Akademisches Proletariat
Der umgangssprachliche Begriff „akademisches Proletariat“ wird traditionell in verschiedensten Zusammenhängen zur Bezeichnung einer tatsächlichen oder auch lediglich subjektiv als solcher wahrgenommenen „Unterschicht“ in der Bevölkerungsgruppe der Akademiker verwendet. Die dabei angelegten Kriterien können sowohl wirtschaftlicher als auch fachlicher Natur sein. Der Terminus ist unscharf definiert, besitzt eine pejorative Konnotation und dient oft als Kampfbegriff in politischen oder ideologischen Debatten.
Der Begriff des Proletariats bei Marx umfasst jedoch neben dem sog. Lumpenproletariat auch diesen Unterbegriff. Die grundsätzliche Definition des Proletariats durch Karl Marx umfasst alle, die mangels gesellschaftlich konkurrenzfähiger Produktionsmittel dazu gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Damit sind, neben den früher vorherrschenden Arbeitern, auch alle Angestellten, Beamten, Arbeitslosen und Akademiker, also heute nahezu die gesamte Bevölkerung, ebenfalls Proletarier.
Typische Verwendungsbeispiele sind u. a.:
- Die nach dem Zweiten Weltkrieg aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten in die westlichen Besatzungszonen strömenden Akademiker, für welche seinerzeit ein eklatanter Mangel an adäquaten Arbeitsplätzen prognostiziert wurde.
- Geisteswissenschaftler, durch Gruppierungen, die ihnen mangelnden volkswirtschaftlichen Nutzen und geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt unterstellen.
- Lehrer, mit der Unterstellung, dass es „für ein vollwertiges Fachstudium wohl nicht gereicht“ habe.
- Akademiker, die sich aufgrund des schlechten Arbeitsmarktes selbständig machen, wegen der großen Konkurrenz aber erst nach vielen Jahren einen auskömmlichen Gewinn erwirtschaften und für lange Zeit am Existenzminimum leben (zum Beispiel junge Rechtsanwälte oder Architekten)
- Absolventen der Fachhochschulen sowie der im Zuge des Bologna-Prozesses in Deutschland neu etablierten Bachelorstudiengänge, mit dem Vorwurf eines „Schmalspurstudiums“.
Je nach Lesart und Zielsetzung der den Begriff verwendenden Gruppierung kann er also nahezu jeden Akademiker bezeichnen, vom Bachelor bis zum Dr. habil., vom Ingenieur bis zum Philosophen. Aufgrund dieser weitgehenden Beliebigkeit ist die Eignung des Terminus zur Verwendung im Rahmen eines seriösen Disputs fraglich. Ungeachtet dessen findet er im Rahmen tagespolitischer Auseinandersetzungen gelegentlich Anwendung, überwiegend mit der Bedeutung „Akademiker, für die kein Bedarf besteht und die daher arbeitslos werden oder sich mit unterqualifizierten Tätigkeiten zufriedengeben müssen“.
Weblinks[Bearbeiten]
- Werner Kindt - Gibt es Wege zur Überwindung der Berufsnot der Akademiker (1951) (PDF-Datei; 55 kB)
- DIE ZEIT - Abiturienten (1968)
- Bundeszentrale für politische Bildung - Hochschulpolitik und die Zukunft der Geisteswissenschaften
- philtrat – Unbeugsame GallierInnen (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive)
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