Stalingrad-Rede Hitlers im Münchner Löwenbräukeller
Die sogenannte Stalingrad-Rede Hitlers bzw. die Rede Hitlers im Münchner Löwenbräukeller oder Rede vor den alten Marschierern usw. ist eine Rede Adolf Hitlers, die dieser am 8. November 1942[1] im Löwenbräukeller[2] am Stiglmaierplatz in München während des Höhepunktes der Schlacht von Stalingrad vor Alten Kämpfern hielt.
Die Rede fand in einem traditionellen Rahmen statt, am Vorabend des 9. November, dem 19. Jahrestag des Bürgerbräu-Putsches. Vor der Rede wurde zunächst der Badenweiler Marsch gespielt und die Begrüßung erfolgte durch Christian Weber bevor Hitler seine eigentliche Rede begann. Bis 1939 hielt Hitler die Reden zu diesem Jubiläum immer im Bürgerbräukeller. Dieser war aber durch das Attentat von Georg Elser noch nicht wieder vollständig hergerichtet. Die Ansprache dauerte ungefähr 48 Minuten. Hitler thematisierte darin neben einem historischen Rückblick, die Ausrottung der Juden, die verschiedenen Friedensangeboteinsbesondere insbesonbere die Schlacht von Stalingrad an der Wolga, wobei er diese als weitgehend gewonnen darstellte,
In einem zentralen Abschnitt der Rede liefert Hitler Statistiken über die strategische Bedeutung von Stalingrad (heute: Wolgograd) als gigantischen Umschlagplatz und erklärt dann, dass „wir“ (d. h. das Deutsche Reich) diesen jetzt „haben“.
Hitler erinnerte sein Publikum auch an die „nationalsozialistische Prophezeiungen“ über die Juden. Das Ergebnis des „internationalen Weltkrieg[s]“ werde „die Ausrottung des Judentums in Europa sein“.
Neben dem Russlandfeldzug erwähnt Hitler auch frühere Friedensangebote.
Hitlers Prophezeiung eines deutschen Sieges in Stalingrad mit den Worten "Keine Macht der Erde kriegt uns von dort wieder weg!"[3] trat nicht ein. Die Niederlagen in der Schlacht von El Alamein im November 1942 und insbesondere von Stalingrad (endgültig Anfang Februar 1943) bedeuteten im Zweiten Weltkrieg den militärischen Wendepunkt.
Inhalt[Bearbeiten]
Die Botschaft seiner Rede war Verweigerung jeglichen Kompromisses, die Kampfbereitschaft und die Entschlossenheit den Feind zu vernichten, das Fehlen jeder Alternative zum vollständigen Erfolg in einem Krieg um die nackte Existenz, und die Gewissheit eines endgültigen Sieges. Der Kaiser habe im Ersten Weltkrieg um „3/4 12 die Waffen niedergelegt“, er „höre grundsätzlich immer erst 5 Minuten nach zwölf auf!“. Den baldigen Sieg in Stalingrad kündete er mit den Worten an: „Den [Ort Stalingrad] wollte ich nehmen und - wissen Sie - wird sind bescheiden, wir haben ihn nämlich. Es sind nur noch ein paar ganz kleine Plätzchen da.“, wenn der Abschluss der Kämpfe noch etwas dauert, läge es nur daran das er kein zweites Verdun machen wolle. Die am selben Tag erfolgte Landung der Alliierten in Nordafrika streifte er nur mit einem Satz. Zum vierten mal in diesen Jahr erinnerte er an seine Prophezeiung, wenn das Judentum sich etwa einbildet, einen internationalen Weltkrieg zur Ausrottung der europäischen Rassen herbeiführen zu können, das Ergebnis nicht die Ausrottung der europäischen Rassen sondern die Ausrottung des Judentums in Europa sein werde.[4]
