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Cinderella-Komplex

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Das Eponym Cinderella-Komplex (Aschenputtel-Komplex[1]) bezeichnet die Angst einiger Frauen vor der Unabhängigkeit[2] und eine Tendenz, sich im Sinne einer Paarbeziehung zu identifizieren, was eine versteckte Angst vor Unabhängigkeit beinhalten kann und abzugrenzen ist vom Cinderella-Syndrom.[3]

Hintergrund[Bearbeiten]

Seit den 1970er Jahren stellen viele feministische und postmoderne Autorinnen die passiven Mädchen in Frage,[4] die wie im gleichnamigen Märchen auf ihren Prinzen warten,[5] der sie heiratet. Der Fokus der Frauenbewegung richtete sich im letzten Jahrzehnt verstärkt auf das Feminine in den Märchen, und sozio-psychologische Begriffe wie der „Cinderella-Komplex“ oder das „Dornröschen-Syndrom“ hielten Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch und für Frauenrollen aus Grimms Märchen.[6][7] Beide Termini beschreiben Single-Frauen, die auf den Märchenprinzen warten, der ihr Leben grundlegend verändert.[8]

Der Begriff „Cinderella-Komplex“ steht mittlerweile für eine leidende Frau, die ihr Schicksal nicht selbst bestimmen kann.[9]

Marian L. Wilsons (von der University of Connecticut) Befragung im Jahr 1976 von 225 Studentinnen, die planten, Ehe und Karriere zu verbinden, ergab, dass sie keinen Konflikt zwischen Familie und Karriere erwarteten.[10][11] Wilson hielt in ihrem Artikel „College Women and the Cinderella Complex“ diese Einstellung für naiv und erklärte, dass sowohl Männer als auch Frauen sich der Auswirkungen bewusst sein müssen, eine zweite Karrieren neben ihren Ehe- und Familienpflichten zu haben.[10][11]m

2002 schrieb Lutz Röhrich in seinem Buch und weil sie nicht gestorben sind... : Anthropologie, Kulturgeschichte und Deutung von Märchen, dass Märchen real wie bildhaft darstellen, wie Frauen unterdrückt wurden und wie sie sich unterdrücken ließen. Röhrich betont, dass sicherlich nicht die Märchen die Schuld an der Unselbständigkeit von Frauen trugen, aber durchaus ein Spiegelbild einer patriarchalischen Gesellschaft sind und zeigen, wie Frauen sich anzupassen hatten. Röhrich schrieb: „Amerikanische Autoren haben dies geradezu als „Cinderella - Komplex“ bezeichnet, so Colette Dowling in ihrem Erfolgsbuch von 1981.“[12] Dowlings Buch „The Cinderella Complex: Women's Hidden Fear of Independence“ hat nicht allein das Märchen angeprangert, sondern vielmehr angedeutet, wie sich die psychologischen und sozialen Einstellungen von Frauen in den Märchen widerspiegeln.[13]

Suzanna Danuta Walters (Chefredakteurin bei Signs (Zeitschrift)) stellt fest, dass „Cinderella-Komplex“ eines der Schlagworte ist, mit dem man eine krisengeschüttelte weibliche Identität, eine Subjektivität auf Kriegsfuß mit ihrer eigenen Geschichte, eine beraubte Frau darstellen will.[14] Walters konstatiert, dass der allgemeinen Auffassung zufolge, heutige Frauen in den Fesseln stecken, die ihnen ihre Vormütter unwissentlich auferlegt haben, und durch den Verzicht auf die traditionellen Rolle als Mutter, sei die Frau von heute eine verlorene Seele, und eine Karrierefrau, die den Kontakt zu dem wesentlichen Teil ihrer Weiblichkeit verloren: der Mutterschaft.[14]

Stefanie Ernst ist der Meinung, dass sich im Begriff „Cinderella-Komplex“ eine der Antwortmöglichkeiten eines bedeutenden populärwissenschaftlichen feministischen Literaturmarktes verbirgt, mit dem die prekäre und komplexe Frage des Umgangs mit der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zu vereinfachen und handhabbar gemacht wird.[15]

Begriff und Namensherkunft[Bearbeiten]

Dieser Komplex wurde nach dem Märchencharakter Cinderella benannt (der englischen Entsprechung für Aschenputtel), bekannt unter anderem durch den Walt Disney-Zeichentrickfilm Cinderella aus dem Jahr 1950.

