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Yeter Güneş

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Yeter Güneş (* 14. März 1964) ist eine politische Aktivistin aus der Türkei. Yeter Güneş setzte sich gegen das Regime der Türkei der 1980er Jahre ein. Sie war sechs Jahre im Gefängnis Mamak inhaftiert, wo sie gefoltert und misshandelt wurde. Gemeinsam mit ihren politischen Mitgefangenen leistete sie Widerstand und trat unter anderem in einen Hungerstreik. 1996 musste sie die Türkei verlassen und konnte 20 Jahre nicht mehr zurückkehren.[1] Sie lebt heute in Österreich.

Leben und Wirken[Bearbeiten]

Yeter Güneş wuchs in Ankara auf und wurde dort bereits als Schülerin Aktivistin. Sie setzte sich als junge Erwachsene aktiv gegen faschistische Tendenzen in der Türkei ein. Nach dem Militärputsch am 12. September 1980 wurden Oppositionelle wie Yeter Güneş festgenommen. Sie wurde in der kurdischen Provinz Elazığ verhaftet und in das damals noch geheime Folterzentrum „1800 evler“ (übersetzt: 1800 Häuser) verschleppt. 1981 wurde sie ins Verhörzentrum der Polizei von Ankara gebracht und von dort aus im April 1981 ins Gefängnis nach Mamak überstellt.[1]

Nach der Verhaftung[Bearbeiten]

Gemeinsam mit zahlreichen anderen Mitstreiterinnen und Mitstreitern wurde Yeter Güneş nach ihrer Verhaftung vor Gericht gestellt. Zahlreiche ihrer Mitstreiter wurden innerhalb kurzer Zeit hingerichtet, zu Tode gefoltert oder sind verschwunden. Genaue Zahlen der Opfer und Verschwundenen der Folter in der Türkei sind bis heute noch nicht bekannt. Noch immer suchen die sogenannten Samstagsmütter nach den Verschwundenen.[2] Diese Organisation wurde mittlerweile von der aktuellen türkischen Regierung kriminalisiert. Sie steht in der Türkei vor Gericht.[3] Yeter Güneş wurde nach Paragraph 146/1 des türkischen Strafgesetzbuches (Hochverrat) angeklagt, was die Todesstrafe bedeutete. Da sie zum Zeitpunkt des Urteils noch nicht volljährig war, erhielt sie zunächst eine Haftstrafe von sechs Jahren.[4] Im Gefängnis Mamak war sie unmenschlichen Haftbedingungen ausgesetzt. Sie wurde gefoltert und sollte dabei Informationen preisgeben, was sie aber nicht tat.[5] In den Gefängnissen war es für die politischen Gefangenen verboten, miteinander zu kommunizieren. Deswegen entwickelten sie geheime Strategien, miteinander in Kontakt zu treten. Yeter Güneş ließ sich beispielsweise einen Bügel-BH ins Gefängnis bringen und von ihrer Mutter einen Pullover stricken. Im Gefängnis trennte sie diesen auf und strickte mit den Bügeln des BHs einen neuen Pullover, auf dem sie über ein geheimes Alphabet Botschaften gegen das Militärregime übermittelte.[1] Der Pullover existiert noch als eine Art Gedächtnis aus Wolle (so auch der türkische Titel des Buches, das die Geschichte von Yeter Güneş verarbeitet; siehe Publikationen).

Gemeinsam mit anderen politischen Gefangenen trat sie 44 Tage in den sogenannten Todesstreik, bei dem sie nur dreimal täglich einen Löffel Zucker und Wasser zu sich nahm. Die Gefangenen protestierten damit gegen die Haftbedingungen. Sie mussten beispielsweise die türkische Nationalhymne singen und wie Soldaten marschieren. Es wurden Untersuchungen durchgeführt, bei denen sie sich nackt ausziehen mussten und sie mussten eine einheitliche Gefängnisuniform tragen. Gegen Letzteres traten auch männliche politische Gefangenen in den Hungerstreik.[1]

Bereits zuvor hatten sich Yeter Güneş und ihre Mitgefangenen gegen diese Haftbedingungen zur Wehr gesetzt und dann harte Strafen bekommen. Ihnen wurde beispielsweise Besuch untersagt, sie durften keine Bücher oder Musik mehr bekommen oder wurden sogar in der Todeszelle isoliert. Deren Grundfläche umfasste vier auf fünf Handbreit. Es gab kein Licht und keine Möglichkeit, sich zu bewegen, geschweige denn sich hinzusetzen. Eine weitere Strafe bestand darin, im Winter stundenlang an Stangen gefesselt im Freien in der Kälte zu stehen. Auch Zählappelle gehörten zu den Strafen, dabei wurden immer wieder aggressive Hunde eingesetzt. Noch heute hat Yeter Güneş Angst vor Hunden.[1]

Leben nach der Entlassung[Bearbeiten]

Nach sechs Jahren Haft wurde sie 1987 aus dem Gefängnis entlassen.[6][7]

Erst langsam fand sie zurück in ein Leben nach der grausamen Zeit im Gefängnis. Die Folter, die Haftbedingungen und die Hungerstreiks hatten ihre Gesundheit stark angegriffen. Da ihre Ausbildung durch die Haft unterbrochen wurde, musste sie sich beruflich orientieren und entschied sich, erst einmal ihre Schulausbildung abzuschließen. Anschließend war sie zunächst als Gefängnisreporterin tätig, entwickelte aber den Wunsch, mit Kindern arbeiten. Entsprechend studierte sie Kindergartenpädagogik. Sie setzte ihre politische Arbeit in der Gewerkschaft und in der Frauenbewegung fort. Während ihrer Tätigkeit als Erzieherin im Kindergarten entschied sie sich, gleichzeitig ein Studium der Public Administration zu beginnen. Dieses konnte sie aufgrund ihrer weiteren politischen Verfolgung nicht abschließen.[8]

