Franz Hemer
Franz Hemer (geboren 6. Juni 1894 in Pfeddersheim; gestorben 18. Oktober 1982 in Frankfurt am Main)[1] war ein deutscher Leutnant und Jagdflieger des Richthofen-Geschwaders im Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918), dem 18 Luftsiege zugeschrieben wurden. Hemer war ursprünglich ein begabter Konzertcellist. Wegen seines langen lockigen blonden Haares gab man ihm den Spitznamen „Locken“.[2]
Leben[Bearbeiten]
Franz Hemer wurde am 6. Juni 1894 als Hausgeburt in Pfeddersheim bei Worms geboren als Sohn des Großherzoglichen Gerichtsvollziehers Jakob Nikolaus Hemer und dessen Ehefrau Katharina geborene Thörle.[1]
Neal O’Connor, der Franz Hemer interviewt hatte, meinte: Er „war als jugendlicher Vorkriegs-Cellist ein versierter Cellist, der mit Orchestern aufgetreten [war] und Liederabende gegeben hatte und eine vielversprechende Karriere vor sich gehabt hätte, hätte ihn nicht der Krieg in die Fahnen gerufen. Vielleicht war seine angeborene Bescheidenheit der Grund, warum er nie seine Memoiren schrieb.“[3]
Hemer diente bei der Flieger-Abteilung 283 der Artillerie, bevor er am 10. September 1917 zur Jagdstaffel 6 versetzt wurde. Seinen ersten Sieg erzielte er am 27. Oktober 1917, als er einen britischen Doppeldecker Royal Aircraft Factory R.E.8 abschoss. 1917, am 12. November, traf er noch einmal. Dann wurde ihm eine Fokker Dr.I zugeteilt.[4]
Unterdessen hatte Hemer am 29. April 1917 in Leipzig die Johanna Hilde Steindorff (geboren 29. Dezember 1892 in Berlin) geheiratet,[5] einzige Tochter des ehemals jüdischen Glaubens, Anfang der 1880er Jahre zum christlich-evangelischen Glauben konvertierten Ägyptologens Georg Steindorff, Schwester von Steinhoffs einzigem Sohn, dem später in die USA ausgewanderten Schriftsteller, Übersetzer, Schauspieler und Filmautor Ulrich Steindorff.[6] Den Hemers wurden in Leipzig drei Söhne geboren; Nikolaus (geboren 24. Februar 1920), Thomas (geboren 20. April 1923) und Rudolf (geboren 3. Juli 1931).[5]
Wegen der zahlenmäßigen Unterlegenheit der deutschen Fliegertruppe hatte Manfred von Richthofen im Frühjahr 1918 eine Kampftaktik entwickelt, die von den Engländern „Flying Circus“ (deutsch: „Fliegender Zirkus“) genannt wurde. Richthofens Geschwader bestand aus der Elite der Fliegertruppe und wurde regelmäßig an Brennpunkten der Bodenkämpfe eingesetzt. Die Einheit war völlig mobil und konnte daher schnell den Standort wechseln. Zu diesem Zweck wurden die Flugzeuge demontiert und zusammen mit dem benötigten Material auf Lastwagen verladen. So konnte das Geschwader ähnlich einem Wanderzirkus innerhalb kürzester Zeit zu den entsprechenden Einsatzgebieten verlegt werden, die meistens in unmittelbarer Nähe der Front lagen. Da die Alliierten sich über diese Taktik im Klaren waren und das Auftauchen des Geschwaders genauestens registrierten, verzichtete man auf deutscher Seite auf die sonst übliche Tarnfarbe an den Flugzeugen und malte sie stattdessen bunt an. Hemer ließ sich eine wellenförmige gelbe Linie über die gesamte Länge des Rumpfes malen, die seine welligen Haarsträhnen symbolisierten, die ihm den Spitznamen „Locken“ gegeben hatten.[4]
Ende März 1918 wurde er, was man in Kampfpilotenkreisen ein Fliegerass nennt. Er erzielte mindestens fünf weitere Siege mit dem Dreidecker, bevor er auf eine Fokker D.VII umstieg. Seinen letzten Sieg erzielte er am 8. August 1918. Am folgenden Tag wurde er im Einsatz verwundet, als seine Fokker D.VII während eines Luftkampfes mit RAF DH.9s der Nr. 49 Squadron RAF unterstützt von Sopwith Camels abgeschossen wurde. In der „Deutschen Verlustliste“ vom 9. September 1918 wird er mit Rang eines Vizefeldwebels, „als leicht verwundet, bei der Truppe“ aufgeführt.[7] Während seiner Genesung wurde er zum Leutnant ernannt. Offenbar kehrte er jedoch vor Kriegsende nicht in den Flugdienst zurück.[2]
Ausgezeichnet wurde er mit dem Eisernen Kreuz und dem Königlichen Hausorden von Hohenzollern.
