Baubiologische Messtechnik
Baubiologische Messtechnik ist der Überbegriff für unterschiedliche Messverfahren, in denen physikalische, chemische und biogene Einflüsse und Umweltbelastungen in Innenräumen, die von Menschen ausgiebig genutzt werden, insbesondere im Wohnumfeld, mit wissenschaftlichen und reproduzierbaren Messtechniken ermittelt und nachgewiesen werden.
Allgemeine Beschreibung und Eingliederung in den Wissenschaften[Bearbeiten]
Belastungen und Erkrankungen können aufgrund von physikalischen Einflüssen, wie z. B. Schall oder Vibrationen, chemischen Belastungen, wie z. B. Schadstoffe oder das Raumklima, oder biogenen Einflüssen in Erscheinung treten. Um diese Belastungen zu erkennen und somit effektiv zu beseitigen wird die Baubiologische Messtechnik oder Umweltanalytik benötigt. Es handelt sich hierbei um verschiedenste Messverfahren, die zur Analytik des Wohn- oder Arbeitsumfeldes eingesetzt werden. Schadstoffe und andere Gefährdungen können so effektiv ermittelt werden.
Baubiologische Messtechnik in der Baubiologie (Erkennen, Bewerten, Beseitigen)[Bearbeiten]
Umweltbelastungen wirken sich auf das menschliche Leben aus. Besonders gefährlich für den eigenen Organismus ist dies in Kinder- und Schlafzimmern, den eigentlichen Ruhe- und Regenerationsräumen, Arbeitsplätzen und Langzeitaufenthaltsräumen. Physikalische Einflüsse (z. B. elektromagnetische Felder und Schall), Schadstoffe, Schimmelpilze, Bakterien und Allergene bilden die Hauptbelastungspunkte. Diese werden häufig hervorgerufen durch fehlerhafte oder veraltete Elektroinstallationen, die Abgabe chemischer Substanzen aus Baustoffen und Einrichtungsgegenständen, Immissionen (z. B. Verkehrslärm oder Abgase) und feuchtigkeitsbedingte Bauschäden.
Entwicklung und Geschichte[Bearbeiten]
Die Baubiologie, die Lehre des richtigen und gesunden Bauens, ist dem Menschen schon seit hunderten von Jahren bekannt. Im alten Rom hieß es zur Zeit Kaiser Augustus: „Ein Architekt muss die Theorie der Töne und ihre mathematischen Gesetze kennen und darf nicht unwissend sein in der Gesundheitslehre.“ Vitruv. Als Anfang des 19. Jahrhunderts die Industrialisierung begann, trat die Baukunst in den Hintergrund und die Architektur war auf schnelles Wachstum und zugunsten des großen Profits ausgerichtet.
Die Menschheit wird nun zunehmend den synthetisch erzeugten Baustoffen sensibilisiert und beginnt über die Zerstörung der Umwelt nachzudenken. Dadurch werden neue Wegen zum verantwortungsvollen Bauen und Wohnen gesucht. Die Grundlagen der Baubiologie entstanden. Anfang der 80er Jahre begann der Journalist, Autor und Baubiologe Wolfgang Maes auf Wunsch des Instituts für Baubiologie IBN, unterstützt von Ingenieuren, Chemikern Biologen und Medizinern, den Standard Baubiologischer Messtechnik SBM zu entwickeln, der 1992 erstmals veröffentlicht wurde. Die letzte Aktualisierung erfuhr dieser SBM in seiner 8. Ausgabe 2015.[1][2]
„Eigenschaften“ der Messtechnik (Reproduktion, Nachvollziehbarkeit, Überprüfung im Zweifelsfall)[Bearbeiten]
Wenn der Verdacht besteht, dass die Gesundheit beeinträchtigt wird, dann sollte dieser identifiziert und quantifiziert werden. Danach wird eine Bewertung durchgeführt und eine Sanierungsempfehlung erstellt. Auch können die Ergebnisse vorhergegangener Untersuchungen abgesichert werden. Ebenso lässt sich der Erfolg einer Sanierung durch eine Messung bestätigen oder zeigt auf, wo noch Probleme vorliegen.
