Bier (Kultur)
Bier und Kultur hat eine Jahrtausende alte Beziehung in vielen Gesellschaften. Sowohl in der populären Kultur, wie Film und Fernsehen, Werbung und Festen, als auch in der traditionellen Kultur, wie Küche, Vereinen und Museen, findet sich Bier als eigenständiger Mittler kultureller Entwicklungen und Auslöser technischer Fortschritte, die zum Teil nur auf die Prozesse zur Herstellung von Bier zurückzuführen sind.
Der Kulturbegriff: Eine grundlegende Schwierigkeit für das Verständnis der Ergebnisse von kulturvergleichenden Sozialforschungen sind die weit gefassten Bedeutungsinhalte der Bezeichnung Kultur, für die selbst innerhalb der Humanwissenschaften sehr unterschiedliche Definitionen existieren. Die meisten Bestimmungen gründen entweder auf einem totalistischen Ansatz und beziehen sich allumfassend auf die gesamte Lebensweise eines Volkes, oder sie gründen auf einem mentalistischen Ansatz und betreffen nur die Gedankenwelt, Ideen und Wertvorstellungen eines Volkes[1]. Hinsichtlich des konkreten Objekts Bier ist ein umfassender Ansatz zur Beschreibung der vielfältigen Beziehungen von Bier und Kultur angebracht und sinnvoll.
In allen Epochen der überschaubaren Geschichte waren vergorene, alkoholhaltige Getränke Tel der Kultur. Vier Eigenschaften von Bier machten es unter diesen Getränken besonders wertvoll[2]: (1) Bier war durch den enthaltenen Alkohol und die Kohlensäure eine vergleichsweise sichere und nahrhafte Flüssigkeit, die Krankheiten vorbeugte; (2) in vielen Bereichen der Gesellschaft gehörte ein höherer oder minderer Rauschzustand zum Ritual, zum Kontaktieren von Verstorbenen und zu Göttern, und der Genuss von Bier unterstützt dies; (3) als isotonisches Getränk trägt Bier zur Rekonvaleszenz und zur Stärkung von Kranken und bildete früher einen Grundstoff für viele Heilmittel, und (4) ist Bier ein Mittel für gemeinschaftsstiftende Erlebnisse und für die Definition der Gruppenzugehörigkeit, z. B. am Stammtisch (sozialer Kitt).
1910 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet, wusste Heyse um den Einfluss des Bieres, wenn es um soziale Fragen geht. Die in Süddeutschland beliebten Biergärten ermöglichten seit dem 19. Jahrhundert die ungezwungene Begegnung ganz unterschiedlicher sozialer Gruppen.
„Die Gleichheit vor dem Nationalgetränk mildert den Druck der sozialen Gegensätze.“
Allgemeines[Bearbeiten]
Die Geschichte des Bierbrauens ist eine Geschichte von brauenden Frauen. Lange Zeit, bevor sich das aktuelle Bild der kernigen Brauer mit Bart und Holzfällerhemd in der Öffentlichkeit festsetzte, waren es die Frauen, die sich um das Sieden des Bieres kümmerten. Das Brauen gehörte, wie das Backen, zum Tagesgeschäft. Da die hygienischen Zustände bis hin zur Neuzeit in allen Zeiten prekär waren und Wasser nicht trinkbar war, wurde es abgekocht und mit Malz und Gewürzen schmackhaft gemacht. Was dann passierte – die Vergärung – war lange unbekannt und wurde so hingenommen. Mit der Zeit reifte die Erkenntnis, dass Biere besser und schneller gären, wenn sie in der Nähe der Backstuben gebraut wurden. Die Sauerteighefen sind eng mit den Bierhefen verwandt. Hinzu kommt die Tatsache, dass jeder Mensch bei großer Hitze Hefezellen über die Haut absondert. Hormonell bedingt scheiden Frauen mehr Hefezellen ab als Männer und so kam das Gebräu leichter zur Gärung. Wenn ein Sud aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht gelingen wollte, waren allerdings leider auch die Frauen in der Nachbarschaft schuld. Man bezichtigte sie, mit dem Teufel im Bunde zu sein, verklagte sie als „Brauhexen“ und überließ sie einem sogenannten „Gottesurteil“. Offiziell wurde die letzte Bierhexe 1591 auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. Nicht nur deshalb war das Brauen für Frauen nicht gefahrlos. In der Frühzeit erließ König Hamurabi in dem ältesten unserer Menschheit bekannten Gesetzestext bereits ein das Bier betreffendes Gesetz: Brauerinnen, die schlechtes Bier ausschenkten, sollten ertränkt werden.
Im deutschen Kulturraum sind u. A. Hildegard von Bingen und Katharina von Bora Befürworter des Biergenusses und Brauerinnen. Die erste Frau in Deutschland, die hauptberuflich vom Bierbrauen lebte, war Susanna Waitzinger, geb. Hoefter, aus Miesbach. Aber auch andernorts war das Zubereiten von Bier oft Frauensache, jedenfalls solange es als „Kochen“ verstanden wurde. Erst als man erkannte, dass während des Brauens chemische Prozesse ablaufen, die wissenschaftlicherklärt werden können, ging das Braugewerbe mehr und mehr in die Hände von Männern über[3][4]. So erkannte Lavoisier 1789, dass Hefe und Zucker nicht nur Alkohol, sondern auch Kohlensäure erzeugt. Louis Pasteur schließlich stellte fest, dass die Hefe für die Gärung verantwortlich ist. 1883 konnte der dänische Botaniker und Mykologe Emil Christian Hansen auf Veranlassung von Jacob Christian Jacobsen, dem Gründer von Carlsberg, die erste Hefezelle isolieren.
Die deutsche Brauwirtschaft kann auf eine lange Tradition an Regelungen für das Brauen und den Ausschank von Bieren zurückblicken, die noch auf die Zeit vor dem Erlass des deutschen Reinheitsgebots zurückgeführt werden kann (Brauordnung).
Biertrinker benutzen üblicherweise ein Glas, das die Eigenschaften des Produkts am besten zur Geltung bringt, insbesondere den Geschmack und die Schaumbildung. Biergläser sind in verschiedenen Formen und Größen verfügbar und dienen in der Gastronomie durch Aufschrift der Brauerei auch oft als Werbeträger. In bayerischen Biergärten werden oft mit Henkeln versehene Maßkrüge aus Glas oder Steingut mit oder ohne Deckel verwendet, die einen Liter Bier fassen. Die Steingutkrüge halten die Kühle des Biers besonders effizient und sorgen mit ihrer rauen Innenfläche für eine bessere Zirkulation des Kohlenstoffs im Getränk[5].
