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Sonderforschungsbereich 923 „Bedrohte Ordnungen“

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Der Sonderforschungsbereich 923 „Bedrohte Ordnungen“ ist ein Sonderforschungsbereich (SFB) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der an der Eberhard Karls Universität Tübingen angesiedelt ist. Seit 2011 wird im Rahmen dieses Forschungsprojekts interdisziplinär erforscht, ob und wie sich soziale Ordnungen ändern, sobald sie mit existenzgefährdenden Bedrohungen konfrontiert werden. Der SFB befindet sich seit Juli 2015 in seiner zweiten Förderphase. Sprecher des SFB ist seit August 2016 der Althistoriker Mischa Meier, der in dieser Funktion dem Neuzeithistoriker Ewald Frie nachfolgte. Stellvertretende Sprecherin ist die Neuzeithistorikerin Renate Dürr.

Der SFB 923 ist historisch angelegt, weshalb die meisten Projekte in der Geschichtswissenschaft angesiedelt sind. Weitere beteiligte Fächer sind Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Ethnologie, Germanistik, Griechische Philologie, Medienwissenschaft, Medizin, Politikwissenschaft, Soziologie, Theologie und Rechtswissenschaft.

Forschungsprogramm[Bearbeiten]

Der SFB verfolgt vier langfristige Forschungsziele: Die Historisierung aktueller Krisendiagnosen, die Untersuchung von Modi schnellen sozialen Wandels, die Erneuerung der Raum- und Zeitkategorien der Sozial- und Kulturwissenschaften sowie eine Grundlagenreflexion in den Sozial- und Kulturwissenschaften unter den Bedingungen der Globalisierung.[1]

„Ordnung“ wird im Rahmen des SFB als „epochen- und fächerübergreifend zentraler Begriff des politischen und sozialen Denkens“ verwendet. Mithilfe des zuspitzenden Attributs "bedroht" sollen „aktuelle disziplinübergreifende Debatten zu den Themen Krise, Modernisierung, sozialer Wandel und Revolution, Sicherheit/Unsicherheit, Vulnerability und Resilienz sowie Emotion“ aufgegriffen werden, womit der SFB nationale wie international diskutierte Forschungsthemen aufgreift. Durch die Untersuchung der Wechselbeziehung zwischen Bedrohung und Ordnung können der existenzielle Charakter von Bedrohungen ebenso wie die Stabilität sowie der Variationsreichtum von Ordnungen studiert werden.

In seiner ersten Förderphase (2011–2015) untersuchte der SFB insbesondere die Spezifik der Bedrohung sowie Bedrohungskommunikation[2]. Als bedrohten Ordnungen fasst der SFB solche Situationen, in denen

Akteure zu der Überzeugung gelangen, dass Handlungsoptionen unsicher werden, Verhaltenserwartungen und Routi- nen in Frage stehen und sie sich jetzt oder in naher Zukunft wahrscheinlich nicht mehr aufeinander verlassen können. Ihnen gelingt es, eine Kommunikation zu etablieren, in der sie eine konkrete Bedrohungsquelle benennen. Diese Kom- munikation ist durch starke Emotionen gekennzeichnet (affektiver Zustand), überlagert mindestens teilweise andere Kommunikationsthemen (Bedeutsam- keit) und argumentiert mit dem Faktor Zeit (probabilistic, Unmittelbarkeit).[3]

Seit 2015 fokussieren die Forschungsarbeiten des SFB das Bewältigungshandeln in bedrohten Ordnungen. Dafür wurde ein Modell "re-ordering" entwickelt, verstanden als Prozess

in dem die aus den Fugen geratene, damit thematisierbare und veränderbare Ordnung unter hohem Druck neu gestaltet werden muss, mit für die Akteure unabsehbaren Folgen. Re-ordering beschreibt einen mit der Selbstalarmierung sich öffnenden Raum, in dem vieles möglich ist - von der Rückkehr zur alten Ordnung über die Entwicklung einer veränderten Ordnung mit Gewinnern und Verlierern bis hin zum Zusammenbruch der alten und der Entstehung einer völlig neuen Ordnung.[4]

Teilprojekte[Bearbeiten]

Seit Beginn der Förderung wurden 42 Teilprojekte mit insgesamt 80 Einzeluntersuchungen erforscht.

Name Leiter Disziplin Beschreibung
Teilprojekt A01: Aufruhr in Städten und geistlichen Institutionen: Das „Zeitalter des Investiturstreits“ in europäischer Perspektive Prof. Dr. Steffen Patzold Mittelalterliche Geschichte Das Teilprojekt A01 untersucht vergleichend Aufruhr in Städten und in geistlichen Gemeinschaften im deutschsprachigen Südwesten des Reiches, im Anjou und in Oberitalien in den Jahren um 1100. Ziel ist es, 1) differenziertere Erklärungen für Härte und Dauer des „Investiturstreits“ zu finden, 2) den sozialen Wandel der Jahre um 1100 als europäisches Phänomen jenseits von nationalen Meistererzählungen zu erfassen und 3) die mediävistische Konfliktforschung durch Überwindung der Dichotomie von Moderne und Vormoderne methodisch weiterzuentwickeln.
Teilprojekt A02: Vom Fest zum Aufruhr. Fastnacht als Bedrohung städtischer Ordnung in Spätmittelalter und Reformation Prof. Dr. Klaus Ridder Germanistik, Mediävistik Das Teilprojekt befasst sich mit dem Verhältnis von städtischem Fastnachtstheater (d. h. allen öffentlichen Fastnachtsaktivitäten) und städtischem Ordnungsdiskurs in Spätmittelalter und Reformation (1450–1550). Es soll Situationen und Formen der Bedrohung städtischer Ordnung durch fastnächtlichen Aufruhr identifizieren und Kriterien für das Umschlagen von inszenierter zu realer Ordnungsverletzung erarbeiten. Dazu werden Fastnachtspieltexte, Ordnungssatzungen und weitere einschlägige Quellen (Ratsprotokolle u. a.) in den Städten Nürnberg, Ulm, Regensburg und Straßburg ausgewertet.
Teilprojekt A03: Aufruhr in Montanregionen im 20. Jahrhundert Prof. Dr. Anselm Doering-Manteuffel

