Waagerechte an Bedeutung. Die neuen zeitgemäßen Wohnungen sind niedriger und kleiner, sie werden auch zentral beheizt.[16] Der Zuschnitt und der Zusammenhang der Räume ändert sich entsprechend der Nutzung. Sitzmöbel und Gruppen mit Tischen werden bequemer und zweckmäßiger. Benötigt werden größere Schrankeinheiten mit Unterbringungsmöglichkeiten für ständig wachsenden Hausrat, Bücher und neue technische Geräte. So entstehen Bücherregale, Tonmöbel, Fernsehschränke und standardisierte halbhohe Schrankmöbel mit beliebig wählbaren Fächern: offen, mit Füllungs- oder Glastüren und Schubkästen. Danach folgen die Anbaumöbel sowie ab Anfang der 1960er Jahre Schrankwandsysteme und raumhohe Kleiderschrankwände[17] - ohne jedes Vorbild in der Vergangenheit.

Einflussfaktor 2 – Vertrieb über Möbelhandel und Serienfertigung: Reduzierung der Vielfalt des Angebots, Typisierung und Vereinheitlichung der Möbel[Bearbeiten]

Um die Jahrhundertwende ist die Möbelwirtschaft in einem gewaltigen Umbruch begriffen. Aus kleinen Tischlerwerkstätten entwickeln sich zahlreiche Möbelfabriken, die ihre Betriebe durch Arbeitsteilung und Einsatz von Holzbearbeitungsmaschinen rationalisieren. Traditionell haben die Tischlereien bzw. Möbelwerkstätten im direkten Kontakt mit dem Kunden – gewöhnlich aus der wohlhabenden Gesellschaftsschicht – die Ausführung der Möbel festgelegt. Dazu dienen Musterstücke oder Zeichnungen. Die in Auftrag gegebenen Möbel werden dann einzeln in aufwendiger Handwerksarbeit gefertigt.

Raumumfassende Schrankwand
Altdeutsch, 1978
Typenliste Schrankwandsystem, 1974

Nach dem Ersten Weltkrieg hat der Möbelhandel fast überall die Mittlerrolle zwischen Hersteller und Käufer übernommen. In größeren Städten entstehen Stil-Einrichtungshäuser, die oft mit Hilfe angestellter Zeichner und Innenarchitekten den anspruchsvollen Kunden eine individuelle Beratung bieten. Die fortschrittlichen Möbelfabriken fertigen nun aus ihrer Angebotspalette, die durch bebilderte Kataloge mit Preislisten dargestellt wird.

Während vor 1900 die meisten kleinen Tischlereien grundsätzlich alle Möbeltypen nach Wunsch des Kunden anfertigen, haben sich jetzt die Möbelfabriken auf ihre Spezialität besonnen und liefern ausschließlich Wohn- oder Schlafzimmermöbel, Küchen, Schrankmöbel oder Sitzmöbel. Diese Konzentration auf bestimmte Möbelarten führt zur Standardisierung, die Möbelabmessungen ergeben sich aus der Modulbauweise. Alle zu einer Gruppe („Garnitur“) gehörenden Modelle weisen dieselben Merkmalen auf, wie Profile, Schweifungen oder Ornamente. Mit der Typisierung ist eine weitere Abweichung in Form und Ausführung von den Originalmöbeln der nachzubildenden Stilart angezeigt.

Einflussfaktor 3 – Neue Materialien und Technisierung der Produktion: Große formale Abweichungen vom historistischen Vorbild[Bearbeiten]

