Beziehungsqualitäts-Modell
Das Beziehungsqualitäts-Modell ist ein Modell der Dienstleistungsqualität im Qualitätsmanagement, das auf dynamische Aspekte des Dienstleistungserstellungsprozesses Bezug nimmt. Es wurde von Veronica Liljander und Tore Strandvik erarbeitet. Das Ziel der Modelle der Dienstleistungsqualität ist die Qualitätsbeurteilung aus Nachfragersicht und Abbildung der angebotenen Dienstleistung von Unternehmen im Gesamtzusammenhang. Dabei lassen sich erste Implikationen bzw. Ansatzpunkte für Maßnahmen des Qualitätsmanagements eines Dienstleistungsunternehmens ableiten. Unter einem Qualitätsmanagementsystem für Dienstleistungen ist die Zusammenfügung verschiedener Bausteine unter sachlogischen Gesichtspunkten zu verstehen, um unternehmensintern und -extern eine systematische Analyse, Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle von Qualitätsrelevanten Aspekten des Leistungsprogramms eines Unternehmens sicherzustellen.
Geschichte[Bearbeiten]
Dieses Modell wurde 1993 von Veronica Liljander und Tore Strandvik erarbeitet.[1] Anders als Boulding et al. Versuchen Liljander/Strandvik nicht, ein originär statisches Qualitätsmodell zu dynamisieren, sondern beziehen Konstrukte in ihre Betrachtung ein, die in Zusammenhang zu der Prozessorientierung und der Bedeutung der Kunden-Dienstleister-Beziehung stehen.
Beziehungsqualitätsmodell von Liljander/Strandvik[Bearbeiten]
Liljander und Strandvik haben zahlreiche Konstrukte in ihre Betrachtung einbezogen, die in Zusammenhang mit der Prozessorientierung und der Bedeutung der Kunden-Dienstleister-Beziehung stehen. Der Schwerpunkt der Prozessorientierung ist der Prozesscharakter von Dienstleistungen. Dienstleistungen stellen vielfach eine Tätigkeit oder einen Prozess dar und werden um ihretwillen nachgefragt. Wesentliche Merkmale der Prozessorientierung in der Dienstleistung sind die Notwendigkeit der Einbindung des Kunden in den Dienstleistungsprozess und das Charakteristikum der Immaterialität von Dienstleistungen. Für ein gutes Ergebnis ist die Freundschaft zwischen Kunden und Dienstleister wichtig, und deswegen müssen Dienstleister eine persönliche Beziehung zum Kunden aufbauen und pflegen.
In dem Modell von Liljander und Strandvik wird die Kundenzufriedenheit von der Dienstleistungsqualität abgegrenzt. Außerdem wird in diesem Modell angenommen, dass die Kundengewinnung von einer positiven Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit abhängt, die bei dem Unternehmenserfolg helfen. Nach ihrem Modell entsteht Kundenzufriedenheit nur aufgrund einer konkreten Kauferfahrung, und daraus lässt sich die Qualität beurteilen, ohne dass der Kunde eine Leistung in Anspruch genommen hat. Das Kaufverhalten hängt auch von der Kundenzufriedenheit ab, die durch die Qualitätsbeurteilung beeinflusst wird.
In dem Modell nehmen sie an, dass die positive Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit zu einer höheren Kundenbindung führen kann. Das stellt aber weiterhin eine Determinante dar, die für den Unternehmenserfolg große Bedeutung hat. Nach Liljander und Strandvik kann die (Un-)Zufriedenheit nur aufgrund eines Dienstleister-Kunden-Kontakts entstehen, weil sie die Dienstleistungsqualität aus einer „externen“ und die Zufriedenheit aus einer „internen“ Perspektive sehen. Außerdem ist die Beurteilung der Qualität ihrer Meinung nach möglich, ohne eine tatsächliche Inanspruchnahme der Leistung durch den Kunden. So hängt die Zufriedenheit mit dem Kundenverhalten stärker in der Beziehung zusammen als mit der Qualitätsbeurteilung.
Liljander und Strandvik unterscheiden zwei Ebenen des Kontaktes eines Dienstleisters zu seinen Kunden. Dabei handelt es sich um eine Episode und eine Beziehung.
Episode[Bearbeiten]
Eine Episode wird als ein Ereignis sämtlicher Interaktionen zwischen Anbieter und Nachfrager mit einem eindeutig definierten Start- und Endpunkt definiert. Der Startpunkt bezieht sich auf Dienstleistungen, die dem Kunden vor dem Kauf angeboten werden, um den Verkäufer bei der Auftragsgewinnung zu unterstützen. Der Endpunkt bezieht sich auf Dienstleistungen, die nach dem Kauf angeboten werden. Eine Episode stellt den vollständigen Akt der Leistungserstellung dar und kann aus mehreren Transaktionen (z. B. Anbahnung, Vereinbarung und Realisierung einer Gütertransaktion) bestehen. Sie ist auch durch einen finanziellen und sozialen Austausch sowie einen Leistungs- und Informationsaustausch gekennzeichnet.