Dr. Jörg Neuheiser

Zeitgeschichte, Neuere Geschichte Das Teilprojekt A03 untersucht die Bedrohung der regionalen Ordnungen in deutschen und britischen Montanindustriegebieten am Beginn und am Ende des 20. Jahrhunderts. Mit Blick auf Wellen des Aufruhrs in den 1920er und 1980er Jahren soll durch die vergleichende Analyse der Wirkung unterschiedlicher Handlungsdynamiken auf regionaler, überregional-nationaler und transnationaler Ebene erfasst werden, unter welchen Bedingungen, auf welche Weise und mit welchen Folgen regional übliche Formen des Aufbegehrens in Montangebieten ordnungsbedrohenden Charakter annahmen.
Teilprojekt B01: Erdbeben als Bedrohung sozialer Ordnungen. Bedrohungskommunikation in Literatur – Bedrohungskommunikation als Literatur (5. Jh. v. Chr. – 6. Jh. n. Chr.) Prof. Dr. Irmgard Männlein-Robert

Prof. Dr. Mischa Meier

Griechische Philologie, Alte Geschichte Schon in der Antike wurden Erdbeben vielfach als Bedrohung der bestehenden politischen und sozialen Ordnungen wahrgenommen. Die Verarbeitung solcher Bedrohungssituationen spiegelt sich insbesondere im literarischen Quellenmaterial wider, das in der Forschung bisher jedoch meist nur punktuell und deskriptiv bearbeitet wurde. Ziel des Projektes ist es deswegen, die literarischen Reflexe antiker Erdbeben chronologisch übergreifend zu erfassen und ihnen gleichzeitig auch besser gerecht zu werden: Einerseits handelt es sich um literarische Produkte, auf die insofern auch mit Hilfe eines literaturwissenschaftlichen Instrumentariums zugegriffen werden sollte; andererseits sind sie jedoch auch historische Quellen, die es im Rahmen des nichtliterarischen Materials sowie interkultureller Vergleiche zu kontextualisieren und auszuwerten gilt. Dieser doppelten Notwendigkeit wird in einer philologischen und einer historischen Teiluntersuchung begegnet, deren Entstehung in enger Zusammenarbeit erfolgt und die intensiv von den Ergebnissen des jeweils anderen Teils profitieren kann.
Teilprojekt B02: Hungerkatastrophen als Bedrohung religiöser und sozialer Ordnungen. Bedrohungskommunikation und Bewältigungshandeln in christlichen Gesellschaften (1570–1980) Prof. Dr. Andreas Holzem Theologie, Mittlere und Neuere Kirchengeschichte Das Teilprojekt B02 untersucht in drei Zeitschnitten (1570–1715; 1870–1929 und 1960–1980), wie Bedrohungen durch Hungerkatastrophen zu religiösen und religiös induzierten gesellschaftlichen Bewältigungs- und Ordnungsanstrengungen führten. Im Mittelpunkt steht die schritt- und phasenweise Globalisierung von Katastrophenverantwortung, die in den europäischen Gesellschaften mit erheblichen Rekonfigurationen des Gottes-, Welt- und Menschenbildes sowie mit Institutionalisierungsprozessen einhergingen.
Teilprojekt B03: Lawinen als Bedrohung sozialer Ordnungen. Katastrophentraditionen im zentralen Alpenraum (19. und 20. Jh.) Prof. Dr. Reinhard Johler Empirische Kulturwissenschaft Das Teilprojekt der Empirischen Kulturwissenschaft befasst sich mit lokalen Formen alpiner Katastrophenkultur. Am Beispiel zweier Lawinenunglücke (Blons 1954 und Galtür 1999) soll hierbei erörtert werden, ob und inwiefern solche Extremereignisse die spezifischen Ordnungskonfigurationen der betroffenen Gesellschaften bedrohen. Zugleich geht das Projekt der Frage nach, vermittels welcher Deutungsmuster und Handlungsstrategien die jeweiligen Gruppierungen den plötzlichen systemgefährdenden Einbruch dieser Katastrophen zu bewältigen suchen.
Teilprojekt B04: Sand- und Staubstürme als Bedrohung industriegesellschaftlicher Ordnungen. Sowjetunion/Russland, China und Australien seit den 1940er Jahren Prof. Dr. Ewald Frie

Prof. Dr. Klaus Gestwa

Zeitgeschichte Sand- und Staubstürme sind als heftige Form der Winderosion natürliche Prozesse, die in vielen Trockengebieten der Erde besonders am Ende von Dürreperioden auftreten. Derartige Sturmereignisse legen das alltägliche Leben lahm und verursachen Unfälle; sie vernichten Ernten und können dadurch fatale Hungersnöte heraufbeschwören. Eindrucksvoll veranschaulichen Sand- und Staubstürme die Verwundbarkeit industriegesellschaftlicher Ordnungen. Sie schüren die Angst, die moderne Zivilisation müsse in Zukunft zurückweichen und gefährdete Gebiete aufgeben, um nicht unter Sand und Staub begraben zu werden.

Die drei Einzeluntersuchungen des SFB-Teilprojekts B04 konzentrieren sich in Form von Zeitschnitten auf Phasen, in denen verheerende Sand- und Staubstürme in der Sowjetunion/Russland, in China und in Australien besondere Aufmerksamkeit gefunden, kommunikative Prozesse eingeleitet und zur Inangriffnahme präventiver Maßnahmen geführt haben. Die Länderstudien untersuchen den gesellschaftlichen Umgang mit Sturmkatastrophen auf seine Abhängigkeit von kulturellen Traditionen, politischen Strukturen und ökologischen Gegebenheiten. Thematisiert wird zugleich, wie es selbst in der Zeit des Kalten Krieges zur globalen Zirkulation von Wissen, Ideen und Experten sowie zu Formen weltumspannender Zusammenarbeit gekommen ist.

