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Proletarischer Bonapartismus

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Der Proletarische Bonapartismus ist ein zentrales Theorem des pablistischen Politikers Ted Grant. Erstmals ausformuliert in seinem 1949 erschienen Aufsatz The Chinese Revolution wird sie von Grant und seinen Anhängern als Weiterentwicklung der von Leo Trotzki begründeten Theorie der Permanenten Revolution sowie dessen politischer Analyse der Sowjetunion verstanden.

Ursprung[Bearbeiten]

Die grundlegende Frage innerhalb der Vierten Internationale nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die politische Einschätzung der Weltlage sowie der Klassencharakter der stalinistischen Staaten in Osteuropa. Im Jahr 1951 charakterisierte der dritte Weltkongress der Vierten Internationale die osteuropäischen Länder, welche unter dem Diktat der Sowjetunion geschaffen wurden, als auch China und Yugoslawien als deformierte Arbeiterstaaten.[1] Mit dieser Definition sollte der Widerspruch zwischen Ökonomie und Soziologie der Pufferstaaten ausgedrückt werden. Nach marxistischer Doktrin sind Arbeiterstaaten das Ergebnis einer proletarischen, d.h. einer Arbeiterrevolution. Die kleinbürgerliche Bauernschaft hingegen ist aufgrund ihrer spezifischen Stellung in der Gesellschaft und im Produktionsprozess des Kapitalismus organisch unfähig, den Sozialismus zu errichten. Stattdessen stürzt die Arbeiterklasse die herrschende Bourgeoisie, zerschlägt den bürgerlichen Staat und errichtet eine revolutionäre Arbeiterregierung, welche den Aufbau des Sozialismus auf der Grundlage eines neuen – proletarischen – Staats mit Unterstützung der Bauernschaft organisiert. Die Klassifizierung jener Länder als deformierte Arbeiterstaaten bedeutete, dass diese Staaten oberflächliche Gemeinsamkeiten mit der Sowjetunion aufwiesen, die verstaatlichten Eigentumsverhältnisse jedoch nicht das Ergebnis der unabhängigen Rolle der Arbeiterklasse und einer proletarischen Revolution waren – wie dies in der russischen Oktoberrevolution von 1917 der Fall war – sondern Produkt der militärischen Okkupation durch den Stalinismus. Länder wie die DDR waren demnach keine Arbeiterstaaten im marxistischen Sinne, womit ebenso die gewaltsame Niederschlagung des Aufstands vom 17. Juni 1953 erklärt werden kann.

Im November 1953 spaltete sich die Vierte Internationale über die Frage der deformierten Arbeiterstaaten und der politischen Rolle des Stalinismus. Das Internationale Sekretariat der Vierten Internationale (ISFI) um Michel Pablo und Ernest Mandel vertrat die Ansicht, dass die realsozialistischen Länder einen alternativen Weg zum Sozialismus bedeuteten, in denen die stalinistische Bürokratie unter dem Druck der Massen gezwungen sein würde, schrittweise und über einen Jahrhunderte währenden Prozess hinweg den Sozialismus zu errichten. Somit wurde dem Stalinismus eine potentiell progressive Rolle zugeschrieben. Damit verbunden war eine politische Unterordnung der Vierten Internationale unter stalinistische und sozialdemokratische Parteien. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) um James P. Cannon und Gerry Healy hingegen beharrte auf dem konterrevolutionären Wesen des Stalinismus, der eine »kleinbürgerliche Agentur des Imperialismus im sowjetischen Arbeiterstaat« (Trotzki) sei, und orientierte weiterhin auf einen revolutionären Umsturz der stalinistischen Diktatur durch die Arbeiterklasse, wozu der fortschreitende Aufbau der Vierten Internationale als unabhängiger Weltpartei notwendig sei. Die Anhänger des IKVI werden daher orthodoxe Trotzkisten genannt.[2]

Die sozioökonomische Analyse der stalinistischen Regimes war schlussendlich verbunden mit der politischen Perspektive. Ted Grant – welcher in den 1940er Jahren zeitweise staatskapitalistische Positionen vertrat, 1949 aus der Vierten Internationale ausgeschlossen, 1956 jedoch Mitglied der britischen Sektion des pablistischen Internationalen Sekretariats wurde – entwickelte daraufhin eine Kritik der Positionen der Vierten Internationale.