Beziehung[Bearbeiten]
Eine Beziehung besteht aus mindestens zwei Episoden. Eine Beziehung kann je nach Kontinuität und Häufigkeit der in Anspruch genommenen Leistung unterschiedlich ausgestaltet sein. Bei kontinuierlich in Anspruch genommenen Leistungen repräsentiert die erste Episode meist den Beginn einer Beziehung, und bei wenig kontinuierlich und selten in Anspruch genommenen Leistungen stellt die zweite Episode keine ausreichende Bedingung dar.
Verhalten mit Beziehungs- und Episodenzufriedenheit nach Liljander/Strandvik[Bearbeiten]
Das Verhalten von Kunden und Dienstleistern ist mit Beziehungs- bzw. Episodenzufriedenheit definiert. Somit stellt die Beziehungszufriedenheit eine sogenannte Globalbetrachtung und die Episodenzufriedenheit eine phasenspezifische Betrachtung dar. Die Trennung der Zufriedenheit und Dienstleistungsqualität entsprechen dem Zufriedenheitsurteil nur im Dienstleistungskontakt (Insider-Perspektive) und Qualitätsurteil (Outsider-Perspektive). Das Qualitäts- und das Zufriedenheitsurteil werden in dem Modell auf den beiden Ebenen anhand eines Wertes („Value“), der die Form eines Beziehungs- bzw. Episodenwertes hat, voneinander unterschieden.
Liljander und Strandvik haben auch angenommen, dass die Episodenzufriedenheit und die Beziehungszufriedenheit keinen Einfluss auf das Kundenverhalten haben. Diese Annahme wurde bestätigt, als das Modell auf Basis einer Friseurdienstleistung analysiert wurde. Ein möglicher Grund für dieses Ergebnis könnte sein, dass die vergangene Episodenunzufriedenheit mehr bei der Bildung von Beziehungszufriedenheit berücksichtigt wurde.
Die Beziehungsunzufriedenheit ergibt sich dadurch, dass anhand einer gegebenen Toleranzzone eine bestimmte Qualität wahrgenommen wird und diese dem jeweiligen „Opfer“ des Kunden gegenübergestellt wird.
Die Beziehungszufriedenheit ist eine wichtige Determinante des Kundenverhaltens, die durch die Konstrukte „Commitment“ und „Loyalität“ ausgedrückt wird. Außerdem stehen zu dem verhalten die Bindungen oder sogenannten „Bonds“ zum Unternehmen in Zusammenhang. Diese Bonds können sich als Austrittsbarrieren interpretieren lassen; sie werden damit von Kunden negativ wahrgenommen und sind außerdem vom Dienstleister kaum steuerbar.
Commitment[Bearbeiten]
Commitment bezeichnet die innere Einstellung einer Person, sich an einer Absprache, Kaufabsicht, an bestimmten Zielen und Werten zu orientieren. Zwischen dem Kunden und dem Dienstleister können sich neun Commitment-Konstellationen bilden. Diese ergeben sich aus dem positiven, negativen oder indifferenten Commitment des Kunden oder des Dienstleisters gegenüber der Beziehung.
Positives Commitment[Bearbeiten]
Die Voraussetzung für eine geschätzte Beziehung ist hohes Commitment der Kunden. Bei gleichzeitigem hohen Commitment der Dienstleister liegt gegenseitiges Commitment vor und bei niedrigem Commitment der Dienstleister wird der Kunde ablehnend behandelt.
Indifferentes Commitment[Bearbeiten]
Wenn der Kunde sich nicht an das Unternehmen gebunden fühlt oder wenige Unterschiede zwischen den Angeboten bei den anderen Dienstleistern wahrnimmt, dann kommt es zu einem indifferenten Commitment, weil der Kunde weder positives noch negatives Commitment aufweist. Das passiert meistens, wenn beispielsweise der Kunde aus Gewohnheit die Leistung in Anspruch nimmt. Bei solchem indifferenten Commitment hat der Kunde weder positives noch negatives Commitment gegenüber dem Unternehmen.
Negatives Commitment[Bearbeiten]
Sobald der Kunde ein negatives Commitment aufweist, handelt es sich um eine erzwungene Beziehung. Das ist am häufigsten der Fall, wenn es z. B. einen Mangel an Alternativen oder formalen Bindungen gibt. Dabei hat der Dienstleister aber ein Großes, kein oder gar kein Interesse an der Beziehung.
