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Besteuerung von Termingeschäften in Deutschland ab 2021

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Ab 2021 unterliegt die Besteuerung von Termingeschäften Sonderbedingungen, die neu durch § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG eingeführt wurden. Die neue Vorschrift in § 20 EStG zur Sonderbesteuerung von Termingeschäften wurde erstmals im Dezember 2019 veröffentlicht und im Dezember 2020 endgültig verabschiedet, wobei die Verlustverrechnungsbeschränkung von 10.000 EUR auf 20.000 EUR erhöht wurde, bevor sie schließlich am 1. Januar 2021 in Kraft trat.

Beschreibung und Steuerliche Einschränkungen[Bearbeiten]

Kapitalerträge, unter anderem die aus Termingeschäften, werden in Deutschland durch § 20 EStG[1] und § 43a EStG[2] geregelt.

Die neue Vorschrift führt folgende Einschränkungen ausschließlich für Termingeschäfte ein:

  • Verluste aus dem Handel mit Termingeschäften können nur bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR mit Gewinnen verrechnet werden.
  • Verluste können auf die folgenden Jahre vorgetragen werden, jedoch nur bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR pro Jahr.
  • Verluste aus dem Handel mit Termingeschäften können nur mit Gewinnen aus dem Handel mit Termingeschäften verrechnet werden.

Die betroffene Palette an Termingeschäften wurde vom Bundesministerium der Finanzen in einem Schreiben vom 3. Juni 2021[3] definiert: Futures, Optionen und CFD.

CMC Markets entwickelte ein neues Produkt, um diese Einschränkungen gezielt zu umgehen, namens „Dynamic Portfolio Swaps (DPS)“[4], bei dem die Versteuerung von Gewinn und Verlust nur einmal am Ende des Kalenderjahres erfolgt, unabhängig davon, wie oft der Kunde die Richtung (Long, Short) einer Position im Laufe des Jahres ändert. Es ist umstritten, ob die „Dynamic Portfolio Swaps (DPS)“ anders als Termingeschäfte besteuert werden.[5]

Steuerliche Auswirkungen[Bearbeiten]

Die folgenden Merkmale der Besteureung wurden bereits im Oktober 2020 in den “Empfehlungen 503/1/20”[6] vom Bundesrat identifiziert, der darin die Streichung des Gesetzesparagraphs forderte.

Die identifizierten Auswirkungen:

  • Unbegrenzte Besteuerung
  • Steuern auf Verluste
  • Unwiederbringlich anwachsende Verlustvorträge.
  • Schutz von Aktienportfolios bzw. Währungen mit Termingeschäften ist verboten.

Steuerliche Berechnung[Bearbeiten]

Laut § 43a EStG beträgt die Kapitalertragsteuer für Termingeschäfte 25 Prozent des Kapitalertrags. Der Kapitalertrag, oder Nettogewinn, ist die Differenz zwischen der Summe der positiven Handelsgeschäfte, dem Bruttogewinn, und der Summe der negativen Handelsgeschäfte, dem Bruttoverlust.

Einfache Methode[Bearbeiten]

Vor 2021 konnte der Steuerbetrag für Termingeschäfte wie folgt berechnet werden.




Der Nettogewinn kann gemäß „§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG“ nicht mehr direkt verwendet werden. Der Steuerbetrag, der auf den Handel mit Termingeschäften entfällt, kann wie folgt berechnet werden:



Nach einem maximalen Bruttoverlustabzug von 20.000 EUR wird der Bruttogewinn unbegrenzt besteuert, selbst im Falle eines negativen Nettogewinns aufgrund der Verlustverrechnungsbeschränkung.

