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Erich Wiesen

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Erich Wiesen (* 18. Dezember 1897 in Böhmisch-Leipa; † 1. Januar 1972 in Bethpage) war ein deutsch-jüdischer Arzt, der in Eisenach niedergelassen war. Als Jude verfolgt, überlebte er mehrere Konzentrationslager und versuchte nach dem Krieg, die jüdische Gemeinde Eisenachs wiederzubeleben. Schließlich wanderte er in die USA aus und war dort als Allgemeinarzt und Künstler tätig.

Leben[Bearbeiten]

Herkunft[Bearbeiten]

Erich Wiesen war das zweite Kind des Landrabbiners Josef Wiesen (1886–1942), der Landrabbiner Böhmens war und 1898 als Landrabbiner des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach nach Thüringen kam. Er wuchs in Stadtlengsfeld und seit 1911 in Eisenach auf. Seine Mutter Ida verstarb 1905, der Vater heiratete erneut.

Schule und Studium[Bearbeiten]

Erich besuchte die Schule und das Karl-Friedrich-Gymnasium und legte 1915 das Abitur ab. Kriegsteilnehmer von 1915 bis 1918, studierte er Medizin, zuerst in Würzburg. Dort schloss er sich 1919/1920 einem Freikorps, der Marschgruppe Würzburg an, die später bei der Niederschlagung kommunistischer Aufstände in Thüringen im Einsatz war und deren Mitglieder vornehmlich aus der Würzburger Universität und deren Studentenverbindungen rekrutiert wurden. Er war Mitglied der jüdischen Studentenverbindung Veda Würzburg. Sein Staatsexamen bestand Wiesen am 25. März 1922 in München, wo er am 25. November 1922 promovierte.

Chirurgische Ausbildung und Tätigkeit[Bearbeiten]

Danach war Erich Wiesen ausweislich seiner Publikationen als Volontärassistent der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses der jüdischen Gemeinde zu Berlin und an der Säuglings- und Kinderklinik in Eisenach tätig. Zur Niederlassung wurde er am 7. Oktober 1931 ins Arztregister eingetragen und zugelassen noch am 6. Juni 1933. Er praktizierte in der Johannisstr. 9.[1] Wiesen war von 1931 bis 1934 Mitglied der jüdischen Loge B’nai B’rith.

Deportation und Konzentrationslager[Bearbeiten]

Am 1. März 1943 wurde Erich Wiesen mit sieben weiteren Eisenacher Juden „abgeschoben“[2] und mit anderen Teiltransporten aus dem sächsisch-thüringischen Raum nach Dresden verbracht[3]. Am 3. März 1943 fuhr der Sammeltransport in Dresden ab und erreichte am Abend des gleichen Tages das Konzentrationslager Auschwitz. Von dem etwa 1500 Menschen umfassenden Transport wurden 535 Männer und 145 Frauen in das Lager eingewiesen, die übrigen etwa 820 Menschen in den Gaskammern getötet[4]). Wiesen erhielt die Häftlingsnummer 105166 und wurde nach Monowitz geschickt, später war er als einer der Häftlingsärzte im vom Josef Mengele geleiteten Häftlingskrankenbau des so genannten „Zigeunerlagers“ bis zu dessen Liquidierung am 2. August 1944 tätig. Beim Näherrücken der Roten Armee wurde er auf den Todesmarsch geschickt. Erhalten ist die „Häftlings-Personal-Karte“ von Erich Wiesen aus dem Konzentrationslager Mauthausen, in das dieser nach seinen Aufenthalten in Auschwitz und Sachsenhausen am 26. Februar 1945 überstellt worden war.

Befreiung und Nachkriegszeit[Bearbeiten]

Am 5. Mai 1945 wurde Mauthausen befreit, am 31. Mai 1945 machte sich Wiesen auf den Weg nach Hause. Am 7. Juni 1945 kam Erich Wiesen zurück nach Eisenach und versuchte, wieder Fuß zu fassen. Am 1. Juli wurde Eisenach an die sowjetische Verwaltung übergeben. Der Sonderbeauftragte für das jüdische Vermögen, Arnold Hagenberg, bestellte Erich Wiesen am 18. Oktober 1945 zum Verwalter des Grundstückes Eisenach, Schlossberg 10. Am 20. Oktober 1945 machte Wiesen namens der ermordeten und noch lebenden Erben des Josef Wiesen die Eigentumsrechte am Grundstück Schlossberg 10 geltend. Am 23. Oktober 1945 teilte er dem Oberbürgermeister Karl Hermann mit, dass er die Geschäfte der Israelitischen Kultusgemeinde übernommen habe und als Geschäftsführer die Ansprüche der Kultusgemeinde gem. Thüringer Wiedergutmachungsgesetz vom 14. September 1945 geltend machen will.[5] Der Oberbürgermeister versicherte, dass „seitens der Stadtverwaltung alles Mögliche getan werden wird, was in den Kräften steht, um die Zukunft Ihrer Mitbürger jüdischen Glaubens zu fördern und ihnen zu helfen, die erlittene Unbill der letzten 12 Jahre zu vergelten“.[6]

