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Anforderung (Charakterisierung von sachlichkeitsgebundener Erwartung)

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Anforderungen sind Charakterisierungen von vorab erfolgender Festlegung, welche sachlichkeitsgebundene Erwartungen ausdrücken, die entweder Personen oder Sachen oder Vorgängen zu erfüllen vorgegeben werden. Mit „sachlichkeitsgebundenen Erwartungen“ sind hier Erwartungen gemeint, die nicht aus Willkür hervorgehen. Oft basieren diese vielmehr auf Erfahrungswerten, zuweilen auch auf Erfordernissen aus praktischen Gegebenheiten.

In der Regel werden Anforderungen formuliert, um eine bestimmte Zielsetzung zu erreichen.

Je nach Lebensbereich, in welchen Anforderungen formuliert werden, und abhängig davon, ob sich diese auf Personen, Sachen oder Vorgänge beziehen, können diese sehr unterschiedlich geartet sein.

Begriffsbestimmungen und nähere begriffliche Eingrenzung[Bearbeiten]

Eine Anforderung ist eine Charakterisierung

  1. von einer oder mehreren Fähigkeiten, die von einer Person zur Erreichung eines Ziels benötigt werden.
  2. von einer oder mehreren notwendigen Eigenschaften, die ein System oder Systemteile oder auch Vorgänge erfüllen oder besitzen müssen, um einen Vertrag zu erfüllen, oder, um einer technischen Norm oder einer Rechtsnorm, einer Spezifikation oder anderen, formell vorgegebenen Dokumenten zu entsprechen.

Anforderungen sollten im Hinblick auf ihre Erfüllung überprüfbar sein.

I.d.R. beinhalten Anforderungen sowohl explizit spezifizierte als auch als allgemein üblich anerkannte Kriterien zur Erfüllung einer Zielsetzung[1], die die oben erwähnten Personen, Sachen oder Vorgänge zu erfüllen haben, wobei mit „Kriterien“ Unterscheidungs-, Bewertungs- oder Entscheidungs-bedeutsame Merkmale gemeint sind.

Anforderungen an Personen[Bearbeiten]

Schulische und berufliche Qualifizierungen oder auch Trainings, letztere etwa im Hochleistungssport, sind in der Regel stark verknüpft mit Anforderungen an Personen.

Spezifische Anforderungen an Industrieprodukte, -prozesse, -systeme[Bearbeiten]

In der Qualitätsmanagementnorm DIN EN ISO 9000:2015 wird Anforderung definiert als „ein Erfordernis oder eine Erwartung, das oder die festgelegt, üblicherweise vorausgesetzt oder verpflichtend ist“[2]. Mit dem Adverb üblicherweise ist gemeint, dass das Vorhandensein eines erwarteten Merkmals eher der Regelfall als die Ausnahme ist. So wird zum Beispiel beim Kauf eines Autos ein „solider Rostschutz“ erwartet, auch wenn dieser nicht explizit formuliert wurde.[1] Des Weiteren sieht die Norm die Verwendung eines Bestimmungswortes für den Begriff „Anforderung“ vor. Dieses Bestimmungswort dient dem Zweck, den mit dem Begriff „Anforderung“ beschriebenen Bereich einzugrenzen. So kann beispielsweise der Begriff „Produktanforderung“[3] verwendet werden, um eine Anforderung an ein Produkt zu beschreiben und gleichzeitig eine klare Trennung von dem Produkterstellungsprozess („Prozessanforderung“[4]) zu erreichen.[Anm. 1] Begrifflich getrennt wird davon auch der Begriff der „Systemanforderung“.[5]

Anforderungen können von verschiedenen interessierten Personen formuliert werden, wie etwa den Auftraggebern eines Produktes, die mit der Entwicklung beauftragten Ingenieure usw. Die Anforderungen werden im Allgemeinen in schriftlicher Form festgehalten[6], zum Beispiel in Checklisten, Lastenheften, Anforderungslisten, Fragenkatalogen usw.

Anforderungen an Software[Bearbeiten]

In der Softwaretechnik haben sich spezielle Anforderungsbeschreibungen etabliert, die an Software gestellt werden[7], siehe: Anforderung (Informatik).

