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Sonderforschungsbereich 1285 „Invektivität“

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Sonderforschungsbereich 1285 „Invektivität“

Gründung 2017
Sprecher Gerd Schwerhoff
Ort Dresden
Sitz Chemnitzer Straße 48b
01187 Dresden
TU Dresden
Website www.invectivity.com

Der Sonderforschungsbereich 1285 „Invektivität“ ist ein an der TU Dresden angesiedelter Sonderforschungsbereich (SFB) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit dem Untertitel Konstellationen und Dynamiken der Herabsetzung. Der 2017 eingerichtete Forschungsverbund beschäftigt sich mit Phänomenen der Schmähung und Herabwürdigung, der Beschämung und Bloßstellung, die in verschiedenen Kulturen und Epochen auftraten bzw. auftreten. Solche Phänomene werden als grundlegende Verfahren gesellschaftlicher Kommunikation angesehen, die soziale Ordnung destabilisieren und dynamisieren, aber auch stabilisieren können. Diese Erscheinungen – seien es Schmähreden eines Cicero in der Antike, Flugschriften zur Zeit der Reformation oder Shitstorming im Internet – werden im Sonderforschungsbereich unter dem Neologismus Invektivität gefasst.

Der SFB 1285 ist einer von sehr wenigen geisteswissenschaftlichen Sonderforschungsbereichen der DFG[1] und wurde im Juli 2017 in einer ersten Antragsphase bis 2021 geschaffen.

Die Fragen nach den Formen und Funktionen von Invektiven werden aus der Perspektive von 13 verschiedenen Disziplinen interdisziplinär untersucht. Beteiligt sind Fächer der Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften sowie der Philosophischen Fakultät der TU Dresden. Etwa 50 Wissenschaftler sind beteiligt.

Sprecher des SFB ist der Historiker Gerd Schwerhoff, stellvertretende Sprecherin ist die Germanistin Marina Münkler.

Forschungsprogramm und Konzepte[Bearbeiten]

Phänomene der Schmähung werden im SFB 1285 epochen- und kulturübergreifend als wichtige Erscheinungsformen gesellschaftlicher Kommunikation verstanden. Indem diese Phänomene soziale Ordnungen stören oder festigen, können sie Gemeinschaften bilden oder spalten und so ganze Gesellschaften prägen; insofern können sie sowohl destruktiv als auch produktiv wirken.

Der Forschungsverbund fasst solche Erscheinungen unter dem Begriff Invektivität. Der Begriff beschreibt diejenigen Formen von Kommunikation (ob verbal oder nonverbal, ob mündlich, schriftlich, gestisch oder bildlich), die dazu geeignet sind, herabzusetzen, zu verletzen oder auszugrenzen. Invektivität realisiert sich in Invektiven, d. h. in kommunikativen Ereignissen, die schmähen, herabsetzen, bloßstellen und beschämen.

Erscheinungsformen und Funktionen von Invektiven sind nicht starr, sondern treten in historisch veränderlichen Konstellationen auf, denn die zugrundeliegenden Medien sowie die Politik, die Gesellschaft und die ästhetischen Formen wandeln sich. Sie können deshalb angemessen nur als performatives Geschehen, als komplexe Folge von gegenseitigen Zuschreibungen und Anschlusskommunikationen verstanden werden. Die sozialen, diskursiven und medialen Bedingungen der Entstehung von Invektiven müssen dabei berücksichtigt werden. Gesellschaften werden von den produktiven Momenten destruktiver Kommunikation insofern mitbestimmt, als sie davon entweder hervorgebracht oder aufgelöst werden.

Mit dem Konzept der Invektivität versucht der SFB, eine andere Perspektive kulturwissenschaftlicher Forschung zu entwickeln, um Voraussetzungen und Effekte herabsetzend-destruktiver Kommunikation allgemein beschreibbar zu machen und damit die bedeutende Rolle, die diese Art von Kommunikation für Gesellschaften einnimmt, in den Mittelpunkt der Forschung zu stellen. Durch den Vergleich historischer oder aktueller Invektiven sollen kurz- und mittelfristig Begriffe gefunden werden, die eine geeignete Analyse ermöglichen sollen; mittel- und langfristiges Ziel ist eine allgemeine und abstrakte Theorie von Invektivität.

Invektiven aus der Antike bis zur Gegenwart liefern die empirische Grundlage für die Analyse und Theoriebildung. Die Analysen sollen die Ausprägungen von Invektivität – von der flüchtigen Gruppenbildung über Formationen sozialer Ordnungen bis hin zu epochalen Brüchen – erfassen. Auf dieser Grundlage sollen Funktionen und Formen von Invektivität beschreib- und vergleichbar gemacht werden.

Der Begriff der Invektivität soll also letztlich zur Erfassung von bestimmten Kommunikationsprozessen etabliert werden, um soziale Konflikte besser zu verstehen.[2]

Um soziale Konflikte begrifflich besser fassen zu können, werden vom SFB weitere Konzepte eingeführt: Die Invektive Triade beschreibt beispielsweise eine typische Konstellation von Invektivität: Sie besteht aus dem Invektierer, also dem Urheber der Invektive, dem Invektierten, d. h. dem Ziel der Invektive, sowie dem Publikum. Ein Beispiel ist die Zweite Philippika des antiken römischen Politikers Cicero: Hier invektiert Cicero seinen Kontrahenten Marc Anton.