„Der Dreidecker war meine Lieblingskampfmaschine, weil er so wunderbare Flugeigenschaften hatte. Ich konnte Kunststücke machen – Looping und Rolle – und konnte einem Feind ausweichen, indem ich mit absoluter Sicherheit wegtauchte. Der Dreidecker musste aufgegeben werden, da er zwar sehr wendig, aber nicht mehr schnell genug war.[8]“
Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, im Jahr der Reichspogromnacht, wurden die Hemers 1938, wie der Ägyptologe Dietrich Raue in einer Rückbetrachtung schrieb, „im Rahmen der sog. »Arisierung« der Geschäftswelt“, zwangsgeschieden.[9] Johanna Hilde Hemer, die sich selbst als Jüdin sah, emigrierte Ende 1938 zusammen mit ihren beiden jüngsten Söhnen - der älteste war noch als Jugendlicher nach Sydney in Australien ausgewandert[5] - zunächst über Bremen mit der S. S. Bremen nach New York, um von dort aus nach Ensenada, Mexiko weiterzureisen, wo sie eine zeitlang wohnte. Ziel war ihr Bruder Ulrich Steindorff in Burbank, Kalifornien. Am 2. Oktober 1940 reiste Johanna Hilde mit ihren Kindern am Grenzübergang in San Ysidro, Kalifornien in die USA ein, ließ sich in Van Nuys nieder und stellte 1941 einen Antrag auf Einbürgerung.[5] Doch auch nach seiner Scheidung blieb Franz Hemer mindestens bis 1939 mit „Hilde“ in brieflichem Kontakt.[10]
Franz Hemer heiratete am 24. Februar 1939 auf dem Standesamt Leipzig I ein zweites Mal.[1]
Trotz der sich stetig verschärfenden Verfolgung der aus dem jüdischen Kulturkreis stammenden Menschen korrespondierte Franz Hemer weiterhin mit seinen Anverwandten aus der Familie der Steindorffs, insbesondere mit dem Ägyptologen Georg Steindorff und dessen Ehefrau Elise. Insgesamt 13 Schriftstücke Hemers aus der Zeit von Januar 1939, aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges und aus der Nachkriegszeit bis 1948 stellte das Deutsche Archäologische Institut (DAI) als digitalisiertes Kulturgut online zur Verfügung.[11]
Im Zivilleben wurde Hemer Geschäftsführer des alteingesessenen Pelzhandelsunternehmens König & Bruder im Pelzhandelszentrum Leipziger Brühl, Firmenhauptsitz in Wien, als Nachfolger von Fritz Bachrach.[12] Seinen Wohnsitz hatte er 1933 in Oetzsch-Markkleeberg.[13]
In der Nachkriegszeit betrieb Hemer in der späteren Bundesrepublik einen Pelzgroßhandel mit Fellen und Pelzkonfektion.[14][15] Im September 1950 inserierte der Rauchwarenhändler Heinrich Korth aus Frankfurt am Main, Niddastraße, dass sich bei ihm das Rauchwarenlager von Franz Hemer, Göttingen befindet.[16] Anschließend unterhielt Hemer unter seinem Namen eine eigene Geschäftsstelle im Pelzhandelszentrum Niddastraße, in der Düsseldorfer Straße 15.[17] Im Jahr 1954 ist Franz Hemer das letzte Mal im Fachverzeichnis aufgeführt.[18]
Als sich 1956 ehemalige Mitglieder des Jagdgeschwaders Freiherr von Richthofen trafen, war auch Hemer mit dabei.[19] Franz Hemer starb am 18. Oktober 1982 in Frankfurt am Main.[4]
Weblinks[Bearbeiten]
- Korrespondenz Franz Hemers in der Datenbank des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI)
- Hemer, Franz in der Deutschen Biographie
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Geburtsurkunde Franz Hemer, 1894 inklusive handschriftliche standesamtliche Nachtragungen
- ↑ 2,0 2,1 Greg VanWyngarden: ‘Richthofen’s Circus’: Jagdgeschwader Nr 1. 2004, Bloomsbury USA (englisch), ISBN 978-1-84176-726-0
- ↑ Fokker Dr.I Dreideckerholics Anonym. Primärquelle: Neal O’Connor, Volume VII (englisch). Abgerufen am 17. Juni 2021.