Teilprojekt B05: Aids als Bedrohung der ärztlichen Berufsordnung und der politischen Ordnung. Mediziner und Aids in der Bundesrepublik und der DDR (1981–1989) Prof. Dr. Dr. Urban Wiesing Geschichte der Medizin, Geschichte der medizinischen Ethik Das Teilprojekt B05 untersucht die Reaktion der Ärzteschaft in der Bundesrepublik und in der DDR auf die Aids-Bedrohung während der 1980er Jahre, die eine regelrechte „Angstepidemie“ auslöste. Das Interesse des Projekts gilt einerseits der Ärzteschaft als Bedrohungskommunikator und damit der Frage, wie sie wegen der anfangs vermuteten hohen Ansteckungsgefahr, Aids als Bedrohung für die ärztliche Berufsordnung, aber auch für die politische Ordnung (in der Bundesrepublik die freiheitlich-demokratische Grundordnung; in der DDR die sozialistische Gesellschaftsordnung) kommunizierte. Andererseits behandelt das Teilprojekt das ärztliche Bewältigungshandeln. Mit seiner komparativen Perspektive greift das Projekt die von der Forschung noch unbeantworteten Fragen nach Vergleichsaspekten und Transferprozessen zwischen den (unterschiedlich organisierten) Ärzten in der Bundesrepublik und DDR auf.
Teilprojekt C01: Die Bedrohung des Oströmischen Reiches um 500 n. Chr. Prof. Dr. Mischa Meier Alte Geschichte Das Teilprojekt C01 befasst sich mit der Bedrohungssituation der politischen und sozialen Ordnung des Oströmischen Reiches im späten 5. Jahrhundert. Dabei sollen, anstelle des bisher akteurszentrierten Verständnisses dieser Zeit, strukturelle Erklärungsmuster entwickelt werden. Es ist zu untersuchen, inwieweit ein Zusammenhang mit dem Ende des Kaisertums im weströmischen Reich besteht. Diese Möglichkeiten sollen festgemacht, beschrieben und analysiert werden. Außerdem sollen weitere Einflussfaktoren ausgemacht werden, die für die kurzfristige Bedrohung und anschließende Restabilisierung des Imperium Romanum verantwortlich sind.
Teilprojekt C02: Die Bedrohung politisch-sozialer Ordnungen im 14./15. Jahrhundert. Dynastische Brüche Prof. Dr. Ellen Widder Mittelalterliche Geschichte Das Teilprojekt untersucht die Bedrohung der politisch-sozialen Ordnung im Zusammenhang mit dynastischen Brüchen im Spätmittelalter. Anhand vergleichender Studien wird jeweils auf der geographischen Makro- und Mikroebene untersucht, welche Formen von Bedrohung durch das Fehlen legitimer Erben von Herrschern entstanden, wie diese kommuniziert wurden und welche Konsequenzen sich aus den Bedrohungssituationen ergaben.
Teilprojekt C03: Multiple Bedrohungen in amerikanischen Rassenbeziehungen nach 1945 Prof. Dr. Astrid Franke Amerikanistik Das Teilprojekt C03 blickt auf die USA in der Zeit nach 1945. Gefragt wird danach, inwiefern sich rassistische Handlungen weißer Amerikaner als Reaktionen auf die Bedrohung der etablierten Machtordnung durch das Erstarken der Gruppe der Afro-Amerikaner interpretieren lassen, in welcher Weise dabei Bedrohungsszenarien zur Verteidigung der eigenen Machtposition eingesetzt werden und wie die dominierte Gruppe ihrerseits mit der Konstruktion dieser Bedrohungsszenarien umgegangen ist.
Teilprojekt C05: Die Bedrohung politischer Ordnungen in afrikanischen Entwicklungsländern Prof. Dr. Andreas Hasenclever Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung Das Teilprojekt untersucht das Verhalten von Identitätsgruppen im Kontext bedrohter Ordnungen in afrikanischen Entwicklungsländern. Die Stabilität politischer Herrschaft ist in vielen Staaten der Region prekär. Öffentliche Güter werden nur unzureichend zur Verfügung gestellt, ausgeschlossene Bevölkerungsgruppen fordern mehr Teilhabe oder Autonomie und Regierungen greifen oft zu repressiven Mitteln, um sich trotz großer sozialer Unzufriedenheit an der Macht zu halten. Unter diesen Bedingungen müssen sich Identitätsgruppen entscheiden, wie sie die politischen Bedingungen so gestalten wollen, dass sie in Sicherheit und Frieden leben können. Prinzipiell haben sie in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, ihre Ziele mit gewaltsamen oder gewaltfreien Mitteln zu verfolgen. Im Rückgriff auf die Forschung zu sozialen Bewegungen untersucht das Teilprojekt die Rolle kollektiver Deutungsschemata (sogenannter collective action frames) bei der Mobilisierung von Identitätsgruppen zu friedlichem oder gewaltsamem Protestverhalten. Damit leistet es aus sozialwissenschaftlicher Perspektive einen Beitrag zur Erforschung von Bedrohungskommunikation und deren Konsequenzen für die Strategiewahl von Identitätsgruppen.
Teilprojekt C07: Apokalyptik als Bedrohungskommunikation: Prophetische Bewegungen im kolonialen Peru (16. Jh.) Prof. Dr. Renate Dürr Neuere Geschichte Die frühneuzeitliche Apokalyptik ist ein Interpretationsangebot für eine als bedroht gehaltene Ordnung, wobei ein „Prophet“ als Spezialist der Bedrohungskommunikation fungiert. Am Beispiel des Dominikaners Francisco de la Cruz, der in den 1570er Jahren mittels der Visionen der Kreolin María Pizarro das Bild einer apokalyptischen Kirche in Peru entwarf, sollen die Rolle der Emotionen bei der transkulturellen Vermittlung der Prophetie und die Generierung neuer Wissensbestände untersucht werden. Dadurch soll gezeigt werden, dass spezifische Momente in der Bedrohungskommunikation, und nicht etwa Säkularisierungs- und Rationalisierungsprozesse, in einem dialektischen Prozess die prophetisch-apokalyptische Ordnungskonzeption selbst aufhoben. Dabei wird eine konsequente Historisierung des Phänomens „apokalyptische Prophetie“ für die Frühe Neuzeit im Rahmen einer vergleichenden Ordensgeschichte angestrebt.
Teilprojekt D01: Platonismus und Christentum. Philosophische und literarische Bedrohungskonstellationen in der Spätantike Prof. Dr. Irmgard Männlein-Robert Griechische Philologie Das Teilprojekt D01 des SFB 923 „Bedrohte Ordnungen“ beschäftigt sich mit der durch das Christentum ‚von außen‘ gegebenen Bedrohung des Platonismus in der Spätantike. Diese soll zunächst am konkreten Beispiel der zwischen 270 und 305 entstandenen Kritik des Porphyrios an den Christen in 15 Büchern untersucht werden. Bereits seit dem 2. Jh. n. Chr. beschäftigen sich griechische Platoniker (z. B. Numenios, Kelsos, Amelios) intensiv mit den Texten und Lehren der christlichen Autoren. War die christliche Religion anfänglich eher für niedere soziale Schichten attraktiv, wird seit dem 2. Jh. n. Chr. ein starker Impetus der sozialen Eliten erkennbar, eine anspruchsvolle ‚christliche Philosophie‘ zu etablieren, die nicht wenige platonische Denkmuster adaptiert oder Methoden der philologischen Textexegese teilt, wofür z. B. das Werk des Origenes (185/56–254) Zeugnis ablegt. Von den Vertretern eines religiösen Platonismus wird die zunehmend philosophischer verhandelte, inhaltlich neuartige christliche Religion als ernstzunehmende Bedrohung der eigenen Philosophie und damit der gesamten paganen Religion, Theologie und Kultur, kurz: ihrer elitären Lebens-, Wissens- und Weltordnung überhaupt gewertet. Dabei spielt, neben den christenkritischen Texten eines Kelsos oder Julian Apostata, das Szenario der christlichen Bedrohung in seiner literarisch-philosophischen Verarbeitung durch den Platoniker Porphyrios eine besonders wichtige Rolle: Die erhaltenen Fragmente aus „Gegen die Christen“ werden erstmals vollständig ins Deutsche übertragen und mit Blick sowohl auf antichristliche Tendenzen und platonisches Bewältigungshandeln, angesichts der erkannten Gefährdung, als auch auf ihre philologischen, philosophischen und theologischen Strategien vor dem Hintergrund ihres sozial-historischen Kontextes kommentiert und interpretiert.
Teilprojekt D02: Josephinismus, katholische Kirche und landständischer Adel. Bedrohungskonstellationen in Innerösterreich Prof. Dr. Anton Schindling Neuere Geschichte Der Josephinismus, der selbst eine Ordnung konstituierte, bedrohte die hergebrachten Ordnungen der barocken Kirche und des landständischen Adels. Als Josephinismus wird die Gesamtheit der aufgeklärt-absolutistischen Reformen in der Habsburger-Monarchie in der Regierungszeit Maria Theresias und Josephs II. bezeichnet, wobei insbesondere die kirchlichen Reformen im Mittelpunkt standen und auch für die Entstehung des Begriffs Anlass gaben. Da die retardierenden Kräfte die Durchsetzung der neuen Ordnung in Frage stellten und dadurch in ein Konkurrenzverhältnis zu diesem traten, ordnet sich das Teilprojekt in den Projektbereich D (Ordnungskonkurrenz) ein.

