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E.S. v. Austria (2018)

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E.S. v. Austria war ein Fall, welcher vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) behandelt wurde. Der EGMR stellte die Gültigkeit des Urteils österreichischer Gerichte fest, welches Frau E.S. zu einer Geldstrafe von € 480 sowie den Verfahrenskosten aufgrund der Aussage, der islamische Prophet Mohammed sei pädophil gewesen, verurteilt hatte.[1]

Die Antragstellerin, Frau E.S. ist eine Österreicherin, welche 1971 geboren wurde und in Wien lebt.

 

E.S. v. Austria
Vollständige Referenz E.S. AS v. Austria
Kammer 5. Sektion, Kammer mit 7 Richtern
EGMR - Referenzzahl 38450/12
Schlagworte
Rede- und Meinungsfreiheit, Artikel 10 der europäischen Menschenrechtskonvention

Hintergründe[Bearbeiten]

Im Oktober und November 2009 hielt Frau S. zwei Seminare mit dem Titel "Grundlagen des Islams" ab, in welchen die Ehe zwischen dem Propheten Mohammed und einem sechsjährigen Mädchen namens Aisha diskutiert wurde. Die Ehe wurde vollzogen, als Aisha neun Jahre alt war. Unter anderem tätigte Frau S. die Aussage, Mohammed "hatte nun mal gerne mit Kindern ein bisschen was." sowie "Ein 56-Jähriger und eine 6-Jährige ? (...) Wie nennen wir das, wenn’s nicht Pädophilie ist?". In den Seminaren war auch ein Journalist einer Wochenzeitung anwesend, welcher sich nicht zu erkennen gab.

Auf Anfrage des Journalisten wurde ein vorläufiges Ermittlungsverfahren eröffnet und Frau S. am 11.02.2010 zu den Vorwürfen befragt. Am 12.08.2010 brachte die Staatsanwaltschaft Wien Klage gegen Frau S. aufgrund von Verhetzung (§283 StGB)[2] und Herabwürdigung religiöser Lehren (§188 StGB)[3], auch Blasphemie, am Landesgericht für Strafsachen Wien ein.

Am 15.02.2011 entschied das Landesgericht nach Anhörung, dass die Aussage, der Prophet Mohammed habe pädophile Tendenzen gehabt, zur Implikation führe, der Prophet sei es nicht würdig, verehrt zu werden. Während der Strafbestand der Verhetzung fallengelassen wurde, verurteilte das Landesgericht Frau S. zu einer Geldstrafe von 480€ sowie zum Tragen der Verfahrenskosten nach §188 StGB. Das Berufungsgericht, in diesem Fall das Oberlandesgericht Wien, wies die Berufung am 20.12.2011 mit der Begründung ab, dass selbst nach Abwägung aller Aussagen unter Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention durch das Landesgericht, die getätigten Aussagen der Angeklagten nicht zu einer objektiven Diskussion führen sollten, sondern als herabwürdigend und verspottend zu sehen seien. Am 06.06.2012 rief Frau S, in Antrag 38450/12 den EGMR an.[4] Der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens am Obersten Gerichtshof wurde am 11.12.2013 mit der Begründung zurückgewiesen, das Urteil sei zu Wahrung des religiösen Friedens gefällt worden und stelle somit einen legitimen Eingriff in die in Artikel 10 (2.) der Europäischen Menschenrechtskonvention dar.

In einem neueren Urteil des EGMR, Rabczewska v. Poland, änderte der EGMR seine Haltung und stellte deutlich dar, dass das polnische Gericht in einem ähnlichen Fall, jedoch den Katholizismus betreffend, die Interessen beider Parteien nicht ausreichend und genau abgewogen hatte. Damit wurde eine Verurteilung von 2012 aufgrund von Blasphemie aufgehoben. Unter anderem deklarierte das Gericht (in Englisch):

„The time has come to reassess this case-law. Which new direction should be taken? One new approach could be to examine all blasphemy-related restrictions on freedom of expression under Article 10 exclusively in terms of the legitimate aim of protecting public order (religious peace). We consider that the following paragraph (no. 15) of PACE Recommendation 1805 (2007) is potentially very important for any such new direction: "national law should only penalise expressions concerning religious matters which intentionally and severely disturb public order and call for public violence" (see paragraph 29 of the judgment).[5]