Er bezog sich nicht als einziger auf die Schlacht von Verdun. In der Weltpresse war damals die Analogie, Stalingrad das ‚Verdun an der Wolga’, weit verbreitet.[5] Hitler verkündete lauthals: „wo der deutsche Soldat einmal steht, kriegt ihn keine Macht der Welt wieder weg“.[6] Hitlers Parole vom Krieg bis ‚fünf Minuten nach zwölf’, wiederholte er ein Jahr später wiederum im selben Saal mit den Worten: „Derjenige, der die Waffen als allerletzter niederlegt, das wird Deutschland sein, und zwar fünf Minuten nach zwölf“. Diese Redewendung entwickelte sich in den Nachkriegsjahrzehnten zum Synonym für eine verbrecherische und verantwortungslose Politik, die auch gegenüber dem eigenen Volk keine Rücksicht mehr kennt.[7]
Eine berühmte und oft zitierte Passage seiner Rede lautet:
„Ich wollte zur Wolga kommen, und zwar an einer bestimmten Stelle, an einer bestimmten Stadt. Zufälligerweise trägt sie den Namen von Stalin selber. Also denken sie nur nicht, daß ich aus diesen Gründen dorthin marschiert bin - sie könnte auch ganz anders heißen -, sondern weil dort ein ganz wichtiger Punkt ist. Dort schneidet man nämlich dreißig Millionen Tonnen Verkehr ab. Darunter fast neun Millionen Tonnen Ölverkehr. Dort floß der ganze Weizen aus diesem gewaltigen Gebieten der Ukraine, des Kubangebietes zusammen, um nach Norden transportiert zu werden. Dort ist das Manganerz gefördert worden; dort war ein gigantischer Umschlagplatz. Den wollte ich nehmen“[8]
Bewertung[Bearbeiten]
Ian Kershaw zählt die Rede nicht zu den rhetorischen Glanzleistungen Hitlers. Hitler war ein überzeugender Redner wenn es ihm gelang die Wirklichkeit für sein Publikum auf plausible Weise zurechtzubiegen. Aber hier klammerte er Tatsachen aus, oder stellte sie auf den Kopf. Die Kluft zwischen Rhetorik und Realität war bereits zu groß geworden. Nach SD-Berichten konnten Hitlerreden in der breiten Bevölkerung nur noch oberflächliche Wirkungen auslösen, auch jene die sich durch Hitlers rhetorische Trotzhaltung aufrütteln ließen, wurden schnell wieder durch die Alltagsprobleme des Krieges niedergedrückt. Hitler gelang es jedoch, seine ältesten und getreuesten Parteigenossen zu begeistern und zu mobilisieren, und damit das Rückgrat seiner Macht zu stärken.[9] Beim Oberkommando der Heeresgruppe B und der 6. Armee rief die Rede indes Verbitterung und Empörung hervor.[10] Über das Echo der Rede, meldeten die SD-Berichte am 12. November 1942, dass „insbesondere die zuversichtliche und vom tiefen Glauben an das deutsche Volk getragene Rede des Führers beigetragen habe“, dass der „Glaube an den Endsieg“ noch nicht erschüttert sei.[11] Nach Heinz Boberach konnte Hitler mit seiner Rede nicht viel dagegen ausrichten, dass der Name Stalingrad laut einem SD-Bericht „wie ein Alpdruck“ auf vielen Deutschen lastete, da die Landung in Nordafrika nun ebenfalls „schockartig“ die Stimmung beeinflusste.[12]
Laut Bernd Wegner hat sich Hitler mit seiner Rede die Möglichkeit genommen, die 6. Armee rechtzeitig vor Wintereinbruch aus der Stadt zurückzuziehen. Damit verbaute der Politiker Hitler, der den psychologischen Erfolg in Stalingrad brauchte, dem Oberbefehlshaber Hitler die letzte noch verbliebene Option.[13]
Auch für Antony Beevor hat der politische Demagoge Hitler dem Kriegsherrn Hitler Handschellen angelegt. Die emotionsgeladenen Großsprechereien stellten nicht nur Belastungen für die Zukunft dar, sondern sollten ihn auf den Weg in die Katastrophe führen. Die Rede zähle zu den gewaltigsten Beispielen von Hybris in der Weltgeschichte. Das Afrikakorps zog sich bereits nach von El Alamein zurück, die Alliierten waren in Nordafrika gelandet und Ribbentrop wollte bereits Friedensverhandlungen mit Stalin aufnehmen.[14]
