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Karl Nelke

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Karl Nelke

Karl Nelke (geboren 2. Juli 1896 in Delligsen[1] bei Alfeld[2] gestorben 18. Juni 1984 in Hannover) war ein deutscher Unternehmer und Überlebender des Holocaust.

Leben[Bearbeiten]

Karl Nelkes Eltern waren in Delligsen tätige Juden. Sein Vater war der Delligser Buchbinder- und Buchdruckermeister Hermann Nelke (geboren 1831), der mit seiner Ehefrau Berta[1] oder Bertha geborene Katzenstein[3] (geboren 1858, gestorben 30. Dezember 1940 in Hannover) ein Schreibwarengeschäft mit angeschlossener Buchdruckerei und einem Fotoatelier führte.[1]

Karls jüngere Schwester Henny wurde am 23. Juli 1898 geboren. Sie heiratete im März 1923 den Gymnasiallehrer Adolf Klimt (geboren 28. März 1897 in Emmerstedt), der nach seinem Dienst als Soldat im Ersten Weltkrieg seine Ausbildung als Lehrer beendet und dann eine Stelle als Lehrer am Delligser Gymnasium angetreten hatte. Die beiden bekamen in Delligsen die drei Töchter Elisabeth (geboren 9. Juni 1924), Annemarie (geboren 31. Dezember 1925) und Ilse (geboren 25. Juli 1929).[1]

Karl Nelke besuchte die Volksschule in Delligsen und danach vom 10. bis 14./15. Lebensjahr die Jacobsonschule in Seesen. Anschließend besuchte er die Handelsschule in Northeim und absolvierte im Anschluss von 1911 bis 1914 eine kaufmännische Lehre im Northeimer Manufakturwarengeschäft Louis Stern.[3]

Im Ersten Weltkrieg kämpfte er an der Ost- und Westfront, wurde durch einen Streifschuss am Gesäß und eine Granatverwundung am Ellenbogen leicht verwundet. Wegen einer Lungenentzündung lag er drei Monate im Lazarett.[3]

1924 übersiedelte er von Delligsen nach Hannover, wo er 1926 Luise geborene Thoms (geboren 8. März 1905) heiratete. Mit ihr bekam er sechs Kinder.[3]

Ab Ende der 1920er Jahre war Karl Nelke anfangs nur beruflich, später freundschaftlich mit Max Fürst verbunden. Dessen Sohn Helmut Fürst heiratete Nelkes Nichte Annemarie.[1]

Ab 1928 war er kaufmännischer Angestellter der Firma Hönig & Co, die 1930 in der Georgstraße das Möbelhaus Möbeha GmbH gründete, die Nelke dann als Geschäftsführer leitete. Die Firma ging im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1931/32 in Konkurs; Nelke wickelte das Unternehmen als Beauftragter des Konkursverwalters von 1932 bis 1933 ab.[3]

Im Jahr der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten war Nelke 1933 zunächst arbeitslos, erhielt dann eine Stelle als Hilfsarbeiter für Erdarbeiten u. a. im Großen Garten Hannover-Herrenhausen.[3]

Spätestens ab 1936 wohnte Nelke mit seiner Familie im Haus Bödekerstraße 39[1] (heute 92),[3] wohin er im selben Jahr auch seine verwitwete Mutter holte.[1]

Nach den Erschwernissen durch die Nürnberger Rassengesetze – er galt mit vier jüdischen Großeltern nun als „Volljude“ – fand Nelke 1937 Anstellung als Abteilungsleiter bei der von einem jüdischen Besitzer geführten Regenmäntelfabrik Fritz Weingarten in der Artilleriestraße. Nach der „Arisierung“ der Firma im November 1938 wurde er vom Nachfolger weiterbeschäftigt, aber schließlich zum Kriegsbeginn 1939 entlassen. Er arbeitete dann wieder als Hilfsarbeiter für Erdarbeiten.[3].