Schranktür Rokoko, 1982 –
Neuzeitliche Konstruktion aus vollflächig furniertem Holzwerkstoff (Sperrholz oder Spanplatte), außen mit Rahmenaufdoppelung, mittlere Fläche mit applizierten geschweiften Profilen und Schnitzereien zur Darstellung einer Füllung.
Vorteil: Formstabilität bei Wechsel der Luftfeuchtigkeit
Schranktür Chippendale, 1960 –
Neuzeitliche Konstruktion aus vollflächig furniertem Holzwerkstoff (Sperrholz oder Spanplatte) mit applizierten geschweiften Profilen und Schnitzereien zur Andeutung des stilgemäßen Bildes von Rahmen und Füllung.
Vorteil: Formstabilität bei Wechsel der Luftfeuchtigkeit
Schranktür Rokoko, anno 1750 –
Authentische Konstruktion aus Rahmen und Füllung – Schnitzereien und Profile aus dem vollen Holz geschnitten.
Hinweis: Ein aufrechter Riss in der Füllungs­schnitzerei rechts oben und offene Fugen beim Stoß der Rahmen-teile als Folge vom „Arbeiten“ des Holzes, das bei Klimaänderungen schwindet, quillt oder sich wirft.

Die tiefgreifendste Abweichung von dem historistischen Vorbild wird durch die Verwendung neuer Materialien und den Einsatz weiterentwickelter Fertigungstechnik verursacht.

Als um 1900 die Sperrholzplatte aufkommt, werden zunächst die weniger sichtbaren Holzflächen, die fachgerecht aus massiven Füllungen mit Beistößen bestehen, wie Rückwände, Schubkastenböden usw. durch formstabile Sperrhölzer ersetzt. Bald folgt die stärkere Absperrplatte, die sogenannte Tischlerplatte, und dann um 1950 die Spanplatte mit der besten Formbeständigkeit. Alle flächigen Möbelteile wie Platten, Seiten, Einlegeböden usw. werden bald aus dem neuen Material zugeschnitten, mit massiven Vorleimern versehen und furniert.

Mit neuen Spezialmaschinen lassen sich altbewährte Tischlerkonstruktionen wie Rahmen/Füllung, Schlitz/Zapfen, Nut/Feder, Zinken/Schwalbenschwänze und die typischen Stilformen wie Profile und Schweifungen passgenau und je nach Losgröße rationell herstellen. Besonders augenfällig sind die Bildhauerkopiermaschinen, die die aufwändigen Schnitzereien von Hand zu einem großen Teil ersetzen. Da Maschinenwerkzeuge wie Fräser und Bohrer das Holz durch Rotation bearbeiten, können keine scharfe Innenecken und -kanten maschinell gebildet werden. So werden bei hochwertigen Stilmöbeln Innenecken und -kanten per Hand nachgestochen, und die vorgebohrten Schnitzereien durch die geübte Hand eines Holzbildhauers mit dem letzten feinen Schnitt versehen. Bei billigen Stilmöbeln werden viele Details „gerundet“, so dass Nacharbeiten nicht notwendig sind.

Bereits ab den 1920er Jahren ist man dazu übergegangen, die bei historischen Möbeltüren erforderliche Rahmen-Füllungskonstruktion durch Aufleimen von Profilen und Ornamenten auf die furnierten Industrieplatten lediglich anzudeuten. Auch die Kanten der Möbelfrontteile werden mit Massivholz umleimt, so dass der „fortschrittliche" Aufbau nicht in Erscheinung tritt. Eine „antike" Oberflächenbehandlung mit Farbverläufen und Patina-Effekten gleicht Unterschiede zwischen Furnier und Vollholz – oft auch unterschiedliches – aus. Die Möbelfronten mit Türen, Klappen und Schubkästen können in großen Stückzahlen einheitlich gefertigt werden. Typische Massivholzmerkmale wie Astansätze und unregelmäßige Maserung sind unerwünscht.

Auch die dauerhafte Verformung von Vollholz und Sperrholzplatten unter Hitze, Dampf und Druck beeinflusst die Gestaltung von Stilmöbeln. In Verbund mit neuen Poliermaterialien und -techniken, können große geschwungene Flächen wie Kleiderschranktüren in Mengen gefertigt werden.


Die Bandbreite des Stilmöbelangebots und die Stilrichtungen „Altdeutsch“ und „Chippendale“[Bearbeiten]

lili rere
Sekretäre Altdeutsch und Chippendale, 1955
Wohnzimmerschrank Altdeutsch, 1960

Während im modernen Bereich neuartige Möbelformen geschaffen werden, ist man im Stilbereich wegen der gebotenen Stiltreue zurückhaltender beim Experimetieren, trotzdem führen letztlich arbeitssparende Materialien und Fertigungstechniken doch zu einigen Änderungen der äußeren Erscheinung.