Ausreise nach Österreich[Bearbeiten]

1996 nahm die türkische Regierung das Verfahren gegen Yeter Güneş mit der Begründung wieder auf, ihre Haftstrafe sei zu kurz gewesen. Gegen sie und weitere 33 ehemalige Mitgefangene wurde erneut Anklage erhoben. Da Yeter Güneş inzwischen volljährig war, befürchtete ihr Anwalt, bei einer erneuten Verurteilung müsse sie mit der Todesstrafe rechnen. Er riet ihr, ins Exil zu gehen. Mit ihrem Sohn verließ sie 1996 die Türkei und beantragte in Österreich Asyl.[9] Noch immer lebt Yeter Güneş in Österreich. Aufgrund der gegen sie gerichteten Anklage war es für sie für die folgenden 20 Jahre gefährlich, auch besuchsweise in die Türkei zurückkehren. Als 2012 der Prozess gegen führende Generäle des Putsches 1980, unter anderem auch gegen Kenan Evren, begann, fehlte Yeter Güneş in der österreichischen Delegation. Zuvor war ihre Familie in der Türkei unter Druck gesetzt worden.[10]

Yeter Güneş begann, sich ein Leben in Wien aufzubauen und sich auch in Österreich politisch zu engagieren. Beispielsweise gründete sie das antirassistische und queere Projekt Planet 10[11] mit und setzt sich gegen Rassismus in Österreich ein.[11]

Publikationen mit und über Yeter Güneş[Bearbeiten]

Das Leben von Yeter Güneş wurde in dem Dokumentarfilm „Yeter Güneş - 6 Jahre/Altı Yıl“ festgehalten. Dieser wurde Juni 2022 in Wien uraufgeführt. Der Film erzählt das Wirken von Yeter Güneş in der Türkei, ihre Erfahrungen in der Haft, die Folter und ihren Widerstand dagegen. Es wird auch ihr Weg nach Österreich erzählt.[1]

Das Leben und die Geschichte von Yeter Güneş wurde auch in dem Roman „Der Pullover trägt mich nicht mehr“[12] („Yünden bir bellek“) von Lilly Axster verarbeitet. Das Buch erschien in deutscher und türkischer Sprache (Übersetzung: Dilman Muradoğlu) im Verlag edition assemblage, Münster 2022.[13][14]

Literatur[Bearbeiten]

  • Lilly Axster: Der Pullover trägt mich nicht mehr. edition assemblage, Münster 2022, ISBN 978-3-96042-127-6.
  • Lilly Axster: Yünden bir bellek. (Übersetzung: Dilman Muradoğlu) edition assemblage, Münster 2022, ISBN 978-3-96042-132-0.

Weblinks[Bearbeiten]

  • Trailer zum Dokumentarfilm Yeter Güneş 6 Jahre/Altı Yıl via Vimeo

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 YETER GÜNEŞ 6 JAHRE / ALTI YIL – louis ha. Abgerufen am 17. Januar 2023 (en-US).
  2. yeterg: Cezaevi süreci. In: Yeter Guenes. 15. Februar 2022, abgerufen am 17. Januar 2023 (en-US).
  3. Prozessauftakt gegen die Samstagsmütter. Abgerufen am 17. Januar 2023.
  4. yeterg: Kısa Yaşam Öyküsü. In: Yeter Guenes. 30. Dezember 2021, abgerufen am 17. Januar 2023 (en-US).
  5. yeterg: Cezaevi süreci. In: Yeter Guenes. 15. Februar 2022, abgerufen am 17. Januar 2023 (en-US).
  6. yeterg: Kısa Yaşam Öyküsü. In: Yeter Guenes. 30. Dezember 2021, abgerufen am 17. Januar 2023 (en-US).
  7. Edith Meinhart: Türkei: Erstmals stehen Generäle des Staatsstreichs vor Gericht. In: profil.at. 19. September 2012, abgerufen am 20. Januar 2023.
  8. yeterg: Dışarı yaşamı. In: Yeter Guenes. 15. Februar 2022, abgerufen am 17. Januar 2023 (en-US).
  9. yeterg: Yurt dışına kaçış. In: Yeter Guenes. 15. Februar 2022, abgerufen am 17. Januar 2023 (en-US).
  10. edith.meinhart: Türkei: Erstmals stehen Generäle des Staatsstreichs vor Gericht. 19. September 2012, abgerufen am 20. Januar 2023.
  11. 11,0 11,1 PLANET 10 – PLANETA 10 – GEZEGEN 10 – Pernerstorfergasse 12, 1100 Wien. Abgerufen am 17. Januar 2023 (deutsch).
  12. Der Pullover trägt mich nicht mehr. In: edition assemblage. Abgerufen am 17. Januar 2023 (deutsch).
  13. Yünden bir bellek. In: edition assemblage. Abgerufen am 17. Januar 2023 (deutsch).
  14. Rezensionen - März 2022. In: MALMOE. 14. März 2022, abgerufen am 20. Januar 2023 (deutsch).


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