Nelkes lebte in einer sogenannten privilegierten „Mischehe“ mit einer „Nichtjüdin“. Ende 1939 Anfang 1940 erhielt er eine Anstellung als Lagerarbeiter bei der Spedition M. Neldel in der Bödekerstraße. Diese zahlte einen verhältnismäßig guten Lohn, da in dieser Zeit die hannoverschen „Judenwohnungen“ geräumt wurden. Nelke – und mit ihm seine Ehefrau und seine noch minderjährigen Kinder – blieb von Zwangseinweisung in ein sogenanntes „Judenhaus“ verschont, mutmaßlich setzte sich sein Arbeitergeber für ihn ein.[3]

In der Gestapo-Sammelstelle in der Israelitischen Gartenbauschule Ahlem verrichtete Nelke zwischen 1941 und Juni 1943 Zwangsarbeiten im Rahmen der Zusammenstellung und Abfertigung der Deportationen aus Hannover. Abgesehen von einem durchgängigen Aufenthalt in Ahlem in der Zeit vom 5. bis 12. November 1941 konnte er abends jeweils wieder seine Wohnung aufsuchen.[3]

Obwohl viele in „Mischehe“ lebende jüdische Männer und Frauen aus Hannover noch im Februar 1945 nach Theresienstadt deportiert wurden, blieb Nelke auch dies erspart.[3]

Noch bis 1965 lebte Nelke in der Bödekerstraße.[3]

Wirken[Bearbeiten]

In der frühen Nachkriegszeit übernahm Nelke mit Genehmigung der Britischen Militärbehörden 1945 das Hannoversche Speditions- und Lagerhaus M. Neldel und gliederte das Unternehmen seiner eigenen Firma an.[2]

Als Lager nutzte Nelke anfangs einige Überreste der zerbombten ehemaligen Kriegsschule am Waterlooplatz, wo später das Finanzamt Hannover-Mitte erbaut wurde. Der Fuhrpark bestand zunächst nur aus einem zuvor von der Wehrmacht genutzten Büssing 105 mit Allradantrieb, einem von den Briten ausgemusterten Bedford und einem von einem Pferd gezogenen offenen Fahrgestell. Die durch die Hochwasserkatastrophe 1946 angeschwemmten englischen Benzinkanister bildeten einen wichtigen Teil des Gründungskapitals. Ab dem 1. Januar 1948 firmierte das Unternehmen dann unter dem neuen Namen Nelke-Spedition.[4]

1950 siedelte die Firma auf das Gelände des ehemaligen Heeresverpflegungsamtes Am Nordring 1–2 über, wo eine zerbombte Lagerhalle mit selbst geputzten Ziegelsteinen notdürftig hergerichtet wurde. Von dort aus konnte Nelke einen ersten Linienverkehr nach Nürnberg und München anbieten.[4] Die Spedition mit eigenem 10.000 qm umfassenden Lager mit Umschlagshallen in Rampenhöhe am Nordring und in der Möckernstraße 37 bot mit 36 Fachkräften Güterfern-, Übersee- und Luftfrachtverkehr, Export und Import sowie Lagerung an.[2]

Seit Anfang der 1950er Jahre unterhielt Nelke Filialen in Bremen, München, Freilassing und Passau.[2] Er war unter anderem spezialisiert auf Transporte nach Israel und stand deswegen 1953 auf einer Boykottliste der saudi-arabischen und der syrischen Regierung als Antwort auf die westdeutschen Wiedergutmachungslieferungen an Israel infolge des Luxemburger Abkommens.[5]

Neben seiner Tätigkeit als Unternehmer amtierte er unter anderem in niedersächsischen und bundesweit tätigen Fachvereinigungen als

Ab 1954 leitete Nelkes Sohn und Mitinhaber Karl-Heinz Nelke als Geschäftsführer die Firma, die aus ihrer Namensabkürzung Nelke Spedition ihren Wahlspruch „mit NESPE von Haus zu Haus“ ableitete. Zum Erfolg des Unternehmens trug zudem die Filmproduktions-Firma Agir mit einem Plakat zu den Transportmitteln Nelkes bei.[2] Nach dem Ausscheiden der Gründerfamilie 1957 übernahm Günter Leonhardt das Unternehmen, für das er bis Anfang der 1960er Jahre mehr als 1000 „Verlader“ gewinnen konnte.[4]

