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Pharmalobby

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Pharmalobby ist ein Sammelbegriff für Interessensvertretungen von Pharmaherstellern in Politik und Gesellschaft.[1] Dabei zielt das im Begriff angesprochene Lobbying auf die Einflussnahme auf Exekutive und Legislative durch persönliche Kontakte zwischen Interessensvertretern der Pharmaunternehmen und etwa Politikern – im Fall der Pharmalobby insbesondere Ärzten und Apothekern.[2] Ein weiteres Ziel besteht in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung in Form von Öffentlichkeitsarbeit im Sinne partikulärer Unternehmensinteressen.[1]

Situation in Deutschland[Bearbeiten]

Nach Studien der OECD gehört das deutsche Gesundheitswesen zu den teuersten der Welt.[3] Bereits 2001 stellte der Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen fest, das deutsche Gesundheitssystem weise eine im internationalen Vergleich schlechte Kosten-Nutzen-Relation auf. Als Gründe hierfür werden unter anderem gesehen: Die Lobbyarbeit von Pharmakonzernen, Ärzteverbänden und Krankenkassen, die Selbstverwaltung der Beitragszahlungen durch Vertreter der Ärzteschaft und gesetzliche Krankenversicherung sowie der daraus resultierende Mangel an kritischer Öffentlichkeit in Bezug auf die Kontrolle der Qualität von Patientenversorgung und Ausgabenentwicklung.[2][4] Auf Bundesebene stehen sich hierbei die Dachverbände der Krankenkassen sowie der Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber. Das jeweilige Interesse an der Verteilung bzw. Einbehaltung der Beitragszahlungen von Versicherungsnehmern ist für das Verhältnis dieser beiden Interessensverbände bestimmend. Dabei wird die Interessengemeinschaft der Ärzteschaft zusätzlich von der Arzneimittelkomission der deutschen Ärzteschaft in Bezug auf arzneitherapeutische Leitlinien für die Behandlung bestimmter Erkrankungen beraten.[2] Insbesondere hier versuchen Hersteller von Medikamenten Einfluss im Sinne des Vertriebes ihrer Produkte zu gewinnen. Die 2007 von Ärzten gegründete gemeinnützige Organisation MEZIS hat es sich unter anderem zum Ziel gemacht, ebensolche Einflüsse von Interessenvertretern der Pharmaindustrie auf die Ärzteschaft transparenter zu machen.[5][6]

Umgehung des Kontakt- und Werbeverbots[Bearbeiten]

Durch das Heilmittelwerbegesetz ist es Herstellern von Medizinprodukten untersagt, für rezeptpflichtige Produkte zu werben oder diese den Patienten direkt anzubieten. Zielgruppe der Pharmaunternehmen sind deshalb vor allem die medizinischen Fachberufe, die durch Pharmareferenten mit Produkten vertraut gemacht werden sollen, um von diesen verkauft bzw. verschrieben zu werden.[2] Als Werbemaßnahmen werden Gutachten über die betreffenden Medikamente, kostenlose Ausstattung mit Geräten oder Arzneimittelmustern, Vergünstigungen, Berichte aus Fachpresse oder Fachvorträgen, Fernsehauftritte und ähnliches eingesetzt. Während Fachärzte kommunaler Krankenhäuser in Nebentätigkeiten, erlaubten Geschenken, Dienstreisen und Kongressbesuchen der Aufsicht des jeweiligen Krankenhausträgers unterliegen, gilt dies nicht in gleichem Maße für Professoren an Universitätskliniken, die für Untersuchungen, Gutachten und Forschung auf das Einwerben von Drittmitteln angewiesen sind. Diese Drittmittel werden zumeist von der Pharmaindustrie selbst bereitgestellt, weshalb dieser über die Vergabe ein Druckmittel auf die Durchsetzung ihrer Interessen zur Verfügung steht.[2][7] Doch auch niedrigschwellig kann für werbebeschränkte Produkte geworben werden. So sollen etwa durch Informationsbroschüren der Apothekerverbände, die in Apotheken und ärztlichen Wartezimmern ausliegen, mit vorgeblichen Fachinformationen Patienten zum Einfordern bestimmter Therapien und teurer Einzelfallentscheidungen bewogen werden.[2][8]

Sponsoring[Bearbeiten]

