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Elvira Niesner

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Elvira Niesner in Frankfurt am Main, 2020

Elvira Niesner (* 1961 in Amorbach, Unterfranken[1][2]) ist eine deutsche Soziologin und Frauenrechtlerin mit den Themenschwerpunkten Zwangsprostitution und Menschenhandel. Seit 2001 ist sie Geschäftsführerin des interkulturellen Beratungszentrums „Frauenrecht ist Menschenrecht e. V.“ (FIM) in Frankfurt am Main.[1]

Leben[Bearbeiten]

Elvira Niesner studierte ab 1980 Soziologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.[2] Während ihres Studiums bildeten sich zwei Interessenschwerpunkte heraus: die Frauenforschung sowie die Ausbeutung der damals sogenannten Drittweltländer (heute Länder des Globalen Südens). Da ihrer Auffassung nach das internationale Prostitutionsgewerbe ein besonders drastisches Beispiel für die globalen neokolonialen Machtverhältnisse ist, entschied sie sich, ihre Abschlussarbeit über Sextourismus und Prostitution auf den Philippinen zu schreiben, wofür sie 1985 drei Monate lang dort forschte.[3][4] Sie schloss ihr Studium mit Diplom ab.[1][3][5] Elvira Niesner lebt mit ihrem Partner in Frankfurt am Main. Sie haben eine Tochter.

Beruflicher Werdegang[Bearbeiten]

Gründung und Arbeit für die Agisra[Bearbeiten]

Im Jahr 1986, noch während ihres Studiums, war Elvira Niesner eine der Gründerinnen der Agisra (Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung e. V.) in Frankfurt am Main,[1][5] deren Vorsitz sie auch innehatte.[6] Dort war sie Mitautorin der 1990 veröffentlichten Agisra-Studie Frauenhandel und Prostitutionstourismus. Eine Bestandsaufnahme zu Prostitutionstourismus, Heiratsvermittlung und Menschenhandel mit ausländischen Mädchen und Frauen,[7][8] der ersten umfassenden Studie zu dieser Thematik in Deutschland.[1] Außerdem schrieb sie Beiträge für die wissenschaftliche Zeitschrift Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis über die Arbeit der Agisra gegen Sextourismus und Frauenhandel[3] und organisierte öffentlichkeitswirksame Protestaktionen gegen ebendiese Delikte, wie beispielsweise am Frankfurter Flughafen.[6]

Wissenschaftliche Arbeit am Frankfurter Institut für Frauenforschung[Bearbeiten]

Von 1990 bis 2001 arbeitete Elvira Niesner als Projektleiterin[2] am Frankfurter Institut für Frauenforschung zu den Schwerpunktthemen Heiratsmigration, Frauenhandel und Zwangsprostitution.[1] In diesem Zeitraum reiste sie zu Forschungszwecken unter anderem auf die Philippinen, nach Thailand und in die Dominikanische Republik.[2] 1997 veröffentlichte sie gemeinsam mit Estrella Anonuevo, Marta Aparicio und Petchara Sonsiengchai-Fenzl das Buch Ein Traum vom besseren Leben. Darin werden die Lebensbedingungen und Hintergründe von Frauen dargestellt, die sich zur Verbesserung ihrer materiellen Lebenssituation zur Migration entschließen und damit zur potentiellen Zielgruppe von kriminellen Handlungen gegen die sexuelle Selbstbestimmung werden.[1][9] Zu weiteren wichtigen Veröffentlichungen aus dieser Zeit zählen unter anderem eine Studie zu Strafverfolgung und Opferschutz im europäischen Kontext, gemeinsam mit Christina Jones-Pauly.[1][5] Diese im Rahmen der EU-Strategie gegen Menschenhandel „STOP“ (1996–2002) entstandene Studie zeigt am Beispiel typischer europäischer Herkunfts-, Transit- und Zielländer auf, inwieweit eine effektive Strafverfolgung innerhalb der rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen der EU möglich ist, und was zu beachten ist, um die Opfer des Menschenhandels in diesem Prozess nicht erneut zu viktimisieren.[10][11] Außerdem arbeitete Niesner gemeinsam mit Christa Oppenheimer an einer Studie zur Handlungsorientierung von Männern auf dem gewerblichen internationalen Heiratsmarkt.[12]

Geschäftsführung Frauenrecht ist Menschenrecht e. V.[Bearbeiten]

Parallel zu ihrer Arbeit am Frankfurter Institut für Frauenforschung bekleidete Elvira Niesner einen Vorstandsposten der Ökumenischen Asiengruppe Frankfurt.[12] Diese zunächst ehrenamtliche Initiative leistete Unterstützung für Frauen aus asiatischen Ländern (vor allem aus Thailand und von den Philippinen), die infolge des Sextourismus als sogenannte Heiratsmigrantinnen nach Deutschland kamen.