Detailgetreue Rekonstruktionen von historischen Vorbildern werden nicht zur Möbelkategorie „Stilmöbel“ gezählt. Diese werden als deklarierte „Kopien" individuell handwerklich gefertigt.

Das Angebot an Stilmöbeln ist in seiner Vielfalt phänomenal. Es wird angeführt von Angeboten, die hohe Ansprüche der Stilmöbelkäufer befriedigen in Bezug auf das ästhetische Design, das die Meisterschaft in der Umsetzung von historischen Stilelementen zeigt. Auch in der unteren Rangfolge ist die Auswahl von bescheidenen und preiswerteren Modellen groß. Viele Stilmöbel-Fabrikanten haben ihre eigenen Stil-Programme entwickelt und ihre „Marke“ über Jahrzehnte vertreten.

Bei der großen Bandbreite von Stilmöbeln haben zwei Stilrichtungen eine herausragende Bedeutung auf dem Möbelmarkt erobert und sind zum Inbegriff von Stilmöbeln geworden.

Wohnmöbelgarnitur Chippendale, 1955

„Altdeutsche Stilmöbel“ sind geradlinige Möbeltypen in vager Anlehnung an Gotik oder Renaissance, in stilisierter Formgebung durch Kantenprofile, Kannelierfräsungen, eingesetzte Holz-Ornamentleisten, kassettenartige Kombinationen zur „Aufdoppelung“ auf Flächen wie Seiten, Türen, Klappen und Schubkästen, mit gedrechselten Teilen wie Rosetten als Flächendekor, Stollen und Füßen. Verglaste Türen zeigen in der Regel getönte „Antikgläser“ mit Blei- oder Messingeinfassungen. Als Holzarten sind Nussbaum und Eiche beliebt, vor allem in den 1960er und 70er Jahren bei Betonung der markanten Eichen-Struktur: die Ausführung „Eiche-Rustikal“ findet große Verbreitung.

Unter „Chippendale“ (Der berühmte englische Kunsttischler Thomas Chippendale hat bereits im 18. Jh. Prunkmöbel entworfen und mit großem Erfolg vermarktet) versteht man Möbel, deren Formgebung an Barock bzw. Rokoko erinnert. Die Modelle zeigen die typischen Profile und Schweifungen, vor allem die geschwungene Beinform. Häufig wird Sonnenrohrgeflecht zur Kaschierung von Tongeräten verwandt. Viele „Chippendale“-Möbel zeigen Schnitzereien als aufgeleimte Ornamente. Feinporige Holzarten wie Buche, Erle, Ahorn u. a. werden verarbeitet, echtes Nussbaum nur bei teureren Angeboten. Ein typischer Farbton ist „Nussbaum antik“, der zur Betonung der Formgebung changiert. In den 1960er und 70er Jahren ist mit der Weiterentwicklung der Holzlacke die Schleiflackausführung mit feiner Nuancierung sehr gefragt, oft mit goldähnlichen Auflagen der Zierformen.

Stilmöbel nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland und Gründung des „Arbeitskreises Deutsche Stilmöbel“[Bearbeiten]

Markenzeichen „Arbeitskreis Deutsche Stilmöbel“, 1958–1990

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt fast jeder Betrieb der westdeutschen Möbelindustrie zunächst seine Vorkriegsprogramme weiter, die im Möbelhandel bereits eingeführt sind.

Anzeige „Arbeitskreis Deutsche Stilmöbel“ in Schöner Wohnen, 1983

Mit der Konsolidierung der industriellen Möbelproduktion Mitte der 50er Jahre machte sich eine zunehmende Konkurrenz in verschiedenen Sparten der Möbelindustrie bemerkbar. Im Bereich „Stil“ wird die verstärkte Werbung für das zeitgemäße „moderne Möbel“ ebenso wie die vermehrte Kritik von Kulturschaffenden und Meinungsmachern an der Vorliebe der Deutschen zu Stilmöbeln als störend empfunden. Wohnzeitschriften wie Architektur und kultiviertes Wohnen, Schöner Wohnen und Zuhause bringen Artikel wie „Streit um das Stilmöbel“[18], „Warum wir noch Stilmöbel herstellen und warum Stilmöbel gekauft werden“[19] oder „Neue Möbel im alten Stil“[13].

