Lebensraum Schweiz ohne Grossraubtiere
Lebensraum Schweiz ohne Grossraubtiere (VLSoGRT) ist ein Verein gemäss Art. 60 ff. ZGB. Er setzt sich als Bürgerinitiative für einen Lebensraum Schweiz ohne Grossraubtiere, den Schutz der landwirtschaftlichen Nutztiere, der Weidetierhaltung und der Alpwirtschaft ein.[1] Lebensraum Schweiz ohne Grossraubtiere ist eine Dachorganisation, der sich kantonale oder überregionale Sektionen anschließen. Die Organisation lehnt ein Rewilding mit streng geschützten Großraubtieren für die Schweizer Alpen ab.[2]
Vorgeschichte[Bearbeiten]
Die Schweiz ratifizierte 1979 die Berner Konvention, obwohl die Grossraubtiere noch nicht in der Schweiz präsent waren. Zwischen 1999 und 2002 wurden im Rahmen des Projektes «Live Ursus» zehn Bären aus Slowenien im Naturpark Adamello-Brenta ausgesetzt. In der Folge haben sich mehr als 50 Bären in der Region bis in die Schweiz verbreitet.
1998 wurde in Reckingen ein toter Wolf aufgefunden[3]. 2008 musste der erste Bär im Kanton Graubünden geschossen werden. Das erste Wolfsrudel wurde 2012 am Calanda bei Chur gesichtet, 2015 das erste im Tessin sowie 2016 und 2017 weitere Rudel in den Kantonen Wallis, Freiburg und im Kanton Waadt.[4][5] Betroffene Bergbauern und Schafhalter begannen sich zu wehren. Seit Sommer 2015 gibt es wegen den Herdenschutzhunden Zwischenfälle und Unfälle mit Wanderern in den Voralpen, was dem Tourismus schadet.[6]
Die Vereinigung für Lebensräume ohne Grossraubtiere Graubünden wurde am 16. März 2013 in Poschiavo gegründet, nach dem das Tal wiederholt von einwandernden Bären aus Italien heimgesucht wurde. Das an Italien grenzende italienischsprachige Val Poschiavo ist ein bewohntes Berggebiet mit biologischem Landbau, wo die direkte Demokratie nie aufgehört hat, gelebt zu werden. Die Mehrheit der Bevölkerung will ihren Lebensraum frei von Bären halten und mit der Vereinsgründung ein Zeichen gegen das politisch-technokratische Management des Alpenraumes setzen.[7]
Am 12. Mai 2015 wurde der Verein Lebensraum Wallis ohne Grossraubtiere von über 300 Schäfern und Jägern gegründet und über 1000 Personen erklärten sich bereit, Mitglied zu werden, nach dem die Walliser Schafe 2014 vom Augstbordwolf heimgesucht wurden. Für den Verein geht es um die Wahl, ob das Berggebiet künftig Naturreservat oder lebendiger Wirtschafts- und Lebensraum sein soll.[8]
Die Vereinigung zum Schutz der Weidetierhaltung und ländlichem Lebensraum VWL wurde am 21. Mai 2015 gegründet, nach wiederholten Wolfsrissen auf den Alpen und einem Angriff auf ein Kalb. Der Verein will die Bevölkerung über die Gefahren einer steigenden Wolfspopulation informieren. Er bezweifelt, dass eine Koexistenz von einheimischer Landwirtschaft mit anwesenden Wölfen in der dicht besiedelten Kulturlandschaft gelingen könne.
Am 2. Juni 2015 wurde die Tessiner Sektion Associazione per un Territorio senza Grandi Predatori (ATsenzaGP) gegründet. Grossraubtiere unterstehen grundsätzlich dem Bundesrecht. Mit der Aufnahme der Wölfe in die Jagdverordnung im Juli 2015 haben die Kantone mehr Spielraum um bei Problemen zu reagieren.
