Karl Nelke Spedition
Die Karl Nelke Spedition mit Sitz in Hannover, zuletzt in Laatzen, war eine international tätige und insbesondere auf die Industrie ausgerichtete Spedition für den Güterfern-, Übersee- und Luftfrachtverkehr. Das Unternehmen wurde von Karl Nelke nach 1945 gegründet und Ende des 20. Jahrhunderts von der Hellmann Worldwide Logistics mit Sitz in Lehrte übernommen.[1]
Geschichte[Bearbeiten]
In der frühen Nachkriegszeit übernahm Karl Nelke mit Genehmigung der britischen Militärbehörden in der Britischen Besatzungszone 1945 das Hannoversche Speditions- und Lagerhaus M. Neldel und gliederte das Unternehmen seiner eigenen Firma an.[2]
Als Lager dienten anfangs einige Überreste der zerbombten ehemaligen Kriegsschule am Waterlooplatz, wo später das Finanzamt Hannover-Mitte erbaut wurde. Der Fuhrpark bestand zunächst nur aus einem zuvor von der Wehrmacht genutzten Büssing 105 mit Allradantrieb, einem von den Briten ausgemusterten Bedford und einem von einem Pferd gezogenen offenen Fahrgestell. Die durch die Hochwasserkatastrophe 1946 angeschwemmten englischen Benzinkanister bildeten einen wichtigen Teil des Gründungskapitals. Ab dem 1. Januar 1948 firmierte das Unternehmen dann unter dem neuen Namen Nelke-Spedition.[3]
1950 siedelte die Firma auf das Gelände des ehemaligen Heeresverpflegungsamtes Am Nordring 1–2 über, wo eine zerbombte Lagerhalle mit selbst geputzten Ziegelsteinen notdürftig hergerichtet wurde. Von dort aus konnte Nelke einen ersten Linienverkehr nach Nürnberg und München anbieten.[3] Die Spedition mit eigenem, 10.000 qm umfassenden Lager mit Umschlagshallen in Rampenhöhe am Nordring und in der Möckernstraße 37 bot mit 36 Fachkräften Güterfern-, Übersee- und Luftfrachtverkehr, Export und Import sowie Lagerung an.[2]
Anfang der 1950er Jahre unterhielt Nelke Filialen in Bremen, München, Freilassing und Passau.[2] Das Unternehmen war unter anderem spezialisiert auf Transporte nach Israel[4] und stand deswegen 1953 auf einer Boykottliste der saudi-arabischen und der syrischen Regierung als Antwort auf die westdeutschen Wiedergutmachungslieferungen an Israel infolge des Luxemburger Abkommens.[5]
Ab 1954 leitete Nelkes Sohn und Mitinhaber Karl-Heinz Nelke als Geschäftsführer die Firma, die aus ihrer Namensabkürzung Nelke Spedition ihren Wahlspruch „mit NESPE von Haus zu Haus“ ableitete. Zum Erfolg des Unternehmens trug zudem die Filmproduktions-Firma Agir mit einem Plakat zu den Transportmitteln Nelkes bei.[2] Nach dem Ausscheiden der Gründerfamilie 1957 übernahm Günter Leonhardt das Unternehmen, für das er bis Anfang der 1960er Jahre mehr als 1000 „Verlader“ gewinnen konnte.[3]
Durch die Einführung der Elektronischen Datenverarbeitung (EDV) wurde der Terminverkehr optimiert; weitere Niederlassungen entstanden 1964 in Hameln, 1968 in Braunschweig, 1969 in Hildesheim und Celle 1970. Eine Agentur in Dorfmark vermittelte zusätzlich Aufträge für die bald auf 250 Mitarbeiter angewachsene Firma.[3] Später kamen Niederlassungen in Hilden und Düsseldorf hinzu sowie die Karl Nelke KG in Bremen.[6]