Seltene Krüge und Gläser sind begehrte Sammlerstücke im Museen und von Privatleuten[6]. Die Sammlung von Hans Fenzl (Wirtshaus „Zum Krug“ in Geigant) umfasst z. B. mehr als 8000 Stücke[7]. Das einzige Bierkrug-Museum in Österreich ist in Hainberg (Niederösterreich) umfasst etwa 600 Krüge[8].
Wenn Bier nicht als Fassbier direkt in ein Glas ausgeschenkt wird, gelangt es in Flaschen in den Handel. Das Volumen der Flaschen ist typischerweise 0,33 Liter oder 0,5 Liter, obwohl weltweit auch andere Maße üblich sind. Die meisten Bierflaschen sind mit einem Kronkorken verschlossen, der sich seit Ende des 19. Jahrhunderts nach und nach durchgesetzt hat. Vorher waren Flaschen mit Bügelverschluss üblich, diese Alternative wird auh heute noch genutzt.
Eine Alternative zu Flaschen sind seit 1935 Dosen, in denen „Krueger Cream Ale“ der Krueger Brewery verkauft wurde. In Deutschland zog 1937 die Firma Schmalbach-Lubeca mit einem Angebot an Bier aus der Dose nach. Die Dosen hatten eine spezielle Innenbeschichtung, um die Flüssigkeit haltbarer zu machen. Nachdem Dosenbier in Deutschland lange Zeit eher geächtet war, hat der Absatz wieder einen gewissen Aufschwung genommen und lag 2017 bei etwa 6 %[9].
Bier kann auch in eher humoristischer Weise einen gewissen Einfluss auf Gesellschaften nehmen. So sind in zahlreichen Ländern Bierparteien entstanden, deren politische Ziele jedoch oft unklar geblieben sind. Die meisten dieser Bierparteien sind eher als Organisationen des Anti-Establishments zu betrachten.
Bier in der Geschichte[Bearbeiten]
Siehe auch Hauptartikel Geschichte des Bieres
Die frühen Bierbrauer konnten bereits ein Getränk herstellen, das einen höheren Alkoholgehalt hatte als reife Früchte, nämlich rund 1 %[10]. Die Brauer mussten jedoch weitere Bedingungen herstellen, um bessere Qualität zu erreichen, nämlich: 1) die Verfügbarkeit geeigneter Getreidesorten, 2) ein Verfahren, Getreidestärke ezient in Zucker umzuwandeln, 3) eine geeignete Energiequelle, 4) die Verfügbarkeit von alkoholbildenden Hefen (Früchte, Honig, Sauerteig) und 5) stabile Gefäße für Herstellung, Lagerung und Transport. All dies war wohl bereits vor mehr als 8000 Jahren der Fall.
Die Herstellung von Bier benötigt Getreide und klares Wasser. Genügend Getreide konnte nur durch Ackerbaukulturen bereitgestellt werde und somit waren bestimmte Regionen der Erde bevorzugt für erste Versuche, Bier zu brauen, insbesondere China, Ägypten und Mesopotamien. Neben der Diversifizierung von Getreidesorten und deren Verwendung für die Herstellung waren aber auch andere kulturelle Unterschiede wichtig. Die Produktion von feuerfesten Tonwaren in Afrika und Asien erlaubte das kontrollierte Verkochen von Getreide zu Brei und Grütze, aus dem später Bier erzeugt werden konnte. Im Gegensatz dazu kannte man in der Region des Fruchtbaren Halbmonds nur Öfen, in denen mit gemahlenem Getreide Brot gebacken werden konnte, das anschließend zur Bierproduktion dienen mochte. So entstanden bereits vor etwa 7000 Jahren unterschiedliche Kulturen der Bierherstellung, die Breikultur und die Brotkultur.
Funde in Mesopotamien lassen darauf schließen, das in manchen Dörfern – und möglicherweise landesweit – jedes Haus und damit jede Familie eine Einrichtung zum Bierbrauen hatte[11]. Im zentral verwalteten Alt-Ägypten gab es schon vor etwa 5450 Jahren größere Brauereien, die eine Region versorgen konnten, wie Ausgrabungen bei Hierakonpolis zeigen[12]. Dort waren als sinnreiche Mischung Getreidespeicher, Produktionsstätten für Bierkrüge und eine Brauerei in einem Umkreis von hundert Metern zu finden.
In der griechischen Kultur finden sich Hinweise, dass Bier zwar bekannt aber wenig geschätzt war. Sophokles erwähnt in einem seiner Stücke, dass Bier nicht sehr angenehm sei[13] und die meisten Autoren identifizierten Bier mit Ausländern, wie Thrakern, Pannoniern und Ägyptern. Es gibt offenbar keine klassischen griechischen Quellen zum Prozess des Bierbrauens. Für die Kultur des Römisches Reichs war Bier ebenfalls ein minderwertiger Ersatz für Wein. Dionysios von Halikarnassos beschreibt um die Zeitenwende das Bier aus Gallien als „stinkende Flüssigkeit von verrotteter Gerste. Dennoch bildete Bier (cervesia) eine interessante Handelsware, die über den Limes zwischen den Wes-Germanen und Römern ausgetauscht wurde. Offensichtlich waren es römische Hilfstruppen, die als größere Bierkonsumenten auftraten denn die Italer selbst[14].
Seit der Mitte des 11. Jahrhunderts hatten die Könige das Braurecht an Herzöge dnd Bischöfe abgegeben, die anschließend den Profit und Abgaben abschöpfen konnten. Auch wenn die meisten Klöster selbst noch kein Bier brauten, erhielten sie Abgaben in Naturalien, meist aus der näheren Umgebung, die auch aus Bier bestanden[15]. Oft ging es bei den Abgaben von Bier um Zinsleistungen für die Landerwerbung oder um alte Rechte von kirchlichen und anderen adligen Würdenträgern. Diese gaben die erhaltenen Abgaben an ihre Ministerialen, nicht mehr beschäftigte Bedienstete und Arme weiter. Dies war natürlich nicht nur für Bier der Fall, sondern für alle Nahrungs- und Genussmittel, wie z. B. Wein, der in Rheinfranken, Bayern und der Lombardei üblich war.