Die Berechnung des finalen effektiven Steuersatzes kann wie folgt durchgeführt werden:


Profitfaktor-Formel[Bearbeiten]

Ein komplettes Besteuerungsmodell mit vier Steuerquadranten wurde im Buch Bindingsteuer - The Infinite Tax Doctrine[7] vorgestellt. Um den Nettogewinn wiederzuverwenden, wird die Min-Funktion in die zwei möglichen Ergebnisse getrennt, und der Fall, der die Verlustverrechnungsbeschränkung ergibt, wird umgeschrieben. Die folgende Tabelle stellt eine zusammengefasste Version der Entwicklung dar. Das Modell wurde generisch für jeden möglichen Wert der Verlustverrechnungsbeschränkung entwickelt.



Da der Nettogewinn wieder in allen Szenarien verwendet wird, zeigt „§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG“ eine hinter dem Text versteckte Anpassung des anwendbaren Steuersatzes. Für Fall 2 kann der Steuersatz als eine Funktion von PFL identifiziert werden.



PFL steht für Profitfaktor(L), eine "verlustverrechnungs-versetzte" Version des bekannten Profitfaktors,[8][9] eine Leistungskennzahl, die das Verhältnis von Gewinn pro Risikoeinheit darstellt, wobei Werte über eins auf ein profitables System hinweisen. Die versetzte Version hat die folgende Form.



Der Vorteil dieser Methodik liegt darin, dass unabhängig von anderen Faktoren, die für den Steuerbescheid relevant sind, eine direkte Berechnung des Steuerbetrags gemäß „§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG“ möglich ist, da der Steuersatz, der direkt auf „§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG“ zurückzuführen ist, kalkuliert werden kann.

Da die Funktion Profitfaktor(L) den finalen effektiven Steuersatz bestimmt, werden Händler mit Systemen, die geringe Nettogewinnmargen aufweisen – was auf die meisten zutrifft –, durch höhere effektive Steuersätze (bis hin zu einem unendlichen Steuersatz) benachteiligt. Im Vergleich dazu erleben Händler mit höheren Margen niedrigere effektive Steuersätze. Nur ein Händler mit einem unendlichen Profitfaktor(L) könnte den offiziellen Steuersatz von 25 % erhalten.

Verlustverrechnungsbeschränkung Steuersätze-Quadranten
Verlustverrechnungsbeschränkung Steuersätze-Quadranten

Zusätzlich lassen sich die Steuerspannen ermitteln, denen die Steuerzahler unterliegen, um ein vollständiges Besteuerungsmodell zu erhalten, das in Tabellenform oder als Grafik dargestellt werden kann.

Steuer-Quadrant Kriterium Steuersatzformell Quadrant-Steuersatz Gesamtspanne
Nettogewinn ≥ 0 (1) Gewinner

Oben links

Bruttoverlust ≤ L 25 % [25 %, ]
(2) Gewinner

Oben rechts

Bruttoverlust > L (25 %, ]
Nettogewinn < 0 (3) Verlierer

Unten links

Bruttogewinn ≤ L 0 % [0 %, )
(4) Verlierer

Unten rechts

Bruttogewinn > L (0 %, )

Das Modell zeigt auch, dass unabhängig davon, welcher Wert L zugewiesen wird, die wesentlichen Merkmale des „§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG“, wie vom Bundesrat identifiziert, unverändert bleiben. Für Verlierer auf Quadrant (4) ist es wichtig, auf Folgendes zu achten:

  • Der kalkulierte negative Steuersatz multipliziert mit einem negativen Nettogewinn, ergibt einen positiven Steuerbetrag.
  • Das Kriterium ist Bruttogewinn > L, weil, selbst wenn Bruttoverlust > L, der gesamte Bruttogewinn bis zu einem Wert von L gegen den Bruttoverlust verrechnet werden kann, und in diesem Fall Bruttoverlust > Bruttogewinn

Verlustvortrag - Unmögliche Rückgewinnung[Bearbeiten]

§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG - Verlustvotragsjahre für die Rückgewinnung
§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG – Verlustvortragsjahre für die Rückgewinnung – Für jeden Bruttoverlust bzw. jede Anzahl von Handelsjahren