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, finden sich im Jahre 1958 unter der Initiative der Bartels-Werke GmbH, Langenberg, sieben Fabrikanten zusammen und gründen den „Arbeitskreis Deutsche Stilmöbel“ (ADS). Die Satzung von Anfang 1959 beschreibt den Zweck:

  • überlieferte Stilformen zu pflegen und zu kultivieren, um sie im Möbelbau und der Innenausstattung für heutige Wohnbelange nutzbar zu machen;
  • beim Verbraucher und beim Fachhandel für gute Stilmöbel zu werben, das Interesse für gute Stilmöbel zu wecken und auf die Dauer wachzuhalten.[20]

Im Jahre 1963 waren es bereits sechzehn, und im Jahre 1970 zweiundzwanzig namhafte Stilmöbel-Hersteller, die Gemeinschaftswerbung betreiben. Die Mitglieder möchten den anspruchsvollen Kundenkreis der Stil-Einrichtungshäuser und Stilmöbel-Abteilungen in neuen, großen Möbelhäusern ebenso bedienen, wie repräsentative öffentliche und geschäftliche Einrichtungen im Objektbereich – etwa Hotels und Gaststätten. Überwiegend mittelständische Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern, entwickeln Komplett-Stilmöbel-Programme, die alle Möbeltypen für eine Wohnungseinrichtung abdecken, oder spezialisieren sich auf Wohnmöbel, Schlafzimmer, Tische, Stühle oder Polstermöbel in verschiedenen gängigen Stilarten, und bilden Vertriebsgemeinschaften bei stilistischer Abstimmung der Modelle für den Verkauf, z.B. Quadriga-Stilmöbel [Georg Pollmann, Warburg – Franz Finkeldei, Steinheim – Ludwig Finkeldei, Nieheim – W.Wente & Söhne, Eimbeckhausen].

Einige Komplett-Programme, die seit den 1930er Jahren weiterentwickelt wurden, werden innerhalb des Arbeitskreises Deutsche Stilmöbel als repräsentativ für qualitativ hochwertige Stilmöbel betrachtet.

Wohnraumecke Aachen-Lütticher Barock, 1965

So beispielsweise die Spilker-Stilmöbel in Aachen-Lütticher Barock, die der Bildhauer und Möbeldesigner Anton Spilker in Steinheim entworfen hat. Die Ornamentik der zum zeitgemäßen Gebrauch angepaßten Stilmöbel ist den Reliefschnitzereien der regionalen Barock-Variante des 18. Jhs. nachempfunden.

Wohnzimmer Holländisch Barock, 1981

Das Busch-Stilmöbel-Werk in Kastorf/Holstein, hat sich unter dem Tischlermeister Hans Busch auf die Verarbeitung der urwüchsigen Eiche spezialisiert. Seine Stilmöbel in Holländisch Barock sind in allen Teilen – selbst Rückwänden und geschwungenen Kranzböden – aus massivem Material, das geräuchert und gewachst wird.

Das Markenzeichen „STIL“ [Goldmedaille für gute Stilform] wird als Gütezeichen für gute Stilform und hervorragende Qualität auf allen Werbemitteln der Mitgliedsfirmen verwendet, auch erhält jedes auszuliefernde Möbel das entsprechende Etikett. In den Wohnzeitschriften und Fachorganen werden regelmäßig Anzeigen geschaltet, die den Interessenten Broschüren mit Einrichtungsbeispielen, Herstellernachweis und ausführlicher Stilkunde anbieten.