Mittelalterliche Dichter und der Adel waren dem Biergenuss weniger zugeneigt, als Mönche und die allgemeine Bevölkerung. Ulrich von Türkheim dichtet im frühen 13. Jahrhundert in seinem Rennewart: … da sah man niemanden Bier trinken, sondern man becherte Wein, Claret, Syropel und süßen Met und auch der früher verstorbene Hartmann von Aue lästerte schon über das Bier. Dennoch gab es hochrangige Vertreter in der Person von König Heinrich dem Löwen, der sich in seinem Exil in London sächsisches Bier brauen ließ[16]. Mönche schätzten Bier besonders in der Fastenzeit, denn was flüssig ist, brcht das Fasten nicht[17].
Die guten Klimabedingungen des 12. bis Anfang des 14. Jahrhunderts zusammen mit den verbesserten Braumethoden und Transportverhältnissen führten zu einer europaweit erhöhten Bierproduktion. Aber auch Mönchsorden, wie die Zisterzienser, die den Einklang mit der Natur zu erreichen suchten, trugen ihren Teil dazu bei. Die oft einsam liegenden Klöster hatten ein eigenes Brauhaus[18]. Sowohl Siedlungen als auch Anbauflächen für Getreide erweiterten sich erheblich in jener Zeit. Privilegien, die den neugegründeten Städten zuerkannt wurden, legten fest, welche Gewerbe nur durch die Stadt geregelt werden durften, so oft auch das Braurecht (Brauurbar). Viele Städte erlaubten nur Brauern ihr Bier zu verkaufen, wenn sie der Stadt Steuern zahlten oder den Militärdienst leisteten. Damit waren Auswärtige vom städtischen Brauhandwerk ausgeschlossen, Hausbrauereien für den Eigenbedarf aber gestattet. Der Ausschank wurde vor allem im Süden Deutschlands mit dem an der Fassade angebrachten Brauerstern (Bierzeiger, „Zoigl“) beworben. Immer noch heißen viele Gaststätten „Zum Stern“ oder tragen ähnliche Namen.
Bis zum 14. Jahrhundert wurden Kessel aus Eisen zum Herstellen der Würze benutzt, die zwar ausreichend waren, um 70–80 °C Hitze zu erzeugen, aber viel Energie zum Aufheizen benötigten. Mit dem Aufkommen preiswerter Kessel aus Kupfer wurde die Würzebereitung einfacher und konnte schneller erfolgen[19].
Gambrinus ist ein europäischer Kulturheros, der als Ikone der Brauerei gilt und in vielen traditionellen Bierprodukten auftaucht. Die Legende des Gambrinus wurde beschrieben von Johannes Aventinus (1477–1534), der den Helden als den germanischen König Gambrivius (Gampar) identifizierte, über den sonst aber wenig bekannt ist. Weitere einschlägig genannte Personen, die das Brauwesen n Europa eingeführt haben sollen, sind Johann Ohnefurcht (1371–1419) und Johann von Brabant (1252–1294).
Welchen Bierstil Gambrinus gebraut hat, ist allerdings unklar, denn er fällt in die Zeit, in der das Hopfenbier andere Bierstile immer mehr ablöst, so auch das Grutbier, das statt des Hopfens Blätter des Gagelstrauches verwendet. Grut ist die niederrheinische Variante des Namens für den Gagel und viele moderne Familiennamengehen auf diese Zeit zurück: Gruter, Gruyter, Grüter, Greuter und ÄhnlicheAndreas Fasel: Als das Altbier noch jung war. In: Welt. 19. Juni 2013, abgerufen am 23. Mai 2021. . Der Gagelstrauch ist im Gegensatz zum Hopfen nicht kultivierbar und kann somit nicht in ausreichender Quantität und gesicherter Qualität bereitgestellt werden.
Langsam wurden dann verschiedene Bierstile entwickelt. Das traditionelle Nürnberger Getränk war ein „Rotbier“, dessen Ausschank durch einen roten Brauerstern angezeigt wurde. 1531 erlaubte der Nürnberger Rat dem Atlasmacher Peter Preymund „niederländisches“ Bier zu brauen. Damit begann die Weißbierbrauerei, und der Ausschank dieses Produkts wurde durch den weißen Stern markiert. Weißbier bezeichnet bis ins 18. Jahrhundert generell helle Biere. Reines Weizenbier wurde in Nürnberg erst ab 1634 in Eigenregie der Stadt hergestellt. Weizenbiere sind oft, müssen aber nicht hell sein. Das Nürnberger Weizenbier hatte eine dunkelbraune Farbe[20]. Im Entwurf einer Münchner Brauordnung wird 1551 festgestellt: Zum andern sollen sie nach gerst, guetten hopffen und wasser das pier unnd hepffen ein recht sutt und kielung geben, auch die untergier geben. Demzufolge wurde also untergärig gebraut[21].
In England war (und ist) Bier eine Art Grundnahrungsmittel, spätestens seit dem 16. Jahrhundert, als Wasser für ein Getränk der ärmeren Schichten angesehen wurde[22]. Dies war u. A. darin begründet, dass Wasser oft verschmutzt und damit gesundheitsschädlich war. Lagerbier wird erstmals von Johann Colerus (1566–1639) erwähnt und bezieht sich sicher auf ein obergäriges Bier[23].
Wirtschaftliche Bedeutung von Bier[Bearbeiten]
Der weltweite Bierausstoß eröhte sich seit 1995 (1,25 Milliarden Hektoliter) kontinuierlich bis zu seinem Höchststand im Jahr 2013 (1,97 Milliarden Hektoliter). Seitdem nahm der Ausstoß leicht ab und war 2020 mit einem Volumen von 1,82 Milliarden Hektolitern auf dem gleichen Stand wie im Jahr 2008[24].
Deutschland liegt mit einem jährlichen Gesamtverbrauch von 81,6 Millionen Hektolitern (2019) weltweit auf den sechsten Platz, hinter China, den USA, Brasilien, Mexiko und Russland[25]. Seit der Mitte der 1970er Jahren ist der Bierkonsum in Deutschland jedes Jahr um durchschnittlich 1 % gesunken[26]. Zumindest für die neuere Entwicklung lässt sich dies auf das geringere Interesse der jüngeren Generation am Bierkonsum (Wellnessbewegung, höheres Gesundheitsbewußtsein) und indirekt auf das Rauchverbot in Gaststätten und Kneipen zurückführen. Biermischgetränke, die seit den 1990er Jahren für einen gewissen Aufschwung des Brauereiabsatzes gesorgt hatte, sind inzwischen wieder weniger im Trend[27]. Eine der Innovationen im Bereich der Biermischgetränke ist das Sektbier, das insbesondere Kundinnen für Bier begeistern sollte[28].