Von 1973 bis 1975 wurde die alte hannoversche Betriebsstätte mit derjenigen aus Altwarmbüchen sowie am Guisindeweg umgesiedelt auf ein anfangs 35.000qm großes Gelände in Laatzen mit eigenem Gleisanschluss nahe dem Messegelände Hannover. Etwa 400 „Brummis“ bewegten sich täglich am neuen Betriebsgelände an der Ulmer Straße mit seinen rund 7.000qm Hallenfläche sowie 40 Wechselbrücken und Großraumeinheiten an den Versandrampen. Allein in der Region Hannover erhielten rund 800 Kunden täglich ihre Waren. Am Stückgut-Terminal fertigten bis zu 80 LKW gleichzeitig an zwei Gleisen täglich mehr als 100 Güterzuge ab in Richtung der 37 Verteilstationen im Bundesgebiet und in alle Wirtschafts- und Handelszentren Westeuropas. Nelkes LKW-Flotten legten Mitte der 1980er Jahre in Europa täglich rund 80.000 km zurück. Die See- und Luftfracht-Abteilung organisierte den Weitertransport nach Übersee. Für Gefahrgut wurden Mitarbeiter kontinuierlich geschult; diesbezüglich durchliefen auch Beamte der Polizei-Schule Wennigsen einen Teil ihrer praxisbezogenen Ausbildung im Hause Nelke.[3]
1983 erarbeitete Nelke in Zusammenarbeit mit der Interessengemeinschaft der Spediteure ein Konzept zur Datenfernübertragung (DFÜ) für den Sammelverkehr. Neben Telebox und Deutsche Mailbox für den frühen E-Mail-Austausch kamen Datex-Anbindungen für Telex und Bildschirmtext zum Einsatz; über das Transpotel-Netz kommunizierte Nelke europaweit mit rund 5000 Beteiligten und Kooperationspartnern. Mit bald mehr als 350 Mitarbeitern konnte die Laatzener Firma einen bundesweiten Übernacht-Verkehr und einen 24-Stunden-Service für sämtliche Sendungen anbieten.[3]
1985 erwarb das Unternehmen, in dem zeitweilig bis zu 14 Lehrlinge gleichzeitig ausgebildet wurden, von der Grundig AG ein bis zur Karlsruher Straße nördlich angrenzendes Industriegrundstück mit weiteren 50.000 qm. Dort wurde 1986 ein Verkehrshof für Nelkes Mercedes-Benz-Flotte eingerichtet sowie eine Paketumschlag-Anlage für die befreundeten Unternehmen Gebr. Hellmann und Nordpaket. Zeitgleich wurden die Pläne für ein „futuristisches, neues Distribution-Center“ erarbeitet.[3]
Nachdem Anfang der 1990er Jahre die Karl Nelke Spedition GmbH & Co. KG unter einem weiteren Sitz in der Europastraße 1 in Lehrte firmierte,[7] übernahm Mitte des Jahrzehnts das spätere Transport- und Logistikunternehmen Hellmann Worldwide Logistics die Firma Nelke.[8] 1999 wurde die in Laatzen ansässige Karl Nelke Spedition im Amtsgericht Hannover im Handelsregister unter der Nummer HRA 23614 gelöscht.[9]
Nelke-Museum[Bearbeiten]
In der eigenen KFZ-Werkstatt restaurierte die Karl Nelke Spedition ausgediente Oldtimer, die zunächst im Nelke-Museum verwahrt wurden. Dazu zählten eine B&V-Tankstelle mit Handpumpe von 1926, ein 2 PS-starker Pferdewagen mit 0,7t Nutzlast von 1938, ein Büssing NAG Baujahr 1942, ein Hanomag D 57 Baujahr 1958 und ein Daimler-Benz L 311 Baujahr 1960. Zudem barg Günter Leonhardt im Sommer 1986 gemeinsam mit dem Direktor des Luftfahrt-Bundesamtes Karl Kössler, Oberst Walter Holinka vom Lufttransportgeschwader 62 und anderen vier im Jahr 1940 im Hartvigvannsee bei Narvik in Norwegen versunkene Flugzeuge des Typs JU 52.[3]
