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Legitimationsdefizit

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Als Legitimationsdefizit bezeichnet man mit latent kritischer Intention einen Mangel an breiter Akzeptanz und Autorität politischer oder sonstiger Institutionen durch ihre Betroffenen. Der in der politischen Theorie der 1970er Jahre vor allem durch Jürgen Habermas und Claus Offe[1] bekannt gemachte Terminus bezog sich ursprünglich vornehmlich auf Institutionen der repräsentativen Demokratie (siehe hierzu: Demokratiedefizit) und damit auf innerstaatliche Belange.. In Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus (1973) definierte Habermas:

Rationalitätsdefizit der öffentlichen Verwaltung bedeutet, daß der Staatsapparat unter gegebenen Randbedingungen keine hinreichenden positiven Steuerungsleistungen für das ökonomische System aufbringen kann; Legitimationsdefizit bedeutet, daß sich mit administrativen Mitteln legitimationswirksame normative Strukturen nicht in erforderlichem Maße aufrechterhalten oder herstellen lassen.“[2]

Der Terminus wird aber auch im Völkerrecht verwendet.[3][4] In der Charta der Vereinten Nationen ist zwar der Vorbehalt verankert, dass aus ihr keine Befugnisse abgeleitet werden können, in Angelegenheiten einzugreifen, die zur inneren Zuständigkeit eines fremden Staates gehören. Grundlage der heutigen völkerrechtlichen Ordnung ist nämlich die staatliche Souveränität und die souveräne Gleichheit der Staaten. Dieser Vorbehalt verlor jedoch im Lauf der Zeit mit der wachsenden Macht globaler internationaler Organisationen und Konzerne stark an Bedeutung.

Heute erscheint der Terminus bei völkerrechtlichen Fragestellungen wie:

  • Wie legitim sind Beschlüsse internationaler Gremien, die in die Rechte Einzelner eingreifen und gegen die keine Rechtsmittel möglich sind?
  • Wer legitimiert rechtserhebliche Entscheidungen der EU-Bürokratie? – „Legitimationsdefizit der Europäischen Union“[5][6] und ihrer Institutionen[7] – siehe auch Demokratiedefizit der Europäischen Union
  • Wer legitimiert Rechtsnormen der Welthandelsorganisation?
  • Wer legitimiert das Umweltvölkerrecht, das die Entscheidungsfreiheit von souveränen Staaten begrenzt (beispielsweise durch das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht)?
  • Wer legitimiert den internationalen Menschenrechtsschutz? (beispielsweise durch die Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda oder das Jugoslawientribunal)?
  • Wer legitimiert Anti-Terror-Gesetzgebung, mit der Personen auf schwarze Listen gesetzt werden, ohne dass es effektiven Rechtsschutz dagegen gäbe?
  • Wie legitim ist völkerrechtlich illegales, aber moralisch gerechtfertigtes militärisches Eingreifen in Konflikte anderer Staaten bzw. in innerstaatliche Konflikte (beispielsweise der Kosovo-Krieg)?[8]
  • Wie legitim sind Entscheidungen des Sicherheitsrates, dessen ständige Mitglieder Russland und China nicht als demokratische Rechtsstaaten gelten?
  • Legitimität der Vereinten Nationen angesichts ihrer Unfähigkeit, ihre eigentliche Aufgabe der Friedenssicherung zu erfüllen.[9]

Siehe auch[Bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten]

Belege[Bearbeiten]