- ↑ 4,0 4,1 4,2 Norman L. R. Franks: Above the Lines: The Aces and Fighter Units of the German Air Service, Naval Air Service and Flanders Marine Corps 1914–1918, London: Grub Street, 1993, ISBN 0-948817-73-9,S. 126–127 (englisch).
- ↑ 5,0 5,1 5,2 5,3 Declaration of Intention (Einbürgerungsantrag von Johanna Hilde Steindorff) vom 11. April 1941 in Los Angeles, USA
- ↑ Elke Blumenthal, Kerstin Seidel : Steindorff, Georg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 173–175 (Digitalisat).
- ↑ Deutsche Verlustliste 26141 vom 9. September 1918.
- ↑ Franz Hemer. Abgerufen am 14. September 2019.
- ↑ Dietrich Raue: Der „J'accuse"-Brief an John A. Wilson. Drei Ansichten von Georg Steindorff. In: Susanne Bickel, Hans-Werner Fischer-Elfert, Antonio Loprieno, Sebastian Richter (Hrsg.): Ägyptologen und Ägyptologien zwischen Kaiserreich und Gründung der beiden deutschen Staaten. Reflexionen zur Geschichte und Episteme eines altertumswissenschaftlichen Fachs im 150. Jahr der Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde ( = Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde. Beiheft, Heft 1), Berlin: Akademie-Verlag, 2013, ISBN 978-3-05-006340-9 und ISBN 3-05-006340-8, S. 345ff; hier: S. 350; Vorchau über Google-Bücher
- ↑ online-Digitalisat eines im November 1939 von Franz Hemer an Georg Steindorff gerichteten handschriftlichen Briefes auf der Seite des Deutschen Archäologischen Instituts
- ↑ Hemer, Franz in der Datenbank des DAI.
- ↑ Philipp Manes: Die deutsche Pelzindustrie und ihre Verbände 1900–1940, Versuch einer Geschichte. Berlin 1941 Band 4. Durchschrift des Originalmanuskripts, S. 336 (→ Inhaltsverzeichnis).
- ↑ 1933 / 20 p. 9 Deutscher Reichsanzeiger. 24. Januar 1933. Abgerufen am 17. Juni 2021.
- ↑ Brief an den Schwiegervater Georg Steindorff (1861–1951). 1. August 1948. Abgerufen am 20. Juni 2021.
- ↑ Franz Hemer, Göttingen, Weender Landstr. 59. Rauchwaren Import-Export, Pelzkonfektion in modelligen Mittelgenre. Ganzseitige bebilderte Anzeige in: Rund um den Pelz, Nr. 3, März 1951, S. 22.
- ↑ Anzeige Heinrich Korth, September 1950.
- ↑ Eintrag Telefonbuch.
- ↑ Winckelmann Fachadressbuch der Rauchwaren- und Pelzwirtschaft und des Kürschnerhandwerks für Deutschland. 62. Ausgabe, 1954, S. 15
- ↑ www.frontflieger.de, Wilhelm Allmenröder, Georg Simon: Jagdgeschwader Nr. I – Jagdgeschwader Freiherr von Richthofen. Abgerufen am 17. Juni 2021. „Teilnehmer des Richthofen-Treffens 1956: Gustav Bellen, Carl Bodenschatz, Dr. Ewald von Conta, Kurt-Bertram von Doering, Hans Eissfeldt, Otto Ludiwg Förster, Viktor von Fabrice, Willi Gabriel, C. Galetschky, Alfred Gerstenberg, Heinz Graf Gluszewski-Kwilecki, Justus Grassmann, Wilhelm-Gisbert Groos, Walter Grosch, Aloys Heldmann, Franz Hemer, Rudolf Klamt, Friedrich August Freiherr von Köckeritz, Egon Koepsch, Kurt Küppers, Arthur Laumann, Hans-Carl von Linsingen, Walter Lehmann, Kurt Lischke, Friedrich-Wilhelm Lübbert, Heinrich Maushake, Alfred Niemz, Werner Nöldecke, Hans-Georg von der Osten, Leopold Ritter von Raffay, Werner Ritter von Raffay, Karl Riehm, Oskar Rousselle, Otto Rödiger, Kurt Schibilsky, Karl-August von Schoenebeck, Julius Schulte-Frohlinde, Hans Suck, Alfred Wenz, Paul Wenzel. Wilhelm Allmenröder, Georg Simon“
Personendaten | |
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NAME | Hemer, Franz |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Leutnant und Jagdflieger |
GEBURTSDATUM | 6. Juni 1894 |
GEBURTSORT | Pfeddersheim |
STERBEDATUM | 18. Oktober 1982 |
STERBEORT | Frankfurt am Main |
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