In den „[...] alten Hallen der Spedition Nelke“[10] eröffnete Günter Leonhardt 1992 mit ausdrücklichen Dank an alle Mitarbeiter der Spedition seit 1948 das Luftfahrt-Museum Laatzen-Hannover.[11]
Literatur[Bearbeiten]
- Nelke. Ein Feuerwerk aus Ideen und Lösungen. 40 Jahre Nelke-Spedition, mit Fotos von Ilse Charlotte Kik und aus dem Firmenarchiv, hrsg. von der Nelke-Spedition GmbH & Co. KG, Hannover: Druckerei Josef Grütter, [o.D., 1988]
- Waldemar R. Röhrbein: Nelke - Karl N. Spedition In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 464
Archivalien[Bearbeiten]
Archivalien von und über die Karl Nelke Spedition finden sich beispielsweise
- im Hessischen Wirtschaftsarchiv in der Abteilung Firmenakten der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main unter dem Titel Karl Nelke Spedition oHG, Frankfurt a.M. für die Laufzeit 1970 bis 1972, Archivsignatur HWA Bestand 3 Nr. 10436[12]
Weblinks[Bearbeiten]
- historische Fotografien von Nelke-Lkws im Forum der Seite baumaschinenbilder.de
- Karl Nelke Spedition GmbH und Co. KG auf der Seite top500.de
- Speditionsmuseum auf der Seite mobilewelten.eu
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ Waldemar R. Röhrbein: Nelke, Karl N. Spedition, in: Stadtlexikon Hannover, S. 464
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 Heinz Lauenroth, Ewald Brix, Herbert Mundhenke (Red.): Karl Nelke. Internationaler Spedition-, Güterfern-, Übersee- und Luftfrachtverkehr. Export, Import und Lagerung. Nordring 1–2, Möckernstrasse 37, in dies.: Das Buch der alten Firmen der Stadt Hannover 1954, Hannover: Adolf Sponholtz Verlag, 1954, S. 376–377
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 Nelke. Ein Feuerwerk aus Ideen und Lösungen. 40 Jahre Nelke-Spedition, mit Fotos von Ilse Charlotte Kik und aus dem Firmenarchiv, hrsg. von der Nelke-Spedition GmbH & Co. KG, Hannover: Druckerei Josef Grütter, [o.D., 1985], unpaginiert
- ↑ Der Spiegel vom 20. Mai 1953, S. 33; Digitalisat
- ↑ Beleg fehlt noch
- ↑ Offizielles Spediteur-Adressbuch, Hamburg: Deutscher Verkehrs-Verlag, 1978, S. 30, 398, 677 u.ö.; Vorschau über Google-Bücher
- ↑ Who Owns Whom, Bd. 1: Continental Europe, 1991, S. 960; Vorschau über Google-Bücher
- ↑ Meike Stephan (Red.): 150 Jahre Hellmann, in der Zeitschrift express, Kundenmagazin der Night Star Express, Nummer 2, 2021, S. 6–7; PDF-Dokument
- ↑ Karl Nelke Spedition GmbH & Co. KG., Laatzen✝︎, Firmenauskunft auf der Seite northdata.de
- ↑ Nils Oehlschläger: Ein Museum will durchstarten, Artikel in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 13. April 2018; transkribiert als PDF-Dokument auf der Seite des Luftfahrtmuseums, zuletzt abgerufen am 24. Februar 2023
- ↑ Andreas Fuchs: Abbildung der Danksagungs-Tafel im Luftfahrtmuseum vom 6. November 1992 auf der Seite myheimat.de
- ↑ Angaben über das Archivinformationssystem Arcinsys Hessen
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