Die bisherige Forschung untersuchte den Josephinismus zumeist aus der Perspektive des Monarchen und der Zentrale des Staates. Dies hatte eine Konzentration auf die Träger der josephinischen Reformen und die zentralen Territorien der Habsburgermonarchie – Österreich, Böhmen und Ungarn – zur Folge. Der Josephinismus wurde dabei überwiegend im Kontext einer allgemeinen Modernisierungstheorie gedeutet, die positiv oder negativ besetzt werden konnte.

In der Auseinandersetzung um die aufgeklärt-absolutistischen Reformen Kaiser Josephs II. standen sich einander ausschließende Ordnungsvorstellungen diametral gegenüber. Die jeweils andere wurde dabei als Bedrohung wahrgenommen. Die Untersuchung der sich daraus ergebenden Ordnungskonkurrenzen steht im Mittelpunkt des Teilprojekts. Dabei wird eine teleologische Perspektive durch eine differenzierte Analyse der einzelnen Gruppen und Ordnungen ersetzt.

Das diskursgeschichtlich pointierte Projekt wird zur Neuvermessung der Epochengrenze um 1800 einen Beitrag leisten. Durch die differenzierte Untersuchung verschiedener Gruppen wird sich zeigen, dass eine Zuschreibung nach den Gesichtspunkten „vormodern“ und „modern“ nicht stichhaltig ist. Wegen seiner zeitlichen Verortung in der sogenannten „Sattelzeit“ kann das Projekt so einen Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit der Dichotomie von „Vormoderne“ und „Moderne“ leisten und somit an einer Neuvermessung von Zeitgrenzen Anteil nehmen.

Darüber hinaus können durch die räumliche Konzentration auf die „Peripherie“, ferner durch die Betonung der Wechselseitigkeit der Bedrohung und der Ausgangsoffenheit der historischen Konkurrenzsituation neue Ansätze und Konturierungen in der Josephinismusforschung erreicht werden.

Teilprojekt D03: Adel und Bürgertum. Arme Adlige zwischen konkurrierenden Gesellschaftsordnungen 1700–1900 Prof. Dr. Franz Brendle

Prof. Dr. Ewald Frie

Neuere Geschichte Das Projekt D03 behandelt anhand des verarmten Adels die Ordnungskonkurrenz zwischen Adel und Bürgertum. Das Projekt gliedert sich in drei Teilprojekte, die den Niederadel im ostelbischen Preußen und in Südwestdeutschland in unterschiedlichen Zeiträumen vergleichend untersuchen. Im Zentrum der Projektkonzeption steht die Phase 1800–1830. Um diese herum gruppieren sich die Teilprojekte zu den Zeitabschnitten 1720–1760 (das sich auf den Südwesten konzentriert) und 1880–1914.

Diese Untersuchungsanordnung dient dazu, die Frage nach der Relevanz der gegenseitigen Bedrohung von Adel und Bürgertum durch divergierende Gesellschafts- und Zukunftsentwürfe im chronologischen und räumlichen Vergleich neu zu stellen und in diesem Zusammenhang den Umbruch um 1800 zu kontextualisieren und gegebenenfalls neu zu bewerten.

Teilprojekt D04: USA und Sowjetunion. Transformationen einer weltpolitischen Ordnungskonkurrenz 1975–1989 Prof. Dr. Georg Schild

Dr. Katharina Kucher

Zeitgeschichte Erforscht wird, warum die Entspannungspolitik zwischen den beiden Supermächten nach einer Hochphase in den 1970er Jahren am Ende des Jahrzehnts zunehmend in die Kritik geriet und es zu einer hochexplosiven internationalen Spannungssituation kam (Untersuchung 1). Weiter gilt es herauszufinden, wie es möglich war, dass dieser kommunikativ forcierte „zweite Kalte Krieg“ Mitte der 1980er Jahre einer neuen Phase der Abrüstung wich und dieser Verständigungsprozess („neue Détente“) schließlich zur Transformation der Ordnungskonkurrenz zwischen den Supermächten führte (Untersuchung 2).

Das Teilprojekt geht davon aus, dass diese wechselseitige Bedrohungskommunikation und die Ordnungskonkurrenz beider Supermächte entscheidend von den Strukturbrüchen der Industriemoderne und innenpolitischen Problemen beeinflusst wurden. Ziel ist es deshalb, die internationale Geschichte des Kalten Krieges in der Zeit von 1975 bis 1988 mit innergesellschaftlichen Transformationsprozessen zusammenzudenken.