Inhalt[Bearbeiten]

Die verstaatlichten Eigentumsverhältnisse in den rückständigen Ländern bilden das zentrale Element für die Begründung des Proletarischen Bonapartismus. Die historisch bedingte Schwäche der nationalen Bourgeoisie in den kolonialen und halb-kolonialen Kontinenten (Asien, Afrika und Lateinamerika) in Kombination mit den veränderten Kräfteverhältnissen auf Weltebene, die durch eine Stärkung des Stalinismus auf Kosten des imperialistischen Westens nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einher gehe, führe die Bauernschaft zum Sturz der nationalen Bourgeoisie und zur Errichtung einer Planwirtschaft - eine Aufgabe, die marxistisch gesehen dem Proletariat zufalle. Am Beispiel der Chinesischen Revolution von 1949 erläutert Ted Grant:

„So wie der bürgerliche Bonapartismus, der zwischen den Klassen manövriert, dennoch letztlich die Grundlage der kapitalistischen Gesellschaft verteidigt, so stützt sich der proletarische Bonapartismus letztlich auf die durch die Revolution geschaffene Basis: die verstaatlichte Wirtschaft. Die chinesische Revolution löste all jene Probleme, zu deren Lösung die bürgerliche Gesellschaft nicht fähig war. Die drei Jahrzehnte der Herrschaft von Chiang Kai-Shek, dem bonapartistischen Vertreter des Finanzkapitals, offenbarten die völlige Unfähigkeit der Bourgeoisie, China zu vereinigen, die Agrarrevolution durchzusetzen, den Imperialismus zu stürzen. Sie konnte nur eine neue Periode des Verfalls der chinesischen Gesellschaft einleiten. Das war es, was der Führung der Bauernarmeen den Anstoß gab, die Bourgeoisie zu stürzen und mit dem Vorbild Russlands im Rücken einen Staat nach stalinistischem Vorbild zu errichten.“

Ted Grant: The Colonial Revolution and the Sino-Soviet Split. In: The Unbroken Thread (Fortress Books, 1989), S. 307f.

Dieser Auffassung entsprechend können nicht-proletarische Klassen wie die Bauernschaft unter der Führung des Stalinismus, welcher eine indirekte Vertreterin des Proletariats sei, Revolution gegen den Kapitalismus durchführen. Die Herstellung demokratischer Verhältnisse hingegen könne nur durch die Arbeiterklasse erreicht werden, welche die bonapartistische Herrschaft schlussendlich stürzen werde. Die Revolution in China beginne also mit einer bonapartistischen Deformation aufgrund der besonderen nationalen und internationalen gesellschaftlichen Umständen einerseits, sowie der Kommunistischen Partei, welche versuche, zwischen der Arbeiterklasse und Bauernschaft zu manövrieren. Die Kommunistische Partei verlagere schrittweise ihre soziale Basis von der Bauernschaft auf das Proletariat. Somit entstehe ein Regime des Proletarischen Bonapartismus. Dieses entwickle die Produktivkräfte und sei daher – trotz der stalinistischen Unterdrückung – ein fortschrittliches Gebilde, welches Kraft der Ereignisse in der Revolution gegen die Bürokratie führen werde:

„Das Machtpotential des Proletariats sowohl in den deformierten Arbeiterstaaten auf der einen Seite als auch in den kapitalistischen Ländern auf der anderen Seite hat nie einen größeren Umfang erreicht als in der gegenwärtigen Epoche. (...) In der Sowjetunion und im Osten wird die weitere Entwicklung der Produktivkräfte zunehmend mit dem Würgegriff der bürokratischen Kontrolle kollidieren. Die Bürokratie wird mehr und mehr unvereinbar mit der Entwicklung der Gesellschaft. Eine neue Periode der sozialen Revolution im Westen und der politischen Revolution im Osten wird sich auftun.“

Ted Grant: The Colonial Revolution and the Sino-Soviet Dispute. In: The Unbroken Thread (Fortress Books, 1989), S. 314

Kritik[Bearbeiten]