Implikationen des Modells[Bearbeiten]
Um das Modell in der Praxis einsetzen zu können, sind bestimmte Implikationen notwendig. Zuerst muss der Dienstleister die Beziehung aus Kundensicht definieren. Danach soll diese Beziehung zu den besten bzw. profitablen Kunden verbessert werden. Und am Ende soll die Relevanz der einzelnen Transaktionen in einer Episode oder bestimmten Episoden einer Beziehung deutlich gemacht werden.
Ein Nachteil dieses Modells liegt beim Messen der Episoden-Performance. Es ist schwer, mit Hilfe einer einmaligen Messung Informationen über die Beziehungsqualität zu bekommen, weil sich unterschiedliche Einflussfaktoren auf der Kunden- und Unternehmensseite ergeben können.
Erfolgskette der Dienstleistungsqualität[Bearbeiten]
Damit ein Dienstleistungsanbieter eine optimale Qualität anbieten kann, soll er die unterschiedlichen Anforderungen der Kunden identifizieren und sie nach der Wirklichkeit priorisieren können. Es sollen drei Voraussetzungen erfüllt sein, um die Qualität der gewünschten Dienstleistungen auf- und ausbauen zu können. Der Kunde muss zuerst die Vorteile der Dienstleistung dieses Anbieters erkennen und schätzen, damit er in der Lage ist, diese Leistungen von den anderen Wettbewerbern zu differenzieren. Wenn die Kunden die Qualitätsunterschiede wahrnehmen, dann kann eine Kundenbindung entstehen. Außerdem sollen die Vorteile der Dienstleistungen im Vergleich zu anderen Anbietern für die Kunden bemerkbar und bedeutsam sein, weil sich nur dann das Kaufverhalten positiv verändern kann.
Heutzutage konzentrieren sich die Unternehmen weniger auf die Dienstleistungsqualität. Dabei werden die Tatsachen vernachlässigt, dass es bei fehlerhafter Qualität negative Folgen für das Unternehmen haben kann. Die Unternehmen stellen die Kundengewinnung in den Vordergrund und die Kundenbindung bekommt dabei keine Aufmerksamkeit. Dann wollen sich die Kunden nicht an das Unternehmen binden und die, die aus dem Kundenstamm sind, wandern meistens ab. Wenn die Erwartungen der Kunden vollständig erfüllt werden, dann steigt die Kundenzufriedenheit. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass der Kunde diesen Anbieter wieder auswählt und sich an das Unternehmen bindet. Darauffolgend, stellt die Qualität der Dienstleistung für den Kunden das wichtigste Kriterium dar, das die Bindung an das Unternehmen beeinflusst. In der ersten Verbindung der Erfolgskette sind die Zusammenhänge zwischen externen und internen Faktoren verbunden. Die letzte Stufe der Erfolgskette ist ebenso von den externen und internen Faktoren abhängig.
Die Dienstleistungsqualität bekommt immer mehr Bedeutung in der Wissenschaft und in der Praxis. Durch das Qualitätsmanagement werden nicht nur die volkswirtschaftlichen Aspekte des Dienstleistungssektors, sondern auch die erzielbaren Wettbewerbsvorteile betrachtet. Die Situation der Dienstleistungsmärkte fordert heutzutage viel von dem Qualitätsmanagement der Dienstleistungen. Die Dienstleistungsqualität ist also zum wichtigen Wettbewerbsfaktor geworden.
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ Manfred Bruhn: Qualitätsmanagement für Dienstleistungen. Handbuch für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement. Grundlagen-Konzepte-Methoden. 10. Auflage, Berlin, Heidelberg, 2016, ISBN 978-3-642-33992-9, darin: Liljander/Strandvik 1993, S. 118ff., S. 141ff.
Literatur[Bearbeiten]
- Manfred Bruhn: Qualitätsmanagement für Dienstleistungen. Handbuch für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement. Grundlagen-Konzepte-Methoden. 10. Auflage, Berlin, Heidelberg, 2016, ISBN 978-3-642-33992-9
- Marc-Oliver Kaiser: Erfolgsfaktor Kundenzufriedenheit: Dimensionen und Messmöglichkeiten. In: Betriebswirtschaftlichen Studien. Band 64, 2. Auflage, 2004, ISBN 978-3-503-07833-2
- Manfred Bruhn, Britta Murmann: Nationale Kundenbarometer: Messung von Qualität und Zufriedenheit. Wiesbaden 1998, ISBN 978-3-409-12334-1
- Masing, Tilo Pfeifer, Robert Schmitt (Hrsg.): Handbuch Qualitätsmanagement. 5. Auflage, München 2007, ISBN 978-3446407527
- Manfred Bruhn, Heribert Meffert: Handbuch Dienstleistungsmarketing. ISBN 978-3-8349-3661-5
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