Mit der ersten EDV wurde der Terminverkehr optimiert; weitere Niederlassungen entstanden 1964 in Hameln, 1968 in Braunschweig, 1969 in Hildesheim und Celle 1970. Eine Agentur in Dorfmark vermittelte weitere Aufträge für die auf 250 Mitarbeiter angewachsene Firma. Von 1973 bis 1975 wurde die alte Betriebsstätte mit der aus Altwarmbüchen und am Guisindeweg umgesiedelt auf ein anfangs 35.000qm großes Gelände in Laatzen mit eigenem Gleisanschluss nahe dem Messegelände Hannover. Etwa 400 „Brummis“ bewegten sich täglich am neuen Betriebsgelände an der Ulmer Straße mit seinen rund 7.000qm Hallenfläche sowie 40 Wechselbrücken und Großraumeinheiten an den Versandrampen. Allein in der Region Hannover erhielten rund 800 Kunden täglich ihre Waren. Am Stückgut-Terminal fertigten bis zu 80 LKW gleichzeitig an zwei Gleisen täglich mehr als 100 Güterzuge ab in Richtung der 37 Verteilstationen im Bundesgebiet und in alle Wirtschafts- und Handelszentren Westeuropas. Nelkes LKW-Flotten legten Mitte der 1980er Jahre in Europa täglich rund 80.000 km zurück. Die See- und Luftfracht-Abteilung organisierte den Weitertransport nach Übersee. Für Gefahrgut wurden Mitarbeiter kontinuierlich geschult; diesbezüglich durchliefen auch Beamte der Polizei-Schule Wennigsen einen Teil ihrer praxisbezogenen Ausbildung im Hause Nelke.[4]

1983 erarbeitete Nelke in Zusammenarbeit mit der Interessengemeinschaft der Spediteure ein Konzept zur Datenfernübertragung (DFÜ) für den Sammelverkehr. Neben Telebox und Deutsche Mailbox für den frühen E-Mail-Austausch kamen Datex-Anbindungen für Telex und Bildschirmtext zum Einsatz; über das Transpotel-Netz kommunizierte Nelke europaweit mit rund 5000 Beteiligten und Kooperationspartnern. Mit bald mehr als 350 Mitarbeitern konnte die Laatzener Firma einen bundesweiten Übernacht-Verkehr und einen 24-Stunden-Service für sämtliche Sendungen anbieten.[4]

Absenderfreistempel mit dem Logo der Nelke Spedition von 1996 aus der Ulmer Straße in Laatzen

1985 erwarb Nelke, bei dem bis zu 14 Lehrlinge gleichzeitig ausgebildet wurden, von der Grundig AG ein bis zur Karlsruher Straße nördlich angrenzendes Industriegrundstück mit weiteren 50.000 qm, auf dem im 1986 ein Verkehrshof für Nelkes Mercedes-Benz-Flotte eingerichtet wurde sowie eine Paketumschlag-Anlage für die befreundeten Unternehmen Gebr. Hellmann und Nordpaket. Zeitgleich wurden die Pläne für ein „futuristisches, neues Distribution-Center“ erarbeitet.[4]

Nachdem Anfang der 1990er Jahre die Karl Nelke Spedition GmbH & Co. KG unter einem weiteren Sitz in der Europastraße 1 in Lehrte firmierte,[7] übernahm Mitte des Jahrzehnts das spätere Transport- und Logistikunternehmen Hellmann Worldwide Logistics die Firma Nelke.[8] 1999 wurde die in Laatzen ansässige Karl Nelke Spedition im Amtsgericht Hannover im Handelsregister unter der Nummer HRA 23614 gelöscht.[9]

Nelke-Museum[Bearbeiten]

In der eigenen KFZ-Werkstatt restaurierte die Firma ausgediente Oldtimer, die zunächst im Nelke-Museum verwahrt wurden. Dazu zählten eine B&V-Tankstelle mit Handpumpe von 1926, ein 2 PS-starker Pferdewagen mit 0,7t Nutzlast von 1938, ein Büssing NAG Baujahr 1942, ein Hanomag D 57 Baujahr 1958 und ein Daimler-Benz L 311 Baujahr 1960. Zudem barg Günter Leonhardt im Sommer 1986 gemeinsam mit dem Direktor des Luftfahrt-Bundesamtes Karl Kössler, Oberst Walter Holinka vom Lufttransportgeschwader 62 und anderen vier im Jahr 1940 im Hartvigvannsee bei Narvik in Norwegen versunkene Flugzeuge des Typs JU 52.[4]