Ursprüngliche Statements[Bearbeiten]

Das Statement von Frau S. war ursprünglich:[6]  Eines der großen Probleme, die wir heute haben, ist dass Mohammed als der ideale Mann, der perfekte Mensch, der perfekte Muslim gesehen wird. Das heißt, das oberste Gebot für einen männlichen Moslem ist es, Mohammed nachzumachen, sein Leben zu leben. Das läuft nicht nach unseren sozialen Standards und Gesetzen ab. Weil er war ein Kriegsherr, hatte einen relativ großen Frauenverschleiß, um das jetzt einmal so auszudrücken, hatte nun mal gerne mit Kindern ein bisschen was. Und er war nach unseren Begriffen kein perfekter Mensch. Damit haben wir heute riesige Probleme, weil Muslime mit der Demokratie und unserem Wertesystem in Konflikt geraten...

Die wichtigsten von allen Rechtsschulen anerkannten Hadith-Sammlungen: Die allerwichtigste ist die Sahih Al-Bukhari. Wenn eine Hadith nach Bukhari zitiert wurde, dann können Sie sicher sein, dass es alle Muslime anerkennen. Und in der Al-Bukhari ist auch blöderweise das geschrieben mit der Aisha und dem Kindersex...

Ich erinnere mich an meine Schwester, das hab ich schon ein paar Mal erzählt, als [S.W.] in Graz ihren berühmten Sager gemacht hat, ruft mich meine Schwester an und sagt: "Um Gottes willen. Hast du ihr das gesagt?" Worauf ich gesagt habe: "Nein, ich war’s nicht, aber es ist nachzulesen, es ist nicht wirklich ein Geheimnis. " Und sie: "Das kann man doch so nicht sagen." Und ich : "Ein 56-Jähriger und eine 6-Jährige ? Wie nennst du das? Gib mir ein Beispiel? Wie nennen wir das, wenn’s nicht Pädophilie ist?" Sie: "Na ja, das muss man ein bisschen umschreiben, diplomatischer sagen." Meine Schwester ist symptomatisch. Das haben wir schon so oft gehört. "Das waren doch andere Zeiten" – das war damals nicht o.k., und es ist heute nicht o.k. Punkt. Und es passiert heute auch noch. So was ist nie gutzuheißen. Sie legen sich alle eine Wirklichkeit zurecht, weil die Wahrheit so grausam ist...“

Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte[Bearbeiten]

Nur wenn Ausdrücke unter Artikel 10 der Menschenrechtskonvention mit erhöhter Wahrscheinlichkeit dazu führen, religiöse Intoleranz anzustiften, darf ein Staat auf gesetzlicher Ebene abwägen, diese Ausdrücke als unvereinbar mit Gedankenfreiheit sowie Meinungsfreiheit anzusehen und entsprechend punitive Maßnahmen ansetzen.

Der EGMR stellte fest, dass die österreichischen Gerichte ausführlich dargestellt hatten, dass die Aussagen von Frau S. in der Lage gewesen wären, deutliche Abscheu auszulösen, insbesondere da sie nicht objektiv gehalten und damit nicht zu einer öffentlichen Debatte (z.B. Kinderehe) beigetragen hätten. Die Aussagen stellten eher dar, dass der Prophet einer Verehrung nicht würdig sei.

Ebenso stellte das Gericht fest, dass die Aussagen teilweise auf unwahren Fakten basierten und dazu führen könnten, öffentliche Ärgernis zu erregen. Die österreichischen Gerichte befanden, dass Frau S. die sexuelle Orientierung des Propheten subjektiv als pädophil bezeichnet und dabei nicht weiter neutral über die geschichtlichen Hintergründe aufgeklärt hat, was dazu führte, dass eine seriöse Debatte unter den Zuhörern nicht möglich war. Daher sah das Gericht keinen Grund, von den Urteilen der nationalen Gerichte abzuweichen, da diese auf einer detaillierten Analyse der Aussagen basierten.

Außerdem stellte das Gericht deutlich dar, dass die getätigten Aussagen auch in einer Diskussion nicht unter Artikel 10 gefallen wären, da es nicht mit der Tatsache kompatibel wäre, rechtswidrige Aussagen in eine sonst legale Meinungsäußerung zu verpacken.