Bezogen auf den Biervertrieb wurde bereits 2011 beklagt, dass die Marktmacht der Discounter (Lebensmitteleinzelhandel) immer mehr zunimmt und gleichzeitig die Bedeutung von Gaststätten und Getränkeabholmärkten abnimmt[29]. Das Kneipensterben hat sich durch die Pandemie seit 2020 eher beschleunigt als verlangsamt[30]. Discounter bestimmen mehr und mehr den Abgabepreis von Bier durch die Brauereien. Dies hat zu einem Konsolidierungsprozess im Brausektor geführt, der einerseits in eine gewisse Konzentration großer Konzerne mündet, andererseits aber den mittleren Sektor (von 50.000 bis 1 Mio. Hektoliter Ausstoß) schrumpfen lässt. Interessanterweise nimmt die Zahl der Kleinstbrauereien stetig zu[31]. Insgesamt ist die Zahl der Braustätten in Deutschland seit 2003 auf 1327 Unternehmen angestiegen[32] und hat 2019 mit 1528 Braustätten einen neuen Höchststand erreicht[33].
Mit der Marktanpassung der Brauwirtschaft (Konzentration in Großkonzerne und vermehrte Bildung kleinerer Braustätten) geht ein Rückgang der Zahl der Beschäftigten im Brauwesen einher. Waren es 1995 noch rund 48.000 Beschäftigte[34], sind 2020 noch etwa 27.000 Beschäftigte zu verzeichnen – ein Rückgang von rund 40 %[35].
Bierrecht[Bearbeiten]
Das Kulturgut Bier war schon in früher Zeit Gegenstand von lokalen, regionalen und nationalen Regelungen und Verordnungen. Die deutsche Brauwirtschaft kann auf die weltweit erste Verordnung zur Herstellung von gutem Bier verweisen, das Reinheitsgebot. Es enthält die Passage
„Wir wollen auch sonderlichen, das füran allenthalben in unnsern Steten, Märckten und auf dem Lannde, zu kainem Pier merer Stückh, dann allain Gersten, Hopffen unnd Wasser, genommen und gepraucht sollen werden.“
Die Idee hinter dieser Verordnung war jedoch weniger auf die Bierqualität gerichtet – die hätten Brauer mit Weizen statt Gerste ebenfalls produzieren können -, sondern eher auf die wirtschaftliche Situation der Getreidebauern. Die Verwendung von Gerste nahm zu dieser Zeit ab, während Bäcker Weizen dringend zum Backen ausreichender Mengen an Brot in den größer werdenden Städten benötigten[36].
Im Mittelalter sind auch erste Bemühungen um die Besteuerung von Bier zu verzeichnen, doch war dies durch die soziale Kultur jener Zeit nicht so einfach. Der an vielen Orten vorhandene Gegensatz von Landesherrn und Ständen führte oftmals zu erheblichen Widerständen gegen eine Besteuerung des alltäglichen Getränks. Die jahrzehntelangen Konflikte der Hochmeister des Deutschen Ordens mit den Landstände im 15. Jahrhundert sind ein Beispiel dafür[37]. Später gab es den Bierpfennig, der oft eher als Notgroschen fungierte[38]:
- ein kaiserlicher Freibrief erlaubte den bayerischen Herzögen, den Bierpfennig einzutreiben, um die Schulden aus den Türkenkriege zu tilgen
- nach dem vernichtenden Brand in München 1823 wurde das Münchner Nationaltheater durch Einnahmen aus dem Bierpfennig wieder aufgebaut.
Mittelalterliche und neuzeitliche Brauer wurden auch durch Eidesformeln dazu verhaftet, gutes und einheitliches Bier zu brauen. Ein Kölner Brauereid von 1698 verlangt von jedem angehenden Brauer, Bier wie von alters her üblich wolgesotten mit Oberheffen anzusetzen, mitnichten aber einig Unterheufft, Dollbier, rohe Wirtz mit schädtlichen Kräuteren, wie die Nahmen haben herzustellen[39]. Damit sollte die gleichmäßige Qualität des Brauerzeugnisses abgesichert werden, aber auch unkontrollierbare Rauschzustände der Bürger waren dem Staat ein Dorn im Auge, der sich vor Unruhen fürchtete[40].
Das Auftreten von Abstinenzvereinen seit dem 19. Jahrhundert konnte den Bierkonsum zwar nicht wesentlich eindämmen, führte aber schließlich doch zum Aufkommen einer zeitweiligen Prohibition (USA Jan. 1919–1933).
Die Einnahmen aus der Biersteuer entwickeln sich entsprechend dem Marktgeschehen seit 2012 rückläufig[41]. Während es 2012 noch 697 Mio. € waren, konnte der Staat 2020 nur 566 Mio. € einnehmen (die Mindereinnahme ist auch auf die Pandemie im Jahr 2020 zurückzuführen, die Gaststättenschließungen führte). Im Jahr 2019 betrugen die Biersteuereinnahmen noch 617 Mio. €.
Das Recht rund ums Bier ist nicht nur Jahrhunderte alt, sondern wird in der modernen Gesellschaft von vielen anderen Bereichen berührt: Lebensmittelrecht, Kartellrecht und das Gaststättenrecht (Verordnung über Bier und bierähnliche Getränke).
Deutlich wird dies beim Hanfbier, das in Deutschland zwar gebraut werden aber nicht als „Bier“ in den Handel gelangen darf, nur als Biermischgetränk. Die Biermarke turn wurde deshalb in Schweiz produziert und konnte dann als Bier in Deutschland firmieren. Auch die Werbung für Hanfbier gestaltete sich kompliziert. Auf der Flasche der Marke Hanfblüte war ursprünglich Pfeife rauchender Bauer unter einem Baum sitzend abgebildet. Den Werbehüternwar dies zu provokativ und die Pfeife musste entfernt werden. Auf der veränderten Etikett lutscht der Bauer nun am Daumen.[42] Im Flugzeug Air Force One des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton wurde allerdings ganz zwanglos Hanfbier ausgeschenkt[43].
Unter Schankbetrug versteht man das betrügerische Verhalten zum Vorteil der Gaststätte, wobei weniger Bier ausgeschenkt wird, als auf der Speisekarte angegeben. Deshalb sollen in Gaststätten durchsichtige Gläser mit einem Eichstrich verwendet werden. In München existiert seit 1899 ein Verein gegen betrügerisches Einschenken e. V.