36 Prozent der Landesfläche der Schweiz können landwirtschaftlich genutzt werden, die Alpwirtschaftsflächen machen ein gutes Drittel aller Landwirtschaftsflächen aus.[9] Nach Auffassung des Alpwirtschaftlichen Vereins im Allgäu Vereinigung zur Erhaltung der Kulturlandschaft erlauben die naturräumlichen Bedingungen in den Alpen keinen effektiven Schutz der auf den Almen weidenden Rinder.[10]
Geschichte[Bearbeiten]
Die nationale Dachorganisation wurde am 10. September 2015 gegründet, um die bereits bestehenden kantonalen Vereine zu unterstützen und um aufzuzeigen, dass die Problematik der Grossraubtiere nicht nur ein paar abgelegene Gebiete, sondern die ganze Schweiz betrifft.[11]
550 Teilnehmer aus allen Kantonen der Zentralschweiz gründeten am 18. November 2016 die Vereinigung zum Schutz von Jagd und Nutztieren vor Grossraubtieren in der Zentralschweiz offiziell in Rothenthurm. Im gleichen Jahr waren auch im Kanton Uri Bären aufgetaucht. Am Beispiel Frankreich wurde aufgezeigt, welche Probleme entstehen, wenn man die Grossraubtiere nicht reguliert.
Über 400 Schaf- und Ziegenzüchtern sowie Jäger und Vertreter der Alpwirtschaft gründeten am 16. April 2018 die Vereinigung zum Schutz von Wild- und Nutztieren vor Grossraubtieren im Kanton Bern als Berner Sektion des Dachverbandes Lebensraum Schweiz ohne Grossraubtiere.
Im Dezember 2018 hatte sich der Verein Lebensraum Schweiz ohne Grossraubtiere (VLSoGRT) gemeinsam mit landwirtschaftlichen Verbänden für die Unterstützung einer Lockerung des Schutzstatus des Wolfes für die Schweiz im Europarat eingesetzt. Er wies darauf hin, dass in den skandinavischen Ländern die Wolfpopulationen trotz der Lockerung des Schutzstatus auf einem stabilen Niveau blieben. Im gleichen Jahr koordinierte der Dachverband seine politischen Anliegen zu dem vom Parlament zu behandelnden neuen Jagdgesetz. Er befasste sich auch mit der Frage der Klärung der Wolfshybriden und der internationalen Zusammenarbeit.[12]
Nachgewiesene Grossraubtierrisse an Nutztieren werden den Tierhaltern vom Bund entschädigt.[13] DNA-Analysen können jedoch falsche Resultate liefern, wenn der Bär oder Wolf Schafe reisst und nachher der Fuchs am Kadaver frisst.[14]
Im Februar 2019 wurde im Kanton Uri die kantonale Volksinitiative «Zur Regulierung von Grossraubtieren im Kanton Uri» mit 70,2 Prozent Ja angenommen. Die Urner Kantonsverfassung wird mit den Sätzen «Der Kanton erlässt Vorschriften zum Schutz vor Grossraubtieren und zur Beschränkung und Regulierung des Bestands. Die Förderung des Grossraubtierbestands ist verboten.» ergänzt.[15] Das Walliser Kantonsparlament hat ein Postulat gut geheissen, das allen Jägern ermöglichen soll, sich an einem bewilligten Wolfsabschuss zu beteiligen.[16] In Skandinavien ist die Jagd auf Wölfe erlaubt. Damit kann der Wolfsbestand stabil gehalten werden.[17]
Mitglieder[Bearbeiten]
Mitglieder des nationalen Vereins sind die angeschlossenen Sektionen. Das sind kantonale und regionale Vereine aus bisher folgenden Kantonen. Diese hatten Ende 2016 über 1620 Mitglieder:[18]
- Appenzell AI/AR, Glarus, St. Gallen[19]
- Bern[20]
- Freiburg
- Graubünden[21]
- Tessin[22]
- Waadt[23]
- Wallis[24]
- Zentralschweiz[25]
Diese Vereine sind unabhängig vom nationalen Verein und verfolgen in ihrem jeweiligen Gebiet vergleichbare Zielsetzungen. Die Delegiertenversammlung ist das oberste Organ des Vereins. Jedes Mitglied ist an der Delegiertenversammlung stimmberechtigt.