Im Zuge des Wachstums und der Professionalisierung des Vereins in den 1980er und 1990er Jahren weitete sich die Arbeit der Ökumenischen Asiengruppe auf neue Bereiche im Zusammenhang mit Migration und Gewalt gegen Frauen aus. 2001 wurde aus der Ökumenischen Asiengruppe schließlich der Verein Frauenrecht ist Menschenrecht (FIM e.V.),[13] dessen Geschäftsführerin Elvira Niesner seitdem ist.[1][14] Im Jahr 2004 dehnte FIM die Beratung außerdem auf Migrantinnen und ihre Familien aus Afrika und Lateinamerika aus. Jährlich finden dort inzwischen etwa 900 Menschen Rat und Hilfe.[13]

Themenschwerpunkte und politische Positionen[Bearbeiten]

Zwangsprostitution und Menschenhandel[Bearbeiten]

Zwangsprostitution und Menschenhandel gehören weiterhin zu Elvira Niesners Arbeitsschwerpunkten. Unter Niesners Leitung und in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Männerarbeit führte FIM im Jahr 2006 die bundesweite Kampagne „Stoppt Zwangsprostitution“ durch. Im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland befürchteten damals der DFB, politische Akteurinnen und gemeinnützige Organisationen, Zwangsprostitution könne deutlich zunehmen, um den erhöhten Bedarf an Prostituierten zu decken.[15][16][17] Die Kampagne richtete sich mit Flyern, Plakaten und Fernsehspots direkt an die potentiellen Freier, um sie für das Thema zu sensibilisieren und forderte sie dazu auf, sich in Verdachtsfällen an eine anonyme Hotline zu wenden.[18][19] Elvira Niesner wird regelmäßig als Expertin zu Prostitution im Allgemeinen,[20] speziell aber als Sachverständige für Zwangsprostitution und Menschenhandel zu Rate gezogen.[21][22][23][24][25][26] Im Mai 2014 sprach sie in einer Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Bundestag über die menschenrechtliche Situation von Zwangsprostituierten in Deutschland und Europa.[27][28] Dabei erläuterte sie, der Anstieg der Zwangsprostitution in Deutschland sei hauptsächlich auf die Armutsmigration innerhalb Europas infolge der EU-Osterweiterung 2007 zurückzuführen. Sie forderte, die Informationsangebote für die Frauen zu verbessern, um sie über ihre Rechte aufzuklären.[27][28][29]

In der 3sat-Sendung Scobel zum Thema Sexarbeit und Prostitution wurde Elvira Niesner als Expertin interviewt. Sie nahm Stellung zur jüngeren Entwicklung der Zwangsprostitution in Deutschland und wies auf die patriarchalischen Strukturen hinter dem Konzept Prostitution im Allgemeinen hin.[21] Auch gab sie ihre Einschätzung zur gestiegenen Straßenprostitution und Wohnungsprostitution speziell im Rhein-Main-Gebiet und in Frankfurt ab, wo Armutsprostitution ihren Angaben nach inzwischen weitgehend den Markt bestimmt. Sie unterstrich, dass Armuts- und Zwangsprostitution meist nicht klar voneinander abzugrenzen seien und forderte eine Verbesserung der Gesundheits- und Sozialberatungsangebote für Prostituierte.[26][30] Zur Flatrate-Prostitution äußerte sie sich kritisch.[31]

Prostituiertenschutzgesetz[Bearbeiten]

Im Zuge des am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen Prostituiertenschutzgesetzes übernahm FIM die Beratung von Prostituierten in Marburg und Gießen.[32][33] Elvira Niesner nahm im Rahmen der Debatte um das Gesetz und seine Auswirkungen in den unterschiedlichen Städten und Kommunen mehrfach öffentlich Stellung dazu: das Gesetz habe unter dem Strich durchaus einen positiven Effekt gehabt. Besonders profitierten Frauen ohne Krankenversicherung davon, da sie durch ihre Registrierung gemäß dem Prostituiertenschutzgesetz Zugang zu gesundheitlicher und sozialer Beratung und Versorgung bekämen. Die Qualität dieser Angebote, und damit die Auswirkung des Gesetzes, so Niesner, sei allerdings von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich. Sie hänge davon ab, ob der Kommune genügend Ressourcen für Aufklärungsarbeit durch Streetworkerinnen, eine muttersprachliche Beratung und eine Gesundheitsuntersuchung zur Verfügung stünden. Die prekärsten Gruppen wie beispielsweise Straßenprostituierte würden durch das Gesetz außerdem nicht erreicht, da die Gebühren für Registrierung, Sozial- und Gesundheitsberatung eine zu große Hürde für sie darstellten.[32][34][35]