Ob und in welchem Umfang Raumluft-, Material- und Trinkwasseranalysen, labortechnische Untersuchungen der Bausubstanz oder weitere Analysen notwendig sind, wird in einem ersten Ortstermin erörtert. Manchmal reichen schon ein paar Blicke eines baubiologischen Messtechnikers aus, um einen Überblick über Art und Umfang möglicher Schadstoffbelastungen zu beurteilen oder gesundheitliche Beschwerden zu erklären, so erfolgen meist Materialanalysen, Raumluftmessungen oder weitere Analysen.
In der baubiologischen Messtechnik müssen alle Ergebnisse bei gleichen Bedingungen reproduzierbar sein. Auch müssen sie von anderen Sachverständigen und Umweltmesstechnikern nachvollzogen und im Zweifelsfall überprüft werden können. Dadurch wird eine falsche Sanierung ausgeschlossen und bringt den optimalen Erfolg. Nachdem die Messungen durchgeführt wurden gilt es nun diese zu analysieren und zu bewerten. Danach kann entschieden werden, wie die folgende Sanierung aussehen wird.
Verschiedene Analyseverfahren[Bearbeiten]
Sichtbarer Schimmelpilzbefall, nasse Stellen oder Gerüche können erste Anzeichen geben und einen Verdacht begründen. Bestimmte gesundheitliche Symptome, die nur in belasteten Räumen auftreten können ein Indiz sein. Für die Analysen z. B. für die Erkennung und Beurteilung eines Schimmelpilzes werden gewisse Vorkenntnisse benötigt: die Identifizierung der Arten und das Wissen über die ökologischen Bedingungen einzelner Schimmelpilze und deren Indikatorfunktion.
Analyse der Raumluft (Kurzzeit-, Langzeitmessverfahren, Schnelltests)[Bearbeiten]
Eine Analyse der Raumluft gibt erste Anzeichen für den Verdacht aus Schadstoffe und kann auch verwendet werden, um den Erfolg einer Sanierung zu kontrollieren. Sie sind in der Regel notwendig, um die Sanierungsdringlichkeit und das Gefährdungspotenzial zu ermitteln. Mithilfe von Kurz- und Langzeitmessverfahren oder Schnelltests lassen sich Raumluftbeeinträchtigungen ermitteln. Raumluftbeeinträchtigungen sind z. B. PCP (Pentachlorphenol), Lindan, DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan), Dioxine und Furane, Formaldehyd, VOC (flüchtige organische Verbindungen), Asbest, Schimmelpilze etc.
Die Konzentrationen von Asbestfasern in der Luft, vor und nach der Sanierung, können mithilfe von speziell ausgerüsteten Lichtmikroskopen oder Rasterelektronenmikroskope gemessen werden. Schimmelpilze bzw. mikrobielle Kontaminationen lassen sich relativ leicht erkennen und bewerten, wenn das Wachstum dieser sichtbar ist. Hier werden Materialuntersuchungen durchgeführt, d. h. Es wird eine Probe entnommen und diese analysiert. Auch können bei verdeckten Schimmelpilzen Luftuntersuchungen durchgeführt werden. Sie helfen außerdem eine erste Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Diese sind dann auch noch hilfreich bei der Bestimmung des allgemeinen hygienischen Status des Wohnumfeldes.
Hausstaubprobennahme und Analytik[Bearbeiten]
Hausstaubuntersuchungen eignen sich dafür potenzielle Belastungen abzuschätzen. Mit diesem Verfahren können größere Bereiche mit wenigen Proben überprüft werden. Mittel- bis schwerflüchtige organische Verbindungen setzen sich im Hausstaub ab und lassen sich so erkennen. Des Weiteren sind Schwermetalle wie Blei, Cadmium, Thallium und Zinn ebenso im Hausstaub enthalten wie Arsen. Da Hausstaub außerdem ein Magnet/eine Senke für Schimmelpilze ist, lassen sich auch diese messen. Jedoch besteht dabei das Problem, dass die Schimmelpilze unterschiedlich lange im Hausstaub leben können und so die Bewertung der Arten mithilfe von Kultivierungsmethoden schwerer ist.