Der Erfolg bleibt nicht aus, in den drei Jahrzehnten seiner Tätigkeit verkauft der Arbeitskreis unzählige Bildbände, die in jedem Jahr neu aufgelegt werden. Auf Grund dieser Werbung kommen viele Kunden schon mit Vorentscheidungen zum Stilmöbel-Fachgeschäft, ein klarer Vorteil gegenüber Stilmöbel-Herstellern, die erst eine Mitgliedschaft im Arbeitskreis Deutsche Stilmöbel beantragen, als die Branche schon mit der großen Absatzkrise zu kämpfen hat.

Nachlassen der Bedeutung von Stilmöbeln[Bearbeiten]

Trotz umfangreich angelegten Werbemaßnahmen des Arbeitskreises Deutsche Stilmöbel ist der Bereich wie die gesamte Möbelwirtschaft seit Beginn der 1970er Jahre von der nachlassenden Konjunkturentwicklung betroffen.

Nachdem der Nachkriegsboom neben der „Einrichtungswelle“ auch die „Autowelle“ und die „Reisewelle“ mit sich gebracht hatte, ist nun der kriegsbedingte „Nachholbedarf“ bei den langlebigen Produkten der Einrichtungsindustrie zum „Ersatzbedarf“ geworden.

Die Umsatzeinbußen sind beträchtlich, die in den Nachkriegsjahren aufgebauten Betriebskapazitäten können nicht mehr ausgelastet werden. Die Lage wird zusätzlich durch steigende Lohnkosten erschwert. Ein Konjunkturbericht des Fachorgans Möbelmarkt für die deutsche Möbelindustrie stellt beispielsweise fest, dass 1974 dem durchschnittlichen nominalen Wachstum von rund 2 % mittlere Preiserhöhungen von 10 % gegenüberständen, so dass real eine spürbare Schrumpfung stattgefunden habe[21].

Stilmöbel erfahren spätestens ab Ende der 1970er Jahre eine gesteigerte Rezession. Firmenzusammenbrüche nehmen laufend zu. Größere Betriebe der Möbelindustrie können sich durch Rationalisierungsmaßnahmen, durch das Ausweichen auf Produkte im modernen Bereich oder durch namenlose Massenware, sowie durch die Verlagerung der Fertigung in Billigländer und Erschließung neuer Absatzgebiete behaupten.

Die lohnabhängigen Kosten bei Stilmöbeln sind grundsätzlich höher, da die reich gestalteten Möbel nicht nur maschinell sondern auch handwerklich mehr Arbeitsanteil benötigen. Daraus resultieren überproportionale Preissteigerungen durch steigende Löhne.

Es setzt ein Bemühen ein, mit Hilfe von Betriebsberatern und Möbeldesignern neue Stilmöbel-Programme zu entwickeln, um die Käuferschicht zu mobilisieren. Neue Modelle entstehen in kürzester Zeit als Prototypen. Man wagt sich an bisher wenig erprobte Spielarten von internationalen Kunststilen wie Régence, Empire und Directoire. Doch die junge Generation interessiert sich weniger für das Stilmöbel.