Da Alkohol im Straßenverkehr als erhöhte Gefahr für Unfälle bekannt ist, sind weltweite Promillegrenzen im Straßenverkehr in Kraft und werden stetig an neuere Forschungsergebnisse angepasst. Führer von Personenkraftwagen, Bussen, LKWs, Eisenbahnen, Flugzeugen und Booten oder Schiffen müssen sich genauso an diese Regeln halten, wie Radfahrer und Motorradfahrer.
Die COVID-19-Pandemie seit 2020 führte zu beträchtlichen Mindereinnahmen der Brauwirtschaft, die sich an Versicherungsunternehmen wandten, um eine gewisse Kompensation zu erhalten. Hierzu waren häufig Gerichtsurteile notwendig[44].
Beurteilung von Bieren[Bearbeiten]
Die professionelle Beurteilung von Bieren wird, ähnlich wie bei Weinen, von Biersommeliers und Biersommelières vorgenommen. Biersommeliers prüfen en Bier nach unterschiedlichen Kriterien, wie Aussehen, Duft, Geschmack, Mundgefühl und Bierschaum inklusive Haftschaum (foam retention, lacing) im Glas[45]. Während einige Kriterien objektiv beurteilt werden können, z. B. der Alkoholgehalt und Haftschaumbildung (ja oder nein), sind andere eher subjektiv.
Typischerweise arbeiten Personen, die sich durch eines der Akkreditierungssysteme qualifizieren, im Gastgewerbe und sind für die Auswahl und den Kauf von Bier verantwortlich, überwachen die korrekte Lagerung und den richtigen Service, betreuen Kunden und schulen das Personal. In der Braubranche können Biersommeliers an Führungen und Verkostungen teilnehmen sowie Handelsvertreter sein. In der Einzelhandelsbranche können sie für den Kauf und die Auswahl von Bieren verantwortlich sein, die zum Kauf angeboten werden. Selbständige Biersommeliers können eine Reihe von Jobs übernehmen, darunter Beratung in Kneipen und Restaurants und Mitarbeiterschulung, Bierschreiben, Veranstalten von Verkostungsveranstaltungen und Bierbeurteilung für Wettbewerbe auf Festivals sowie Druckerzeugnisse für Bierkritiken.
Aussehen[Bearbeiten]
Für das Aussehen des Bieres sind (1) die Farbe, (2) die Trübung und (3) die Schaumbildung wichtig.
- Die Farbe kann relativ objektiv mittels einer Bierfarbkarte ermittelt werden[46]. Die Farben des Bieres reichen von Gelb bis Schwarz, wobei sich durch den Brauvorgag und Zusäze viele Abstufungen ergeben: Weizengelb, Sonnengelb, Tiefgold, Kupfer, Kastanienbraun, Rotbraun, Mokka und Espresso sind einige Beispiele.
- Die Trübung lässt sich beschreiben als fein, opal (leichte Trübung) und gleichmäßig (für ungefilterte Biere).
- Die Beurteilung des Bierschaums basiert auf der Farbe des Schaums, der Zeit bis zum Zusammenfall und der Porigkeit. Schaumfarben reichen typischerweise von elfenbeinfarben, sandfarben bis cappuccinofarben. Andere Färbungen entstehen durch Zusäzte wie Waldmeister oder Himbeeren. Der Schaum kann unter anderem als stabil, kräftig, anhaftend und feinporig beschrieben werden.
Duft[Bearbeiten]
Um den Duft eines Biers im Glas zu prüfen, zieht man die Luft über dem Schaum in der Glasmitte mehrfach ein, ohne wieder auszuatmen, um den olfaktorischen Sensoren genügend Informationen anzubieten, ohne den Geruch durch ausgeatmetes Kohlendioxid zu stören[47].
Der Duft kann sehr vielfältig beschrieben werden, so z. B.
- aromatisch
- malzig
- kräftig
- frisch
- süßlich
- fruchtig
Geschmack[Bearbeiten]
Zur Darstellung des Geschmacks, der gemeinhin als wichtigster Faktor zur Beurteilung von Bierqualität gilt, gehen Fachleute in drei Schritten vor. Sie prüfen zuerst den Antrunk, wo das Mundgefühl beurteilt werden kann. Hier werden sehr unterschiedliche Vokabeln verwendet: leicht, schwer, vollmundig, süffig, spritzig, abgerundet und viele andere.
Im zweiten Schritt geht es um den Haupttrunk, vor dem eingeatmet und mit dem Bier im Mundraum wieder ausgeatmet werden sollte. Dies erlaubt eine bessere Wahrnehmung der Aromen. Die im Bier vorhandenen Komponenten Hefe, Malz und Hopfen tragen alle unterschiedlich zum Gesamtaroma bei.
- Die Wahrnehmung des Hefeanteils beinhaltet Aromen wie gewürzig, alkoholisch, fruchtig, Banane, Gewürznelke, schweflig, Rosenduft, …
- Malzaroma kann sich zeigen als Brot, Weißbrot, geröstet, Honig, Nuss, Kaffee, Schokolade, …
- Der Hopfenanteil am Bieraroma (getragen durch das Lupulin) beschränkt sich nicht auf Bitterkeit, sondern kann als grasig, strohig, holzig und mit Fruchtaromen wie Mango, Holunder und Kamille beschrieben werden.
Der letzte Schritt in der Bierverkostung ist der Nachtrunk. Hierzu atmet man nach dem Schlucken des Bieres aus, um gegebenenfalls neue Aromen in den Mund-Nasen-Raum gelangen zu lassen. Der Nachtrunk wird meist beschrieben als erfrischend, schnell abklingend oder langanhaltend, trocken, intensiv, um nur einige Beispiele zu nennen[48].
Bier in der Literatur[Bearbeiten]
Bier ist bereits in einer ältesten schriftlich festgehaltenen Erzählung, demsumerisch-babylonischen Gilgamesch-Epos, als kulturstiftendes Element beschrieben. Enkidu, der den Tieren gleiche Naturbursche und spätere Gefährte des Protagonisten, erfährt die Verwandlung zum Menschen, nachdem ihn die Prostituierte Schamhat den Gebrauch der Sprache lehrt und ihn - unter anderem - in den Genuss des Gerstensafts und von Brot einweiht. Enkidu wird nach sieben Krügen Bier fröhlich, verliert aber die Nähe zur Natur. In der altbabylonischen Fassung steht:
87 Sie stellten Brot vor ihn hin,
88f. er zögerte, betrachtete es dabei und schaute.