Aufgrund der durch „§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG“ eingeführten Beschränkungen für den Bruttoverlustabzug und die maximale jährliche Verlustvortragsverrechnung wächst der Verlustvortrag kontinuierlich, wie vom Bundesrat identifiziert, und damit verlängert sich ständig die Zeitspanne, die erforderlich ist, um den Verlustvortrag abzubauen. Das Buch „Bindingsteuer – The Infinite Tax Doctrine“[7] stellt auch eine Formel vor, um die Wachstumsrate zu formalisieren, indem die Werte aus dem Beschluss des Bundesfinanzhofs[10] bzw. Finanzgerichts Rheinland-Pfalz[11] in die Zukunft projiziert werden, da es vernünftig ist anzunehmen, dass ein Händler weiterhin innerhalb derselben Größenordnung von Bruttogewinn und Bruttoverlust handeln wird.

Das Gesetz bietet theoretisch einen Ausweg, um das Wachstum zu vermeiden, indem der Bruttoverlust jedes Jahr auf L (20.000 EUR in der aktuellen Gesetzesfassung) begrenzt wird. Dies wird jedoch als klassischer logischer Fehlschluss dargestellt, denn wenn der Händler in der Lage wäre, den Bruttoverlust auf L zu begrenzen, würde dies bedeuten, dass im Voraus bekannt ist, welche Geschäfte positiv und welche negativ ausfallen. Folglich könnte der Händler negative Geschäfte vollständig vermeiden und im Grunde eine unendliche Geldmaschine betreiben. Solche logischen Fehlschlüsse werden von Nassim Nicholas Taleb, einem ehemaligen Derivatehändler, in „Der Schwarze Schwan“ beschrieben.

Die Formeln lauten wie folgt:


Der Verlustvortrag und die dafür benötigten Jahre zum Ausgleich wachsen weiter, da nur die Handelsjahre und der Bruttoverlust Teil der Gleichung sind. Das bedeutet, unabhängig davon, wie viel Bruttogewinn der Händler erzielt, ist eine Rückgewinnung nicht möglich.

Die folgende Abbildung zeigt das ewige Wachstum des Verlustvortrags mit dem Bruttoverlust-Wert aus dem Beschluss des Bundesfinanzhofs.[10]

§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG – Verlustvortragsjahre für die Rückgewinnung des Verlustvortrags– Für den Bruttoverlust des BFH Beschluss VIII B 113/23
§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG – Verlustvortragsjahre für die Rückgewinnung  des Verlustvortrags– Für den Bruttoverlust des BFH Beschluss VIII B 113/23

Wachstum des Verlustvotrags nach § 20 Abs. 6 Satz 5

Gerichtlicher Status[Bearbeiten]

Die Vorschrift wurde als verfassungswidrig kritisiert,[12][13] und mehrere Klagen diesbezüglich sind bekannt.

Am 5. Dezember 2023 veröffentlichte das Finanzgericht Rheinland-Pfalz den ersten Beschluss[11] und gewährte die Aussetzung der Vollziehung in einem Fall, in dem ein Steuerzahler mit einem Nettogewinn von 23.342 EUR aus dem CFD-Handel einen Steuerbetrag in Höhe von 59.860 EUR zahlen müsste. Der Titel des Beschlusses lautet: „Aussetzung der Vollziehung: Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften zweifelhaft“.

Das Finanzamt legte Berufung ein, und der Bundesfinanzhof bestätigte die Aussetzung der Vollziehung mit einem Beschluss[10] vom 7. Juni 2024, unter anderem mit der Begründung, dass „§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG“ nicht mit „Art. 3 Abs. 1 GG“[14] vereinbar sei. Im Beschluss wird auch die Wahrscheinlichkeit der Rückgewinnung des Verlustvortags als unmöglich betrachtet.