Wenige Monate später ließ sich Wiesen als Displaced Person im DP-Lager Deggendorf einschreiben und wurde am 13. März 1946 in Eisenach nach Deggendorf abgemeldet. Denn im Gegensatz zu den Westzonen gab es in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) keine Lager für „displaced persons“.[7] Es war für Wiesen die einzige Möglichkeit, aus der SBZ in die USA zu kommen, wo sein Halbbruder Rudolf lebte. Der Leiter der jüdischen Gemeinde Eisenach, Walter Cappel, teilt dem Oberbürgermeister mit, „dass Herr Dr. Wiesen vorübergehend Eisenach verlassen hat und mir bis zu einer weiteren endgültigen Entscheidung seinerseits den Auftrag übergeben hat, die Belange der jüdischen Gemeinde als deren Leiter in meine Obhut zu nehmen“.

Emigration und Neuanfang[Bearbeiten]

Am 11. Mai 1946 verließ Wiesen Deutschland mit der „Marine Flasher“[8] und traf am 20. Mai in New York City ein. Es war der erste DP-Transport, der nach der Truman Directive vom 22. Dezember 1945 organisiert war, um Opfern des Nationalsozialismus in der amerikanisch besetzten Zone eine bevorzugte Einwanderung zu ermöglichen. Walter Cappel teilte Regierungsrat Chaim, zuständige in der Präsidialkanzlei Thüringen für Wiedergutmachungssachen, am 8. Juli 1946 mit, dass Erich Wiesen bereits in New York eingetroffen sei. Sein Neuanfang in den Staaten war nicht leicht, er musste Ausbildungsinhalte und ärztliche Prüfungen erneut ablegen. 1948 heiratete er Gertrud, genannt Trude, Hammerschlag, und ließ sich nicht mehr als Chirurg, sondern als Allgemeinarzt nieder. Am 14. August 1951 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft. 1956 feiern 200 DPs den 10. Jahrestag der Ankunft des ersten DP-Schiffs, und Erich Wiesen wurde als Arzt, der seine Praxis in einem fremden Land wieder aufnahm, zitiert: „Da Amerika gut zu den Einwanderern war, haben auch sie viel zu ihrer Wahlheimat beigetragen"[9] Sonst lässt sich über Erich Wiesen in Bethpage nicht viel in Erfahrung bringen. Sein Hobby scheint die Malerei gewesen zu sein, als Amateur gewann er sogar einen Preis.[10] Die Medical Society of the State of New York listet Erich Wiesen aus Bethpage auf,[11] und noch bis 1972 wird er im Mitgliederverzeichnis der American Academy of Family physicians gelistet.[12] Erich Wiesen verstarb am 1. Januar 1972 in 11714 Bethpage, Nassau County.[13]

Familie[Bearbeiten]

Der Vater, Josef Wiesen war der höchste jüdische Würdenträger Thüringens. Er war zuerst Bezirksrabbiner in Böhmisch Leipa, wo Erich auch geboren ist. 1898 wurde er Landesrabbiner des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach in Stadtlengsfeld, dem Sitz des Landesrabbinats. 1911 zog die Familie nach Eisenach, wo sie in einem herrschaftlichen Haus, der Villa Musculus am Schlossberg 10, ein Erziehungsheim für schwachbefähigte, nervöse und schwer erziehbare Kinder führte und die eigenen vier Kinder großgezogen wurden: aus erster Ehe Hertha (1894), Erich (1897) und Gertrud (1898). Aus der zweiten Ehe des Vaters mit Elsa, geborene Doernberg, stammte der Sohn Rudolf, der bereits am 21. Juni 1937 amerikanischer Staatsbürger wurde. Hertha wurde 1942 in Riga ermordet, Gertrud, verh. Klein, starb am 7. Juni 1989 in Israel.

Erich heiratete am 19. Juli 1932 Irma Wiesen, geb. Firnbacher (* 8. Juli 1908; ermordet am 3. März 1943 in Auschwitz). Sie stammte aus Regensburg, wo ihr Vater als Viehhändler tätig war, ihre Mutter Sophie, geborene Beermann, aus Gunzenhausen. Aus der Ehe ging der einzige Sohn Kurt Peter (* 14. April 1933) hervor. Er war das jüngste aus Eisenach deportierte Kind, als die kleine Familie als eine der letzten jüdischen Familien nach Auschwitz deportiert und seine Mutter und er am 3./4. März 1943 in der Gaskammer ermordet wurden.