90f. Es wusste Enkidu nicht Brot zu essen,
92f. Bier zu trinken hatte er nicht erfahren.
94f. Die Dirne öffnete ihren Mund und sprache zu Enkidu:
96f. «Iss das Brot, Enkidu, das das Leben auszeichnet,
98 trink das Bier, das dem Lande bestimmt ist!»
99f. Es aß das Brot Enkidu, bis er gesättigt war,
101f. das Bier trank er, sieben Krüge.
103 Es löste sich sein Gemüt, er frohlockte,
104f. er freute sich im Innersten, sein Gesicht strahlte*..
Das Epos gibt nichts Näheres zur praktischen Bierproduktion in Mesopotamien an. Der erste brauchbare Bericht zur Herstellung des Getränks aus dem Anfang des 4. Jahrhunderts von Zosimos, einem Ägypter aus Panopolis. Sein Rezept besteht darin, zunächst Malz aus hochwertiger Gerste herzustellen. Dieses Malz wird zu einem Teig verarbeitet, dem ein Sauerteig hinzugefügt und dann teilweise gebacken wird. Als nächstes wird das Brot in Wasser eingeweicht und durch ein Sieb gestrichen. Die Flüssigkeit wird dann in einen Behälter gefüllt und gelagert[49].
Dass Bier als ebenso wichtig angesehen wurde, wie z. B. Brot, Salz und Butter, kann man an den zahlreichen Wendungen der deutschen Sprache erkennen, die das Bier und dessen Herstellung zum Thema haben: das ist nicht mein Bier, „da braut sich was zusammen“, das schlägt dem Fass den Boden aus, das bringt das Fass zum Überlaufen, „ein Fass ohne Boden“, da ist Hopfen und Malz verloren, „etwas anbieten wie Sauerbier“ und außer Rand und Band sein (hier wird auf das Küfnerhandwerk angespielt, wenn Dauben oder Bänder nicht richtig sitzen, verliert das Fass seine Stabilität).
Bier und Musik[Bearbeiten]
Trinklieder werden von einer Gruppe mehr oder weniger vom Alkohol inspirierter Menschen gesungen. Trinklieder finden sich in fast allen Kulturkreisen der Erde. In Europa entwickelten diese Lieder seit dem Mittelalter und der Renaissance (Carmina Burana) durch Werke von Orlando di Lasso und Oswald von Wolkenstein. Moderne Trinklieder in Deutschland begannen mit der Tradition der Burschenschaften und anderer studentischen Vereinigungen im 19. Jahrhundert und führten Spott- und Scherzlidern, den Studentenliedern. Daneben entwickelten sich sogenannte Comments, die das Verhalten der Studenten bei Veranstaltungen regelten. Eine Spezialität war und ist der Bier-Comment[50].
Bekannte Beispiele von Trinkliedern sind Ergo Bibimus, Im Himmel gibt's kein Bier, Ein Prosit der Gemütlichkeit, Bier her, Bier her, oder ich fall um, The Barley Mow und Tourdion. Schlager, wie Es gibt kein Bier auf Hawaii von Paul Kuhn (1963), haben Bier zum Thema, sind jedoch keine Trinklieder.
Bier in Film und Fernsehen[Bearbeiten]
Bier-Werbung[Bearbeiten]
Eine der ältesten Anpreisungen für Bier in Deutschland galt im Jahr 1796 aus England importierten Produkten[51]. In England entstanden seinerzeit vielerorts im Zuge der industriellen Revolution Brauereien, die Bier sowohl in Quantität als auch in gleichbleibender Qualität produzieren konnten.
Ein wichtiger Platz für Bierwerbung ist die Gaststätte, der Pub, die Kneipe und das Restaurant. Hier ist Raum für Außenwerbung, meist mit dem Namen der werbenden Brauereien, für entsprechend gekennzeichnete Gläser und Bierdeckel. Während heute Neonreklame üblich ist, verwendeten Brauereien zwischen 1890 und 1960 meist Schilder aus Emaille mit entsprechender Aufschrift. Als Erfinder gilt Ludwig Stollwerck.[52]
Ein relativ neues Berufsbild im Bereich Bierwerbung ist der Bierbotschafter (die Bierbotschafterin). In einem Zertifikatslehrgang, z. B. bei IHK Koblenz in Verbindung mit Doemens, lernen Teilnehmer lernen sie alles, was sie brauchen, um Biergenuss zum Erlebnis zu machen, professionelle Verkostungen durchzuführen und dafür eine angemessene Atmosphäre zu schaffen[53].
Bier-Sponsoring[Bearbeiten]
Wie viele Unternehmen müssen Getränkehersteller und Brauereien öffentliches Interesse für ihre Produkte wecken und erhalten. Neben der Werbung ist das Sponsoring eine vielfältig angewandte Strategie, sich einem breiten Publikum in Erinnerung zu rufen. Brauereien sind insbesondere vertreten im Sponsoring von Mannschaftssportarten, wie Fußball, Eishockey, Handball und Basketball. Social Media verstärkt diese Öffentlichkeitsarbeit durch die allgemeine Verfügbarkeit von Bildern im öffentlichen Raum[54].
Bekannte Orte rund ums Bier[Bearbeiten]
Wirtshäuser, Gaststätten[Bearbeiten]
Wirtshäuser, Krüge, Kneipen waren und sind Orte des Austausches von Neuigkeiten und Meinungen über Ereignisse lokalen bis globalen Interesses (Stammtisch). Den Titel für Mitteleuropa nimmt der Stiftskeller des Klosters St. Peter in Salzburg (erstmals 803 urkundlich erwähnt) für sich in Anspruch.[55] Das Guinness-Buch der Rekorde führt die seit 1658 bestehende Gaststätte Röhrl in Eilsbrunn bei Regensburg als „ältestes durchgehend geöffnetes Gasthaus der Welt“.[56] Als „ältestes Gasthaus Deutschlands“ sehen sich auch die Traditionsgaststätten Zum Riesen in Miltenberg, Zum roten Bären in Freiburg im Breisgau und die Herberge zum Löwen in Seelbach-Schönberg.
Als Platz des Münchner Oktoberfests ist die Theresienwiese von besonderer Bedeutung.