Weibliche Genitalverstümmelung[Bearbeiten]

Die Auseinandersetzung mit dem Thema der weiblichen Genitalverstümmelung ist ein weiterer Arbeitsbereich von FIM; Elvira Niesner nahm zur Situation der davon betroffenen Frauen in Deutschland mehrfach öffentlich Stellung.[36][37] Sie setzt sich für einen kultursensiblen Umgang mit dem Thema ein, da neben den körperlichen Folgen besonders die psychologischen Aspekte zu berücksichtigen seien: Genitalverstümmelung sei in vielen afrikanischen Ländern wie beispielsweise Mali, Eritrea oder Somalia, ein bedeutsames kulturelles Initiationsritual, sodass es für die betroffenen Frauen herausfordernd sei, anzuerkennen, dass ihre eigene Tradition ihrem Körper geschadet hat. Es ist Niesner ein Anliegen, das Thema zu enttabuisieren und auch die Frauen in Deutschland zu schützen, die ebenfalls in Gefahr sind, verstümmelt zu werden, denn die Tradition werde auch von Einwanderinnen in Deutschland weitergetragen.[36]

„Ehrgewalt“[Bearbeiten]

Elvira Niesner ist im vom hessischen Sozialministerium geförderten Netzwerk „Hessen gegen Ehrgewalt“ aktiv. Das Netzwerk hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Betroffenen zu unterstützen, für die Thematik zu sensibilisieren und Präventionsarbeit zu leisten.[38][39][40] Davon betroffen seien nicht nur junge Frauen und Mädchen, sondern auch junge Männer, wenn sie homosexuell sind oder sich anderweitig von den Vorstellungen ihrer Familie lösen was die Partnerwahl angeht, so Niesner. Sie betont ferner, dass „Ehrenmord“ oder Zwangsheirat nur die Extremfälle des Phänomens seien.[38]

Veröffentlichungen[Bearbeiten]

  • Elvira Niesner, Christina Jones-Pauly: Frauenhandel in Europa: Strafverfolgung und Opferschutz im europäischen Vergleich = Trafficking in women in Europe : prosecution and victim protection in a European context. Kleine, Bielefeld 2001, ISBN 978-3-89370-337-1.
  • Elvira Niesner, Estrella Anonuevo, Marta Aparicio, Petchara Sonsiengchai-Fenzl: Ein Traum vom besseren Leben: Migrantinnenerfahrungen, soziale Unterstützung und neue Strategien gegen Frauenhandel, Leske + Budrich, Opladen 1997, ISBN 978-3-8100-1806-9
  • Prostitution auf den Philippinen, Express-Edition, Berlin 1988, ISBN 978-3-88548-751-7

