Lean Smart Maintenance
Lean Smart Maintenance (LSM) steht für eine schlanke, lern-, risiko- und ressourcenorientierte Instandhaltung. Dieses Vorgehenskonzept, das unter der Kategorie „perfektive Instandhaltung“ einzuordnen ist, verfolgt das Ziel, die Instandhaltung, die einen Wertschöpfungsfaktor im Anlagenmanagement darstellt, auf die Anforderungen der Industrie 4.0 vorzubereiten. LSM zielt daher auf die permanente Verbesserung von Anlagen und an sich verändernde Umweltbedingungen ab.
Damit Instandhaltungsstrategien effektiver und deren Prozesse effizienter gestaltet werden, wird das Konzept des Smart Maintenance mit dem Lean-Ansatz kombiniert. Wichtig und deshalb als Rahmenbedingung festgelegt, ist das Forcieren von Wissens- und Datenmanagement, sowie eine deutliche Erweiterung des Funktionsumfangs der Instandhaltung.[1]
Vorgehensmodell[Bearbeiten]
Das Vorgehenskonzept[2][3] von LSM beinhaltet jene in der Abbildung dargestellten Abschnitte:[4]
Der erste Schritt und damit der gemeinsame Ausgangspunkt ist die Bewertung und Klassifizierung von Anlagen innerhalb eines Anlagenparks. Dieser Schritt ist deshalb von Bedeutung, da der LSM-Ansatz den zielgerichteten und dadurch optimalen Ressourceninput für das Instandhaltungsmanagement vorsieht. Instrumente, die in diesem Zusammenhang eingesetzt werden sind insbesondere Engpassanalysen, Kriterien- oder Risikobewertungsmodelle.
Aufbauend auf Ergebnissen der Anlagenklassifizierung verfolgt das Vorgehensmodell einen Lean sowie einen Smart-Pfad. Dadurch wird das Instandhaltungsmanagementsystem aus der Sicht der Inputperspektive (Lean-Pfad) und der Outputperspektive (Smart-Pfad) optimiert. Für das Ergebnis ist maßgeblich das weitere Vorgehensmodell entscheidend.
Ausgehend von dem „Smart-Pfad“ werden Anlagen zur weiteren Betrachtung ausgewählt (Anlagenauswahl). Diese werden in der Regel aus der Liste der hoch klassifizierten Anlagen ausgesucht. Der nächste Schritt ist die Bewertung der Dateneignung (Datenreife), die im Abschnitt Datenaufnahme und -sichtung vorgenommen wird. Dieser Prozess ist aus datenanalytischer Sicht erforderlich, um die Vielfalt von Daten und deren Datenquellen sowie deren Richtigkeit zu überprüfen. Für den Fall, dass nicht genügend Daten mit ausreichender Qualität zur Verfügung stehen, besteht einerseits die Möglichkeit, Messdaten für eine vordefinierte Periode zu sammeln oder anderseits auf eine andere, auch hoch klassifizierte Anlage zurückzugreifen. Dieser Prozess muss ggf. des Öfteren wiederholt werden. Aus diesem Grund ist der Zeitaufwand in diesen ersten Teilprozessen besonders hoch.
Der Prozessschritt der Datentransformation umfasst mehrere Aktionen. Einerseits können betrachtete Daten durch gezielte Auswahl reduziert werden, anderseits werden betrachtete Daten geeignet zusammengefasst bzw. in ein anderes Skalenniveau überführt.
Im Abschnitt Merkmalsextraktion werden relevante Attribute für Analyseziele identifiziert. Die Clusteranalyse ist in diesem Zusammenhang ein Tool, um ausgewählte Attribute zu Gruppen zusammenzufassen.
Der letzte Prozessabschnitt des SMARTen Pfades ist der Erkenntnisgewinn. In diesem Abschnitt gilt es festzuhalten, welche Erkenntnisse sich aus den gewonnenen Informationen ableiten lassen. Die Ergebnisse bilden die Ausgangsbasis für Aktivitäten zur Effektivitätssteigerung im Anlagenmanagement.