Praktischer Anwendungsbereich „Auswahlprozesse“[Bearbeiten]

Anforderungen können insbesondere in Auswahlentscheidungen eine signifikante Rolle spielen. In der Lebenswelt, im Alltag, sind diese sehr häufig anzutreffen. Handelt es sich um Auswahlprozesse für Personen oder Sachen oder Vorgänge, so können für diese Anforderungskriterien formuliert werden und selbige anschließend anhand der erarbeiteten Kriterien ausgesucht bzw. ausgewählt werden. Ein Teilbereich davon, der in den Bereich „Auswahlprozesse für Sachen“ fällt, sind Konsum-Auswahlentscheidungen im täglichen Leben.[8]

Spezifische Verwendungen des Begriffs[Bearbeiten]

Je nach Fachgebiet wird der Begriff in anderen Nuancen verwendet:

Arbeitsstudium[Bearbeiten]

Im Arbeitsstudium ist die Anforderung, die ein Arbeitssystem an den arbeitenden Menschen stellt, Gegenstand der Betrachtung bei der Anforderungsermittlung. REFA definiert als Anforderung „die Gesamtheit der physischen und psychischen Voraussetzungen zur Ausführung der Arbeit“.[9]

Materialwirtschaft[Bearbeiten]

Jedes produzierende Unternehmen benötigt für seine Produktion so gut wie immer Werkstoffe, Halbzeuge, Zukaufkomponenten und Hilfsstoffe, die sogenannten „Materialien im Sinne der Betriebswirtschaft“. Für diesen Zweck besitzen die Betriebe eine materialwirtschaftliche Abteilung, die diese „Materialien“ auszuwählen, deren Bedarf zu ermitteln und diese über die Einkaufsabteilung zu beschaffen hat. Eine gute Auswahl an „Materialien“, eingekauft zu einem fairen Preis, pünktlich in die Produktion eingehend, kann dem Unternehmen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen. Da es fortwährend neue „Materialien“ auf dem Markt gibt, müssen die Verantwortlichen in der materialwirtschaftlichen Abteilung – ebenso wie die Ingenieure der Konstruktion und der Produktion – verstehen, was die Materialien leisten können und die richtigen Anforderungen an diese stellen[10], und zwar wirtschaftlich in puncto Preis, Verfügbarkeit, Lieferbarkeit usw. ebenso wie technisch, im letzteren Fall die physikalischen Kenngrößen, die die „Materialien“ für bestimmte Anwendungen haben müssen, z. B. Zugfestigkeit, Dichte usw. passend einschätzen, was eine gute Vertrautheit mit materialwissenschaftlichen Disziplinen erfordert.

Pädagogik[Bearbeiten]

In der aktuellen Diskussion um Bildungsstandards und Kompetenzen im Bereich Schüler und Lehrer wird der Begriff „Anforderung“ sehr häufig verwendet. Der Zusammenhang zwischen Kompetenz und Anforderung besteht im Folgenden: Kompetenz aus Sicht der Kognitionspsychologie betont ein Zusammentreffen von individuellen Voraussetzungen mit den Anforderungen der Umwelt.[11] Kompetent ist ein Schüler oder ein beruflich Auszubildender nicht allein durch ein vorhandenes Potenzial, sondern, wenn dieser in einer Situation handelt und eine Anforderung bewältigt, d.h. wenn die Fähigkeiten und das Wissen in einem Inhaltsgebiet zur Anwendung kommen.[11]

Anforderung kann verstanden werden als eine auf Erfahrungswerten basierende, rekonstruierte Zielvorgabe an eine in Schule oder Berufsausbildung befindliche handlungsfähige Person – mit relativem Bezug zum Individuum und zum Handlungsfeld einer zukünftigen Tätigkeit.

Personalbeschaffung[Bearbeiten]

In der Personalbeschaffung werden in der Regel eine Anzahl an Anforderungen spezifiziert, die zu einem Anforderungsprofil systematisiert werden.[12]

Umweltmanagement[Bearbeiten]

Im Umweltmanagement und beim Arbeitsschutzmanagement werden Anforderungen an Maschinen, Produktionsverfahren[13] und Arbeitsprozesse gestellt, damit die vorgeschriebenen Schutzziele erreicht und eingehalten werden können. Unter anderem können Unternehmen (etwa Chemieunternehmen) dafür haftbar gemacht werden, wenn sie die Umwelt kontaminieren (sofern nicht althergebrachtes Recht diesen besondere Erlaubnisse dazu gewährt). Hier gelten gesetzliche Anforderungen, die einzuhalten sind. Dies führt zu dem Erfordernis für nicht wenige produzierende Unternehmen, Umweltbelange zu managen.

Softwareentwicklung[Bearbeiten]

Im Entwicklungsprozess für Software gelten Anforderungen zum Beschreiben des gewünschten Funktionsumfangs. Sie werden von den Auftraggebern formuliert und im Rahmen einer Anforderungsanalyse bewertet und dokumentiert.[14][15] Siehe: Anforderungsmanagement.

