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Appell für die Pressefreiheit (2006)

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Der Appell für die Pressefreiheit von 2006 war eine Kampagne zugunsten der rechtskonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit.

Hintergrund[Bearbeiten]

Seit 1995 wurde die Zeitung Junge Freiheit vom Landesamt für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen als rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet und somit auch in den Jahresberichten des Amtes erwähnt.[1] Obwohl sich das Bundesamt für Verfassungsschutz dieser Einschätzung nicht anschloss, beharrte der NRW-Verfassungsschutz bis 2005 auf seiner Einschätzung. 2003 wurde die Klage der Zeitung im verwaltungsrechtlichen Verfahren abgewiesen; die Beobachtung des Medium wurde als mit der Presse- und Meinungsfreiheit vereinbar beurteilt. 2005 wurde die Verfassungsbeschwerde der Zeitung für berechtigt erklärt und alle bisherigen Entscheidungen von Gerichten und Verfassungsschutz NRW revidiert.[2] In diesem Kontext hatte die 'Junge Freiheit' bereits zwei Appelle für die Pressefreiheit (2001 und 2002) veröffentlicht.[2]

Im Januar 2006 kündigte die Junge Freiheit an, ihren Auftritt zur Leipziger Buchmesse nicht nur zu den üblichen Präsentationen nutzen zu wollen, sondern auch spezielle Veranstaltungen zum 20-jährigen Bestehen der Zeitung zu planen.[2] Nach längerem Schriftverkehr mit der Leitung der Messe versagte die Messeleitung am 30. Januar 2006 der Zeitung die Teilnahme an der Frühlingsmesse vollständig. Auf Nachfrage gegenüber verschiedenen Zeitungsredaktionen erklärte die Messeleitung, dass man - wie bei früheren Messeauftritten des Mediums - Tumulte und Störungen erwarte und die Sicherheit der Messebesucher somit nicht sichergestellt werden könne.[3] Die Absage beruhe allein auf der Ankündigung der Sonderveranstaltungen, nicht auf dem regulären Präsentationsvorhaben.[1] Da die Junge Freiheit bereits drei Mal zur Messe zugelassen war, sei der Vorwurf einer politischen Entscheidung vollkommen unangemessen, so daß die Messeleitung bezüglich dessen auch rechtliche Schritte vorbehalte.[1][4]

Appell[Bearbeiten]

Am 7. Februar 2006 kündigte die Junge Freiheit einen „Appell für die Pressefreiheit“ an, in dem sie die Entscheidung der Leipziger Messe kritisieren und die Wahrung der Pressefreiheit für sich einforderte. Die Zeitung warf der Messeleitung eine poitische Motivation vor.[5][2] Initiatoren waren die Leitungsebene der Zeitung und der Kolumnist Günter Zehm.[6]

Der Appell wurde am 8. Februar in der Frankfurter Allgemeine Zeitung und der Süddeutschen Zeitung sowie der Berliner Morgenpost als Anzeige publiziert. Die Welt und eine weitere Zeitung verweigerten den Abdruck.[1] Der Appell wurde von Unterstützerunterschriften begleitet, bei der Erstveröffentlichung waren dies Publizisten und Journalisten sowie Hochschulprofessoren mit mehrheitlich rechtskonservativem Profil.[7]

Herbert Ammon

Bruno Bandulet

Arnulf Baring

Andreas von Bülow

Martin van Creveld

Gernot Facius

Siegmar Faust

Joachim Fest

Herbert Fleissner

Peter Gauweiler

Norbert Geis

Günther Gillessen

Otto von Habsburg

Hans-Olaf Henkel

Eckhard Henscheid

Jens Jessen

Michael Klonovsky

Klaus Peter Krause

Helmut Markwort

Helmut Matthies

Ernst Nolte

Wolfgang Ockenfels

Helmut Quaritsch

Gerard Radnitzky

Gerd Schultze-Rhonhof

Ulrich Schacht

Ute Scheuch

Theodor Schweisfurth

Wolf Jobst Siedler

Robert Spaemann

Manfred Spieker

Alexander von Stahl

Horst Weisel

Klaus Wippermann

Alfred M. de Zayas

[8][9]

In der Folge warb die Junge Freiheit für weitere Unterstützer und sammelte bis zum 6. Februar zunächst 300, bis zum 17. Februar sogar 1500 Unterschriften.[10] Die Unterzeichner gaben hierbei auch ihren Berufsstand an. Es finden sich über 100 Hochschulprofessoren und über 300 Promovierte; unter den Berufsgruppen sind Journalisten, Publizisten und Medienmitarbeiter mit ca. 80 Personen vertreten, weiterhin 150 Lehrer und andere Pädagogen, 90 Ingenieure, 80 Ärzte, 80 Juristen, Anwälte und Richter und 50 Angehörige der Bundeswehr. Mehr 200 Personen bezeichneten sich als Rentner, Pensionäre oder anderweitig im Ruhestand befindlich. Der Frauenanteil lag bei unter 10 %.[7][11] Die Unterstützerschaft ähnelt somit in beiden Sympathiewellen der der Gemeinsame Erklärung 2018 in ihrer Gesamtstruktur.