Zeitlich parallel zum SMARTen Pfad können die Prozessabschnitte des LEAN-Pfads angewendet werden. Dazu gehört im ersten Schritt die Erfassung und Abbildung der IH-Kostenstruktur. Damit wird sichergestellt, welche IH-Kosten zum aktuellen Zeitpunkt für welche Anlagen/-teile anfallen.
Im Nachfolgeprozess wird die Priorität der Anlagen für den Wertschöpfungsprozess bestimmt (Anlagenprioritätsbestimmung). Dieser Prozess erfolgt in Workshops, bei welchen Experten aus den Abteilungen, Instandhaltung und Produktion teilnehmen.
Anschließend werden IH-Kosten- und Risikopotenzialanalysen durchgeführt. Der Hintergrund dieser Analysen ist zu hinterfragen, ob Anlagen mit hoher Risikoprioritätszahl (RPZ = Ausfallswahrscheinlichkeit × Schadensausmaß × Entdeckungswahrscheinlichkeit) auch höhere IH-Kosten verursachen. Werden in diesem Zusammenhang Anlagen mit hohen IH-Kosten und hoher RPZ identifiziert, werden die IH-Strategien der jeweiligen Anlagen im letzten Schritt des LEAN-Pfades angepasst.
Das Ziel des LSM fasst der letzte Prozessabschnitts zusammen, welche die Steigerung der Effizienz und der Effektivität des Instandhaltungsmanagementsystems beinhaltet.
Wird das IH-Managementsystem aus inputseitiger Perspektive betrachtet, sind folgende Schwerpunkte zur Erhöhung der Effizienz besonders wichtig:
- Ablauforganisation I. d. R. sind in diesem Bereich viele Effizienzpotenziale vorhanden. Beispielsweise führt eine genaue Dokumentation der IH-Tätigkeiten mittels geeignetem IPSA-System den Input für diverse Analysemöglichkeiten.
- Ersatzteilmanagement Ein weiterer Effizienztreiber ist die Optimierung der Ersatzteilwirtschaft. In diesem Zusammenhang kommt eine Bewertungsmethode wie beispielsweise die ABC-XYZ-Analyse zur Anwendung.
- Instandhaltungsplanung Unproduktive Nebenzeiten sollen hier reduziert werden. Prognosetechnologien und -methoden, beispielsweise Condition Monitoring und Datenanalyse unterstützen die Mitarbeiter bei der IH-Planung.
- Total Productive Maintenance Alle Grundelemente des TPM-Konzepts sind im LSM-Konzept vertreten, welche die „Totale Anlageneffizienz“ verfolgen und folgendermaßen lauten: Kontinuierliche Anlagenverbesserung, autonome Instandhaltung, geplante Instandhaltung, Schulung und Training sowie Instandhaltungsprävention.
Betrachtet man die outputseitige Sicht der Instandhaltung, so führen insbesondere folgende Schwerpunkte zur Steigerung der Effektivität:
- Datenmanagement Daten werden in diesem Zusammenhang als Produktionsfaktoren angesehen, die entsprechend gestaltet, das Instandhaltungs- und Produktionsmanagement in erheblichem Maße unterstützen.
- Instandhaltungsstrategiemixoptimierung Mit der Optimierung des Instandhaltungsstrategiemix sollen Kosten (Ressourceninput) reduziert und Qualität, Verfügbarkeit, Flexibilität (Output) erhöht werden. Oberstes Ziel ist die dynamische Anpassung der IH-Strategie auf verändernde Bedingungen, weshalb der IH-Strategiefindungsprozess in den Regelkreis der Instandhaltung integriert werden sollte.
- Lebenszyklusorientierung Zur Gestaltung eines effektiven Anlagenmanagements ist die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus einer Anlage aus betriebswirtschaftlicher Sicht notwendig. Dabei wird von der Entwicklung bis hin zur Außerbetriebnahme einer Anlage/-gruppe das Gesamtoptimum angestrebt, wobei die Betrachtung der Schwerpunkte RAMS (Reliability, Availability, Maintainability, Safety), Lebenszykluskosten und Anlagenersatzentscheidungen hier von besonderer Relevanz sind.
- Mitarbeiterqualifikation Der Wandel in der Instandhaltung erfordert die Anpassung der Mitarbeiterqualifikation die alle Kompetenzarten (Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz) umfassen soll.
