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Pegidademonstrierende, Frontal 21 und die Polizei

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Graffiti in Dresden

Am 16. August 2018 kam es in Dresden zu einem Vorfall zwischen der Polizei und dem Reporterteam von Frontal 21 des Senders ZDF. Dabei wurde das Journalisten-Team von der Polizei – nachdem zwei Pegida-Demonstranten nacheinander zu Unrecht Strafanzeige wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte und Beleidigung gegen einen Kameramann des Senders erstattet hatten – mindestens 45 Minuten kontrolliert und dadurch in ihrer journalistischen Tätigkeit behindert.

Dieser Fall löste ein breites, teilweise internationales Medienecho,[1] eine Debatte zur Pressefreiheit in Deutschland, eine Diskussion über die Polizei Sachsen sowie eine politische Kontroverse um den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer aus.

Hergang[Bearbeiten]

Am 16. August 2018 filmten Journalisten für die Sendung Frontal 21 Demonstranten auf dem Weg zwischen zwei Protesten anlässlich eines Besuches von Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Sächsischen Landtag in Dresden.[2] Einer der Demonstranten, der gerade mit Fingerzeig auf den Kameramann „Lügenpresse!“ skandiert hatte, bewegte sich nahe an die Kamera, forderte den Kameramann mit den Worten „Sie haben mich ins Gesicht gefilmt! Das dürfen Sie nicht! Sie begehen gerade eine Straftat!“ auf,[3] Frontalaufnahmen von ihm zu unterlassen.[4] Als der Kameramann mit den Worten „Gehen Sie doch weiter!“ die Aufnahme fortsetzte, forderte der Demonstrant den Kameramann auf, mit ihm zu Polizisten zu gehen, die sich in Sichtweite aufhielten. Daraufhin prüften die Polizisten die Personal- und Presseausweise des Kameramanns und des dazugekommenen Journalisten. Nach geltendem Medienrecht dürfen Journalisten aber die Teilnehmer öffentlicher Demonstrationen filmen, auch die nahe Gesichtsaufnahme, die der Demonstrant durch Herantreten an die Kamera selbst verursacht hat, war nicht illegal;[5] entsprechend bezeichnete der Kriminologe und Jurist Christian Pfeiffer das aggressive Verhalten des Demonstranten mit juristischen Falschaussagen zum Zweck der Behinderung der Kameraaufnahmen als „Unsinn“ und „dicht an einer Nötigung dran“.[6] Gemäß Frontal 21 zeige das Videomaterial, dass Strafanzeigen erst nach der Identitätsfeststellung der Journalisten stattgefunden hätten. Dadurch stelle sich die Frage, ob das Vorgehen überhaupt rechtmäßig war.[7] Nach Einschätzung mehrerer Politiker und Experten erhalten sächsische Polizisten keine ausreichenden Schulungen im Medienrecht und zum Umgang mit Medien, handelten also möglicherweise in Unkenntnis der rechtlichen Grundlagen.[8][6] Bei der Prüfung stieß ein Mann dazu, der mutmaßlich René Seyfried aus dem Dresdner Vorort Freital ist; die Sächsische Zeitung verglich später die Filmaufnahmen von Frontal 21 mit Filmmaterial aus dem eigenen Archiv. René Seyfried ist Mitorganisator der fremdenfeindlichen Proteste in Freital. Dieser behauptete, von dem Kameramann beleidigt worden zu sein, und erstattete Anzeige. Daraufhin wurden die Ausweise noch einmal ausgiebig geprüft und die Filmaufnahmen dadurch insgesamt rund 45 Minuten lang behindert.[9][10][10] Die Filmaufnahmen von Frontal 21 belegen jedoch, dass der Sprecher ein anderer Passant war und nicht der Kameramann. Seyfried gab einen Tag später an, sich geirrt zu haben, und zog die Anzeige zurück.[11][12]

Wie später das Sächsische Staatsministerium des Innern informierte, handelte es sich bei dem ersten Demonstranten um den LKA-Mitarbeiter Maik G., der privat an der Demonstration teilgenommen hatte.[13] Maik G. hatte beruflich Zugang zu internen polizeilichen Datenbanken, seine Vernetzung mit der rechten Szene und dienstrechtliche Konsequenzen – Angestellte im öffentlichen Dienst sind auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit Pressefreiheit vereidigt – sollen geprüft werden.[14] Laut einer dpa-Meldung vom 30. August wurde LKA-Mitarbeiter Maik G. zum 3. September 2018 aus dem Polizeidienst entlassen. [15]

Juristische Bewertung[Bearbeiten]

