Stay Grounded
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Stay Grounded (deutsch: Bleib am Boden) ist eine zivilgesellschaftliche Bewegung gegen Umweltschäden durch den Flugverkehr. Beabsichtigt wird eine Art Degrowth, ein Schrumpfen der Luftfahrtindustrie.
Hintergrund[Bearbeiten]
Flugverkehr ist die energieintensivste und laut Umweltbundesamt die klimaschädlichste Form der Fortbewegung. Stay Grounded kritisiert, dass das Fliegen kaum Umweltregulatorien unterliegt und auf mannigfache Weise subventioniert werde. Im Vergleich der Verkehrsmittel verursacht auf der Strecke Hamburg–Frankfurt ein Passagier im Flugzeug 120 kg CO2, im Auto 48 kg, im Zug 15 kg und im Bus 10 kg.[1] Laut Weltbank stieg die Zahl der Flugreisen weltweit von rund 310 Millionen im Jahr 1970 auf knapp vier Milliarden im Jahr 2018. Die IATA schätzt, dass sich die Passagierzahl bis 2037 auf mehr als 8,2 Milliarden pro Jahr verdoppeln wird.[2] Kritisiert wird seitens Stay Grounded insbesondere das Dilemma, dass neunzig Prozent der Weltbevölkerung noch nie geflogen sind, diese Menschen aber am härtesten von den negativen Folgen der Luftfahrt betroffen sind, durch Lärm, die Luftverschmutzung und gesundheitliche Folgen. Kritisiert wird der enorme Verbrauch fossiler Brennstoffe und die mannigfachen Verbindung der Luftfahrt zum militärisch-industriellen Komplex. Kritisiert wird der unverhältnismäßige Einfluss der Luftfahrtbaukonzerne Airbus und Boeing auf Gesetzgebung und Politik, betrieben durch ein enges Netzwerk von Lobbyisten.[3] Kritisiert wird das aggressive Greenwashing vieler Fluglinien.
Ziele[Bearbeiten]
Beabsichtigt werden:
- Gerechte Transformation
- Umstieg auf andere Verkehrsmittel
- Ökonomie der kurzen Wege
- Verhaltensänderungen ermöglichen
- Rechte der indigenen Bevölkerung an ihrem Land und Menschenrechte
- Klimagerechtigkeit
- Starke politische Verpflichtungen
- Keine neuen Flughäfen und keine Ausbauten bestehender
- Ende der Privilegien für die Luftfahrtindustrie
- Ende der Werbemaßnahmen für Flugreisen
- Ende der CO2-Kompensation
- Ende der Biokraftstoffe
- Ende der Illusion, dass alle Probleme durch Technik behoben werden könnten.[4]
CO2-Kompensation und Agrartreibstoffe werden als Scheinlösungen bezeichnet, die den Klimawandel nicht verzögern konnten. Agrartreibstoffe führten außerdem zu Verwerfungen in der Landwirtschaft und erzeugten neue Probleme. Gefordert werden eine Kerosinsteuer, Kontingente für Flüge und progressive Ticketsteuern, die insbesondere vermögende Vielflieger belasten.[5]
Aktivitäten[Bearbeiten]
Die Bewegung ist auf unterschiedliche Weise tätig:
- Bewusstseinsbildung und persönliche Verpflichtung der Beteiligten, auf Flugreisen zu verzichten.
- Politische Einflussnahme, die Privilegien der Luftfahrtindustrie zu beenden und Kurzstreckenflüge zu verbieten.[6]
- Unterschriftenaktionen, wie beispielsweise im Jahr 2019 für die Besteuerung von Kerosin.
- Protestaktionen in der Öffentlichkeit, wie Demonstrationen, Flashmobs, Red Line Actions.[7]
Von 12. bis 14. Juli 2019 fand die Stay-Grounded-Konferenz in Barcelona statt. Sie war dem Thema “Degrowth of Aviation” gewidmet. Zweimal jährlich organisieren die Aktivisten Vernetzungstreffen, wobei darauf geachtet wird, nicht mit dem Flugzeug anzureisen.
Mitglieder der Bewegung engagieren sich auch für das Konzept System Change, not Climate Change. Attac Deutschland ist beteiligt.[8] Namhafte Aktivistinnen der Bewegung sind Magdalena Heuwieser und Mira Kapfinger, beide in Wien ansässig, die gegen die Dritte Piste am Flughafen Schwechat kämpfen. Als Vorbilder der Bewegung gelten unter anderen vier Schweden, die Opernsängerin Malena Ernman, deren Tochter Greta Thunberg, die Umweltaktivistin Maja Rosén und der Sportmoderator Björn Ferry, ein früherer Weltcup- und Olympia-Sieger im Biathlon, die alle seit geraumer Zeit auf Flugreisen verzichten. Thunberg nutzte für ihre Atlantikquerung im Jahr 2019 die Hochsee-Segelyacht Malizia II.