Teilprojekt A im Zusatzverbund: Die Veränderung der lebensweltlichen Ordnung indischer Arbeitnehmer im Kontext einer bi-nationalen Firmenfusion Prof. Dr. Gabriele Alex Ethnologie Das geplante Teilprojekt untersucht die Konflikte zwischen Mitarbeitern und Managern in einem Werk eines deutsch-indischen Motorenteileherstellers in Pune, Indien, die nach der Firmenfusion entstanden und zu Protesten und Streiks führten. Auf der Grundlage ethnographischer Methoden soll untersucht werden, welche Ordnungen von den unterschiedlichen Gruppen wann und wie bedroht gesehen wurden und wie die verschiedenen Statusgruppen (Arbeiter, Management, Firmenleitung) mit der Veränderung der jeweilig als normal/eigen betrachteten Ordnungen umgehen und vor allem, welche Art von Emotionen damit einhergehen. Das Projekt fragt weiterhin, welche Rolle diese Emotionen in der Kommunikation der Bedrohungswahrnehmung nach innen und nach außen spielen und welchen Einfluss der Konflikt auf die Schaffung neuer Gruppengrenzen und Identität stiftenden Fremd- und Selbstzuschreibungen hat, vor allem vor dem Hintergrund medial hochgekochter Narrative, die den Verlust der indischen Tradition und Werte durch westliche Einflüsse als Bedrohung konstituieren.
Teilprojekt B im Zusatzverbund: Bedrohte Ordnungen in Badakhshan (Tadschikistan): Der Dorfgeistliche Xalifa als Mediator und Katalysator moralischen Wandels Prof. Dr. Roland Hardenberg Ethnologie Das geplante Teilprojekt befasst sich mit Reproduktion, Aushandlung und Wandel moralischer Ordnungen im gegenwärtigen Badakhshan (Tadschikistan). Derzeit wirken vor allem drei Arten von Institutionen auf die lokale Ordnung der Bevölkerung des Pamir-Gebirges ein: internationale Organisationen, Einrichtungen des Aga Khan und der tadschikische Staat. Deren Maßnahmen, Normen und Werte werden auf lokaler Ebene durch den Dorfgeistlichen (Xalifa) vermittelt, aber auch gesteuert bzw. moderiert. Unter besonderer Berücksichtigung der Handlungsweisen und Strategien dieser Xalifas untersucht das Projekt, wie sich die externen Einflüsse auf die Konzepte von Moral und die Inhalte lokaler Ordnungen auswirken, inwiefern dabei Prozesse der Lokalisierung und Delokalisierung bzw. der Homogenisierung und Pluralisierung stattfinden und inwieweit diese Dynamiken als Bedrohungen wahrgenommen werden.
Teilprojekt C im Zusatzverbund: Die bundesdeutsche Asyldebatte von 1989 bis 1993: Konstruktion, Wahrnehmung und Instrumentalisierung einer „bedrohten Ordnung“ Dr. Silke Mende Zeitgeschichte Das Teilprojekt C hat die bundesdeutsche Asyldebatte von 1989 bis 1993 zum Gegenstand, die eine der emotionalsten öffentlichen Debatten in der Geschichte der Bundesrepublik war. Das Augenmerk gilt der Konstruktion, Perzeption sowie Instrumentalisierung von Bedrohungsszenarien. Die Perspektivgebundenheit von Bedrohungswahrnehmungen wird hier exemplarisch sichtbar. Die Auseinandersetzung fand in einem kurzen, kommunikativ verdichteten Zeitraum statt, in dem sich unterschiedliche, teils längerfristige historische Transformationsprozesse überlagerten. Die Asyldebatte soll deshalb als eine Art Stellvertreterdebatte untersucht werden, in der unterschiedliche, miteinander konkurrierende Vorstellungen von der zukünftigen gesellschaftlichen und politischen Ordnung der Bundesrepublik verhandelt wurden, die mitunter bis in die 1970er Jahre zurückreichen.
Teilprojekt D im Zusatzverbund: Bedrohung und gesellschaftliche Ordnung im postrevolutionären Ägypten Prof. Dr. Boris Nieswand Soziologie Im Kontext der postrevolutionären Entwicklungen in Ägypten soll das Verhältnis von Bedrohungsrepräsentationen und emergenten Vorstellungen einer guten und gerechten politischen sowie gesellschaftlichen Ordnung untersucht werden. In diesem Zusammenhang wird gefragt, welche Rolle Bedrohungsszenarien für die Herstellung einer pluralistischen politischen Ordnung im postrevolutionären Ägypten spielen. Aufgrund der Ereignisse am Tahrir-Platz, am Präsidentenpalast und am Rabaa al-Adawiya Platz, an welchen sich Ordnungsvorstellungen und Bedrohungsszenarien zu manifestieren scheinen, soll ein besonderer Fokus auf die Kategorie Raum gelegt werden. Dieser Fragestellung soll ethnografisch, mit qualitativen Interviews und anhand der Auswertung ereigniszentrierter Internetkommunikation nachgegangen werden.
Teilprojekt E im Zusatzverbund: Die Effekte von Normveränderungen, die Emotionen von Gruppenmitgliedern und die Beziehung zwischen Veränderungsbefürwortern und -gegnern Prof. Dr. Kai Sassenberg Sozialpsychologie Normen sozialer Gruppen legen Standards und Verhaltensregeln und damit eine Ordnung fest. Durch zentrale Gruppenmitglieder herbeigeführte Schlüsselereignisse, die als (Initiierung einer) Normveränderung wahrgenommen werden, können einen erheblichen Einfluss auf den Zusammenhalt der Gruppe haben. Identifizierte Gruppenmitglieder verlassen die Gruppe als Reaktion auf solche Normveränderungen, die sie als zentrale Merkmale der Gruppe in Frage stellend wahrnehmen (sogenannte Identitätssubversion). Im Zentrum des hier beantragten Forschungsprojekts stehen die emotionalen Reaktionen auf Normveränderungen (vor allem Ekel und Ärger) und die daraus resultierenden Handlungskonsequenzen. Dabei werden nicht nur Gegner, sondern auch Befürworter der Normveränderung berücksichtigt und die Homogenisierung beziehungsweise Pluralisierung der fraglichen Gruppe anhand der Beziehung zwischen beiden Gruppen untersucht.
Teilprojekt E01: Ordo renascens: Bedrohung und re-ordering der römisch-italischen Senatsaristokratie im 5. Jh. n. Chr. Prof. Dr. Sebastian Schmidt-Hofner

Dr. John Weisweiler

Alte Geschichte Teilprojekt E01 untersucht, wie der italisch-römischen Senatsaristokratie die Bewältigung der multiplen Bedrohung gelang, die sich aus dem Zusammenbruch des weströmischen Reiches im 5. Jh. n. Chr. für die ökonomischen Grundlagen, die politische und soziale Machtstellung und die ideellen Grundlagen, die Selbst- und Weltsicht dieser Reichselite ergab. Ziel ist es, erstmals ein all diese Dimensionen umfassendes Gesamtbild dieses re-ordering-Prozesses zu entwerfen und zu fragen, welche Veränderungen sich in dessen Zuge ergaben, wie sich die Aristokratie im Verlauf des 5. Jhs. also neu formierte.
Teilprojekt E02: Ressource Mensch: Sicherung agrarischer Arbeitskraft und bedrohte Herrschaftsordnungen zwischen 300 und 900 n. Chr. Prof. Dr. Steffen Patzold