Rezeption[Bearbeiten]

Die Junge Freiheit begleitete den Appell mit Folgeartikeln und Interviews.[12][13]

Auch andere Zeitungen griffen den Appell auf.[14][15]

Der Spiegel suchte das Gespräch mit der Messeleitung und dokumentiert, dass diese sich rein aus Sicherheitsgründen für den Ausschluss entschieden habe. Eine politische Bewertung enthalte die Entscheidung nicht.[1]

Dirk Knipphans kommentierte in der TAZ, es sei nicht gut, die Junge Freiheit auszuschließen, obwohl sie ein "Drecksblatt" sei. Der Autor fürchtet die "Märtyrerpose" der Initiatoren. Dennoch kritisiert er auch die Unterstützer des Appells. Eine politische motivierte Absage der Messeleitung sei nicht herleitbar, da ein Stand ja zugelassen worden wäre. Darüber hinaus verweist Knipphans auf den geringen Frauenanteil der Unterstützerschaft.[7]

Der Tagesspiegel bewertete in einem späteren Artikel die Entscheidung der Messeleitung als problematisch, da die Junge Freiheit nicht offen verfassungsfeindlich auftrete und daher zugelassen gehöre. Für besondere Veranstaltungswünsche müsse gegebenenfalls auch Vorsorge zugunsten der Sicherheit getroffen werden. Zugleich sieht der Tagesspiegel für Liberale wie Robert Spaemann, Arnulf Baring oder Nicolaus Fest das Risiko, sich der Neuen Rechten zu stark anzunähern.[2]

Die Junge Welt bewertete die Aktion als "PR-Gag".[16]

Die Tageszeitung bezeichnete die Situation im Vorfeld der Frühjahrsmesse als unappetitlich, da gerade die Junge Freiheit auf die Pressefreiheit hinweise. Man sähe die Gefahr, dass die Zeitung die Umstände medial „ausschlachten“ werden, und bewertete die Rolle der Messeleitung als „ungeschickt“.[17]

Die FAZ kritisierte die halbherzige Entscheidung der Leipziger Buchmesse, weil sie sich zwar verbal zur Pressefreiheit bekenne, aber keine Bereitschaft zeige, diese auch durch erhöhte Sicherheitsmaßnahmen durchzusetzen. Die Junge Freiheit sei nicht extremistisch, begründete man mit Verweis auf sozialdemokratische Interviewpartner der Zeitung.[3]

Der Appell für die Pressefreiheit wird auch in der wissenschaftlichen Literatur berücksichtigt.[18][19][20][21]

Helmut Kellershohn sieht den Appell von 2006 als direkte Fortsetzung der bisherigen Appelle und wertet diese als Ausdruck der "Kampagnenfähigkeit" der Zeitung.[22]

Toralf Staud sieht im Appell ein Beispiel für den "rabiaten Umgang mit den Kritikern" der JF.[23]

Andreas Speit hebt hervor, dass zu den Unterzeichnern des Appells auch der Reeder Folkard Edler gehört, der auch als großer Geldgeber der AfD fungiert.[24]

Stephan Braun und Anton Maegerle heben die Rolle Alexander von Stahls hervor, der mit seiner Unterstützung des Appells auch die öffentlichkeitswirksame Selbstbehauptung der Neuen Rechten bestärkt habe.[25]

Folgen[Bearbeiten]