Fritz Kahn, deutscher Arzt und populärwissenschaftlicher Autor, beschrieb 1957 verschiedene Komplexe, darunter den Aschenbrödel-Komplex: wenn ein Mädchen "seine absurde Befriedigung darin findet, möglichst untergeordnete Arbeit zu tun und zu Hause zu sitzen, während die andern tanzen gehen."[16]

In einer Studie ließ Matina Horner in den 1960er-Jahren amerikanische Studenten eine projektive Ergänzungsgeschichte schreiben, wobei die Männern über John als besten Medizinstudenten seines Jahrgangs schreiben mussten, bei den Studentinnen ging es um Anne.[17] Bei der Studie stellte sich heraus, dass die Studenten sich begeistert mit einer möglichen glänzenden Karriere beschäftigten, den beruflichen Erfolg von John grundsätzlich positiv bewerteten und überzeugt waren, dieser würde seine Chancen bei Frauen verbessern.[17] Die Frauen – vor allem die weißen Frauen aus der Mittel- und Oberschicht – befürchteten, Annes beruflicher Erfolg verhindere ein glückliches „Frauenleben“, vor allem eine Beziehung zu einem Mann, und rieten ihr deshalb zur Mäßigung.[17] Eine Replikationsstudie zeigte, dass sich dies auch nicht durch die Frauenbefreiungsbewegung änderte, sondern der Anteil der weißen Frauen mit „Furcht vor Erfolg“ stieg von 65% im Jahr 1964 auf 88% im Jahr 1972.[17] Der Merkur berichtete 1984, dass viele amerikanische Frauen ihre Jobs ebenso hoch wie ihre Familie bewerteten, Arbeit und Unabhängigkeit fordern; sie hätten während der Reagan-Regierung den "Aschenbrödel- Komplex" der 1970er überwunden, als noch die Hälfte der Frauen eine Mutterschaft als höchste Befriedigung bewerteten, und 1983 waren es nur noch 26 Prozent.[18]

Feministinnen begannen Zweifel zu äußern gegen „angeborene Verhaltensmuster“, wie sie in Märchen wiedergegeben werden, so auch die in der Figur des Aschenputtel verkörperten weitverbreiteten Vorstellungen von der idealen Frau (die schön und geduldig ist). Für die USA stellte die Folkloristin Kay Stone durch Befragungen (1975, 1985) sowohl bei Frauen als auch Männern einen weit über die Kindheit hinausreichenden Einfluss fest. Kay Stone wandte 1975 in ihrem Buch „Things Walt Disney Never Told Us“ ein, dass Märchen mit passiven Heldinnen wie Cinderella für Frauen nicht problemlösend, sondern problemschaffend seien.[19]

Die amerikanische Publizistin Colette Dowling (die 1984 ausführlich über Horners Befunde berichtete), gab 1981 dem „Phänomen“ einen neuen Namen in ihrem Buch „Der Cinderella-Komplex: Die heimliche Angst der Frauen vor". [17] Dowling definierte den „Cinderella-complex“ als persönliche und psychologische Abhängigkeit, bestehend aus einem Geflecht weitgehend unterdrückter Einstellungen und Ängste, das Frauen davon abhält, ihren Verstand und ihre Kreativität voll auszuschöpfen.[20][21] Der Autorin geht es um die Analyse der modernen Frau, deren Cinderella-Komplex es zu überwinden gilt, was ein Grundproblem vieler Frauen der heutigen Zeit darstelle.[22] Frauen mit dem Aschenputtel-Komplex und der Angst, unabhängig zu sein, haben den unbewussten Wunsch, von anderen umsorgt zu werden.[23][24] Arlie Russell Hochschild kommentiert Dowlings Warnung an die verallgemeinerten heutigen Cinderellas, dass Dowlings Angst, von einer anderen Person abhängig zu sein, an den amerikanischen Cowboy erinnert, der einsam mit seinen Pferden lebt.[25]

Isaiah Berlin benutzte 1968 auch den Begriff Cinderella complex, jedoch um zu verdeutlichen, dass es analytische Modelle zur Erfassung von Populismus gebe, die von der Realität abweichenden Idealtypen anhingen.[26] Aus diesem Grund prägte Berlin den Fachbegriff Aschenputtelkomplex („Cinderella complex“): Jede von einer Theorie ausgearbeitete Definition – und damit die des Populismus – ist vergleichbar mit dem Schuh des Aschenputtels: An sich perfekt, kann kein Fuß gefunden werden, der genau zu ihm passt.[27] Das von Isaiah Berlin beschriebene Phänomen konnte rund um den Brexit, um die Wahlen von US-Präsident Donald Trump, von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro und vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj und um andere Ereignisse beobachtet werden.[28]

