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Thomas-Mann-Syndrom

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Das Thomas-Mann-Syndrom meint eine paradoxe Verhaltensweise bei internationalen Begegnungen. Dabei werden auf der einen Seite große Offenheit und entschlossene Verständigungsbereitschaft gezeigt, auf der anderen Seite treten eine Starrheit und Überkompensation bezüglich eigener nationaler Vorurteile auf. Der Begriff wurde durch den Sozialpädagogen Burkhard Müller geprägt. Es ist ein Phänomen der kognitiven Dissonanz und insofern ein Pseudosyndrom.

Ursachen[Bearbeiten]

Das Phänomen kann beobachtet werden, wenn Deutsche im Austausch mit Personen anderer Nationalität stehen und dabei über Verhältnisse im eigenen Land, wie z.B. Politik, Migration, Kultur oder nationale Geschichte geredet wird. Laut Müller versuchen Deutsche tendenziell dabei, übertrieben auf die anderen Personen einzugehen, sich also offen zu zeigen, und gleichzeitig historisch negativ belegte Ereignisse wie die zwei Weltkriege, Nationalsozialismus und den Holocaust als schändliche Taten der Vergangenheit zu kennzeichnen. Eine selbstkritische Darstellung der historischen Vorkommnisse sei nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland etabliert worden. Es bestehe ein breiter Konsens, wie über die Vergangenheit gedacht wird, sodass die Bewertung dieser Vergangenheit eindeutig wirkt. Werde in der internationalen Kommunikation auf die Vergangenheit negativ oder ambivalent reagiert, dann wird durch deutsche Teilnehmer versucht, sich persönlich von der Vergangenheit abzugrenzen, um nicht den vermeintlichen Vorurteilen von Deutschen zu entsprechen. Das Paradoxe dabei sei, dass je internationalistischer, vorurteilsloser, weltoffener solche deutschen Teilnehmer sich geben, desto eher würden sie für „typisch" Deutsche gehalten. Sie verhielten sich so, als hätten sie selbst mit dem, was für die anderen „deutsch" heißt, persönlich nichts zu tun. Es wirke, als sei ihre Aufgabe die neutrale Vermittlung von internationaler Verständigung. Sie nähmen gleichsam eine kritische Haltung zu ihrer eigenen Nationalität ein und gerade so erscheinen sie den anderen als „typisch deutsch": Musterschüler, Musterdemokraten, Vertreter musterhafter Verständigung. Es komme der Verdacht auf, dass hier die deutsche Geschichte und der Wandel zum demokratischen Deutschland überkompensiert wird, wodurch wirkliche Weltoffenheit von Deutschen verhindert werde. Müller schlussfolgert:

„Versucht man, nationale Klischees, die auf dieser kollektiv unbewußten Ebene bestehen, zu formulieren, so könnte man sagen: die deutschen Reaktionen seien überdeterminiert von der kollektiven Phantasie, >gute Menschen< sein zu sollen.“

Überspitzt zieht er folgendes Fazit:

„Sie verhalten sich, als wollten sie nicht nur im Fußball, sondern auch in der Disziplin interkultureller Verständigung Weltmeister werden. Und genau damit stehen sie sich selbst im Wege.“

Begriffswahl[Bearbeiten]

Dass das Phänomen nach Thomas Mann benannt wurde, hängt mit der Veränderung dessen Vorstellungen zusammen. Er hat im Laufe seines Lebens zunächst eine deutsch-nationalistische Haltung vertreten und später eine weltoffenere. In Betrachtungen eines Unpolitischen befürwortet er den 1. Weltkrieg und äußert Gedanken, die die vermeintliche Besonderheit eines Deutschtums herauszustellen sollen. Später revidiert er seine Haltung und vor dem Hintergrund dieses Wandels sei Thomas Mann laut Burkhard Müller der erste

„exemplarische >gute Deutsche<, der endlich vom Dünkel deutscher Besonderheit Abstand genommen hat, der Kultur und Politik nicht mehr in getrennte Sphären zerlegt, der weiß, daß [sic!] Deutschland nur als Teil einer Weltzivilisation weiterbestehen kann.“

Hintergrund[Bearbeiten]

Das Deutsch-Französische Jugendwerk versucht, die Beziehungen zwischen jungen Menschen in Deutschland und Frankreich zu intensivieren, das gegenseitige Verständnis zu vertiefen und ihnen die Kultur des Nachbarlandes näherzubringen. Burkhard Müller hat diese Versuche in Form von Austauschprogrammen begleitet und untersucht. Die Beschreibung des Thomas-Mann-Syndroms bei deutschen Kommunikations- und Austauschpartnern resultierte auf der Grundlage seiner mehrjährigen Beobachtungen von internationalen Austauschprogrammen. Er behauptet, diese Verhaltensweise trete aufgrund historischer und kultureller Prägungen vorwiegend bei deutschen Teilnehmern auf.

Literatur[Bearbeiten]

Burkhard Müller (Sozialpädagoge): Das Thomas-Mann-Syndrom oder: Die Wiederentdeckung der Vorurteile - Ein Versuch aus deutscher Sicht. (Universität Hildesheim, 1992).


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