Bereits am 10. Februar 2006 widerrief die Leipziger Messe ihre Entscheidung und ließ die Junge Freiheit zur Frühjahrsausstellung eingeschränkt zu. Eine kleine Veranstaltung zum Jubiläum wurde erlaubt,[26][17] der konkrete Ablauf musste aber mit der Messeleitung abgestimmt [17] Die Unterschriftensammlung wurde fortgesetzt, so daß am 17. Februar 2006 ein letzter Stand der Unterstützerzahl veröffentlicht wurde.[9]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Björn Hengst: Leipziger Literaturschau: „Junge Freiheit“ protestiert gegen Messeverbot. In: Spiegel Online. 8. Februar 2006 (spiegel.de).
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Neue Rechte. Abgerufen am 20. Juli 2019.
  3. 3,0 3,1 Glosse Feuilleton: Unpolitisch. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. (faz.net).
  4. Rechtsgerichtete „Junge Freiheit“ darf nicht zur Buchmesse Leipzig. Abgerufen am 20. Juli 2019.
  5. jungefreiheit.de: Appell für die Pressefreiheit: Arnulf Baring, Joachim Fest und Helmut Markwort unterstützen JUNGE FREIHEIT. In: JUNGE FREIHEIT. Abgerufen am 17. Juli 2019.
  6. Michael Ghanem: Eine Chance für die Demokratie: Steht auf! tredition, 2018, ISBN 978-3-7469-8618-0 (books.google.de).
  7. 7,0 7,1 7,2 Dirk Knipphals: Kein Kommentar!: Dieser Ärger mit der Freiheit. In: Die Tageszeitung. 9. Februar 2006, S. 18 (taz.de [abgerufen am 17. Juli 2019]).
  8. lbk: Unterstützung für "Junge Freiheit". 8. Februar 2006 (welt.de).
  9. 9,0 9,1 jungefreiheit.de: Appell für die Pressefreiheit: Hans-Olaf Henkel und Wolf Jobst Siedler unterzeichnen Appell der JUNGEN FREIHEIT. In: JUNGE FREIHEIT. Abgerufen am 17. Juli 2019.
  10. jungefreiheit.de: Ein Sieg für die Pressefreiheit. In: JUNGE FREIHEIT. Abgerufen am 17. Juli 2019.
  11. jungefreiheit.de: Danke! In: JUNGE FREIHEIT. Abgerufen am 17. Juli 2019.
  12. 17.02.06 / "Gleicher Abstand zu den Lagern" / Der konservative Vordenker Günter Rohrmoser über eine "dritte Position" im Konflikt zwischen Islam und liberalem Establishment. Abgerufen am 17. Juli 2019.
  13. 27.05.11 / 25 Jahre Kampf um die Pressefreiheit / Chronik eines Skandals: Wie mit linksradikalem Terror und staatlicher Einschüchterung versucht wurde,die JUNGE FREIHEIT zu stoppen. Abgerufen am 17. Juli 2019.
  14. Rechtsgerichtete „Junge Freiheit“ darf nicht zur Buchmesse Leipzig. Abgerufen am 17. Juli 2019.
  15. Literatur: Buchmesse lädt die «Junge Freiheit» aus. 8. Februar 2006, abgerufen am 17. Juli 2019.
  16. Was die Rechten ärgert. 10. Februar 2006, abgerufen am 17. Juli 2019.
  17. 17,0 17,1 17,2 Gerrit Bartels: Vollwertgefühle. In: Die Tageszeitung. 15. März 2006, S. 16 (taz.de [abgerufen am 17. Juli 2019]).
  18. link.springer.com (PDF) Abgerufen am 17. Juli 2019.
  19. Michael Ghanem: Eine Chance für die Demokratie: Steht auf! tredition, 2018, ISBN 978-3-7469-8618-0 (books.google.de).
  20. GRIN – Die Zeitung 'Junge Freiheit' als Medium des „Schmittismus“. Abgerufen am 17. Juli 2019.
  21. deutschlandjournal.de (PDF) Abgerufen am 17. Juli 2019.
  22. Helmut Kellershohn: Volk, Staat und Nation. In: Die Wochenzeitung „Junge Freiheit“: Kritische Analysen zu Programmatik, Inhalten, Autoren und Kunden. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-531-90559-4, S. 117–145, doi:10.1007/978-3-531-90559-4_6.
  23. Toralf Staud: Das Buch gegen Nazis: Rechtsextremismus – was man wissen muss und wie man sich wehren kann. Kiepenheuer & Witsch eBook, 2010, ISBN 978-3-462-30118-2 (books.google.de [abgerufen am 17. Juli 2019]).
  24. Andreas Speit: Bürgerliche Scharfmacher: Deutschlands neue rechte Mitte – von AfD bis Pegida. Orell Füssli Verlag, 2016, ISBN 978-3-280-03940-3 (books.google.de).
  25. Stephan Braun, Alexander Geisler, Martin Gerster: Strategien der extremen Rechten: Hintergründe – Analysen – Antworten. Springer-Verlag, 2010, ISBN 978-3-531-91708-5 (books.google.de).
  26. jungefreiheit.de: Ein Sieg für die Pressefreiheit. In: JUNGE FREIHEIT. Abgerufen am 17. Juli 2019.


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