Wiedergeburt im germanischen Heidentum
Überlieferte Texte deuten darauf hin, dass es einen Glauben an die Wiedergeburt im germanischen Heidentum gab. Beispiele dazu kommen in der eddischen Dichtung und Sagen vor, auch durch die Verbindung mit Namensgebungen und/oder durch die Familienlinie. Forscher haben die Bedeutung dieser Hinweise studiert und Theorien über die Glaubensvorstellungen zu Wiedergeburt unter den germanischen Völkern vor der Christianisierung, sowie zu einem gewissen Grad im Volksglauben danach, aufgestellt.
Überlieferungen[Bearbeiten]
Im alten Rom[Bearbeiten]
Im 2. Jahrhundert n. Chr. schrieb Appian in seinem Geschichtswerk Rhomaika (Ῥωμαικά „Römische Geschichte“), dass die Germanen den Tod nicht fürchteten, weil Sie auf Wiedergeburt hofften.[1]
Im Mittelalter[Bearbeiten]
Im Lied von Helgi dem Hundingstöter in der Lieder-Edda sollen Helgi und seine Walkürengeliebte wiedergeboren worden sein: In der Prosa am Ende von „Helgakviða Hjörvarðssonar“ heißt es, Helgi Hjörvarðsson und Sváva seien später wiedergeboren worden. Am Ende von „Helgakviða Hundingsbana II“ wird geschrieben, dass nach „alten Überlieferungen“, die heute als „Lügengeschichten alter Frauen“ abgetan werden, Helgi Sigmundsson als Helgi Haddingjaskati (Fürst der Haddingjar) und Sigrún als Kara Hálfdanardóttir wiedergeboren wurden.[2][3][4][5] Hingegen in „Sigurðarkviða hin skamma“ äußert Högni den Wunsch, dass Brynhildr nicht wiedergeboren wird.[3][6]
In der Flateyjarbók-Version der Óláfs saga helga erzählt der „Þáttr Ólafs Geirstaða Alfs“, wie der tote Ólaf Geirstaða Álfr im Traum die Anweisung gibt, seinen Grabhügel zu rauben, seinen Körper zu verstümmeln und seinen Gürtel zu benutzen, um die Geburt eines Jungen zu erleichtern, der nach ihm benannt werden und sein Schwert und sein Messer erhalten soll; der Junge wird Olav II. von Norwegen, Olav der Heilige. Unter seinen Anhängern wird gemunkelt, dass es sich um den früheren Olaf handelt, der wiedergeboren wurde.[3][5][7][8] Nora Chadwick war der Meinung, dass womöglich sich auf den Namen des älteren Olaf beziehend, sich der Begriff der álfar (Elfen) bildete, als Seelen, die auf ihre Wiedergeburt warten.[9]
Ebenfalls gibt es Erwähnungen in zwei Vorzeitsagas, in denen Jungen mit Geburtsmalen geboren werden, die den Wunden entsprechen, welche ihren Vorfahren zugefügt wurden: In der Gautreks saga spielt ein Gedicht von Starkaðr auf die Male an seinem Körper an, wo seinem Großvater seine acht Arme vom Gott Thor abgerissen wurden.[5] In einer Version der Þórðar saga hræðu wird Þórðr mit einem Muttermal auf seinem linken Arm geboren, das einer Wunde entspricht, die seinem Vater zugefügt wurde.[10]
Namen[Bearbeiten]
In „Helgakviða Hundingsbana II“ erhält der zweite Helgi seinen Namen, während er auf einem Grabhügel sitzt; König Olaf wurde auf seinen Wunsch hin nach einem in einem Grabhügel begrabenen Mann benannt; und in einer anderen Erzählung in Flateyjarbók sowie in der Vatnsdæla saga, der Svarfdæla saga und der Finnboga saga bitten tote und sterbende Männer darum, dass ihre Namen weitergegeben werden, oft an zukünftige Söhne derjenigen, mit denen sie sprechen. Hilda Ellis Davidson sah in diesen Passagen einen Zusammenhang zwischen der Namensvergabe und der Idee der Wiedergeburt.[11] Gustav Storm schlug diese Interpretation in einem Artikel von 1893 vor;[12] eine Untersuchung isländischer Genealogien durch Max Keil unterstützte diese Schlussfolgerung, stellte aber Storms Idee in Frage, dass es einen Wechsel in der Praxis von der Namensgebung durch Variation zur Namensgebung durch Wiederholung gab, und unterschied außerdem den Glauben an die Wiedergeburt von der Seelenwanderung, wie sie in der östlichen Religion verstanden wird, die einen Fortschritt über eine Reihe von Leben beinhaltet.[13]