Politische Positionen[Bearbeiten]

Die folgende Tabelle stellt die Positionen der Parteien, die im Finanzausschuss und in der Regierung mit dieser Thema sich beschäftigt haben.

Partei Einführung Danach
SPD Dafür Jun 2024 - Nach dem BFH Beschluss
  • Entscheidung des Bundesverfassungsgericht abwarten[15][16]
CDU/CSU Dafür - mit Bermerkung
  • „schwieriger Kompromiss“[17]
Nov 2023 Antrag auf Abschaffung mit dem Zukunftfinanzierungsgesetz[18]
  • Abgelehnt
FDP Dagegen Jun 2022 - Eckpunkte für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz[19]
  • Aufhebung vorgeschlagen. In der finalen Version entfernt,

„Aufgrund des Widerspruchs aus anderen Ministerien“[20]

Die Grünen Enthaltung Jan 2024 - Nach dem RLP FG Beschluss
  • „Ein politisches Nachjustieren erscheint weiterhin angebracht“[21]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Einkommensteuergesetz (EStG) § 20. In: Gesetze im Internet. Bundesministerium der Justiz.
  2. Einkommensteuergesetz (EStG) § 43a. In: Gesetze im Internet. Bundesministerium der Justiz.
  3. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer. In: BMF – Schreiben 2021-06-03 Datev.
  4. Dynamic Portfolio Swaps (DPS). CMC Markets.
  5. Broker Insolvenz Incoming? Verlustverrechnung nicht anerkannt - Geld abziehen?. reddit.
  6. Empfehlungen 503/1/20 - Seiten 19, 21, 22. Bundesrat. 28. September 2020.
  7. 7,0 7,1 Daniel Rodriguez: Bindingsteuer - The Infinite Tax Doctrine. 2024 (amazon.de).
  8. Interpreting a Strategy Performance Report. Investopedia.
  9. Der Profitfaktor im Trading – Eine einfache Kennzahl um deine Strategie zu bewerten. Daytrading-Akademie.
  10. 10,0 10,1 10,2 VIII B 113/23 - Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte. In: Bundesfinanzhof. 7. Juni 2024.
  11. 11,0 11,1 Beschluss 1-V-1674/23 - Aussetzung der Vollziehung: Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften zweifelhaft. In: Rheinland-Pfalz Finanzgericht. 5. Dezember 2023.
  12. Monika Jachmann-Michel: Die Besteuerung der Kapitaleinkünfte. Boorberg, Februar 2024, ISBN 978-3-415-07567-2.
  13. Konstantin Lainer: Die Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkungen bei Einkünften aus Kapitalvermögen. Duncker-Humblot, 2023, ISBN 978-3-428-18726-3.
  14. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - Art. 3. In: Gesetze im Internet. Bundesministerium der Justiz.
  15. Bundesfinanzhof verwirft Steuergesetz. FAZ.
  16. Bindingsteuer sorgt für Privatinsolvenz, die SPD verteidigt diese, trotzt Beschluss vom BFH. Unterstüzen Sie dieses?. In: Hubertus Heil - Fragen & Antworten. abgeordnetenwatch.de.
  17. Drucksache 19/15876. In: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen. Deutscher Bundestag.
  18. Drucksache 20/9365. In: Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen. Deutscher Bundestag.
  19. Eckpunkte für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz. In: Eckpunkte für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz. Bundesministerium der Finanzen.
  20. Abschaffung der Verlustverrechnungsbeschränkung - Wie geht es hier nun weiter?. In: Florian Toncar - Fragen & Antworten. abgeordnetenwatch.de.
  21. Was ändern Sie an ihrer Finanzpolitik, nachdem nun das FG Rheinland-Pfalz die Bindingsteuer (Par. 20 Abs. 6 S. 5 EStG) defakto als verfassungswidrig einschätzt?. In: Katharina Beck - Fragen & Antworten. abgeordnetenwatch.de.


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