Prof. Dr. Mischa Meier

Prof. Dr. Sebastian Schmidt-Hofner

Alte Geschichte - Mittelalterliche Geschichte Teilprojekt E02 untersucht, wie die spätantik-frühmittelalterlichen Eliten die in jener Epoche latent stets vorhandene Bedrohung ihrer sozioökonomischen Machtgrundlagen durch Mangel an agrarischer Arbeitskraft bewältigten. Im Mittelpunkt steht dabei ein zentrales Instrument dieses re-ordering, nämlich rechtliche Regularien zur Unterbindung der sozialen und räumlichen Mobilität agrarischer Arbeitskräfte. Im Projekt sollen vergleichend drei Phasen untersucht werden, die eine entsprechende Bedrohungskommunikation und zugehörige Praktiken des re-ordering in signifikanter Verdichtung aufweisen: die Jahre um 375, um 530 und um 830.
Teilprojekt E04: Nach dem Börsencrash 1720 – Bedrohungsdiagnose und Bewältigungspraxis in Paris und London Prof. Dr. Renate Dürr

Dr. Daniel Menning

Neuere Geschichte Teilprojekt E04 untersucht ausgehend von den Auswirkungen des Börsencrashs von 1720 in London und Paris das Wechselspiel von Bedrohungsdiagnosen und Bewältigungspraxis. Der Verlust des Vertrauens in die kreditbasierte Wirtschaftsordnung durch die abstürzenden Aktienkurse bildet den Ausgangspunkt. Im Zentrum der Arbeiten steht der Umgang mit dem Verlust des Vertrauens und seiner Wiederherstellung im re-ordering-Prozess vor dem Hintergrund urbaner ‚Anwesenheitsgesellschaften‘. Neben wirtschaftlichen und politischen sollen hierbei auch besonders kulturelle Praktiken der Vertrauenswiederherstellung beachtet werden.
Teilprojekt E05/B04: Versalzung und Bodendegradation als Bedrohung agrarischer Ordnungen in Russland, Kasachstan/Tadschikistan und Australien seit 1945 Dr. Jeanne Féaux de la Croix

Prof. Dr. Ewald Frie

Prof. Dr. Klaus Gestwa

Zeitgeschichte, Ethnologie Die Ursachen von Bodenversalzung durch kurzsichtige Bewässerungspraktiken sind schon lange bekannt: warum also kostet uns diese Problematik weltweit weiterhin die Fruchtbarkeit großer Ackerbauflächen? Welche Folgen hat die Bodenversalzung für verschiedene Weltregionen und Gesellschaften? Dieses Projekt koppelt die Expertise von Umweltethnologen und Umwelthistorikern, um diese Fragen anhand von Fallstudien in Südrussland, Zentralasien und Australien zu beantworten.
Teilprojekt E06: Bedrohung und Diversität im urbanen Kontext. Ein länderübergreifender Vergleich von ethnisch heterogenen und ungleichen Stadtteilen Prof. Dr. Boris Nieswand Empirische Sozialforschung Teilprojekt E06 untersucht den Umgang mit ethnischer und sozialer Heterogenität in Frankfurt (Deutschland) und Murcia (Spanien) im Hinblick auf die Relevanz und Wirkung von Bedrohungsdiagnosen, die sich an alltägliche Konflikte und Probleme anschließen. Wenn Diversifizierungsprozesse allgemein oder Segmente diverser Bevölkerungen als bedrohlich wahrgenommen werden, so die These, führt die daran anschließende Bewältigungspraxis zu einem re-ordering von Stadtteilen. Besonderes Augenmerk liegt auf der Relevanz von Grenzziehungen zwischen Gruppen für die Dynamik von Bedrohungsdiagnose und Bewältigungspraxis.
Teilprojekt E07: Re-ordering Prozesse in der Humanitären Nothilfe: Lokale und globale Aushandlungsstrategien Prof. Dr. Gabriele Alex Ethnologie Teilprojekt E07 untersucht re-ordering-Prozesse, die im Kontext einer humanitären Notlage erfolgen, fokussiert wird dabei die medizinische Nothilfe. Im Blickpunkt stehen 1) die unterschiedlichen Ordnungsvorstellungen, sowie die involvierten Strategien, Materialien und Ressourcen; 2) die unterschiedlichen Kategorien und Konzepte, die hierbei evoziert werden, 3) die Einbettung dieser Prozesse in und Rückwirkung auf das was Fassin als „moralische Ökonomie“ bezeichnet. Als ethnographische Arbeit trägt das Teilprojekt zum Verständnis der kleinteiligen Wechselwirkungsprozesse bei, die zwischen Diagnose, Operationalisierung und Bewältigung einer Ordnungsbedrohung stattfinden.
Teilprojekt F01: Im Überlebenskampf: Die Bedrohung des Oströmischen Reiches unter Herakleios und die Wiederherstellung seiner politischen, sozialen und religiösen Ordnung (ca. 610-630 n. Chr.) Prof. Dr. Mischa Meier

Dr. des. Simone Blochmann 

Alte Geschichte, Mittelalterliche Geschichte Teilprojekt F01 analysiert die re-ordering-Phase im Oströmischen bzw. Byzantinischen Reich der Jahre ca. 610-630 und fragt nach den (macht-)politischen, ökonomischen, administrativen, kulturell-religiösen und kommunikativen Prozessen, die eine bis dahin singuläre Mobilisierung von Menschen und Ressourcen zur Wiederherstellung der existenziell bedrohten Ordnung ermöglichten; dabei werden besonders die zeitgenössischen Veränderungen im Kaiserbild (vornehmlich auf Basis der Dichtungen des Georgios Pisides) sowie die Funktion des großen Restitutionsaktes im Jahr 630 in den Blick zu nehmen sein.
Teilprojekt F02: Von karolingischer Ordnung zur „société féodale“? Bedrohte Ordnung und re-ordering um 900 Prof. Dr. Steffen Patzold

Dr. Annette Grabowsky

Mittelalterliche Geschichte Teilprojekt F02 untersucht, wie in der bedrohten Ordnung des zerfallenden Karolingerreichs um 900 Akteure in drei Regionen weltliche und kirchliche Rechtstexte einerseits und historische Erinnerung andererseits als Ressourcen des re-ordering mobilisierten. Das Projekt geht davon aus, dass Rechtstexte und historische Erinnerung wesentlich waren für die Bewältigungspraxis, zugleich aber in der Manuskriptkultur um 900 nicht ohne weiteres zur Verfügung standen: Sie mussten erst im Rückgriff auf Manuskripte durch Exzerpieren, Kompilieren usw. hergestellt werden, damit sie ihrerseits für die Mobilisierung von Akteuren für die Bewältigungspraxis zur Verfügung standen.  
Teilprojekt F03: Bedrohungskommunikation in Predigten und Schauspielen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit Prof. Dr. Andreas Holzem