- Prädiktive Instandhaltung Unter prädiktive IH wird die rechtzeitige Vorhersage von Anlagenausfällen verstanden, die einen Eingriff der Instandhaltungsmitarbeiter vor einem Ausfall ermöglicht. Die Vorgehensweise dieser IH-Strategie entspricht im LSM-Konzept dem SMARTen Pfad.
- Proaktive Instandhaltung Die proaktive Instandhaltung verfolgt das Ziel, mittels Anlagenverbesserung, Schwachstellen nachhaltig zu beseitigen. Die Schwachstellenanalyse ist als Tool im Optimalfall in einem IPSA-System integriert und sorgt deshalb als ein wesentliches Element des LSM für die Identifikation von Problemstellen zur Effektivitätssteigerung der Instandhaltung.
- Wissensmanagement Regelt den Umgang von vorhandenem Wissen in der Organisation. Dabei gilt es externalisiertes Wissen der Mitarbeiter in einem Wissensmanagementsystem nachhaltig zu speichern und dieses bei Bedarf, wie beispielsweise bei der Datenanalyse, den „neuen“ Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen.
Instandhaltungsstrategien[Bearbeiten]
Instandhaltungsstrategien sind objektbezogene Vorgaben, die festlegen welche Instandhaltungsmaßnahmen hinsichtlich Umfang, Methode, Inhalt und zeitlicher Abfolge durchzuführen sind.
Es wird in der Regel zwischen folgenden Strategien unterschieden:
- Reaktiv (ausfallsorientiert)
- Präventiv (vorbeugend)
- Prädiktiv (zunstandsorientiert)
- Perfektiv (anlagenverbessernd)
Ziel ist es die aktuelle Instandhaltungsstrategie an den nach Kosten- und/oder Kritikalitätsaspekten auffälligen Anlagen kritisch zu hinterfragen und auf Basis einer Kosten-Nutzen-Bewertung zu optimieren.
- Reaktive (ausfallsorientierte) Instandhaltung: In diesem Fall werden keine vorbeugenden Maßnahmen durchgeführt und der Ausfall des Instandhaltungsobjekts abgewartet.
- Präventive (vorbeugende) Instandhaltung: Ziel dieser Strategie ist der Tausch der Komponente vor ihrem Ausfall, aufgrund periodisch, alters-, betriebs- oder laufleistungsabhängig festgelegter Tauschzyklen. Ungeplante Ausfälle der Komponente vor dem Tausch können nicht ausgeschlossen werden.
- Prädiktive (zustandsorientierte) Instandhaltung: Ziel ist ein Komponententausch kurz vor dem Ausfall, sodass der Abnutzungsvorrat möglichst vollständig ausgenutzt werden kann. Die Festellung des Zusandes erfolgt entweder direkt oder indirekt. Die direkte Zustandsfeststellung erfolgt über Inspektion oder ein Condition Monitoring System. Die indirekte lässt über verfügbare Daten und Informationen einen Rückschluss auf den Zustand der Anlage zu. Die zweite Variante wird auch als „predictive Maintenance“ bezeichnet und gewinnt zurzeit, durch die steigende Datenmenge in der Smart Factory, enorm an Bedeutung.
- Perfektive (anlagenverbessernde) Instandhaltung: Diese Strategie verfolgt das Ziel die Anlage durch nachhaltige Beseitigung von Schwachstellen kontinuierlich weiter zu verbessern.
Um die richtige Methode für die Strategieanpassung zu finden, fokussiert sich ein Unternehmen in erster Linie auf jene Anlagen, die als Schwertpunktsanlagen im Portfolio identifiziert wurden und bei denen die Detailanalysen den Verdacht einer falschen Instandhaltungsstrategie bestätigt haben. Im nächsten Schritt gibt es zwei Optimierungsmöglichkeiten.