Gernot Lehr, Fachanwalt für Medienrecht, ist der Auffassung, dass das wiederholte Verlangen des Vorzeigens der Personal- und Presseausweise als unverhältnismäßige Behinderung der freien Presse zu betrachten sei, da die Dokumente bereits beim ersten Mal vorlagen. Darüber hinaus ist er der Auffassung, dass das Filmen des Pegida-Demonstranten gerechtfertigt sei, da er sich durch sein offensives Verhalten – er scherte aus der Gruppe aus und ging frontal auf die Kamera zu – selbst zu einer Person der Zeitgeschichte gemacht habe. Nur um die Dokumentation der Demonstration zu behindern, habe der Demonstrant sich in die Öffentlichkeit begeben.[16]

Was die Forderung des LKA-Mitarbeiters hinsichtlich Rechtes am eigenen Bild angeht, so steht ihm dieses nach § 22 Kunsturhebergesetz natürlich zu; nur wird das ausdrücklich vom folgenden § 23 wieder eingeschränkt – es gilt gemäß Absatz 1 Nr. 3 nicht für „Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben“.

Reaktionen[Bearbeiten]

Wenige Stunden bevor am 23. August das ZDF-Politmagazin Frontal 21 über die Vorfälle im Hintergrund des Besuches der Bundeskanzlerin am 20. August in Dresden berichtete, ließ Angela Merkel allgemein verlauten, dass solche Aufnahmen erlaubt sind und ein Demonstrant „damit rechnen muss, aufgenommen zu werden“.[17]

Viele Medienvertreter sehen den Eingriff der Polizei als einen Angriff auf die Pressefreiheit, ein Menschenrecht. Der Journalistenverband stellte sich auf die Seite der Reporter.[18] Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, teilte am 18. August mit, dass allein die Polizei „seriös“ aufgetreten sei. Dafür stand er in der Kritik.[19] Nach Darstellung des ZDF bat der Präsident der Dresdner Polizei Frontal 21 am 24. August um Entschuldigung.[20] Der Fraktionsvorsitzende der sächsischen CDU im Landtag, Frank Kupfer, griff die am Filmen gehinderten Journalisten mit den Worten „Öffentlich rechtliche...dafür bezahlen wir Beiträge“ noch deutlicher an.[21] Der sächsische CDU-Landtagsabgeordnete Sebastian Fischer bezeichnete die Affäre als „kleine Sommerposse... Leider erneute Bestätigung des Gebrülls „Lügenpresse“, Chance zu Vertrauensaufbau erneut verpasst“. Dem widersprach der Vorsitzende der sächsischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, Marco Wanderwitz, deutlich: „Es ist keine Bestätigung für Verfassungs- und Demokratiefeinde, die ‚Lügenpresse‘ brüllen. Und es ist auch keine kleine Posse. Artikel 5 steht nicht ohne Grund so weit vorn in unserem Grundgesetz“.[22]

In den sozialen Netzwerken wurde wegen des Vorfalls das Kunstwort „Pegizei“ − auch als Hashtag − geschaffen, ein Kofferwort aus „Pegida“ und (sächsischer) Polizei. Der Ministerpräsident Sachsens hält das für „unverantwortlich“.[23] Als Anspielung auf die Kopfbedeckung von Maik G. während des Vorfalls, einen Anglerhut in den deutschen Nationalfarben, kam in den sozialen Medien in Anlehnung an den Wutbürger auch das Schlagwort „Hutbürger“ auf. Zahlreiche Fotomontagen und Karikaturen kursieren, in denen visuell auf den auffälligen Hut und andere Accessoires des LKA-Manns angespielt und dabei zum Teil auch ein genereller Zusammenhang zwischen Landespolizei und Pegida hergestellt wird.[24]

Der Politologe Hans Vorländer sagt zu dem Ereignis:

„[Es gibt bei Pegida] bewusste Strategien, um Medienvertreter einzuschüchtern, insofern steht viel auf dem Spiel, und ich glaube die Sachsen, auch die Behörden und die Ministerien oder der Ministerpräsident, sind immer gut beraten, sich immer sehr deutlich auf die Seite von Demokratie und Rechtstaatlichkeit und Pressefreiheit zu schlagen.“

– Vorländer, Deutschlandfunk, 23. August 2018

Der SPD-Politiker Albrecht Pallas möchte die am Arbeiten gehinderten ZDF-Reporter in einer Sondersitzung des Innenausschusses seines Landtags anhören, damit die Mitglieder sich selbst ein Bild machen. Ausdrücklich stellte der gelernte Polizist fest, dass der Vorgang kein Zufall ist, sondern er sieht darin „ein System“, dass

„es eine neue Strategie der Rechten ist, durch gezielte Anzeigen bei Versammlungen Journalisten und Polizisten zu binden und dadurch das Geschehen zu verkomplizieren.“

– Albrecht Pallas, Freie Presse, 24. August 2018[25]

Jan Böhmermann thematisierte den Vorfall Ende August 2018 in seiner Sendung Neo Magazin Royale im Lied Es gibt keine Nazis in Sachsen.[26][27]