Prof. Dr. Klaus Ridder

Kirchengeschichte, germanistische Mediävistik Teilprojekt F03 widmet sich, in interkonfessionellem, europäisch-komparatistischem und die Epochenschwelle von 1500/1517 überschreitendem Zugriff, weithin wirkenden Predigten und Schauspielen des 14.–17. Jhs. sowie der in ihnen fassbaren Bedrohungskommunikation. Analysiert werden drei Bedrohungsszenarien ('Ewige Verdammnis im Weltgericht', 'Jüdische Verschwörung', 'Konfessionelle Verketzerung') unter der Fragestellung, inwieweit sich sprachlich-textuelle, rhetorisch-theatrale und religiös-soziale Schemata der Konstruktion von Bedrohung und Strategien der Mobilisierung zur Abwendung von Bedrohung erkennen lassen.
Teilprojekt F04: Panama: Re-ordering nach dem schottischen Darién-Kolonialprojekt (1697/98-1700) Prof. Dr. Renate Dürr Frühneuzeitliche Geschichte Teilprojekt F04 untersucht re-ordering-Versuche innerhalb des spanischen Kolonialreiches, speziell im Großraum Panama, nach dem schottischen Darién-Kolonialprojekt (1697–1700). Es interessiert sich dabei einerseits dafür, auf welchen Ebenen (lokal-global) und mit welchen Mechanismen und Kommunikationsstrategien Ressourcen mobilisiert wurden, möchte aber andererseits auch be¬leuchten, wie sich weitere Faktoren (Interessen indigener Akteure vor Ort, Zeit- und Ressourcen¬knappheit, Struktur des spanischen Kolonialreiches) auf diese Mobilisierungsprozesse auswirkten.
Teilprojekt F06: Humor in sozialen Bewegungen 1975-86: Dis-ordering und re-ordering durch affektive Strategien der Diagnose und Mobilisierung Prof. Dr. Monique Scheer Empirische Kulturwissenschaft, Europäische Ethnologie Teilprojekt F06 untersucht zwei zentrale Protestbewegungen der 1970er/1980er Jahre (Friedens- bzw. Anti-Atomkraftbewegung und Frauenbewegung) unter der Fragestellung, welche Rolle Humor in ihnen spielte. Nachgegangen wird dabei vor allem der Frage, in welchem Verhältnis die (nach außen gerichteten) subversiven und (nach innen wirkenden) gemeinschaftsbildenden Funktionen des Humors zueinander standen und welche Rolle Emotionen für Mobilisierungsleistungen und -strategien zukommen kann.  
Teilprojekt F07: Die Bedrohung lokaler Ordnungen durch “Land Grabbing”: Globale Zivilgesellschaft und völkerrechtlicher Kontext als Fluch oder Segen? Prof. Dr. Andreas Hasenclever

Prof. Dr. Jochen von Bernstorff

Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung, Völkerrecht Teilprojekt F07 erforscht lokale und transnationale Mobilisierungen gegen das sogenannte „Land Grabbing“. Solche großflächigen Landinvestitionen bedrohen derzeit in vielen Ländern des Globalen Südens lokale Gemeinden und ihre Lebens- und Wirtschaftsformen. Anhand von Fallbeispielen aus Kamerun, den Philippinen, Sierra Leone und dem Senegal untersuchen wir die Strategien der Mobilisierung und des Bewältigungshandels. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie und unter welchen Umständen sich bedrohte lokale Gemeinden und zivilgesellschaftliche Organisationen gegen solche Landnahmen zur Wehr setzen. Diese Prozesse betrachten wir auf mehreren Ebenen (lokal bis transnational) und besonders auch hinsichtlich der Entwicklung und Wirkung des völkerrechtlichen Kontexts.
Teilprojekt G01: Platonismus und Christentum in der Spätantike – Porphyriosʼ Interpretation, Verteidigung und Neuordnung paganer Kultpraxis: Eine Bedrohung der christlichen Ordnung? Prof. Dr. Irmgard Männlein-Robert