  1. Kernkorpusbelege im DWDS (Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache).
  2. Jürgen Habermas: Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1973, ISBN 978-3-518-00623-8, S. 70 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 17. April 2019]).
  3. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht > Band 250: Isabelle Ley, Opposition im Völkerrecht. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, abgerufen am 16. April 2019: „Dieses mit der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft ausgezeichnete Werk entwickelt eine eigene These vom völkerrechtlichen Legitimationsdefizit: Völkerrechtlicher Rechtserzeugung fehlt es an Mechanismen institutionalisierter Opposition.“
  4. Martin Zobl: Demokratisierung des Völkerrechts? Partizipationschancen des Individuums in internationalen Entscheidungsprozessen unter besonderer Berücksichtigung humanitärer Abrüstungsregime. Schulthess, Zürich/Basel/Genf 2012, ISBN 978-3-7255-6494-1 (Inhaltsverzeichnis bei der Deutschen Nationalbibliothek [PDF; 276 kB]).
  5. Josef Isensee: Legitimation des Grundgesetzes. In: Josef Isensee, Paul Kirchhof (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts. 3., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Band XII: Normativität und Schutz der Verfassung. C.F. Müller, Heidelberg u. a. 2014, ISBN 978-3-8114-5812-3, Rz. 53 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 17. April 2019]).
  6. Ann-Kathrin Fischer: Legitimation der Europäischen Union durch eine Verfassung? (= Region – Nation – Europa. Band 20). Lit Verlag, Münster 2004, ISBN 978-3-8258-6958-8 (Inhaltsverzeichnis bei der Deutschen Nationalbibliothek [PDF; 67 kB]).
  7. Florian Meinel: Die Legalisierung der Legitimation. Zu einem deutschen Verfassungsproblem. In: Christian Demand (Hrsg.): Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken. Heft 9. Klett-Cotta, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-608-10709-8 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 17. April 2019]): „Seit die Globalisierung die Verfassungsfragen der Staatenwelt[…] bestimmt, ist Legitimation, fachwissenschaftlich geadelt und damit ideologisch unverdächtig, zu einem Schlüsselbegriff des politischen Jargons geworden. […] Einen guten Teil zum altbekannten »Demokratiedefizit«, heißt es, trage das sogenannte »Legitimationsdefizit« des Europäischen Parlaments bei. […] Ein Legitimationsdefizit habe aber auch die Kommission[…], der Rat[…], der Europäische Gerichtshof[…], schließlich die ganze Europäische Union[…]“
  8. Norman Paech: Sicherheitspolitische Praxis und Völkerrecht. In: Wissenschaft und Frieden 2005-4: 60 Jahre Vereinte Nationen. 2005, abgerufen am 16. April 2019: „Das Legitimationsdefizit im Fall des Kosovo-Kriegs war den NATO-Regierungen durchaus bewusst. Um jedoch nicht dem offenen Vorwurf des Völkerrechtsbruchs ausgeliefert zu sein, bemühten sie sich, neben moralischen Rechtfertigungen, neue juristische Begründungen zu entwickeln bzw. alte wieder zu beleben. So griffen sie auf eine alte Figur des Völkerrechts der Vor-Charta-Ära zurück: die sog. humanitäre Intervention.“
  9. Carsten Ludwig Riemer: Staatengemeinschaftliche Solidarität in der Völkerrechtsordnung: eine normative Analyse staatengemeinschaftlicher Solidarkonzepte in Bezug auf die internationale Staatenpraxis aus den Bereichen Friedenswahrung, Entwicklungshilfe, Wirtschaft und Umweltschutz. Books on Demand, 2003, ISBN 978-3-8330-0593-0, S. 68 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 16. April 2019]): „Die Vereinten Nationen stehen mit ihrem traditionellen Friedenssicherungskonzept unter Druck. Das klassische Bild des kriegerischen Konflikts hat sich vom grenzüberschreitenden Länderkonflikt zum landesinternen ethnischen Konflikt gewandelt. Obwohl das Leiden der Bevölkerung in einer solchen Auseinandersetzung einem grenzüberschreitenden Krieg in nichts nachsteht und die Destabilisierung der Region die Voraussetzungen für einen Frieden in der Region erheblich schwächen [sic!], haben die Vereinten Nationen darauf keine direkte Antwort. Sie unterliegen daher einem ständigen Legitimationsdefizit.“


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