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H63D-Syndrom

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Das H63D-Syndrom ist ein sehr seltener klinischer Phänotyp, der auf einer homozygoten H63D-Mutation des HFE-Gens basiert. Diese Mutation ist mit diversen Krankheitsbildern assoziiert, das H63D-Syndrom ist jedoch bislang die einzig bekannte, spezifische Ausprägung einer homozygoten HFE-H63D-Mutation.

ICD-10 Code E83.1

Epidemiologie[Bearbeiten]

Die homozygote HFE-H63D-Mutation ist lediglich in 6,7 % ihrer Träger die Ursache einer klassischen und behandelbaren Hämochromatose.[1]

Das H63D-Syndrom ist davon unabhängig eine eigenständige Entität, die Inzidenz bei homozygoten Trägern der H63D-Mutation liegt bei rund 10 %.[2]

Pathomechanismus[Bearbeiten]

Idealtypisch fällt labormedizinisch eine zu hohe Transferrinsättigung auf Grundlage eines relativen Mangels an Transferrin auf. Der Transferrinwert ist prä- und postprandial stabil. Der Körper reagiert also auf eine nutritive Eisenzufuhr nicht mit einer Bereitstellung von mehr Transferrin. Dadurch kann freies Eisen vom Typ NTBI (labiler Eisenpool) in verschiedene Parenchymgewebe eindringen und dort degenerative Veränderungen durch Oxidationskaskaden triggern. Von der Eisenüberladung sind vor allem Nervenzellen in der Substantia nigra und in den Basalganglien betroffen. Hier kommt es zu einer langsam progressiven Degeneration. Hinzu kommt bei vielen H63D-Syndrom-Patienten eine unspezifische Aktivierung des unspezifischen Immunsystems, was zusätzlich zu spontan auftretenden, passageren Autoimmunreaktionen variabler Art und Schwere führen kann.

Symptome[Bearbeiten]

Zu den häufigsten Anzeichen eines H63D-Syndroms gehören:

Neurologische Symptome, variable motorische Störungen, im späten Verlauf ggf. auch Parkinson-Symptome, Posturale Instabilität analog zur Parkinson-Erkrankung, Narkolepsie, oft mit Kataplexie – bei bereits erfolgter Manifestation eines degenerativen und irreversiblen Hirnschadens, Denkstörungen (oft hochgradig und meist primär obsessiver Natur, vereinbar mit Dysfunktionen der Basalganglien. Sie werden oft – vor allem in der Frühphase der Erkrankung – im Sinne einer Fehldiagnose als "seelisches Leiden" verkannt. Stehen Denkstörungen im Vordergrund, verzögert sich daher häufig eine rechtzeitige Diagnosestellung), Tic-Störungen: variable, mit stark schwankendem Verlauf auftretende Tourette-ähnliche Tics, Hyperkinesien, teils mit Gefahr der Selbstverletzung, Störung des REM-Schlafs mit Gefahr der Selbstverletzung, dementielle Syndrome verschiedener Schweregrade (von leichten kognitiven Einschränkungen bis zum dementiellen Vollbild, am ehesten vereinbar mit einer Lewy-Body-Demenz. Klinisch relevante Veränderungen treten je nach Studie bei 30 bis 60 % der H63D-Patienten auf. Die Variabilität ist durch nichtstandardisierte Messverfahren und Cut-off-Werte bedingt, insbesondere bei leichten kognitiven Einschränkungen), kognitive Störungen (wird insbesondere bei vormals kognitiv starken Patienten oft über längere Zeit (Monate bis Jahre) durch Leistungsreserven maskiert, kann allerdings unter hohem sensorischem und komplexem inhaltlichen Input zu erheblichen Fehlleistungen in Alltag und Beruf führen), Absinken des Intelligenzquotienten trotz erhaltener selektiver Leistungsfähigkeit in diagnostisch relativ gut abgrenzbaren Bereichen Beeinträchtigung der Exekutivfunktionen bei erhaltenem Langzeitgedächtnis, Herzschäden und Herzfunktionsstörungen, vor allem Überleitungsdefekte und Arrhythmien, gelegentlich bis zur Herzinsuffizienz, Leberschäden (schon im frühen Verlauf oft eine unerklärliche Steatose), überschießende Episoden des unspezifischen Immunsystems mit hoch variablen Autoimmunreaktionen, inklusive Phasen einer verminderten Abwehrleistung des adaptiven Immunsystems Fibrosierungen an verschiedenen Organsystemen, inkl. Haut, gestörte Bewegungsabläufe im Verdauungssystem, meist Obstipation, seltener auch Gastroparese, Hodenatrophie bei männlichen Patienten, teils mit degenerativen Anzeichen in der Sonographie, Hautsymptome variabler Art (inklusive Impetigo, Juckreiz, Hyperreagibilität, Hidradenitis suppurativa, etc.), Nierenbeteiligung, Augenerkrankungen durch NTBI-induzierte oxidative Prozesse, Schwerhörigkeit usw.