Literatur[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]

Quellen[Bearbeiten]

  1. Kate Connolly: German police in row over far right after officer blocked TV crew at Pegida rally. In: The Guardian. 23. August 2018.
    Dresden protest: German police in Pegida far-right row. In: BBC. 23. August 2018.
    German conservatives criticized over response to right-wing radicalism in Saxony. In: CBC/Radio-Canada. 23. August 2018.
    Frank Jordans: Protester who harassed German reporters works for police. In: Business Insider. 23. August 2018.
    Row widens after German police blocked TV crew at PEGIDA rally. In: Al Jazeera. 23. August 2018.
    L’extrême droite allemande et la police au centre d’une controverse. In: Le Figaro. 23. August 2018.
    Johanna Luyssen: Pegida, la police saxonne et la liberté de la presse. In: Libération. 25. August 2018.
    Merkel defiende libertad de prensa tras polémica intimidación en Dresde. In: La Vanguardia. 23. August 2018.
  2. bundeskanzlerin.de
  3. Minutenprotokoll der Ereignisse bei Frontal 21, ab min. 27:27.
  4. Anti-Merkel-Demo in Dresden: Polizei setzte ZDF-Journalisten fest – so rechtfertigt sie sich. In: HuffPost Deutschland. 17. August 2018 (huffingtonpost.de [abgerufen am 22. August 2018]).
  5. Zeit online: Durften die Journalisten das?
  6. 6,0 6,1 Christian Pfeiffer, Kriminologe, mit einer Einschätzung. tagesschau.de 23. August 2018.
  7. mdr Sachsen: Dresdner Polizei entschuldigt sich bei ZDF-Fernsehteam. Kapitel-Redaktionsleiterin: Polizei hat Ereignisse falsch dargestellt.
  8. Die große Unsicherheit der Beamten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 24. August 2018.
  9. Pegida-Pöbler ist LKA-Mitarbeiter. In: Sächsische Zeitung Online. (sz-online.de).
  10. 10,0 10,1 Pegida-Demo in Dresden: Polizei rechtfertigt Einsatz gegen Journalisten. In: Der Spiegel Online. 20. August 2018 (spiegel.de [abgerufen am 22. August 2018]).
  11. Chronologie einer Polizeikontrolle. Überforderung in Dresden (Wortprotokoll), taz.de vom 24. August 2018 (abgerufen am 26. August 2018)
  12. Demonstrant entschuldigt sich. zdf.de.
  13. Antonie Rietzschel Leipzig: Pöbelnder Demonstrant ist LKA-Mitarbeiter. In: Süddeutsche Zeitung. 22. August 2018 (sueddeutsche.de).
  14. mdr: LKA-Mitarbeiter hat Zugang auf sensible Ermittlungsdaten. 23. August 2018.
  15. Nach Vorgehen gegen ZDF: «Hutbürger» verlässt Polizei, dpa/faz.de vom 30. August 2018 (abgerufen am 2. Spetember 2018)
  16. Nach Eklat bei Anti-Merkel-Demo: ZDF-Frau richtet klare Worte an Polizei. In: HuffPost Deutschland. 21. August 2018 (huffingtonpost.de [abgerufen am 22. August 2018]).
  17. Vorfall bei Pegida-Demo: Merkel verteidigt ZDF-Filmteam. zdf.de.
  18. tagesschau.de: "Pegida"-Demo: ZDF will Aufklärung über Polizeieinsatz. Abgerufen am 22. August 2018.
  19. WELT: „Frontal 21“: ZDF zeigt komplette Aufnahmen von der Pegida-Demonstration. In: Die Welt. 21. August 2018 (welt.de [abgerufen am 22. August 2018]).
  20. mdr Sachsen: Dresdner Polizei entschuldigt sich bei ZDF-Fernsehteam.
  21. Dafür bezahlen wir Beiträge. In: Sächsische Zeitung. 22. Auhust 2018.
  22. Pegida-Skandal in Sachsen: CDU-Politiker schimpft über „Lügenpresse“. In: Huffington Post.
  23. Matthias Meisner, Jost Müller-Neuhof, Frank Jansen: Ist in Sachsen die #Pegizei im Einsatz? In: Der Tagesspiegel. 23. August 2018, abgerufen am 26. August 2018.
  24. Ein Hut macht Karriere: Wie sich Medien und Social Web am “Hutbürger” von Sachsen abarbeiten. Meedia, 24. August 2018, abgerufen am 26. August 2018.
  25. Freie Presse
  26. Es gibt keine Nazis in Sachsen – Jan Böhmermann & Maik vom LKA, YouTube, 30. August 2018
  27. Jan Böhmermann erklärt ein für alle Mal, dass es in Sachsen (keine) Nazis gibt, bento, 31. August 2018.


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