Im marxistischen Sinne beschreibt Bonapartismus die politische Entwicklung der Französischen Revolution. Am 9. Thermidor 1794 wurde der Revolutionsführer Maximilien de Robespierre durch die konservativeren Jakobiner gestürzt, welche sich auf die besitzenden Schichten des dritten Standes stützten. Am 18. Brumaire 1799 ergriff Napoleon Bonaparte mit einem Staatsstreich im Namen der wohlhabendsten Schichten der französischen Bourgeoisie die Macht. Dieser politische Rückschritt stellte jedoch die vorangegangenen, revolutionären Veränderungen der Eigentumsverhältnisse – Sturz des Feudalismus und Errichtung bürgerlicher Besitzverhältnisse – nicht in Frage und bewahrte somit einen gewissen progressiven Inhalt. Leo Trotzki zog einen historischen Vergleich zwischen der Französischen Revolution von 1789 bis 1799 und der Russischen Revolution von 1917 bis 1924. Er charakterisierte den Stalinismus als bonapartistische Diktatur, betonte allerdings den fundamentalen Unterschied zur Machtergreifung Napoleon Bonapartes:

„Beide Revolutionen haben dem Feudalismus und der Leibeigenschaft ein Ende gemacht. Aber die eine kam in Gestalt ihres extremsten Flügels nicht über vergebliche Bemühungen hinaus, die Grenzen der bürgerlichen Gesellschaft zu durchbrechen, und die andere stürzte wirklich die Bourgeoisie und schuf einen Arbeiterstaat. Dieser grundlegende Klassenunterschied markiert die materielle Grenze der Analogie und ist für die Prognose von entscheidender Bedeutung.

Nach einer tiefgreifenden demokratischen Revolution, die die Bauern von der Leibeigenschaft befreit und den Boden an sie verteilt, ist eine feudale Konterrevolution im allgemeinen unmöglich. Die gestürzte Monarchie kann wieder an die Macht kommen und sich mit mittelalterlichen Gespenstern umgeben. Aber sie hat nicht mehr die Kraft, die Feudalwirtschaft wiederherzustellen. Haben die bürgerlichen Verhältnisse einmal die feudalen Fesseln abgestreift, entwickeln sie sich automatisch. Keine äußere Macht vermag sie aufzuhalten; sie müssen sich selbst noch das Grab schaufeln, nachdem sie ihren Totengräber schon hervorgebracht haben.

Ganz anders steht es mit der Entwicklung der sozialistischen Verhältnisse. Die proletarische Revolution befreit nicht nur die Produktivkräfte von den Fesseln des Privateigentums, sondern übergibt sie auch der unmittelbaren Verfügungsgewalt des von ihr geschaffenen Staats. Begnügt sich der bürgerliche Staat nach der Revolution mit einer bloß polizeilichen Funktion, während er den Markt dessen eigenen Gesetzen überläßt, so tritt der Arbeiterstaat direkt in der Rolle des Wirtschafts-Organisators auf. Die Ablösung eines politischen Regimes durch ein anderes hat auf die Marktwirtschaft nur indirekten und oberflächlichen Einfluß. Die Ablösung einer Arbeiterregierung durch eine bürgerliche oder kleinbürgerliche würde hingegen unvermeidlich die Beseitigung des Prinzips der Planung und in der Folge auch die Wiederherstellung des Privateigentums nach sich ziehen.“

Leo Trotzki: Arbeiterstaat, Thermidor und Bonapartismus

Die Widerherstellung der feudalen Eigentumsverhältnisse ist im Kapitalismus aufgrund seiner objektiven Entwicklungstendenzen unmöglich, da sich die Produktivkräfte im Kapitalismus unbewusst entwickeln. Im grundlegenden Unterschied dazu entwickle sich der Sozialismus nicht automatisch, sondern könne von der Arbeiterklasse nur mit vollen Bewusstsein geschaffen werden. Die stalinistische Bürokratie der Sowjetunion verteidige die 1917 geschaffenen Eigentumsverhältnisse nur insofern, wie sie ihr eigenes materielles Überleben sichern. Da der Stalinismus kein proletarische, sondern eine kleinbürgerliche Tendenz darstelle, arbeite er objektiv an der Widerherstellung der kapitalistischen Verhältnisse. Er unterdrücke die Schaffung von sozialistischen Arbeiterstaaten in aller Welt, welche die privilegierte Stellung der Bürokratie untergraben würde. Das Wesen des Stalinismus ist demnach nicht progressiv, sondern konterrevolutionär.[3]

Ted Grant geht im Gegenzug davon aus, dass klassenfremde Elemente wie die kleinbürgerliche Bauernschaft und der Stalinismus unter dem Druck der proletarischen Massen dazu gezwungen sein würden, politisch immer radikalere Maßnahmen im Interesse der Arbeiterklasse zu ergreifen, aus Angst vor einer politischen Revolution. Diese Modifikation[4] der Permanenten Revolution wird von Kritikern als Variante des pablistischen Revisionismus bezeichnet, wie sie im Internationalen Sekretariat (ISFI) unter Michal Pablo und Ernest Mandel vertreten wurde. Proletarischer Bonapartismus sei der Versuch, den deformierten Arbeiterstaaten einen proletarischen und progressiven Charakter zu verleihen, da ihre ökonomische Grundlage die Verstaatlichung der Wirtschaft sei:

„Für Grant - wie für alle Pablisten - war der Stalinismus an der Macht gleichbedeutend mit einem Arbeiterstaat. Sie verliehen dem Stalinismus damit eine im Wesentlichen permanente revolutionäre Mission. Das einzige Problem, das sie dabei anerkannten, war das Fehlen einer wirklichen Arbeiterdemokratie, nicht jedoch die Gefahr von Konterrevolution oder kapitalistischer Restauration verursacht durch die Bürokratie. Grant wandte die gleiche Logik auf Jugoslawien unter Tito und auf China unter Mao an. In der Folge entwickelte er die Theorie, dass diese und viele andere Länder - darunter Kuba, Burma, Syrien, Kambodscha, Vietnam, Angola, Mozambique und Äthiopien - Beispiele des "proletarischen Bonapartismus" seien. Er hielt sie für fähig, die Produktivkräfte dieser Länder zu entwickeln, deshalb galten sie ihm als progressiv.“

Ann Talbot: Ted Grant (1913 – 2006). Veröffentlicht am 19. Oktober 2006 auf der World Socialist Website

Weitere Kritiken unterstreichen eine Irreführung in der Begrifflichkeit des Proletarischen Bonapartismus. Dieser Terminus suggeriere, dass der Bonapartismus nicht bloß seiner äußerlichen Form entsprechend, sondern im inneren Kern eine proletarischen Politik vermittle. Ted Grant begehe damit in seiner Analyse der osteuropäischen Pufferstaaten einen begrifflichen Irrtum:

„Der proletarische Charakter des stalinistischen Bonapartismus ergäbe sich daraus, daß die Arbeiter erstens wesentlich zu seinem Triumph beigetragen hätten, und zweitens, daß die neuen, rein stalinistischen Regierungen die Bourgeoisie enteigneten. (...) Daran ist zweierlei falsch. Erstens ist der Begriff des proletarischen Bonapartismus ein völlig irreführender. Für Trotzki war die stalinistische Bürokratie v.a. eine bürgerliche (imperialistische) Agentur auf dem Boden des Arbeiterstaats. Der Begriff des "stalinistischen" oder "Sowjet"-Bonapartismus wird von Trotzki eben nicht als "proletarischer" Bonapartismus, sondern als Charakterisierung des Regimes nach dem Vollzug des Therimodor, der politischen Konterrevolution in der UdSSR verwendet. (...) Zweitens setzen auch weitreichende Verstaatlichungen noch nicht die kapitalistischen Bewegungsgesetze außer Kraft. Schon Engels hatte klar gemacht, daß verstaatlichtes Eigentum nicht seinen kapitalistischen Charakter verliert, solange es der Mehrwertproduktion dient.“

Marcus Gassner und Fritz Haller: Die Grant-Tradition und der Stalinismus. Veröffentlicht auf www.arbeitermacht.de

Organisationen[Bearbeiten]

Aktuell berufen sich vier internationale Dachorganisationen auf die Theorie des Proletarischen Bonapartismus und die politischen Lehren von Ted Grant:

Literatur[Bearbeiten]

  • Ted Grant:From Revolution to Counter-Revolution. [Erstausgabe 1997]. Wellred 2017. ISBN 978-1-90000772-6

Quellen[Bearbeiten]

  1. Fourth International: Resolutions of the Third World Congress: The Class Nature of Eastern Europe. In: www.marxists.org/. 1951, abgerufen am 6. Januar 2021 (english).
  2. James P. Cannon: Der Offene Brief der Socialist Workers Party vom 16. November 1953. In: World Socialist Website. 16. November 1953, abgerufen am 7. Januar 2021.
  3. Leo Trotzki: Verratene Revolution. Was ist die Sowjetunion und wohin treibt sie? Hrsg.: Internationales Komitee der Vierten Internationale. 3. Auflage. Mehring Verlag, Essen 2009, ISBN 978-3-88634-105-4, S. 269 ff.
  4. Der Funke: Zum Klassencharakter der venezolanischen Revolution. Abgerufen am 7. Januar 2021.


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