Zum einen zeigt die Kostenanalyse, ob die hohen Kosten der Anlage berechtigt sind und somit kein Handlungsbedarf besteht oder ob die Anlage auffällig hohe präventive und/oder reaktive Kosten hat, sowie welche Tätigkeiten diese verursacht haben. Bei hohen reaktiven Kosten sind die entsprechenden Tätigkeiten in einer Schwachstellenanalyse hinschtlich ihrer Ursachen zu analysieren. Bei zu hohen präventiven Instandhaltungskosten werden die Kostentreiber durch Kostenanalysen ermittelt, im Team besprochen und Maßnahmen zur Kostensenkung abgeleitet. Gefundene Alternativen sind hinsichtlich verbundenener Risiken für Qualität, Sicherheit, Umwelt und Anlagenverfügbarkeit/Zuverlässigkeit zu beurteilen. Die Auswahlmöglichkeit mit dem günstigsten Kosten-Risiko-Verhältnis ist als neue Strategie zu wählen.
Mittels einer Schwachstellenanalyse werden kritische Anlagen betrachtet und sowohl organisatorische als auch technische Schwachstellen identifiziert. Durch eine Risikoanalyse (RMEA) können weitere potenzielle Risiken mit einem zu hohen Risikowert bestitmmt werden. Anahnd von Apassungen der Ressourcen durch das Instandhaltungsmanagement können organisatorische Schwachstellen behoben werden. Technische Schwachstellen müssen genau untersucht werden und Maßnahmen zur Risikoreduktion abgeleitet werden.[5][6]
Literatur[Bearbeiten]
- Hubert Biedermann, Alfred Kinz, Thomas Zellner: Lean Smart Maintenance: Umsetzung einer schlanken, lernorientierten, risiko- und ressourcenoptimierten Instandhaltung in der Prozessindustrie. In: Instandhaltung.
- Hubert Biedermann: Lean Smart Maintenance. In: Hubert Biedermann (Hrsg.): Industrial Engineering und -Management: Beiträge des Techno-Ökonomie-Forums der TU Austria. Band 1 1. Aufl., Springer Verlag, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-12096-2, S. 119–141.[7]
- Katharina Mertens, Alfred Kinz, Hubert Biedermann: Lean Smart Maintenance. Leoben, 2018. Digitalisat
- Erfolg durch Lean Smart Maintenance; Biedermann; 2017
Weblinks[Bearbeiten]
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ Lean Smart Maintenance: Schlanke, intelligente und effiziente Instandhaltung. In: lean-smart-maintenance.net. Lehrstuhl Wirtschafts- und Betriebswissenschaften (WBW) an der Montanuniversität Leoben, abgerufen am 25. März 2018.
- ↑ Kinz, A.; Bernerstätter R.;: Instandhaltungsoptimierung mittels Lean Smart Maintenance: Einführung des Lean Smart Maintenance Ansatzes. In: Biedermann H. (Hrsg.): Lean Smart Maintenance - Konzepte, Instrumente und Anwendung für eine effiziente und intelligente Instandhaltung. Praxiswissen Instandhaltung. TÜV Media GmbH, Köln 2016, ISBN 978-3-7406-0096-9, S. 205.
- ↑ Biedermann, H.: Lean Smart Maintenance: Wertschöpfende, lernorientierte und ressourceneffiziente Instandhaltung. In: Biedermann, H. (Hrsg.): Lean Smart Maintenance - Konzepte, Instrumente und Anwendungen für eine effiziente und intelligente Instandhaltung. Praxiswissen Instandhaltung. TÜV Media GmbH, Köln 2016, ISBN 978-3-7406-0096-9, S. 205.
- ↑ Alfred Kinz, Robert Bernerstätter, Thomas Zellner: Lean Smart Maintenance in der Prozessindustrie – Umsetzung einer schlanken, lernorientierten, risiko- und ressourcenoptimierten Instandhaltung bei der voestalpine Schienen GmbH. In: WING Business. 01/2016.
- ↑ Hubert Biedermann: Predictive Maintenance Realität und Vision: 32. Instandhaltungsforum. Köln, ISBN 978-3-7406-0359-5 (worldcat.org [abgerufen am 21. August 2019]).
- ↑ Hubert Biedermann, ÖIVA,, TÜV Rheinland Group TÜV Media GmbH: Lean Smart Maintenance Konzepte, Instrumente und Anwendungen für eine effiziente und intelligente Instandhaltung. 1. Auflage. Köln, ISBN 978-3-7406-0096-9 (worldcat.org [abgerufen am 21. August 2019]).
- ↑ Lean Smart Maintenance. Abgerufen am 2. Mai 2016.
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