Eine weitere Möglichkeit pharmalobbyistischer Einflussnahme besteht im gezielten Sponsoring wissenschaftlicher Forschung. Dies kann durch die selektive Förderung erwünschter Forschungsgegenstände oder klinischer Studien erfolgen. Dabei wird durch die entsprechenden Sponsorenverträge in der Regel das Recht auf Publikation ohne Zustimmung des Sponsors ausgeschlossen. Auch kann der Sponsor sich vorbehalten, die wissenschaftlichen Ergebnisse im Nachhinein kommentierend zu bewerten.[2] Neben der Förderung von Forschung werden Anwendungsbeobachtungen sowie Weiterbildungen und Vorträge mit dem Ziel der Verbreitung und Bewerbung pharmazeutischer Produkte durch finanzielle Zuwendungen belohnt. Im Jahr 2016 veröffentlichte der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), in dem Pharmaunternehmen wie Bayer, GlaxoSmithKline, Novartis, Boehringer Ingelheim und Sanofi organisiert sind, einen Transparenzkodex, den der Verband sich zuvor selbst auferlegt hatte. Krankenkassen und Anti-Korruptions-Experten kritisierten diese Maßnahmen jedoch als unzureichend.[9] 2017 veröffentlichte der Spiegel in einer gemeinsamen Recherche mit dem gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv die Datenbank ‚Euros für Ärzte‘, welche die Zahlungen von Pharmaunternehmen an rund 66.000 Ärzte, Apotheker und andere Gesundheitsberufler dokumentiert. Diese wurden für das Jahr 2016 mit 562 Millionen Euro angegeben.[10][11] Aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen wurde die Arbeit an der Datenbank 2017 eingestellt. Das Projekt löste eine Debatte über die Verflechtungszusammenhänge zwischen Pharmaindustrie und Ärzteschaft aus.[12]

Literatur[Bearbeiten]

  • Ben Goldacre: Bad Pharma. Fourth Estate, London 2012, ISBN 978-0-00-735074-2.
  • Markus Jantzer: Pharmabranche und Funktionäre bestimmen die Gesundheitspolitik, in: Thomas Leif / Rudolf Speth (Hrsg.): Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland (Schriftenreihe der bpb, Bd. 514). Bonn 2006, ISBN 978-3-89331-639-7, S. 236-251
  • Kurt Langbein: Die Pharma-Lobby. Der Mut zur Überdosis Macht, in: Thomas Leif / Rudolf Speth (Hrsg.): Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland Westdeutscher Verlag. Wiesbaden 2003, ISBN 978-3-53114-132-9, S. 137-143
  • Anke Martiny: Wer steuert Deutschlands Gesundheitswesen?, in: Thomas Leif / Rudolf Speth (Hrsg.): Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland (Schriftenreihe der bpb, Bd. 514). Bonn 2006, ISBN 978-3-89331-639-7, S. 221-235

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 Kurt Langbein: Die Pharma-Lobby. Der Mut zur Überdosis Macht In: Thomas Leif / Rudolf Speth (Hrsg.): Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden 2003, ISBN 978-3-53114-132-9, S. 137
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 Anke Martiny: Wer steuert Deutschlands Gesundheitswesen? In: Thomas Leif / Rudolf Speth (Hrsg.): Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland (Schriftenreihe der bpb, Bd. 514). Bonn 2006, ISBN 978-3-89331-639-7, S. 223 f.
  3. Markus Jantzer: Pharmabranche und Funktionäre bestimmen die Gesundheitspolitik In: Thomas Leif / Rudolf Speth (Hrsg.): Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland (Schriftenreihe der bpb, Bd. 514). Bonn 2006, ISBN 978-3-89331-639-7, S. 236 f.
  4. Vor allem für den Aspekt der Selbstverwaltung vgl. Anke Martiny: Lobbyinteressen im Gesundheitssektor. Wo bleibt das Gemeinwohl? In: Thomas Leif / Rudolf Speth (Hrsg.): Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden 2003, ISBN 978-3-53114-132-9, S. 117 f.
  5. Warum MEZIS, Download der Augsburger Erklärung ganz unten. MEZIS e.V., abgerufen am 11. Dezember 2021.
  6. Tobias Dorfer: Ärzte gegen die Pharma-Lobby. Mein Essen zahl ich selbst. Süddeutsche Zeitung, 17. Mai 2021, abgerufen am 11. Dezember 2021.
  7. Jens Lubbadeh: Pharmaindustrie. Druck über Drittmittel. Der Stern, 18. August 2006, abgerufen am 11. Dezember 2021.
  8. Klaus Koch: Pharma-Werbung. Viele Broschüren täuschen. Süddeutsche Zeitung, 10. Mai 2010, abgerufen am 11. Dezember 2021.
  9. Pharmaindustrie zahlt eine halbe Milliarde Euro an Ärzte. Die Zeit, 20. Juni 2016, abgerufen am 11. Dezember 2021.
  10. Irene Berres, Christina Elmer, Markus Grill, Heike Le Ker, Patrick Stotz und Stefan Wehrmeyer: Transparenz-Datenbank. Nur jeder vierte Arzt legt Pharmazahlungen offen. Der Spiegel, 14. Juli 2017, abgerufen am 11. Dezember 2021.
  11. Christina Elmer und Patrick Stotz: Datenbank 2016. Wie viel Geld hat mein Arzt bekommen? Der Spiegel, 14. Juli 2017, abgerufen am 11. Dezember 2021.
  12. Frederik Richter: „Euros für Ärzte“-Datenbank beendet. Correctiv, 14. Januar 2021, abgerufen am 11. Dezember 2021.


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