Das Urteil des EGMR wurde am 25.10.2018 einstimmig gesprochen. Am 19.03.2019 beschloss ein Ausschuss aus 5 Richtern, den Rechtsspruch nicht an die Große Kammer des EGMR zu übergeben. Damit ist das Urteil endgültig und rechtskräftig.[7]

Internationale Reaktionen[Bearbeiten]

Das Urteil wurde von Journalisten kritisch angesehen, insbesondere wurden Stimmen laut, dass das Urteil ein Gesetz gegen Blasphemie in Europa "fordere". Das Urteil war für Vertreter von Menschenrechtsorganisationen besorgniserregend. Die atheistische IHEU war von dem Urteil "frustriert", da ihrer Ansicht nach das Gericht die Rechte der Klägerin nach Artikel 10 nicht wahre und nicht "zurückhaltend" geurteilt habe.[8]

Die Britische atheistische Wohltätigkeitsorganisation Humanists UK, welche sich für ähnliche Probleme einsetzt, kritisierte das Urteil als "fundamental im Gleichgewicht mit dem Geist und der Tradition freier Meinungsäußerung in Europa" und hoffte auf einen Rekurs in der Großen Kammer des EGMR. Die Organisation machte deutlich, dass in diesem Fall das Recht auf Meinungsfreiheit aus Artikel 10 gegen ein "bisher nicht vorhandenes Recht des Schutzes religiöser Ansichten" aufgewogen werde.[9] In einer späteren Rede über Blasphemie-Gesetze vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zitierten sie das Urteil als "gegenteilig zu den Prinzipien der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und für den Gedanken von Menschenrecht als internationales Unternehmen."[10]

In dem Magazin The Atlantic schreibt Simon Cottee, dass er große Bedenken über das Urteil habe, insbesondere "gab das Urteil den österreichischen Blasphemie-Gesetzen Legitimität durch den schwachen Bezug zur "Wahrung des religiösen Friedens", damit wurde denen, welche Gewalt als Verteidigung ihrer Religion anwenden, ein Veto gegen freie Meinungen gegeben."[11]

Reaktionen von Akademikern variierten jedoch. Manche Autoren sagten, das Urteil des EGMR unterscheide sich durch Anwendung anderer Standards an ähnlichen Situationen von vergangenen Urteilen, außerdem werde niemand direkt von diesen Aussagen angegriffen, stattdessen werde sich auf "Religiösen Frieden" berufen. Damit erlaube das Urteil de facto den Einsatz von Anti-Blasphemie-Gesetzen.[12]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. HUDOC - European Court of Human Rights. Abgerufen am 15. September 2023 (english).
  2. RIS - Strafgesetzbuch § 283 - Bundesrecht konsolidiert, tagesaktuelle Fassung. Abgerufen am 15. September 2023.
  3. RIS - Strafgesetzbuch § 188 - Bundesrecht konsolidiert, tagesaktuelle Fassung. Abgerufen am 15. September 2023.
  4. HUDOC - European Court of Human Rights. Abgerufen am 15. September 2023 (english).
  5. CASE OF RABCZEWSKA v. POLAND | (Requête no 8257/13) (en)
  6. Freedom of expression or criminal blasphemy?: ES v Austria | Law & Religion UK. 26. Oktober 2018, abgerufen am 15. September 2023 (british English).
  7. HUDOC - European Court of Human Rights. Abgerufen am 17. September 2023 (english).
  8. IHEU 'frustrated', as European Court fails to overturn 'blasphemy' conviction in Austria. In: Humanists International. 26. Oktober 2018 (english, humanists.international [abgerufen am 17. September 2023]).
  9. European Court of Human Rights rules that Austria can keep its blasphemy law. In: Humanists UK. Abgerufen am 17. September 2023 (british English).
  10. Humanists UK challenges Austria blasphemy ruling at UN Human Rights Council. In: Humanists UK. Abgerufen am 17. September 2023 (british English).
  11. Simon Cottee: A Flawed European Ruling on Free Speech. 31. Oktober 2018, abgerufen am 17. September 2023 (english).
  12. Andrea Gatti: Freedom of Expression and Protection of Religious Peace in Europe: Consideration on E.S. v. Austria ECtHR Case Law. In: Revista General de Derecho Público Comparado. 1. Januar 2018 (english, academia.edu [abgerufen am 17. September 2023]).


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