Museen rund ums Bier[Bearbeiten]
- Liste von Brauereimuseen
- Bier- und Oktoberfestmuseum (München)
- Mohren Biererlebniswelt (Dornbirn, Vorarlberg)
Biertourismus[Bearbeiten]
Während sich der Weintourismus eine Nische im weltweiten Tourismusgeschäft erobern konnte, kommen die entsprechenden Bemühungen um einen Biertourismus nur langsam voran. Biertourismus umfasst alle touristischen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Getränk Bier[57]. Hauptnutznießer sind zunächst die lokalen Brauereien und Gaststätten. Auch Herbergen und Gasthöfe können vom wachsenden Biertourismus profitieren. Zu den Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Biertourismus gehören u. A.
- regionale und saisonale Angebote zur Bierverkostung
- Bierwanderwege
- Biertouren
- öffentliche Veranstaltungen von Biersommeliers und Bierbotschaftern
- Bierfeste
- Brauereiführungen
In Deutschland kann die Gegend der Fränkischen Schweiz als bedeutende Brauregion mit vielen kleinen Privatbrauereien[58] bezeichnet werden. Auch internationaler Tourismus kann durch das Kulturgut Bier befördert werden, wie Jeff Alworth in seiner Übersicht zu touristisch interessanten Regionen in Deutschland bestätigt[59]. Das Netz der Bierwanderwege umfasst für die Fränkische Schweiz allein (ohne das Bamberger Land) 10 Touren, die zu Fuß oder per Rad erkundet werden können.
In vielen Staaten sind seit den 1990er Jahren viele Mikrobrauereien entstanden, die sich um Besucher bemühen, um die von ihnen gewählten Brauprozesse und das daraus resultierende Bier vorzustellen[60]. Diese kleinen Brauereien sprechen vornehmlich Besucher an, die sich für die regionale Kultur interessieren.
Feste und Veranstaltungen rund ums Bier[Bearbeiten]
Jedes Jahr am ersten Freitag im August wird weltweit der Internationale Tag des Bieres gefeiert, während in Deutschland der Tag des Bieres am 23. April begangen wird, dem Tag, an dem die Bayerische Landesordnung im Jahr 1516 erlassen wurde.
Das bekannteste Fest rund ums Bier ist das Oktoberfest in München, das seit 1810 jährlich Mitte September bis Anfang Oktober auf der Theresienwiese stattfindet. Das Fest führt in normalen Zeiten zu Milliardenumsätzen in Euro[61][62].
Das Münchner Oktoberfest wird weltweit vielfach kopiert. So werden ähnliche Veranstaltungen zum Beispiel in Qingdao (China), in Kitchener (Kanada), Japan, in Blumenau (Brasilien) und Cincinnati (USA) veranstaltet.
Im deutschsprachigen ist das Cannstatter Volksfest in Stuttgart das zweitgrößte Volksfest rund ums Bier.
Weltweit sind weit mehr als 1000 Bierfeste registriert[63], die jährlich in verschiedenen Ländern begangen werden. Von Alaska[64] bis Japan[65], von Dänemark[66] bis Südafrika[67] kommen Besucher zusammen, um zu fachsimpeln oder einfach neue Brauereierzeugnisse zu genießen.
Natürlich wird Bier auch auf kleineren privaten Veranstaltungen und Partys genossen. Oft besorgt man sich hierfür sogenannte Partyfässchen, also Großdosen (meist mit einem Volumen von 5 Litern), um den Bedarf zu decken.
Bier und die Esskultur[Bearbeiten]
Viele Esswaren und Gerichte können mit der Zutat Bier zubereitet werden. Die klassische Biersuppe der deutschen Küche, Bierbrot, Bierwurst, die Bierkugel, das böhmische Bierfleisch mit einer Biersoße und der Bierkäse (u. A. aus Österreich der Pinzgauer Bierkäse) sind klassische Beispiele.
In der modernen Küche gibt es Biergelee (Gelierzucker: Bier = 1: 0,75), Bierkuchen (Bier statt Milch oder Wasser), Bierteig für verschiedene Inhalte, wie Champignons, Backfisch und Äpfel.
Bier und Gesundheit[Bearbeiten]
Die Einnahme von Alkohol und Kohlensäure verbunden mit dem niedrigen pH-Wert führt zu einem niedrigeren Infektionsrisiko[68]. Auch das Vorhandensein essenzieller Vitamine und Spurenelemente führte dazu, dass lange Zeit Schiffsbesatzungen Bier konsumierten, wenn Wasservorräte ungenießbar und nicht schnell aufgefüllt wurden.
Diätbiere sind kohlehydratfreie Biere, die für Diabetiker geiggnet sind und nicht mehr Alkohol als vergleichbare Biere enthalten dürfen.
Um den tatsächlich vorhandenen oder vermeintlichen Gefahren des Biertrinkens (und damit des Alkoholkonsums) für Körper und Seele zu begegnen, bildeten sich in vielen Ländern Abstinenzvereine, so z. B. in Schweden, was mancherorts zu einem regionalen oder nationalen Alkoholverbot führte, siehe Prohibition in den Vereinigten Staaten. Im Deutschen Reich bildete sich die Deutsche Brauer-Union als Gegenbewegung zu den Abstinenzvereinen, um die wirtschaftliche Grundlage der Brauereien und Schankwirte zu erhalten.
Vereine und Vereinigungen[Bearbeiten]
Brauereien organisieren sich weltweit in vielen Vereinen und Vereinigungen. Einige Beispiele:
- Deutscher Brauer-Bund, mit Regionalverbänden Bayerischer Brauerbund
- Die Freien Brauer
- Verband Private Brauereien
- Deutscher Hopfenwirtschaftsverband
- Verband der Brauereien Österreichs
- Schweizer Brauerei-Verband
- Brewers of Europe
- European Beer Consumers' Union (Deutschland ist seit 2019 Mitglied)
- Brewers Association (USA)
- Society of Independent Brewers (USA)
- Independent Family Brewers of Britain
- British Beer and Pub Association
Museen[Bearbeiten]
Siehe auch Liste von Brauereimuseen und Liste von Hopfenmuseen
Museen, die sich ganz oder teilweise dem Brauen von Bier oder dessen Brauzutaten widmen, gibt es in vielen Ländern Europas. In Deutschland gilt das seit 1952 existente Deutsche Brauereimuseum in München als das bekannteste seiner Art. Daneben gibt es in der Stadt seit 2005 auch das Bier- und Oktoberfestmuseum, das sich insbesondere um die Geschichte kümmert. In Kulmbach gibt es seit 1994 ein Bayerisches Brauereimuseum, das neben der Geschichte des Bierbrauens auch die Entwicklung der Bierwerbung und Brauerei-Architektur anschaulich macht.