Beide Historiker stellten fest, dass der Name des Großvaters am häufigsten wiederverwendet wurde - Jan de Vries sah in der Ableitung des deutschen Wortes „Enkel“, vom althochdeutschen eninchilî, „kleiner Großvater“, eine Stütze für die Idee, dass der Glaube an die Wiedergeburt dem Brauch zugrunde liegt, bei der Namensgebung eine Generation zu überspringen - und nur selten der einer noch lebenden Person genutzt wurde, und auch Keil kam zu dem Schluss, dass die genealogischen Belege, die es für Frauen gibt, auf die gleiche Praxis bei der Namensgebung hindeuten wie für Männer.[13] Auch der samische Brauch der Namensgebung beruht auf dem Glauben, dass Menschen in derselben Familie wiedergeboren werden.[14][15]
Archäologie[Bearbeiten]
Karl August Eckhardt, der ein Buch über das Konzept der Wiedergeburt innerhalb der Großfamilie oder des Clans veröffentlichte, schlug vor, dass die Bestattungsposition mit den an den Körper angezogenen Beinen die Position des Fötus im Mutterleib nachahmt und daher ein Beweis für den Glauben an die Wiedergeburt ist..[16]
Quellen[Bearbeiten]
- ↑ Zitiert in de Vries, S. 217.
- ↑ Hilda Roderick Ellis, The Road to Hel: A Study of the Conception of the Dead in Old Norse Literature, Cambridge: Cambridge University, 1943, repr. New York: Greenwood, 1968, OCLC 311911348, S. 139.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Jan de Vries, Altgermanische Religionsgeschichte, Grundriß der germanischen Philologie 12.1, Berlin: De Gruyter, 1935, rev. ed. 1956, repr. as 3rd ed. 1970, OCLC 848545556, S. 183 deutsch.
- ↑ "Haddingjar" in: John Lindow, Norse Mythology: A Guide to the Gods, Heroes, Rituals, and Beliefs, Santa Barbara, California: ABC-Clio, 2001, repr. Oxford: Oxford University, 2002, ISBN 978-0-19-515382-8, S. 157.
- ↑ 5,0 5,1 5,2 N. K. Chadwick, "Norse Ghosts (A Study in the Draugr and the Haugbúi", Folklore 57.2, June 1946, S. 50–65, S. 57–59.
- ↑ Ellis, S. 140.
- ↑ Ellis, S. 138–39.
- ↑ E. O. G. Turville-Petre, Myth and Religion of the North: The Religion of Ancient Scandinavia, History of Religion, London: Weidenfeld and Nicolson, 1964, OCLC 606010675, S. 193–95: "We can safely say that some people thought that St Ólaf was his older namesake reborn".
- ↑ Chadwick, S. 58 und Anmerkung 18.
- ↑ Ellis, S. 140–41.
- ↑ Ellis, S. 139–42.
- ↑ Gustav Storm, "Vore Forfædres Tro paa Sjælvandring og deres Opkaldelsessystem", Arkiv för nordisk filologi (1893) 119–20; zitiert in Ellis, S. 143–44.
- ↑ 13,0 13,1 Max Keil, Altisländische Namenwahl, Palaestra 176, Leipzig: Mayer & Müller, 1931, OCLC 898959310; zitiert in Ellis, S. 142, 144–45.
- ↑ Ellis, S. 146.
- ↑ Thomas A. DuBois, Nordic Religions in the Viking Age, The Middle Ages Series, Philadelphia: University of Pennsylvania, 1999, ISBN 978-0-8122-1714-8, S. 75.
- ↑ Karl August Eckhardt, Irdische Unsterblichkeit: germanischer Glaube an die Wiederverkörperung in der Sippe, Studien zur Rechts- und Religionsgeschichte 1, Weimar: Böhlau, 1937, OCLC 977866293, S. 128, zitiert in de Vries, Volume 1, S. 79, Anmerkung 2.
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