Eine Hausstaubuntersuchung kann nur Hinweise auf Belastungen geben und als Ergänzung zur Raumluftanalyse dienen, da sie die Belastung über einen längeren Zeitraum widerspiegelt. Jedoch reichen die Ergebnisse nicht aus, um eine genaue Risikobeurteilung zu verfassen.
Analyse der verwendeten Materialien[Bearbeiten]
Zu den gefährlichen Substanzen gehören unter anderem: PCP-Gemische, Bitumen, Teer, Formaldehyd, anorganische Stoffe wie Blei, Kupfer und Quecksilber, Asbest etc. Bei der Analyse der verwendeten Materialien werden außer den Messinstrumenten auch einige Kenntnisse über die gesundheitsgefährdenden Baustoffe verschiedener Zeiten benötigt, die auch helfen das Gefahrenpotenzial einzuordnen. Einige der heute bekannten Schadstoffe wurden nur über einen gewissen Zeitraum in Bauten eingesetzt und ab einem bestimmten Jahr verboten. Diese Jahreszahlen der häufigsten Schadstoffe sind in verschiedenen Tabellen zusammengestellt. Z. B. wird Spritzasbest ab 1979 verboten und PCB Anstriche oder Dichtmassen ab 1948. Das Verbot von PCP in der offenen Anwendung gilt ab dem Jahr 1978.
Trinkwasseranalyse[Bearbeiten]
Die Haltbarkeit von Trinkwasser ist begrenzt und wird durch Einflüsse wie häufiges Erwärmen noch weiter reduziert, was eine Keimverminderung verhindert und eine größere Kontamination von Legionellen hervorruft. Weiterhin kann das Trinkwasser mit Blei oder Bakterien kontaminiert sein.
Wie auch bei der Analyse der Raumluft, der Hausstaubanalytik und der Analyse der verwendeten Materialien gibt es verschiedene Verfahren, um den Gehalt und das Gefährdungspotenzial zu ermitteln. Bei der Legionellenuntersuchung werden die KBE (koloniebildende Einheiten) pro 100 ml gemessen und gibt so Vergleichswerte, die mithilfe von Tabellen die Größe der Kontamination beschreiben.
Bei Kontamination mit Schwermetallen gilt die „Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch“ (Trinkwasserverordnung – TrinkwV 2001).
Messfehler und deren Ursachen[Bearbeiten]
Wie bei fast allen Messungen können auch in der baubiologischen Messtechnik Fehler auftreten, die häufigsten Gründe dafür sind fehlerhafte Geräte und das inkorrekte Bedienen dieser Geräte durch Personen.
Messfehler der Geräte[Bearbeiten]
Wird ein Gerät oft gebraucht und ist verschiedenen Bedingungen ausgesetzt, wie z. B. Staub, Temperaturschwankungen, Transport usw., so muss das Gerät nachjustiert oder ggf. ausgetauscht werden. Um Fehlern vorzubeugen sollten die Geräte regelmäßig überprüft werden, idealerweise im Rahmen von Ringversuchen, welche durch den Berufsverband deutscher Baubiologen VDB e.V. eingeleitet werde. Hinzu kommt, dass durch die Führung eines Messgerätehandbuches die Wartung und Kalibrierung festgehalten werden kann.
Messfehler durch Personen[Bearbeiten]
Die Einstellungen am Gerät und die Handhabung dieses kann ebenso ein Fehlergrund sein, wie Fehler am Gerät selbst. Daher nehmen baubiologische Messtechniker Weiterbildungen und Ringversuchen teil, um den persönlichen Messfehler besser kennenzulernen und besser einschätzen zu lernen und somit die Reproduzierbarkeit des Messergebnisses zu optimieren.
Do-it-yourself-Tests und Spezialistenmessungen[Bearbeiten]
Es werden stetig neue Messgeräte für die Erweiterung und Verbesserung der Nachweismöglichkeiten in der Umweltanalytik entwickelt. Auf dem Markt sind verschiedene „Do-it-yourself“-Testverfahren erhältlich, die zwar nicht unbedingt Menge und Grad der Problematik anzeigen, jedoch einen ersten Verdacht auf Schadstoffe oder Schimmelpilze geben. Diese Tests können zwar nicht immer klare Antworten geben, aber sind auf jeden Fall Indikatoren und rufen bei einem positiven Ergebnis dazu auf, einen baubiologischen Fachmann hinzuzuziehen.