Eher im späteren Verlauf, bei bereits strukturell veränderter Substantia nigra: Dranginkontinenz in allen Ausprägungen Chronische Eosinophilie mit möglicher struktureller Schädigung des Herzens[3].

Störungen der Funktion der Nebennieren und anderer endokriner Organe aufgrund von oxidativ bedingten Entzündungsprozessen mit funktionaler oder struktureller Organschädigung durch Infiltrationsprozesse im Bereich der Nebennierenrinde (primäre Nebenniereninsuffizienz).[4][5] In der Folge kommt es zu einer klinisch relevanten Dysfunktion der HPA-Achse sowie der Adrenalinsynthese (SAM-Achse) mit erratischen Adrenalinexzessen.[6]

Schädigung der Inselzellen des Pankreas mit Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 3 oder einer anderen Form der dysregulierten Insulinsekretion, z.B. im Rahmen einer autonomen Dysfunktion.[7]

Dysautonomien (in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung)

Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Symptomatik wird das Syndrom meist relativ spät erkannt, vor allem, wenn labordiagnostisch nicht alle relevanten Kennwerte des Eisenstoffwechsels erhoben werden.

Diagnostik[Bearbeiten]

Wegweisend ist die typische Befundkonstellation: Die Patienten zeigen einen postprandial nicht reagiblen und zu niedrigen Transferrinspiegel (Hypotransferrinämie) bei hoher Transferrinsättigung (meist > 55 %) und niedrigem Ferritinwert. Mehrmalige Testungen sind aufgrund physiologisch bedingter Schwankungen obligat. Parallel findet sich manchmal auch eine milde persistierende Eosinophilie und Basophilie.

In der transkraniellen Sonographie ist die Substantia nigra wie beim Morbus Parkinson hyperechogen, ohne dass jedoch die Symptome identisch sein müssen. Das MRT bleibt bis auf seltene Ausnahmen unauffällig.

Die Szintigraphie (DAT-Scan) kann ebenfalls auffällig sein. Aufgrund der Strahlenbelastung und der Fortschritte im Bereich der Sonographie werden DAT-Scans bei dieser Fragestellung meist nur noch im Rahmen klinischer Studien genutzt.

Es kommt zu einer Ablagerung von freiem Eisen im Gehirn und anderen Geweben. NTBI-Eisen lässt sich in der Histologie nicht anfärben (z.B. mit der Berliner-Blau-Reaktion). Das ist eine häufige Fehlerquelle bzw. ein Grund für falsch-negative Befunde.

Die homozygote H63D-Mutation des HFE-Gens ist molekularbiologisch mithilfe eines Gentests nachweisbar. Der Nachweis einer heterozygoten Mutation schließt ein H63D-Syndrom aus.

Differentialdiagnosen[Bearbeiten]

Lässt sich bei Nachweis von Eisenablagerungen im Gehirn und abnormen Werten des Eisenstoffwechsels im Labor keine homozygote H63D-Mutation nachweisen, ist primär an andere genetische Störungen der Eisenverwertung zu denken. Als Differentialdiagnosen kommen u.a. in Frage:

  • Morbus Wilson
  • diverse Parkinson-Syndrome
  • Neurodegeneration mit Eisenablagerung im Gehirn
  • Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis
  • Neuroakanthozytose
  • Mitochondriopathien (Cave: das H63D-Syndrom selbst kann sekundäre Mitochondriopathien auslösen. Ebenso ist es möglich, dass NTBI hereditäre Mutationen in den für die zelluläre Atmungskette relevanten Genen aktiviert, wodurch diese klinisch relevant werden können.)