Rezeption[Bearbeiten]

Charles Dickens männliche Romanfigur Pip aus Große Erwartungen (Roman) weist den Cinderella-Komplex auf - diese Cinderella-Parodierung lässt Pip als Inbegriff eines nationalen Versagens (Englands) wirken.[29][30]

1955 nutzte Agatha Christie in ihrem Kriminalroman Die Kleptomanin einen Cinderella-Komplex für die Figur der Celia Austin, den Colin McNabb, ein Student der Psychologie, diagnostiziert.[31] 1960 veröffentlichte Osbert Sitwell die Komödie The Cinderella Complex. Die Hauptfigur zeigt sich als zwanghafte Märtyrerin, die am liebsten die ganze Welt zum Weinen bringen würde und zum Sagen „arme Cinderella“, während sie selbst ihrer Familie das Leben schwermacht, denn ihre Stiefmutter kauft ihr für den Ball ein Kleid nach Pariser Mode und ihre Stiefschwestern planen für sie ein schönes Date. In dieser witzigen Show leidet Cinderella gerne.[32]

Literatur[Bearbeiten]

  • Colette Dowling: Der Cinderella-Komplex: Die heimliche Angst der Frauen vor der Unabhängigkeit (Originaltitel: The Cinderella Complex: Women's Hidden Fear of Independence. Simon & Schuster, 1990, ISBN 0-671-73334-6, übersetzt von Manfred Ohl und Hans Sartorius). Fischer-Taschenbuch, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-596-23068-3.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Andreas Marneros: Enzyklopädie der Eponymen Syndrome und Begriffe in Psychiatrie und Klinischer Psychologie: Von Achilles-Komplex über Othello-Syndrom bis Zooanthropie. Springer-Verlag, 2019, ISBN 978-3-662-58624-2, S. 33, 60.
  2. Burkhard Voß: Kleines Lexikon psychologischer Irrtümer: Von Abhängigkeit bis Zwangsneurose. Gütersloher Verlagshaus, 2012, ISBN 978-3-641-07385-5 (google.de [abgerufen am 8. Januar 2024]).
  3. Ray Corsini: The Dictionary of Psychology. Routledge, 2016, ISBN 978-1-317-70570-3, S. 166.
  4. Jack Zipes: The Oxford Companion to Fairy Tales. Oxford University Press, 2015, ISBN 978-0-19-968982-8, S. 113.
  5. Max Laier, Maria Bruckmann: Über Psychosyndrome in Film & Literatur. Robugen Arzneimittel, Esslingen ohne Jahr, S. 105.
  6. Lutz Röhrich: Fairy Tales and Society: Illusion, Allusion, and Paradigm. Hrsg.: Ruth B. Bottigheimer. University of Pennsylvania Press, 2014, ISBN 978-0-8122-0150-5, S. 4,5.
  7. Walter Kahn, Diether Röth: Märchen und Märchenforschung in Europa: ein Handbuch. Haag + Herchen, 1993, ISBN 978-3-86137-057-4, S. 10.
  8. Elke Feustel: Rätselprinzessinnen und schlafende Schönheiten: Typologie und Funktionen der weiblichen Figuren in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. In: Germanistische Texte und Studien. Band 72. Olms-Weidmann, 2004, ISBN 978-3-487-12697-5, S. 330.
  9. Jack Zipes: The Oxford Companion to Fairy Tales. Oxford University Press, 2015, ISBN 978-0-19-968982-8, S. 113.
  10. 10,0 10,1 Marian L. Wilson: College Women and the Cinderella Complex. In: Educational Horizons. PDK International Incorporated, 1976, S. 137 - 139.
  11. 11,0 11,1 Resources in Women's Educational Equity. U.S. Department of Health, Education, and Welfare, Office of Education, 1979, S. 189.
  12. Lutz Röhrich: "und weil sie nicht gestorben sind... : Anthropologie, Kulturgeschichte und Deutung von Märchen. Böhlau, 2002, ISBN 978-3-412-11201-1, S. 119.
  13. Donald Haase: Feminist Fairy-Tale Scholarship. In: Donald Haase (Hrsg.): Fairy Tales and Feminism: New Approaches. Wayne State University Press, 2004, ISBN 978-0-8143-3030-2, S. 7.