Bis 1990 sind fast alle namhaften deutschen Stilmöbelfabriken vom Möbelmarkt verschwunden, darunter angesehene Familienbetriebe, deren Entstehung bis in die Gründerjahre des 19. Jhs. zurückreicht. Auch der Arbeitskreis Deutsche Stilmöbel hat sich aufgelöst.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Duden | Stilmöbel | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition. Abgerufen am 21. Juli 2018.
  2. DWDS – Stilmöbel. Abgerufen am 21. Juli 2018.
  3. Rainer Haaff: Prachtvolle Stilmöbel/Historismus in Deutschland und Mitteleuropa. Kunst-Verlag-Haaff, Leopoldshafen 2012, ISBN 978-3-938701-05-8, S. 23, Zeile 1–4.
  4. Rainer Haaff: Gründerzeit und Jugendstil/Möbel und Wohnkulturen im Deutschen Kaiserreich. Kunst-Verlag-Haaff, Leopoldshafen 2014, ISBN 978-3-938701-06-5, S. 36, Zeile 3–4.
  5. Rainer Haaff: Prachtvolle Stilmöbel/Historismus in Deutschland und Mitteleuropa. Kunst-Verlag-Haaff, Leopoldshafen 2012, ISBN 978-3-938701-05-8, S. 23, Zeile 16–21.
  6. Christoph Laue: Gustav Kopka – Der Pionier der Möbel-Serienfertigung aus Herford, In: In Serie/150 Jahre Möbelindustrie in Westfalen. (Hrgb.) LWL-Industriemuseum. Klartext-Verlag, Essen 2015. ISBN 978-3-8375-1412-4, S. 61–70.
  7. Adolf G. Schneck: Vom dekorativen Element. In: Neue Möbel vom Jugendstil bis heute. F. Bruckman KG, München 1962, S. 9.
  8. Günter Schade: Neorenaissance und Gründerzeit. In: Deutsche Möbel aus sieben Jahrhunderten. Verlag Lambert Schneider, Heidelberg 1966, S. 89–90.
  9. Günter Schade: Deutsche Möbel aus sieben Jahrhunderten. Unter: Die Stagnation der Entwicklung während des Faschismus, S. 98. Verlag Lambert Schneider, Heidelberg 1966.
  10. Bernward Spilker: Können historische Möbelstile im modernen Wonraum Verwendung finden? Archiv Möbelfabrik Anton Spilker, Steinheim/Westf. 29. März 1936, S. 14
  11. Roland Schroeder, Sosthenes Prokoph: 10 Jahre Möbel im Bundesgebiet. In: Schriftenreihe des IFO-Instituts für Wirtschaftsforschung Nr. 29. Duncker & Humblot, Berlin / München 1957, S. 66–67.
  12. Roland Schroeder, Sosthenes Prokoph: 10 Jahre Möbel im Bundesgebiet. In: Schriftenreihe des IFO-Instituts für Wirtschaftsforschung Nr. 29. Duncker & Humblot, Berlin / München 1957, S. 65.
  13. 13,0 13,1 Neue Möbel in altem Stil. In: Zuhause / Wohnung Haus und Garten. Jahreszeiten-Verlag GmbH, Hamburg September 1967, S. 20–29.
  14. Herlinde Koelbl, Manfred Sack: Das deutsche Wohnzimmer. Bildteil S. 21–133, Text von Dr. Manfred Sack S. 7–19, Beitrag von Prof. Dr. Alexander Mitscherling S. 135–143. Verlag C. J. Bucher, Luzern und Frankfurt/M 1980, ISBN 3-7658-0351-0
  15. R. Bermpohl, H. Winkelmann: Das Tischlerbuch / Ein Lehr- und Nachschlagebuch für die gesamte Bau- und Möbeltischlerei mit … C. Bertelsmann Verlag Gütersloh / © 1952 - Ergänzte Ausgabe 1956, S. 243
  16. Edmund Meier-Oberist: Kulturgeschichte des Wohnens im abendländischen Raum. Ferdinand Holzmann Verlag, Hamburg 1956, S. 313.
  17. Günter Schade: Deutsche Möbel aus sieben Jahrhunderten. In: Die Entwicklung nach 1945. Verlag Lambert Schneider, Heidelberg 1966, S. 99.
  18. Streit um das Stilmöbel. In: Architektur und kultiviertes Wohnen. Nr. 7. Jahreszeitenverlag G.m.b.H., Hamburg 1963, S. 96–99.
  19. Georg Wolf: Warum wir noch Stilmöbel herstellen und warum Stilmöbel gekauft werden. In: Schöner Wohnen. Heft 11. Constanze-Verlag, Hamburg November 1963, S. 164–173.
  20. Fritz Weischer: Arbeitskreis Deutsche Stilmöbel. In: Deutschlands Möbelindustrie 1945–1970 / Bestandsaufnahme, Dokumentation und Ausblick. Verlag Ritthammer, Nürnberg 1971, S. 118.
  21. Dr. Siegfried Hobohm: Die Deutsche Möbelindustrie '74. In: Möbelmarkt / Fachzeitschrift für die Möbelwirtschaft. 7/75 Verlag Ritthammer, Nürnberg, Juli 1975, S. 1406–07.


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