In den „[...] alten Hallen der Spedition Nelke“[10] eröffnete Günter Leonhardt 1992 mit ausdrücklichen Dank an alle Mitarbeiter der Spedition seit 1948 das Luftfahrt-Museum Laatzen-Hannover.[11]

Siehe auch[Bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten]

  • Nelke. Ein Feuerwerk aus Ideen und Lösungen. 40 Jahre Nelke-Spedition, mit Fotos von Ilse Charlotte Kik und aus dem Firmenarchiv, hrsg. von der Nelke-Spedition GmbH & Co. KG, Hannover: Druckerei Josef Grütter, [o.D., 1988]
  • Renate Riebe: Die Fürsts. Geschichte einer deutsch-jüdischen Familie (= Schriftenreihe der Gedenkstätte Ahlem, Sonderedition, Bd. 6), 1. Auflage, mit Illustrationen und einer Karte, Hannover: Wehrhahn Verlag, 2017, ISBN 978-3-86525-806-9
  • Waldemar R. Röhrbein: Nelke - Karl N. Spedition In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 464

Archivalien[Bearbeiten]

Archivalien von und über Karl Nelke finden sich beispielsweise

Weblinks[Bearbeiten]

 Commons: Karl Nelke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 Renate Riebe: Die Fürsts - Geschichte einer deutsch-jüdischen Familie ( = Schriftenreihe der Gedenkstätte Ahlem, Sonderedition, Band 6), 1. Auflage, Hannover: Wehrhahn Verlag, 2017, ISBN 978-3-86525-806-9, S. 100, v.a. S. 108–109; Digitalisat der Cajewitz-Stiftung
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 2,9 Heinz Lauenroth, Ewald Brix, Herbert Mundhenke (Red.): Karl Nelke. Internationaler Spedition-, Güterfern-, Übersee- und Luftfrachtverkehr. Export, Import und Lagerung. Nordring 1–2, Möckernstrasse 37'', in dies.: Das Buch der alten Firmen der Stadt Hannover 1954, Hannover: Adolf Sponholtz Verlag, 1954, S. 376–377
  3. 3,00 3,01 3,02 3,03 3,04 3,05 3,06 3,07 3,08 3,09 3,10 3,11 Beleg fehlt noch
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 Nelke. Ein Feuerwerk aus Ideen und Lösungen. 40 Jahre Nelke-Spedition, mit Fotos von Ilse Charlotte Kik und aus dem Firmenarchiv, hrsg. von der Nelke-Spedition GmbH & Co. KG, Hannover: Druckerei Josef Grütter, [o.D., 1985], unpaginiert
  5. Der Spiegel vom 20. Mai 1953, S. 33; Digitalisat
  6. Albert Lefèvre: Personalien, in ders.: 100 Jahre Industrie- und Handelskammer Hannover. Auftrag und Erfüllung, Wiesbaden: baco – Verlag für Wirtschaftspublizistik H. Bartels KG, 1966, S. 237ff.; hier: S. 253
  7. Who Owns Whom, Bd. 1: Continental Europe, 1991, S. 960; Vorschau über Google-Bücher
  8. Meike Stephan (Red.): 150 Jahre Hellmann, in der Zeitschrift express, Kundenmagazin der Night Star Express, Nummer 2, 2021, S. 6–7; PDF-Dokument
  9. Karl Nelke Spedition GmbH & Co. KG., Laatzen✝︎, Firmenauskunft auf der Seite northdata.de
  10. Nils Oehlschläger: Ein Museum will durchstarten, Artikel in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 13. April 2018; transkribiert als PDF-Dokument auf der Seite des Luftfahrtmuseums, zuletzt abgerufen am 24. Februar 2023
  11. Andreas Fuchs: Abbildung der Danksagungs-Tafel im Luftfahrtmuseum vom 6. November 1992 auf der Seite myheimat.de



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