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Designarchäologie

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Die Designarchäologie beschäftigt sich mit der historischen, mythischen und theologischen Tiefe des Designs, der poiesis (herstellende, produktive Arbeit), der technē und der praxis (gemeinsames Handeln) überhaupt.

Dabei erforscht sie nicht nur das moderne, menschliche Wirken im gestalterischen Prozess, vielmehr auch das Wesen des Gestalterischen, die anfänglichen Voraussetzungen menschlichen Tuns.[1] sowie die möglichen, sachimmanenten Gesetzmäßigkeiten des Designs (im weiten Sinne: die materiellen und immateriellen Praxen und Tätigkeiten überhaupt), die sie theoretisch wie praktisch zu bestimmen versucht. Als Archäologie des Designs kann daher alles intellektive (noietische) und sensitive (aisthetische) Werk (ergon[2]) des Menschen verstanden werden, das Tätigkeit und Praxis sowohl als moderne, interaktive Selbsterzeugung des Menschen als auch als anfängliches göttliches Wirken begreift. Designarchäologie ist daher ein umfassender Inbegriff (nicht Begriff), der sich mit der Genese, dem Wesen, dem Sein und mit der modernen Funktion des Designs in Geschichte und Gesellschaft beschäftigt. Archäologie meint hier weder die Dialektik, noch die ontologische Differenz von Design und Sein, vielmehr ist sie mit den Ausgrabungen der Idee des Designs beschäftigt: der arché (Idee des Anfangs und des Befehls)[3] Daher bestehen hier auch Verwandtschaften und Überschneidungen zur Designtheorie, Designwissenschaft, Kunsttheorie, Literatur, Ästhetik, Musik, Ethnologie, Kulturwissenschaft, ebenso zur Philosophie, Theologie, Mythologie, Neurophysiologie, Psychologie und Medienphilosophie.[4]

Archäologische Designforschung findet man nicht nur in Texten der Vorsokratiker (Heraklit, Parmenides) und in den Texten von Platon und Aristoteles (die sich mit den mythischen Schöpfungen auseinandersetzen), sondern ebenso in Texten von Vasari (Lebensläufe der berühmtesten Maler, Bilderhauer und Architekten), Kant (Kritik der praktischen Vernunft; Grundlegung der Metaphysik der Sitten), Hegel (Vorlesungen über die Ästhetik; Philosophie der Religion), Schiller (Über die ästhetische Erziehung des Menschen), Schelling (Philosophie der Kunst; Philosophie der Mythologie und Religion), Schlegel (neue Mythologie) oder Marx (Das Kapital). Einige bekannte Designarchäologen des 20. Jahrhunderts sind: Theodor W. Adorno (Funktionalismus heute; Ästhetische Theorie), Foucault (Die Ordnung der Dinge: Eine Archäologie der Humanwissenschaften) Heidegger (Ursprung des Kunstwerks; Das Ge-Stell), Paul Klee (Der Begriff der Gestaltung), Benjamin (Das Passagen-Werk), Bloch (Geist der Utopie), Bazon Brock (Lustmarsch durch das Theoriegelände), Otl Aicher (die welt als entwurf), Günther Anders (Die Antiquiertheit des Menschen), Nelson Goodman (Weisen der Welterzeugung), Martin Seel (Geschichte des Design in Deutschland) und Giorgio Agamben (Profanierungen). Auch viele Künstler, zum Beispiel Paul Klee (Der Begriff der Gestaltung), Gropius (Bauhaus Dessau - Grundsätze der Bauhausproduktion) oder William Morris (The lesser Arts; The Art of the People) verstanden sich selbst als gestalterische Archäologen und verfassten selber Theorien mit historischer Tiefe.