Prof. Dr. Volker Drecoll

Griechische Philologie,  Alte Kirchengeschichte Teilprojekt G01 analysiert religionsphilosophische Schriften des Platonikers Porphyrios und des Politikers Sossianos Hierokles gegen die als Bedrohung wahrgenommenen zeitgenössischen Christen auf ihre Strategien zum Erhalt und zur Neuordnung der paganen Lebensordnung und Religion. Ihre re-ordering-Strategien sind jedoch nur aus der Perspektive ihrer christlichen Gegner (Eusebios; Augustinus) erhalten, deren christlich motivierte re-ordering-Strategien sich auch in Form literarischer Reflexion niederschlagen.
Teilprojekt G02: Geistliche Frauengemeinschaften im 15. und 16. Jahrhundert: Ordnungsvorstellungen und Bedrohungskommunikation in Reform und Reformation Prof. Dr. Sigrid Hirbodian Geschichtswissenschaft, Mittelalterliche Geschichte, Frühneuzeitliche Geschichte Das Projekt untersucht geistliche Frauengemeinschaften in Südwestdeutschland im 15. und 16. Jh., die durch Reformen bzw. die Reformation mit einer massiven Bedrohung ihrer inneren Ordnung konfrontiert waren. Untersucht werden zum einen württembergische Dominikanerinnengemeinschaften, die in geschlossener Klausur lebten, wodurch sich eine starke Differenzierung ihrer Kommunikation in Innen- und Außenkontakte und eine merklich eingeschränkte eigene Handlungsfähigkeit ergab; zum anderen eine Gruppe von Frauengemeinschaften in Südwestdeutschland, die als Säkularkanonissen (Stiftsdamen) kaum an die Klausur gebunden waren, wodurch sich fließende Übergänge zwischen ihrer Innen- und Außenkommunikation ergaben und die Frauen in erheblich höherem Maße in der Außenwelt direkt handeln konnten. Im Mittelpunkt des Projekts wird die Frage stehen, wie die Frauen selbst mit der Bedrohungssituation umgingen: über welche Kommunikationswege sie von der Bedrohung erfuhren bzw. wie sie diese diagnostizierten, wie sie sich über die Bedrohung austauschten, untereinander und mit ihrer Umwelt, und wie sie vor diesem Hintergrund ihre eigene innere Ordnung reflektierten und welches Selbstverständnis ihrer jeweiligen Ordnung daraus resultiert. Schließlich wird gefragt, wie sich die Gemeinschaften unter den neuen Bedingungen dauerhaft einrichteten, wie sich auch anhand der Reflexion über Bedrohungen und entsprechende Bewältigungspraxen ein re-ordering gestaltete, nachdem im Gefolge einer Reform von außen neue Personen mit veränderten Ordnungsvorstellungen in ihre Gruppe eingedrungen waren, ein katholischer Konvent in einer protestantisch gewordenen Umgebung z. B. von der geistlichen Betreuung durch katholische Priester abgeschnitten war oder eine Reform neue Bedingungen für die innere Ordnung hergestellt hatte.
Teilprojekt G03: Istrien als „Versuchsstation“ des Kulturellen. Hybridität als (bedrohte) Ordnung Prof. Dr. Reinhard Johler Empirische Kulturwissenschaften Teilprojekt G03 untersucht kulturelle Hybridität in Istrien vom späten 19. bis ins 20. Jh. und analysiert die aus verschiedenen Ordnungsperspektiven beschreibbaren Bedrohungswahrnehmungen, die aufgrund der eigenwilligen und extremen ethnischen und kulturellen Heterogenität immer wieder virulent wurden. Dabei werden Aspekte der Bedrohungskommunikation ebenso wie perspektivgebundene Modi der Reflexion sowie Strategien des re-ordering vor dem Hintergrund der für Istrien (als von den Habsburgern reklamierten ‚Versuchsstation‘) diskutierten Multikulturalität resp. ‚kulturellen Verschmelzung‘ analysiert.
Teilprojekt G04: End of Empire. Re-ordering in Australien, Neuseeland und Kanada, 1960–1980 Prof. Dr. Ewald Frie Neuere Geschichte Das Teilprojekt fragt nach den Folgen, die der Rückzug Großbritanniens aus seinem Empire für die Siedlerkolonien Australien, Neuseeland und Kanada in den 1960er und 1970er Jahren hatte. Das Projekt gliedert sich in drei parallel geführte Teiluntersuchungen, die Bedrohungsdiskurse in den drei Ländern vergleichend bearbeiten. Dabei nehmen die einzelnen Projekte unterschiedliche Perspektiven ein: Behandelt werden die ökonomische, die außenpolitische und die geschichtskulturelle Ebene.
Teilprojekt G05: Resistente Mikroben: Die Bedrohung und Neuordnung der „Medizinischen Ordnung“ durch Antibiotikaresistenzen seit den 1990er Jahren Prof. Dr. Urban Wiesing

PD Dr. Henning Tümmers

Wissenschaftsgeschichte, Neuere und Neueste Geschichte Teilprojekt G05 untersucht die Bedrohungskommunikation um antimikrobielle Resistenzen (AMR) als Einbruch in die seit dem späten 19. Jh. etablierte, als modern geltende ‚medizinische Ordnung. Mithilfe eines wissensgeschichtlichen Ansatzes analysiert es gegenläufige Strukturmuster eines re-ordering der ‚medizinischen Ordnung‘ ab den 1990er Jahren in Forschung, Klinik und Gesundheitspolitik: einerseits „Rettung“ der traditionellen Ordnung, die Mikroben als „äußere“ Feinde ansieht; andererseits Neubewertung des Mensch-Umwelt-Verhältnisses durch positive Funktionalisierung von Mikroben. Zudem werden die praktischen Auswirkungen dieser Strategien untersucht.
Teilprojekt G06: Drogen, Macht und Marginalisierung – Kulturelle Reflexionen von Abhängigkeit in den USA Prof. Dr. Astrid Franke Amerikanistik Teilprojekt G06 untersucht multiple Bedrohungen in amerikanischen Rassenbeziehungen seit dem frühen 19. Jh. bis in die Gegenwart. Die mit der Rassenproblematik verschränkte Ambivalenz von Drogen, die ordnungserhaltend und ordnungszerstörend sein können, bedingt die unterschiedliche Funktionalisierung von deren (kulturell konstruiertem) Bedrohungspotenzial. Es geht um die Analyse bedrohter Machtordnungen, die sich durch konfligierende Bedrohungsszenarien und -diagnosen auszeichnen, ebenso um deren Ordnungsverständnis sowie multimedial reflektierte re-ordering-Strategien.
Teilprojekt G07: Mediale Reflexionen. Bedrohungskommunikation und die US-amerikanische Ordnung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 Prof. Dr. Klaus Sachs-Hombach

Prof. Dr. Georg Schild

Dr. Jan-Noël Thon

Medienwissenschaft, Zeitgeschichte Teilprojekt G07 befasst sich mit den durch die Anschläge vom 11. September 2001 ausgelösten Formen von Bedrohungskommunikation. Untersucht werden hier insbesondere die Rolle der Medien für die Diagnose des vermeintlichen oder tatsächlichen Bedrohungsszenarios im Kontext des „War on Terror“. Im Zentrum des Teilprojekts stehen dabei die in politisch-rechtlichen, künstlerisch-ästhetischen und öffentlich-journalistischen Diskursen zu beobachtenden Formen der medialen Reflexion über das nationale und kulturelle Selbstverständnis der USA sowie über die sich daraus ergebenden Möglichkeiten des re-ordering.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Langfristige Forschungsziele | SFB 923 | | Universität Tübingen. Abgerufen am 24. April 2018.
  2. Fabian Fechner, Tanja Granzow, Jacek Klimek, Roman Krawielicki, Beatrice von Lüpke, Rebekka Nöcker: 'We are gambling with our survival.' Bedrohungskommunikation als Indikator für bedrohte Ordnungen. In: Ewald Frie, Mischa Meier (Hrsg.): Aufruhr - Katastrophe - Konkurrenz - Zerfall. Bedrohte Ordnungen als Thema der Kulturwissenschaften. 1., neue Ausg Auflage. Mohr Siebeck, Tübingen 2014, OCLC 864622921, S. 141–173.
  3. Ewald Frie, Mischa Meier: Bedrohte Ordnungen. Gesellschaften unter Stress im Vergleich. In: Ewald Frie, Mischa Meier (Hrsg.): Aufruhr - Katastrophe - Konkurrenz - Zerfall Bedrohte Ordnungen als Thema der Kulturwissenschaften. 1., neue Ausg Auflage. Mohr Siebeck, Tübingen 2014, ISBN 978-3-16-152757-9, S. 4.
  4. Forschungsprofil | SFB 923 | | Universität Tübingen. Abgerufen am 24. April 2018.


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