Des Weiteren bezeichnet das Wort Meta-Invektivität Diskurse, bei denen Invektivität selbst thematisiert wird, z. B. in Debatten darüber, welche Schimpfwörter und Beleidigungen noch in den Bereich der Meinungsfreiheit fallen oder nicht mehr. Hier lässt sich die öffentliche Diskussion über Jan Böhmermanns Schmähgedicht gegen Recep Tayyip Erdoğan als Beispiel anführen.

Teilprojekte[Bearbeiten]

Der SFB ist in 13 Teilprojekte unterteilt:

Teilprojekt (mit Link) Disziplin Thema Projektleiter/in
A Alte Geschichte Invektivität in Arenen ritualisierter Kommunikation während der römischen Republik und Kaiserzeit Martin Jehne
B Klassische Philologie Invektive Inszenierungen. Verbale Herabsetzungen in der römischen Gesellschaft des 1. Jh. v. Chr. zwischen literarischer Tradition und fingierter Mündlichkeit Dennis Pausch
D Mittelalterliche Geschichte Agonale Invektiven. Schmährededuelle im italienischen und deutschen Humanismus Uwe Israel
E Ältere deutsche Literatur Sakralität und Sakrileg. Die Herabsetzung des Heiligen im interkonfessionellen Streit des 16. Jahrhunderts Marina Münkler
F Kunstgeschichte Parodie und Pasquinade. Gestalt und Genese von Modernisierungsprozessen frühneuzeitlicher Kunst Jürgen Müller
G Frühneuzeitliche Geschichte Pamphlete, Pasquille und Parolen. Invektive Dynamiken frühneuzeitlicher Öffentlichkeit Gerd Schwerhoff, Alexander Kästner
H Neuere und Neueste Geschichte Invektiven als emotionale Mobilisierung von der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus 1924–1938 Dagmar Ellerbrock
I Soziologie Das Spießerverdikt: Formen, Funktionen und Dynamiken der Invektive gegen gesellschaftliche Mittellagen in der Moderne Dominik Schrage
K Theater- und Medienwissenschaft Theater der Diskriminierung. Darstellung und Reflexion invektiver Dynamiken in Gegenwartstheater, Performance und Aktionskunst Lars Koch, Tanja Prokić
L Amerikanistik Populärkulturelle Poetiken und Politiken des Invektiven. Der invective mode im zeitgenössischen US-amerikanischen Fernsehen Katja Kanzler
M Italianistik Invektivität in literarischen und filmischen Darstellungen von Migration im Italien des 20./21. Jahrhunderts Elisabeth Tiller
P Rechts- und Verfassungstheorie Invektivität im Netz: Persönlichkeitsschutz, Freiheitsrechte und die Konstitution von (digitalen) Öffentlichkeiten Sabine Müller-Mall
R Soziologischer Kulturenvergleich und qualitative Sozialforschung Invektive Kodierungen von Interkulturalität: Ethnographische Situationsanalysen in interkulturellen Trainings und Integrationskursen Heike Greschke

Konferenzen[Bearbeiten]

Zu den Tagungen und Konferenzen, die durch den Sonderforschungsbereich 1285 organisiert wurden, gehören:

Wissenstransfer in die Öffentlichkeit[Bearbeiten]

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des SFB veranstalten viele Events für die Öffentlichkeit, um die Fragestellungen und Ergebnisse ihrer Forschung bekannt zu machen. Bisher hat es folgende Veranstaltungen[3] gegeben:

  • 23.05.2019: Der SFB 1285 in der Zentralbibliothek Dresden: „Noch so’n Spruch, Rippenbruch“ – Über den Umgang mit Beleidigungen
  • 09.–14. 04.2019: Sonderprogramm "Diskurs EUROPA. Invektivität – Das Zeitalter der Wut"  (31. FILMFEST DRESDEN)
  • 18.01.2019: Podiumsdiskussion "#provokation. 1968 und die Inszenierung der 'Neuen Rechten'"
  • 17.–18.01.2019: Workshop "Trolle, Stürme, Wolken, Blasen, Zwitschern und ein neues Unbehagen"
  • 13.11.2018: Vortrag "Transnationale Heroisierungen von Donald Trump" (Leipzig)
  • 27.10.2018: Podiumsdiskussion „Trump! – Über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten von Satire“ (Leipzig)
  • 18.–19.10.2018: Tagung "Agonale Invektivität. Konstellationen und Dynamiken der Herabsetzung im italienischen und deutschen Humanismus"
  • 12.10.2018: Lesung Francesca Melandri – "Alle, außer mir / Sangue giusto"
  • 06.10.2018: Workshop "Parrhesia. Dimensionen künstlerischer Selbstkritik"
  • 07.06.2018 LESUNG mit Podiumsdiskussion – "Invektivität/ Mit Rechten reden: Ein Abend über Invektivität und Politik"
  • 12.04.2018: "Beschimpfen, Beleidigen, Beschämen: Der SFB stellt sich vor!"
  • 13.03.2018 Lesung Mo Asumang – "Mo und die Arier"
  • 17.10.2017: Eröffnung des SFB 1285 – "Das Gespenst des Populismus. Drei Annäherungsversuche"

Ergebnispublikationen[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Aktuelle Zahlen der DFG (Quelle: online)
  2. Forschungsprogramm des SFB 1285. In: Webseite des SFB 1285. 19. November 2018, abgerufen am 26. Mai 2019.
  3. Veranstaltungen des SFB 1285 außerhalb der Universität. Abgerufen am 27. Mai 2019.


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