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 Carina Angelina, Stefan Piasecki, Christiane Schurian-Bremecker (Hrsg.): Prostitution heute Befunde und Perspektiven aus Gesellschaftswissenschaften und sozialer Arbeit. Tectum Wissenschaftsverlag, ISBN 978-3-8288-6966-0, Autorinnen und Autoren, S. 220–221.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Zur Person. In: Frankfurter Neue Presse. 19. September 2011.
  3. 3,0 3,1 3,2 Autorinnen. In: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis. Band 23, 1988, S. 178.
  4. Elvira Niesner: Prostitution auf den Philippinen. Express Edition GmbH, Berlin, ISBN 978-3-88548-751-7, Vorwort, S. 9–10.
  5. 5,0 5,1 5,2 Ilse Lenz (Hrsg.): Die neue Frauenbewegung in Deutschland: Abschied vom kleinen Unterschied. 2. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, ISBN 978-3-531-17436-5, Biographische Angaben zu den Autorinnen, S. 1157.
  6. 6,0 6,1 Marion Scherpf: Gegen Geschäfte mit der „Ware Frau“. In: TAZ. Berlin 29. November 1988 (taz.de).
  7. Petra Ulrika Frank: Frauenhandel und Zwangsprostitution. Die nichtstaatliche Hilfe für betroffene Frauen in Deutschland. (uni-freiburg.de).
  8. Frauenhandel und Prostitutionstourismus: eine Bestandsaufnahme zu Prostitutionstourismus, Heiratsvermittlung und Menschenhandel mit ausländischen Mädchen und Frauen. Abgerufen am 31. August 2020.
  9. Elvira Niesner, Estrella Añonuevo, Marta Aparicio, Petchara Sonsiengchai-Fenzl: Ein Traum vom besseren Leben. Migrantinnenerfahrungen, soziale Unterstützung und neue Strategien gegen Frauenhandel. In: Ilse Lenz, Michiko Mae, Sigrid Metz-Göckel, Ursula Müller, Marlene Stein-Hilbers (Hrsg.): Geschlecht und Gesellschaft. Band 9. Leske + Budrich, Opladen, ISBN 978-3-322-95830-3.
  10. Prevention and fight against trafficking in human beings - A European Union strategy since 1996. Abgerufen am 31. August 2020.
  11. Sibylla Flügge: Elvira Niesner / Christina Jones-Pauly: Frauenhandel in Europa. Strafverfolgung und Opferschutz im europäischen Vergleich. In: Streit - Feministische Rechtszeitschrift. Band 3, 1. Januar 2001.
  12. 12,0 12,1 Ellen Frieben-Blum, Klaudia Jacobs, Brigitte Wießmeier (Hrsg.): Wer ist fremd?: Ethnische Herkunft, Familie und Gesellschaft. Leske + Budrich, Opladen, ISBN 978-3-8100-2566-1, Die Autoren und Herausgeberinnen, S. 276.
  13. 13,0 13,1 FIM - Wie alles begann. Abgerufen am 3. September 2020.
  14. Gießener Stadtanzeiger. Abgerufen am 3. September 2020.
  15. Fußball, Sex und Sklaverei. Abgerufen am 3. September 2020.
  16. Rote Karte für Zwangsprostitution. Abgerufen am 3. September 2020.
  17. Prostitution bei der WM. Abgerufen am 3. September 2020.
  18. Fußball, Sex und Sklaverei. Abgerufen am 3. September 2020.
  19. Rote Karte für Zwangsprostitution. Abgerufen am 3. September 2020.
  20. Evangelisches Frankfurt. Abgerufen am 3. September 2020.
  21. 21,0 21,1 Scobel Sex gegen Geld. Abgerufen am 3. September 2020.
  22. Eine gefangene Frau. Abgerufen am 3. September 2020.
  23. FU Rheingau Taunus. Abgerufen am 3. September 2020.
  24. Fuldas Freier profitieren EU Südosterweiterung. Abgerufen am 3. September 2020.
  25. Tatort Wegwerfmädchen. Abgerufen am 3. September 2020.
  26. 26,0 26,1 Frauen verkaufen Körper für immer weniger Geld. Abgerufen am 3. September 2020.
  27. 27,0 27,1 Anhörung Menschenrechtsausschuss des Bundestags. Abgerufen am 3. September 2020.
  28. 28,0 28,1 Stellungnahme Elvira Niesner. (PDF) Abgerufen am 3. September 2020.
  29. Ordunungspolitik statt Sozialpolitik. Abgerufen am 3. September 2020.
  30. Mehr Zuhälter am Straßenstrich. Abgerufen am 3. September 2020.
  31. Wirklichkeit viel schlimmer. Abgerufen am 3. September 2020.
  32. 32,0 32,1 Prostituierte lassen sich für Hurenpass registrieren. Abgerufen am 4. September 2020.
  33. Landkreis Gießen und FIM e. V. arbeiten zusammen. Abgerufen am 4. September 2020.
  34. Viele Prostituierte lassen sich registrieren. Abgerufen am 4. September 2020.
  35. Rotlicht: Stadt zieht positive Bilanz zum Prostituiertenschutzgesetz. Abgerufen am 4. September 2020.
  36. 36,0 36,1 Viel Leid durch Genitalverstümmelung. Abgerufen am 4. September 2020.
  37. EPN Kalender. Abgerufen am 4. September 2020.
  38. 38,0 38,1 Gegen Gewalt im Namen der Ehre. Abgerufen am 4. September 2020.
  39. Netzwerk gegen „Ehrgewalt“. (PDF) Abgerufen am 4. September 2020.
  40. Die Gefahr in der Familie. (PDF) Abgerufen am 4. September 2020.


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