Bewertung und Auswertung der Ergebnisse[Bearbeiten]
Die Bewertung und Einschätzung des Gefahrenpotenzials und die damit verbundenen folgenden Maßnahmen sind an einigen Maßstäben und Empfehlungen angelehnt. Die Vorsorgewerte des Standards der baubiologischen Messtechnik SBM 2008, die Empfehlungen der AGÖF oder die des Umweltbundesamtes sind beispielsweise zu nennen. Jedoch sollte man immer das individuell Machbare unternehmen, um den Schaden zu reduzieren und um weiteren vorzubeugen.
Konsequenzen und Maßnahmen[Bearbeiten]
Es gibt vorläufige und langfristige Maßnahmen. Zu den Vorläufigen zählen unter anderem Maßnahmen wie Lüften oder Trocknen. Langfristigen Erfolg, und damit die Befreiung von negativen Einflüssen und Belastungen im Wohnumfeld zu erreichen, erhält man meist nur durch eine konsequente Entfernung der Belastung. Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten wird er Erfolg durch Freimessungen überprüft und mit der Bestandsaufnahme verglichen. Hierbei werden die Räume nochmals auf die vorher bestehenden Schadstoffe und Belastungen überprüft. Sind die natürlichen Verhältnisse weitestgehend wieder hergestellt kann die Sanierung als erfolgreich und endgültig abgeschlossen dokumentiert werden.
Siehe auch[Bearbeiten]
- Leistungs(fluß)dichte S in der Baubiologie (Belastung mit HF-Strahlung)
- Berufsverband Deutscher Baubiologen
- Gebäudeschadstoffe
- Fachverband Gebäudeschadstoffe
Literatur[Bearbeiten]
- Martin H. Virnich: Baubiologische EMF-Messtechnik, Grundlagen der Feldtheorie, Praxis der Feldmesstechnik, Hüthig & Pflaum-Verlag, München/Heidelberg, 2012, ISBN 978-3-8101-0328-4
- Gesamtverband Schadstoffsanierung GbR (Hrsg.): Schadstoffe in Innenräumen und an Gebäuden, Rudolf Müller, ISBN 978-3-481-02501-4
- Berufsverband Deutscher Baubiologen VDB e.V.: VDB-Richtlinien Band 1 und 2, AnBUS e.V., ISBN 3-9808428-6-X, ISBN 3-9808428-7-8
- Schauer, Martin, Virnich, Martin H.: Baubiologische Elektrotechnik, Hüthig & Pflaum, ISBN 978-3-8101-0275-1
- Zülsdorff, Martin: Biologische Bauweise, Bechtermünz, ISBN 3-86047-065-5
- Volkenant, Wolff, Trauthwein, Goldmann: Gesund bauen und wohnen, Haufe, ISBN 978-3-448-08791-8
- Verbraucherzentrale NRW: Gesund wohnen – Schadstoffe beseitigen, ISBN 978-3-938174-19-7
- König, Holger: Wege zum Gesunden Bauen, ökobuch, ISBN 3-922964-16-8
- Kur, Friedrich: Wohngifte, Eichborn., ISBN 3-8218-0999-X
Weblinks[Bearbeiten]
- Berufsverband Deutscher Baubiologen e.V.
- Baubiologische Messtechnik / Hausuntersuchung und Schadstoffanalyse
- Verband Baubiologie e.V.
- Gesundes Bauen und Wohnen
- Die technische Bauhygiene
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ Wolfgang Maes: STANDARD der baubiologischen Messtechnik Vortrag von Wolfgang Maes, Sachverständiger für Baubiologie / Journalist DJV. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Referat. Archiviert vom Original am 18. März 2016; abgerufen am 8. Oktober 2017. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Wolfgang Maes: STANDARD DER BAUBIOLOGISCHEN MESSTECHNIK SBM-2015. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Referat. Archiviert vom Original am 21. März 2016; abgerufen am 8. Oktober 2017. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
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