Therapie[Bearbeiten]

Eine kausale Behandlung des H63D-Syndroms steht derzeit (2023) nicht zur Verfügung. Nicht an Proteine gebundenes, freies Eisen kann durch Aderlässe und verwandte Verfahren nicht aus dem Organismus entfernt werden. Stattdessen würde der Patient lediglich ein weiteres Absacken seines ohnehin schon meist niedrigen Ferritinspiegels erleiden. Auch Dialyse und Eisenchelatoren sind mithin unwirksam und provozieren eher letale Nebenwirkungen als eine Besserung des klinischen Bildes.[8] Sie senken das meist ohnehin zu gering vorhandene Ferritin weiter, ohne das in den Zellen befindliche NTBI in signifikanter Menge zu binden.

Eine diätetische Kontrolle der Eisenzufuhr bleibt somit weiterhin die beste Prävention gegen schwerwiegende Symptome bei rechtzeitig diagnostizierten Fällen. Bestehen bereits Organschäden, kann eine eisenarme Ernährung die Progression ein wenig verlangsamen. Eine solche Diät darf bei Patienten mit H63D-Syndrom jedoch nur unter Aufsicht eines Arztes erfolgen, weil eine Überladung des Körpers mit NTBI parallel zu einem Mangel an lebensnotwendigem Ferritin bestehen kann.

Zur Linderung einiger Symptome können verschiedene Arzneistoffe eingesetzt werden – teils im Off-Label-Use. Darüber hinaus sind medizinische Hilfsmittel wie Orthesen, Schutzhelme, Gehhilfen oder Rollstühle sinnvoll.[9]

Sozialmedizinische Aspekte[Bearbeiten]

Häufig bleiben die sprachlichen Fähigkeiten der Patienten längere Zeit normgerecht, wodurch der dementielle Abbau dem sozialen Umfeld zunächst nicht auffällt.

H63D-Patienten mit leichteren Formen kognitiven Abbaus oder mit isolierter Störung der Exekutivfunktionen werden im Alltag oft überfordert. Der Grund dafür ist, dass das Langzeitgedächtnis der Patienten nur selten beeinträchtigt ist, was das soziale Umfeld als Zeichen einer intakten Hirnfunktion fehldeutet. Eine intensive sozialmedizinische Beratung der Bezugspersonen ist daher ein wichtiger Eckpfeiler beim Management des H63D-Syndroms.

Quellen[Bearbeiten]

[1] Kelley et al. Iron overload is rare in patients homozygous for the H63D mutation Can J Gastroenterol Hepatol 2014

[2] Incidence of a clinically relevant H63D syndrome in carriers of a homozygous mutation of HFE gene H63D, abgerufen am 05.09.2022

[3] Séguéla et al., Eosinophilic cardiac disease: Molecular, clinical and imaging aspects, Arch Cardiovasc Dis, 2015

[4] Banaszkiewicz et al., Endocrine disorders in patients with hereditary hemochromatosis, European Journal of Translational and Clinical Medicine, 2018

[5] Charmandari et al., Adrenal insufficiency, The Lancet, 2014

[6] Lazar et al., Endocrinology: Patients suffering from H63D syndrome are at high risk to develop clinically relevant endocrine abnormalities affecting their adrenal glands as well as their HPA and SAM axes, Zenodo Publishing, 2022

[7] Ivanova et al., Diabetes in patients with iron metabolism disorders - including H63D homozygous mutation syndrome, Zenodo Publishing, 2023

[8] Wirkstoff aktuell - Eine Information der KBV im Rahmen des § 73 (8) SBG V in Zusammenarbeit mit der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft: Deferasirox (Exjade), Ausgabe 5-2008

[9] Seideman et al. Preprint: Injury protection strategies for H63D syndrome patients suffering from cataplexy 2021

Gesundheitshinweis Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema. Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt keine Arztdiagnose. Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!


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