In Japan gibt es seit 1987 das Sapporo Beer Museum, das in den Gebäuden einer alten Zuckerfabrik die Geschichte des lokalen Brauwesens in Hokkaido und deren Akteure präsentiert.
Siehe auch[Bearbeiten]
Literatur[Bearbeiten]
- Jeff Alworth: The Beer Bible. New York: Workman Publishing 2021. ISBN 9781523515318.
- Robert I. Curtis: Ancient Food Technology. (Technology and change in history; Vol. 5). Leiden: Brill 2001. ISBN 978-90-04-09681-3.
- Hans Enss: Die Anfänge der Bier-Zeise unter dem deutschen Orden: Ein Beitrag zur preussischen Accise. Königsberg: Kümmel 1908.
- Pat Fahey: Building a Sensory Program: A Brewer's Guide to beer evaluation. Boulder, CO: Brewers Publications 2021. ISBN 978-1-938469-67-1
- Klaus Maack, Jakob Haves, Katrin Schmid, Stefan Stracke: Entwicklung und Zukunft der Brauwirtschaft in Deutschland (= Edition Hans-Böckler-Stiftung. Band 260). Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf 2011, ISBN 978-3-86593-155-9.
- Franz Meußdoerffer, Martin Zarnkow: Das Bier: Eine Geschichte von Hopfen und Malz. (= Beck Wissen). München: C. H. Beck 2014. ISBN 978-3-406-66667-4.
- Walther Sallaberger: Das Gilgamesch-Epos: Mythos, Werk und Tradition. (= Beck Wissen). München: C. H. Beck 2008. ISBN 978-3-406-56243-3.
- Günther Thömmes: Der Bierzauberer. 2. Auflage. Gmeiner, 2008, ISBN 978-3-89977-746-8 (Historischer Roman, in dem es um die Entstehung des Brauersterns geht).
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ Der Kulturbegriff
- ↑ Meußdoerffer und Zarnkow, S. 7ff.
- ↑ Meacham: Chesapeake, S. 135f.
- ↑ Michael Combrune: Theorie und Praxis des Bierbrauens. Leipzig: Rabenhorst 1796
- ↑ Keferloher Maßkrug
- ↑ Digitale Sammlung von Bierkrügen
- ↑ Bilderstrecke Bierkrugsammlung
- ↑ Bierkrugmuseum in Hainberg
- ↑ Absatz Dosenbier in Deutschland
- ↑ Meußdoerffer und Zarnkow, S. 23
- ↑ Meußdoerffer und Zarnkow, S. 30
- ↑ Curtis, S. 106
- ↑ Curtis, S. 294
- ↑ Curtis, S. 371
- ↑ Meußdoerffer und Zarnkow, S. 65
- ↑ Meußdoerffer und Zarnkow, S. 71
- ↑ Fastenbier
- ↑ Meußdoerffer und Zarnkow, S. 68
- ↑ Meußdoerffer und Zarnkow, S. 96
- ↑ Meußdoerffer und Zarnkow, S. 94
- ↑ Meußdoerffer und Zarnkow, S. 100
- ↑ Peter Clark: The English Alehouse: A Social History 1200–1830 New York: Longman 1983. S. 112
- ↑ Meußdoerffer und Zarnkow, S. 99
- ↑ Bierausstoß weltweit zwischen 1995 und 2020
- ↑ Bierkonsum weltweit (2018-2019)
- ↑ Maack, S. 111
- ↑ Maack, S. 112
- ↑ Sektbier
- ↑ Maack, S. 113
- ↑ Kneipen können wieder den Innenraum nutzen
- ↑ Maack, 115f.
- ↑ Maack, S. 114
- ↑ Ranking der Biersorten
- ↑ Maack, S. 116
- ↑ Zahlen zur dt. Brauwirtschaft
- ↑ Das „Reinheitsgebot“: Die reine Wahrheit - besser Bier brauen. Archiviert vom Original am 5. Mai 2008. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Abgerufen am 9. April 2022.
- ↑ Enss, Bierzeise
- ↑ Meußdoerffer und Zarnkow, S. 105
- ↑ Meußdoerffer und Zarnkow, S. 101
- ↑ Meußdoerffer und Zarnkow, S. 112
- ↑ Zahlen zur dt. Brauwirtschaft
- ↑ Sendung der Serie Genial daneben vom 10. September 2004
- ↑ DEA und Hanfverbot (USA). www.cannabislegal.de. Abgerufen am 29. Oktober 2009.
- ↑ Nockherberg-Gaststätte erhält Entschädigung
Augustiner-Wirt erhält Entschädigung - ↑ Fahey, S. 21
- ↑ Kommerzielle Seite zur Bierfarbkarte
- ↑ Fahey, S. 21–24
- ↑ Fahey, S. 32–33
- ↑ Curtis, S. 371
- ↑ A. Gerlach: Allgemeiner deutscher Bier-Komment. (= Reclams Universal-Bibliothek; 4041). Leipzig: Eclam 1900
- ↑ Meußdoerffer und Zarnkow, S. 126
- ↑ Emaille-Reklameschilder
- ↑ https://bierbotschafter-ihk.info/bierbotschafter.html
- ↑ https://www.markenartikel-magazin.de/_rubric/detail.php?rubric=2&nr=38449
- ↑ Internetpräsenz des Stiftskellers St. Peter: Geschichte. (Memento vom 21. August 2013 im Internet Archive)
- ↑ Wochenblatt Regensburg, Stand 17. November 2010.
- ↑ Biertourismus in Deutschland
- ↑ Biertourismus in Deutschland
- ↑ Alworth, S. 944–947
- ↑ Alworth, S. 939ff.
- ↑ Oktoberfest in der Münchner Abendzeitung
- ↑ Brigitte Veiz: Das Oktoberfest, Masse, Rausch und Ritual. Sozialpsychologische Betrachtungen eines Phänomens Psychosozial-Verlag, Gießen 2006, ISBN 3-89806-484-0 (Zugleich Diplomarbeit Ludwig-Maximilians-Universität München 2001)
- ↑ Garrett Oliver (Hrsg.): The Oxford Companion to Beer. New York: Oxford University Press 2011. ISBN 978-0-19-536713-3, S. 1827
- ↑ Alaska Craft Brew and Barleywine Festival
- ↑ https://www.eventseye.com/fairs/f-great-japan-beer-festival-tokyo-17227-1.html
- ↑ https://www.cphbw.dk/en/
- ↑ Südafrikanische Bierfeste online
- ↑ Meußdoerffer und Zarnkow, S. 7
Weblinks[Bearbeiten]
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