Nach Stephen G. Fritz lieferte Hitler mit seinen Ausführungen, in Stalingrad lediglich den Transport über die Wolga abschneiden zu wollen, eine indirekte Bestätigung seiner militärischen Unfähigkeit. Wenn es nur darum ging, warum dann der mörderische Stadtkampf?[15] Für Torsten Diedrich ging es Hitler in Wirklichkeit gar nicht um die Beherrschung der Wolga, oder um die Rüstungsmonopole, sondern es ging um sich selbst, er wollte die Stadt, die Stalins Namen trug - koste es, was es wolle.[6] Philippe Masson hält Hitlers Plädoyer über sein Motiv für den Angriff auf Stalingrad, auch für wenig überzeugend, aber immerhin übernahm Hitler die alleinige Verantwortung.[16]
Abdruck der Rede[Bearbeiten]
- Rede Hitlers im Münchner Löwenbräukeller, 8. November 1942, in: Max Domarus (Hrsg.): Hitler – Reden und Proklamationen 1932–1945. Kommentiert von einem deutschen Zeitgenossen. 4 Bände. Löwit, 1973 (4. Auflage 1988), Teil II: Untergang, Vierter Band, S. 1933 ff. (Online).
Weblinks[Bearbeiten]
- Hitlers Rede im Münchner Löwenbräukeller am 8. November 1942 (Stalingrad-Rede). Gedenkfeier zum 19. Jahrestag des Marsches auf die Feldherrnhalle 1923 Rundfunkmitschnitt, 8. 11. 1942, Österreichische Mediathek
- Adolf Hilter Rede im Loewenbraeukeller 1942-11-08, Tondokument im Internet Archive
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ Handbuch der deutschen Geschichte, 1956, Google-Snapshot, Seite 241
- ↑ Schwabings Ainmillerstraße und ihre bedeutendsten Anwohner – Ein repräsentatives Beispiel der Münchener Stadtgeschichte von 1888 bis heute. Books on Demand, 2012, ISBN 9783848228836, S. 30.
- ↑ Stalingrad 1942 - Als sich der Ring um die 6. Armee schließt mdr.de
- ↑ Inhalt wiedergegeben nach: Ian Kershaw: Hitler. 1936-1945. München 2002, S. 708 f.
- ↑ Geoffrey Roberts: Victory at Stalingrad. New York 2013, S. 86.
- ↑ 6,0 6,1 Torsten Diedrich: Stalingrad 1942/1943. Ditzingen 2018, S. 98.
- ↑ Richard Lakowski: Bis fünf Minuten nach zwölf. In: Kurt Pätzold, Manfred Weißbecker: Schlagwörter und Schlachtrufe. Aus zwei Jahrhunderten deutscher Geschichte. Leipzig 2002, Band 1, S. 310 ff.
- ↑ Hier zit. n. Janusz Piekalkiewicz: Stalingrad. Anatomie einer Schlacht. München 1977, S. 236 f.
- ↑ Kershaw: Hitler. 1936-1945, S. 709 f.
- ↑ Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1974, S. 68.
- ↑ Marlis G. Steinert: Hitlers Krieg und die Deutschen. Stimmung und Haltung der deutschen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg. Düsseldorf 1970, S. 318.
- ↑ Heinz Boberach: Stimmungsumschwung in der deutschen Bevölkerung. In: Wolfram Wette, Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Stalingrad. Mythos und Wirklichkeit einer Schlacht. Frankfurt am Main 1992, S. 62.
- ↑ Bernd Wegner: Der Krieg gegen die Sowjetunion 1942/43. In: MGFA (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Stuttgart 1990, Band 6, S. 996.
- ↑ Antony Beevor: Stalingrad. München 2001, S. 250 f.
- ↑ Stephen G. Fritz: The First Soldier. Hitler as Military Leader. Yale University Press 2018, S. 265 f.
- ↑ Philippe Masson: Die Deutsche Armee. Geschichte der Wehrmacht 1935-1945. München 1996, S. 238.
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