  14. 14,0 14,1 Suzanna Danuta Walters: Lives Together/Worlds Apart: Mothers and Daughters in Popular Culture. University of California Press, 2023, ISBN 978-0-520-91503-9, S. 9.
  15. Stefanie Ernst: Geschlechterverhältnisse und Führungspositionen: Eine figurationssoziologische Analyse der Stereotypenkonstruktion. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-322-86658-5, S. 13.
  16. Fritz Kahn: Einige andere Komplexe. In: Muss Liebe blind sein?: Schule des Liebes- und Eheglücks. 1000 Antworten auf 1000 Fragen. Müller, 1957, S. 103.
  17. 17,0 17,1 17,2 17,3 17,4 Gertraude Krell: "Geschlecht", "Führung", "Karriere" und deren Verschränkungen als diskursive Fabrikationen. In: Karin Reichel (Hrsg.): Geschlecht macht Karriere in Organisationen: Analysen zur Chancengleichheit in Fach- und Führungspositionen. edition sigma, 2012, ISBN 978-3-8360-3583-5, S. 27.
  18. Wolf Zuelzer: Die gegnerischen Lager. Hrsg.: Merkur. Band 38. E. Klett Verlag, 1984, S. 312.
  19. Ines Köhler-Zülch, Christine Shojaei Kawan: Schneewittchen hat viele Schwestern: Frauengestalten in europäischen Märchen ; Beispiele und Kommentare. Gütersloher Verlag-Haus Mohn, 1988, ISBN 978-3-579-00492-1, S. 30–36.
  20. Routledge Library Editions: Women and Politics: 9 Volume Set. Taylor & Francis, 2021, ISBN 978-0-429-67718-2, S. 153.
  21. Lynne B. Welch: Women in Higher Education: Changes and Challenges. Bloomsbury Academic, 1990, ISBN 978-0-275-93208-4, S. 188.
  22. Yizhak Ahren: Bemerkungen zum Cinderella-Komplex. In: Zwischenschritte, Beiträge zur morphologischen Psychologie. 1983, abgerufen am 8. Januar 2024 (deutsch).
  23. Thomas Lathrop Stedman: Stedman's Medical Eponyms. Lippincott Williams & Wilkins, 2005, ISBN 0-7817-5443-7, S. 140.
  24. Zygmunt Bauman: Leben als Konsum. Hamburger Edition HIS, 2017, ISBN 978-3-86854-917-1, S. 68 (Originaltitel: Consuming Life. 2007.).
  25. Arlie Russell Hochschild: The Commercialization of Intimate Life: Notes from Home and Work. University of California Press, 2003, ISBN 978-0-520-21488-0, S. 21.
  26. Antonio Maria Baggio, Maria-Gabriella Baldarelli, Samuel O. Idowu: Populism and Accountability: Interdisciplinary Researches on Active Citizenship. Springer, 2023, ISBN 978-3-03120032-8, S. 297.
  27. Christoph Schiebel: Rechtspopulistische Verschwörungstheorien in demokratischen Verfassungsstaaten: Eine vergleichende Analyse der Alternative für Deutschland, der Schweizerischen Volkspartei, der Freiheitlichen Partei Österreichs und des Front National. Wochenschau Verlag, 2022, ISBN 978-3-7566-1535-3, S. 43.
  28. Christoph Kohl, Barbara Christophe, Heike Liebau, Achim Saupe: The Politics of Authenticity and Populist Discourses: Media and Education in Brazil, India and Ukraine. Springer Nature, 2021, ISBN 978-3-03055474-3, S. 31, 48 (google.de [abgerufen am 8. Januar 2024]).
  29. Jerome Meckier: Dickens's Great Expectations: Misnar's Pavilion versus Cinderella. University Press of Kentucky, 2021, ISBN 978-0-8131-8528-6 (E-Book).
  30. Cynthia Manson: The Fairy-tale Literature of Charles Dickens, Christina Rossetti, and George MacDonald: Antidotes to the Victorian Spiritual Crisis. Edwin Mellen Press, 2008, ISBN 978-0-7734-5102-5, S. 44, 55.
  31. James Zemboy: The Detective Novels of Agatha Christie: A Reader's Guide. McFarland, 2016, ISBN 978-1-4766-6595-5, S. 325.
  32. Dramatic Publishing Company Chicago: Plays & Musicals: Catalog. Dramatic Publishing Company, 1984, S. 75.


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