Finanziell unterstützt wird die Bewegung von der Dreikönigsaktion, der Guerrilla Foundation und der Patagonia Foundation.
Weltweite Aktionswochen[Bearbeiten]
Von 30. September bis 14. Oktober 2018 veranstaltete Stay Grounded Aktionswochen mit zahlreichen Veranstaltungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, in Dänemark, Schweden, Großbritannien, Mexiko, Australien und auf den Philippinen.[9]
Zitat[Bearbeiten]
„Unser Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für Mobilität so zu verändern, dass Infrastrukturen für klimaschädlichen fossilen Transport nicht für die nächsten Jahrzehnte in Beton gegossen werden. Stattdessen setzen wir uns dafür ein, dass klimafreundlichere Transportmittel, insbesondere der Bahnverkehr, gestärkt werden.“
Kritik[Bearbeiten]
Insbesondere Fluglinien kritisieren die Bewegung Stay Grounded. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft hat beispielsweise im Internet ein Klimaschutz Portal eingerichtet. Betont wird seitens der Luftfahrtindustrie, dass laut IAE der Anteil der Luftfahrt an den weltweiten CO2-Emissionen nur 2,83% betrage, der Straßenverkehr hingegen 18,11% verursache.[10] Hingewiesen wird auch darauf, dass im Oktober 2016 die Mitgliedsstaaten der ICAO in Montreal mit großer Mehrheit ein globales CO2-Kompensations-System für den Luftverkehr beschlossen haben, Corsia, das Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation, mit dem die CO2-Emissionen des Luftverkehr in anderen Sektoren ausgeglichen werden sollen.[11]
Die Lufthansa verweist darauf, dass sie bereits einige Ultra-Kurzstrecken, die prozentuell besonders umweltbelastend sind, stillgelegt hat – beispielsweise die Strecken Frankfurt-Köln und Hamburg-Berlin.[12][13] Dagegen steht, dass die Strecken Wien-Graz (Luftlinie 145 km, angeboten von der Tochterfirma Austrian) und München-Nürnberg (Luftlinie 151 km) immer noch bedient werden.
Gegen die Kerosinbesteuerung argumentiert die Luftfahrtindustrie mit der Kernaussage, dass – im Gegensatz zum Straßenverkehr – die gesamte Infrastruktur wie Flughäfen bereits in voller Höhe von den Fluglinien und ihren Passagieren bezahlt würde.[6]
Siehe auch[Bearbeiten]
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ Notgemeinschaft der Flughafen-Anlieger Hamburg e.V.: Klimakiller Flugzeuge, Zur Umweltrelevanz des Luftverkehrs, 3. Abschnitt: Verkehrsmittel im Vergleich, abgerufen am 2. November 2019 (bei dieser Berechnung wird von einer durchschnittlich 60%igen Auslastung des Pkw ausgegangen)
- ↑ Der Standard (Wien): Klimaproteste halten Österreichs Politiker nicht von Inlandsflügen ab, Artikel von Nora Laufer, 14. Mai 2019
- ↑ Stay Grounded: Impacts of Aviation, abgerufen am 2. November 2019
- ↑ Stay Grounded: 13 Steps for a Just Transport System and for Rapidly Reducing Aviation, abgerufen am 2. November 2019
- ↑ System Change, not Climate Change!: Stay Grounded Netzwerk, abgerufen am 2. November 2019
- ↑ 6,0 6,1 Der Standard (Wien): Diese kurzen Flüge mögen wir auch nicht, Streitgespräch zwischen dem AUA-Chef Alexis von Hoensbroech und der Klimaaktivistin Mira Kapfinger, 26. Juni 2019
- ↑ 7,0 7,1 RiffReporter: Bleib am Boden, Daniela Becker im Gespräch mit den Initiatoren, abgerufen am 2. November 2019
- ↑ n-tv: Zug statt Billigflieger: Die Scham beim Fliegen, Beitrag von Sonja Gurris, 20. Januar 2019
- ↑ Stay Grounded: Counter Aviation, abgerufen am 2. November 2019
- ↑ Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft: KLIMAKILLER NR. 1?, abgerufen am 2. November 2019
- ↑ Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft: CORSIA: WELTWEIT EINZIGARTIGE CO2-KOMPENSATION, abgerufen am 2. November 2019
- ↑ DMM: Lufthansa-Chef: Lieber die Bahn auf Kurzstrecken, 21. Juni 2019
- ↑ Focus: Keine Lufthansa-Flüge mehr wegen ICE, 27. September 2007
Weblinks[Bearbeiten]
- Stay Grounded, offizielle Website der Bewegung
- Am Boden bleiben, Aufruf der Pinguine
- Guerilla Foundation, Beschreibung der Bewegung mit Fotos von Aktionen
- System Change, not Climate Change!, Kurzbeschreibung des Netzwerks
- Is the aviation industry free-riding on climate change efforts?, Beitrag auf France 24 (engl.)
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