Der Gegenstand der Designarchäologie ist weder das Werden noch das Sein, weder das Argument (Wissen) noch die Erzählung (Narrativ), sondern die ontisch-ontologische, ökonomisch-theologische (monarchische) und mythisch-heidnische (polyarchische) Designmaschine, die von Anfang an im Imperativ steht: Sei schöpferisch! Sei kreativ! Eine Schöpfung als Zwang (Moderne als Archaik, Kontingenz als Notwendigkeit, Freiheit als Knechtschaft), die aber in dieser Indifferenz auch die an-archische Schöpfung und die Versöhnung bedeutet. Archäologie meint hier dann das Gegenteil von musealer Vergangenheitsforschung und Missbrauch von Design, vielmehr gerade umgekehrt: die Zukunftsforschung als Zukunftsgestaltung. Designarchäologie ist daher der einzige Weg, der den Zugang zur Gegenwart wieder ermöglicht. Sie verfolgt den Lauf der schöpferischen Praxis und der Theorie zurück, den Schatten, den diese von der Gegenwart aus auf die Vergangenheit werfen. Eine archische Spur des Designs, die durchs Design paradigmatisch-anarchisch gelöst sein will, um so die allgemeine Verunstaltung durch eine widerständige Gestaltung zurückzunehmen und damit das Design in seiner Mitte zu anarchisieren (ohne Herrschaft zu praktizieren).

Literatur[Bearbeiten]

  • Giorgio Agamben: Profanierungen. dt. Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-518-12407-2.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik. übers. v. E. Rolfes, Band 3, Meiner, Hamburg 1995, ISBN 3-7873-1243-9.
  • Theodor W. Adorno: Funktionalismus heute. In: Ders.: Gesammelte Schriften. Band 10.2, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-518-57171-0.
  • Theodor W. Adorno, Max Horkheimer: Dialektik der Aufklärung: Philosophische Fragmente. Fischer, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-10-031829-3.
  • Otl Aicher: die welt als entwurf. Ernst & Sohn, Berlin 1991, ISBN 3-433-02185-6.
  • Günther Anders: Die Antiquiertheit des Menschen. Erster Band: Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution. Beck, München 1985, ISBN 3-406-36509-4.
  • Walter Benjamin: Das Passagen-Werk. Band 1, hg. v. R. Tiedemann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-518-11200-7.
  • Ernst Bloch: Geist der Utopie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-518-28152-6.
  • Bazon Brock: Lustmarsch durch das Theoriegelände - Musealisiert Euch. Köln 2008, ISBN 978-3-8321-9024-8.
  • Richard Buckminster Fuller: Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde und andere Schriften. Verlag der Kunst, Amsterdam/ Dresden 1998, ISBN 90-5705-015-3.
  • Gilles Deleuze, Fèlix Guattari: Tausend Plateaus: Kapitalismus und Schizophrenie / Kapitalismus und Schizophrenie. Merve, Berlin 1993, ISBN 3-88396-094-2.
  • Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge: Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-518-27696-4.
  • Nelson Godmann: Weisen der Welterzeugung. Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-518-28463-0.
  • Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik. In: Ders.: Werke in 20 Bd. Band 13, Frankfurt am Main 1970.
  • Martin Heidegger: Der Ursprung des Kunstwerks. In: Ders.: Holzwege. Gesamtausgabe, Band 5, Klostermann, Frankfurt am Main 1977.
  • Martin Heidegger: Das Ge-Stell. In: Ders.: Bremer und Freiburger Vorträge. Gesamtausgabe, Band 79, Klostermann, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-465-02666-7.
  • Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft. In: Ders.: Werke. hg. v. Wilhelm Weisschedel. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1968.
  • Bernd Sommer, Harald Welzer: Transformationsdesign. Wege in eine zukunftsfähige Moderne. oekom Verlag, München 2014, ISBN 978-3-86581-662-7.
  • Gerhard Schweppenhäuser: Designtheorie. Springer VS, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-12659-9.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Martin Heidegger: Das Ge-Stell. In: Martin Heidegger: Bremer und Freiburger Vorträge. Gesamtausgabe. Band 79, Frankfurt am Main 1994.
  2. Aristoteles: Nikomachsche Ethik. In: E.Rolfes (Hrsg.): Philosophische Schriften in sechs Bänden. Band 1, Meiner, Hamburg 1995, 1097b.
  3. Jacques Derrida: Das andere Kap. Die vertagte Demokratie. Zwei Essays zu Europa. Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-518-11769-6, S. 22.
  4. G. Schweppenhäuser (Hrsg.): Handbuch der Medienphilosophie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2018.


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