Entschädigung[Bearbeiten]

Erich Wiesen schrieb später über die Umstände des Todes seiner Familie verbittert: „Frau und Kind, haben keine Anschrift mehr und haben keine Entschädigungsansprüche stellen können, weil sie in der Nacht vom 3. zum 4. März in Auschwitz vergast worden sind.“ Die Restitutionsansprüche der Eisenacher Immobilie werden vom Ministerium für Finanzen abgelehnt, es teilte Erich Wiesen in Brooklyn 18, N.Y., 1206 Cortelyou Road am 12. August 1955 mit, dass kein Schiedsgerichtsverfahren stattfinden konnte, da das Grundstück am 8. September 1945 kommunales Eigentum war und damit nicht unter das Wiedergutmachungsgesetz fallen würde.[14] Nach seinem Tod bemühte sich seine zweite Frau und sein Halbbruder Rudolf weiterhin um eine Entschädigung für das Eisenacher Anwesen, die am 20. Oktober 1980 durch die Foreign Claims Settlement Commission of the United States (Claim No. G-0883, Decision No. G-17 81) auf je $27,500.00 + 6 % Zinsen seit 1951 bis zur Anerkennung der Entschädigung durch die DDR-Regierung festgelegt wurde. Ob diese je erfolgt ist, ist nicht bekannt.

2011 wurden am Schlossberg 10 Stolpersteine für die Familie Wiesen verlegt.

Villa Musculus, Schlossberg 10, Eisenach
Stolperstein Josef Wiesen, Eisenach
Stolperstein Irma Wiesen
Stolperstein Peter Wiesen

Publikationen[Bearbeiten]

  • Bruno Rosenbaum und Erich Wiesen: Über die Indikationsstellung zu chirurgischen Eingriffen an den extrahepatischen Gallenwegen (Erfahrungen an 200 Krankheitsfällen) Dtsch Z Chir 224 (1930) 62-92
  • Wiesen, Erich: Zur Pathologie und Klinik angeborener Verschlüsse und Verengerungen des Darmes. Z. Kinder-Heilk. 54, 268–271 (1932). https://doi.org/10.1007/BF02248278
  • Nissel, W., Wiesen, E. Behandlung des Diabetes Mellitus mit Synthalin bei Chirurgischen Komplikationen. Klin. Wochenschr. 6, 734–736 (1927)

Literatur[Bearbeiten]

  • https://www.alemannia-judaica.de/eisenach_synagoge.htm
  • Brunner, Reinhold: Die Verfolgung, Vertreibung und Ermordung der jüdischen Menschen Eisenachs 1938 bis 1942, Eisenach 1998
  • Leimbach, Rolf: Spuren der israelitischen Gemeinde von Stadtlengsfeld. Lengsfelder Geschichten XIII. 2021, S. 56–60

Weblinks[Bearbeiten]

Eintrag in der Zentralen Datenbank der Namen der Holocaustopfer Yad Vashem

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Fragebogen, 14. September 1934 für den Thüringischen Landesärzteführer, Dr. Klipp (Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar)
  2. R. Brunner, Die Verfolgung, Vertreibung und Ermordung der jüdischen Menschen Eisenachs 1938 bis 1942, Eisenach 1998, S. 14
  3. https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_mid_43a.html
  4. Czech, Danuta, Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939-1945, Rowohlt, Reinbek 1989, S. 429
  5. Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Ministerium der Finanzen Nr. 3345
  6. Mertens, Lothar: Davidstern unter Hammer und Zirkel: die jüdischen Gemeinden in der SBZ/DDR und ihre Behandlung durch Partei und Staat 1945-1990 Georg Olms Verlag, Hildesheim 1997 S. 33
  7. Georg Schuppener: Jüdische Intellektuelle in der DDR: politische Strukturen und Biographien. Arbeitskreis Hochschulpolitische Öffentlichkeit beim StuRA der Univ. Leipzig, 1999
  8. https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn1001473
  9. 200 DPs to Celebrate l0 Year of Program: America is still the 'land of opportunity," some 200 DPs will testify today when they celebrate the 10 anniversary of the arrival of the first DP ship at a U. S. port. And if America has been good to the immigrants, they have contributed much to their adopted country”. Dr. Erich Wiesen, 53, of 8 Seitz Drive, Bethpage, the doctor who resumed his practice in a new country. Daily News from New York, New York Sunday, May 20, 1956, S. 142
  10. Art News 1955, 54 (1) p 10: Amateur standing: Second Prize in Oil went to Erich Wiesen of Bethpage
  11. New York State Journal of Medicine 1957:57 S. 3034
  12. American Academy of Family physicians Membership Directory with Constitution and Bylaws, 1972, S 398
  13. Deaths: Erich Wiesen. JAMA. 1972;221(11):1301-1302. doi:10.1001/jama.1972.03200240069037
  14. Stadtarchiv Eisenach


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