Vereinszweck[Bearbeiten]
Die artenreichen Ökosysteme in der von den Bergbauern geschaffenen Kulturlandschaft dieses Hochgebirges sind durch die traditionellen Formen der Bewirtschaftung, durch angepasste Systeme der Weide- und Mahdnutzung, entstanden und können durch diese erhalten und vor Vergandung bewahrt werden. [26][27][28]
Der Verein verfolgt gemäss Statuten folgende Zwecke:
- Er vertritt auf nationaler Ebene die Interessen der Landwirtschaft, des Tourismus, der Jagd und weiterer Wirtschaftszweige sowie den Schutz der Bevölkerung gegenüber der Anwesenheit von Grossraubtieren (Wolf, Bär, Luchs, Goldschakal usw.)
- Er bündelt und koordiniert diese Bestrebungen in den einzelnen Landesgegenden und mit anderen Partnern.
- Er fördert die internationale Vernetzung zur Bekanntmachung der Erfahrungen im Umgang mit Grossraubtieren in anderen Ländern.
- Er informiert die Bevölkerung und klärt die Öffentlichkeit über die Probleme im Umgang mit Grossraubtieren auf.
- Er berät die Mitglieder im Umgang mit den direkten und indirekten Folgen der Präsenz von Grossraubtieren.
Forderungen[Bearbeiten]
Der Verein weist darauf hin, dass die ländlichen Gebiete nicht länger «Spielball einer verfehlten Wolfspolitik» des Bundes sein wollen. Der Bund müsse jetzt auf die immer lauter werdenden Forderungen der wolfskritischen Kantone reagieren. Er fordert den Austritt aus der Berner Konvention und einem Wiedereintritt in die Konvention mit Auflagen zu den Grossraubtieren sowie die Bestandregulierung auf kantonaler Ebene. Das Subsidiaritätsprinzip müsse auch in der Wolfspolitik gelten. In seinem Grossraubtierkonzept schläft der Verein deshalb vor, die Bewirtschaftung von Grossraubtierbeständen an die Kantone zu übertragen. Die Kantone könnten für ihren Siedlungsraum eine Nulltoleranz für Grossraubtiere einführen.[29]
Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) unterstützt die Bestrebungen des Vereins und sieht die Lösung des Problems der Grossraubtiere durch Herabsetzung des Schutzstatus in der Berner Konvention oder allenfalls deren Kündigung und Neuverhandlung sowie durch eine Revision des Jagdgesetzes. Es brauche für die entstandenen Schäden an Nutztieren eine gerechte Entgeltung sowie Anreize für die Prävention vor Grossraubtieren.
Vereinspublikationen und Anlässe[Bearbeiten]
Der Verein informiert auf seiner Website in deutscher, französischer und italienischer Sprache. Er verfasst Medienmitteilungen zu aktuellen Ereignissen und Themen zur Information der Öffentlichkeit und organisiert öffentliche Film- und Diskussionsabende.[30][31][32] Er nimmt an Vernehmlassungen zu Gesetzesänderungen, Referenden und Volksinitiativen teil.[33]
Siehe auch[Bearbeiten]
- Jagdbanngebiet
- Wolfsmanagement
- Koordinierte Forschungsprojekte zur Erhaltung und zum Management der Raubtiere in der Schweiz (Kora)
Weblinks[Bearbeiten]
- Website Lebensraum Schweiz ohne Grossraubtiere
- raoline: Bewegung «Lebensraum Schweiz ohne Grossraubtiere»
- Vereinigung AmAMont Schweiz: Vereinigung der Freunde der Berge und Alpen
- 1815.ch Wallis: 31. Mai 2018: Schnydrig bleibt für weitere zwei Jahre Co-Präsident
- Schweizer Bauer vom 17. April 2018: Neuer Verein bekämpft Wolf