Siehe auch[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]

 Wiktionary: Anforderung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Während eine begriffliche Trennung von „Produktanforderung“ und „Prozessanforderung“ gemäß DIN ISO 9000 praktischer Zweckmäßigkeit folgt, wird auf der technischen Ebene dahingehend gearbeitet, technische Produkte und Prozesse anforderungszentriert und modellintegriert zu entwickeln. In solchen Entwicklungen werden Produkt- und Prozessanforderung mit Computer-Unterstützung in einem integrierten Modellansatz, kollisionsmindernd, zusammengeführt. Vgl.: Ilyas Mattmann: Modellintegrierte Produkt- und Prozessentwicklung. Springer Vieweg, Wiesbaden [2017] (zugl. Diss. Techn. Univ. Darmstadt), ISBN 978-3-658-19408-6, Kap. 6 „Methodik der Modellintegrierten Produkt- und Prozessentwicklung“: S. 215–256, darin unter anderem auf S. 215 f.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 Georg Angermeier: Anforderung. Glossar zur Online-Zeitschrift "projektmagazin" (ISSN 1615-2689), zuletzt aktualisiert am 1. November 2009, Website abgerufen am 18. Februar 2023.
  2. Joachim Herrmann, Holger Fritz: Qualitätsmanagement: Lehrbuch für Studium und Praxis. 3., aktualis. und erw. Aufl., Hanser Verl., München 2021, ISBN 978-3-446-46294-6, Kap. 4.1 „Begriff der Anforderung“: S. 48–52, darin zitierte Phrase auf S. 48.
  3. Joachim Herrmann, Holger Fritz: Qualitätsmanagement: Lehrbuch für Studium und Praxis. 3., aktualis. und erw. Aufl., Hanser Verl., München 2021, ISBN 978-3-446-46294-6, Kap. 4.2 „Anforderungen an Produkte“: S. 52–54.
  4. Joachim Herrmann, Holger Fritz: Qualitätsmanagement: Lehrbuch für Studium und Praxis. 3., aktualis. und erw. Aufl., Hanser Verl., München 2021, ISBN 978-3-446-46294-6, Kap. 4.3 „Anforderungen an Prozesse“: S. 55–59.
  5. Joachim Herrmann, Holger Fritz: Qualitätsmanagement: Lehrbuch für Studium und Praxis. 3., aktualis. und erw. Aufl., Hanser Verl., München 2021, ISBN 978-3-446-46294-6, Kap. 4.4 „Anforderungen an Systeme“: S. 59–60.
  6. Joachim Herrmann, Holger Fritz: Qualitätsmanagement: Lehrbuch für Studium und Praxis. 3., aktualis. und erw. Aufl., Hanser Verl., München 2021, ISBN 978-3-446-46294-6, Kap. 4.1 „Begriff der Anforderung“: S. 48–52, darin Anmerkung 2 auf S. 48.
  7. Peter Hoppen: Software-Anforderungsdokumentation: Leistungsbeschreibungen bei Software. In: Computer und Recht. (ISSN 0179-1990) Bd. 31, H. 11 (November 2015), S. 747–760.
  8. Albert Wenben Lai: Consumption schemata: their effects on consumer decision making. In: Advances in Consumer Research. (ISSN 0098-9258) Bd. 21 (1994), S. 489–494.
  9. REFA Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e. V. (Hrsg.): Methodenlehre der Betriebsorganisation; [...]: Lexikon der Betriebsorganisation. C. Hanser Verl., München 1993, ISBN 3-446-17523-7, S. 14.
  10. Martin Reuter: Methodik der Werkstoffauswahl: Der systematische Weg zum richtigen Material. 3., aktualis. Aufl., Hanser, München 2021, ISBN 978-3-446-46853-5, Kap. 4 „Phase I – Ermittlung der Materialanforderungen“: S. 41–106, darin insbes. auf S. 55 ff.
  11. 11,0 11,1 Esther Ziegler et al.: Kompetenzen aus der Perspektive der Kognitionswissenschaften und der Lehr-Lernforschung. In: Manuela Paechter et al. (Hrsg.): Handbuch kompetenzorientierter Unterricht. J. Beltz Verl., Weinheim 2012, ISBN 978-3-407-83177-4, S. 14–26, darin auf S. 14 ff.
  12. Gabriele Wilk: Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofile: Kompetente Unterstützung für erfolgreiche Personalarbeit. 3. Aufl., Haufe, Freiburg i.Br. 2022, ISBN 978-3-648-15852-4.
  13. Dietrich Adam: Ökologische Anforderungen an die Produktion. In: ders. (Hrsg.): Umweltmanagement in der Produktion. (= Schriften zur Unternehmensführung; Bd. 48) Gabler Verl., Wiesbaden 1993, ISBN 3-409-17911-9, S. 5–32.
  14. Ralph Rowland Young: Effective requirements practices. Addison-Wesley, Boston, Mass. 2001, ISBN 0-201-70912-0.
  15. Christof Ebert: Systematisches Requirements Engineering: Anforderungen ermitteln, dokumentieren, analysieren und verwalten. 7., überarb. und aktualis. Aufl., dpunkt.verlag, Heidelberg 2022, ISBN 978-3-86490-919-1.


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