- Schweizer Radio und Fernsehen vom 17. April 2018: Bernische Gegner von Luchs, Wolf und Bär sammeln sich
- NZZ vom 31. Januar 2019: Dem Wolf geht es an den Kragen – zumindest symbolisch
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ RAO: Wildtiere Nutztiere Interessenkonflikte
- ↑ Georges Stoffel: Die komplexen Hintergründe des „Rewilding“, des „Zurück zur Wildnis“ mittels Pärken und der Ansiedlung von Großraubtieren
- ↑ Kora: Wolf Verluste
- ↑ CHWOLF: Nachweise und Verbreitungskarte
- ↑ Südostschweiz: In Graubünden gibt es ein neues Wolfsrudel
- ↑ NZZ vom 6. März 2018: Herdenschutzhunde sollen aus Region Andermatt verbannt werden
- ↑ Schweizer Fernsehen und Radio vom 19. Dezember 2012: Der schlafende Bär M13 entzweit das Puschlav
- ↑ Oberwalliser Ziegenzuchtverband: Verein Lebensraum Wallis ohne Grossraubtiere
- ↑ Bundesamt für Statistik: Landwirtschaftsflächen
- ↑ Alpwirtschaftlicher Verein im Allgäu e.V.Vereinigung zur Erhaltung der Kulturlandschaft: Großraubtiere
- ↑ 1815.ch vom 10. September 2015: Verein «Lebensraum Schweiz ohne Grossraubtiere» gegründet
- ↑ Jungfrauzeitung vom 2. Juni 2018: Schutz vor Grossraubtieren. Thomas Knuttis Verein stösst auf Anerkennung
- ↑ Unterstützung des Bundes für den Herdenschutz in Zusammenhang mit Grossraubtieren
- ↑ 17. Oktober 2018 DNA-Analyse lieferte falsche Resultate Bär reisst Schafe auf Göscheneralp
- ↑ Luzerner Zeitung vom 10. Februar 2019: Ja zur Initiative: Kanton Uri will Raubtieren an den Kragen
- ↑ Schweizer Bauer vom 12. März 2019: Wallis. Alle Jäger sollen Wolf schiessen
- ↑ Spiegel Ausgabe 10/2018: Legale Jagd. Warum Skandinavier Wölfe töten
- ↑ VLSoGRT: Natürliche und juristische Mitglieder der Sektionen per Ende 2016
- ↑ VWL-Vereinigung zum Schutz der Weidetierhaltung und ländlichem Lebensraum der Kantone Glarus, St. Gallen und beider Appenzell
- ↑ Der Bund vom 17. April 2018: 400 Berner Wolfsgegner schliessen sich zusammen
- ↑ Vereinigung Lebensräume ohne Grossraubtiere Graubünden
- ↑ Associazione per un territorio senza grandi predatori
- ↑ Association Romande sans les grands prédateurs
- ↑ Lebensraum Wallis
- ↑ Vereinigung zum Schutz von Jagd und Nutztieren vor Grossraubtieren in der Zentralschweiz
- ↑ Christian Dommermuth, Alexander Stahr: Erosion im Hochgebirge und der strukturelle Wandel der Almwirtschaft, Spektrum Mai 1993
- ↑ Axel Paulsch, Cornelia Dziedzioch, Thomas Plän: Umsetzung des Ökosystemaren Ansatzes in Hochgebirgen Deutschlands: Erfahrungen mit der Alpenkonvention, BfN-Skripten 85, Seite 18–23
- ↑ Schweizerische Eidgenossenschaft: Flächennutzung und Vergandung
- ↑ VLSoGRT vom 27. Mai 2017: Die Reihen der wolfskritischen Kantone schliessen sich
- ↑ Bündner Tagblatt vom 2. November 2016: Auf den Vormarsch des Wolfs folgt der Rückzug der Landwirtschaft
- ↑ Die schwerwiegenden Folgen der Wiederkehr des Wolfes in Frankreich
- ↑ Medienmitteilungen
- ↑ Bundesamt für Umwelt BAFU vom 29. November 2016: Eingaben im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zur Änderung des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdgesetz, JSG; SR 922.0)
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