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Kippgedicht

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Das Kippgedicht ist eine Sonderform von Dichtung. Was Kippbilder oder -figuren für die Malerei darstellen, wird hier auf die Lyrik übertragen. Dabei kann es zum spontanen Wechsel der Wahrnehmung oder Lesart kommen.

Definition[Bearbeiten]

Ein Kippgedicht ist definiert als eine Lyrik, die

  1. auf zwei (evtl. mehrere) deutlich zu differenzierende – in der Regel konträre oder komplementäre - Lesarten/Aussagen abzielt,
  2. zwischen denen eine Spannung besteht und
  3. ein oder mehrere "Kippmomente" bzw. "Kipppunkte" (s. u.) enthält.
  4. Die Versionen stehen gleichberechtigt nebeneinander und
  5. beziehen sich auf das Gedicht als Ganzes.

Arten von Kippgedichten[Bearbeiten]

Kippgedichte können unterschieden werden nach dem Kippmoment bzw. Kipppunkt (s. u.), auf dem sie fußen:

  • a) Ein Januswort (also ein Wort, das einen Gegensatz in sich trägt) verleiht dem ganzen Gedicht seine Doppeldeutigkeit.
  • b) Verse mit einer Schlüsselstelle/-zeile, die die (beiden) unterschiedlichen Perspektiven eröffnet bzw. auslöst.
  • c) Aussagen, die auch als Frage gelesen werden können drehen den Sinn. Dies ist abzugrenzen von einer rhetorischen Frage, für die das Kriterium 4 nicht gilt.
  • d) Das Gedicht kann sowohl als Monolog wie auch als Dialog gelesen werden.
  • e) Ein Text, der eine Stelle (meist eine Zeile) enthält, die den Leser dazu anregen kann, etwas hinzuzufügen (abzugrenzen vom Vexierlied).
  • f) Gedichte, die von oben nach unten und umgekehrt gelesen werden können. Diese Art ist bekannter und entspricht den "Umkehr- oder Drehbildern". [1]
  • g) Das Kippgedicht kann sich schließlich in einem fließenden Übergang zur bildenden Kunst, Fotografie und Malerei entfalten. Bilder sind dabei ein integraler Bestandteil des Gedichts. Das Kippmoment findet sich hierbei zumeist in der Unterscheidung zwischen richtig und falsch (sowohl in Bezug auf die Gesamtaussage als auch in der jeweiligen Beziehung von Text und Bild).
  • h) Mischformen, die zunehmend die Form als Ausdrucksmittel einsetzen (Übergang zum Vexiergedicht).

Kippgedichte werden komplex, wenn verschiedene Kippmomente oder Kipppunkte gleichzeitig verwendet werden.

Kipppunkt und Kippmoment[Bearbeiten]

  • Unter Kipppunkt wird die Stelle bzw. der Ansatzpunkt verstanden, an dem das Gedicht zum Kippen kommt; das können ein (Janus)Wort oder eine/zwei Zeile/n oder eine spezielle Stelle im Gedicht sein.
  • Das Kippmoment lehnt sich in seiner Definition an das Drehmoment an. Es handelt sich um einen Kippeffekt, der eine Veränderung durch unterschiedliche Betonungen, Pausen oder Zuordnungen (z. B. von Zeilen) und anderem bewirkt.

Beispiel zu b)[Bearbeiten]

An anderer Stelle wurden zu Kippbildern philosophische oder auch neurobiologische (im Zusammenhang mit den verarbeitenden Gehirnhälften; siehe die Kippfigur "Spinning Dancer" von Nobuyuki Kayahara) Überlegungen angestellt. Kippfiguren werden in der Testpsychologie, aber auch z.B. in der (Gestalt-)Therapie eingesetzt. Ob dies auch ein Einsatzgebiet für Kippgedichte sein könnte, bleibt abzuwarten. Aus welcher Perspektive liest man ein Gedicht zuerst? Wie schwer fällt es, die andere Bedeutung zu finden, zu erfassen?

Abgrenzungen[Bearbeiten]

  • Ein Kippgedicht kann - wie jedes andere Gedicht auch - frei interpretiert werden; durch die Vorgabe der Gegensätzlichkeit aber geht es über andere Gedichtformen hinaus.
  • Beim Vexierlied handelt es sich um ein Lied, dessen Reimschema den Zuhörer Wörter erwarten lässt, die jedoch nicht verwendet werden, sodass der Hörer aufmerkt. Indem er stattdessen selbst das erwartete Wort einsetzt, werden der Zusammenhang und der Sinn des Ganzen deutlich. In der Vergangenheit geschah dies, weil ihre Verwendung für den Dichter oder Sänger unangenehme Konsequenzen hätte haben können, z. B. eine Strafverfolgung. Dies unterscheidet es jedoch von der Definition des Kippgedichts (hier Definitionspunkt 2, 4, 5).

Kippgedichte[Bearbeiten]

Die Absicht der Kippgedichte ist in erster Linie, Perspektivwechsel anzuregen.[2] Sie erheben die Widersprüchlichkeit und Missverständlichkeit der Sprache zur Kunst. Entsprechend tragen sie das Potential des Subversiven in sich. Für die Rezeption dieser Gedichte birgt das Chancen und Risiken gleichermaßen. Andererseits führen gerade Kippgedichte auch zu einer ausgewogeneren Sichtweise.

Quellen[Bearbeiten]

  • Thomas Maria Mayr: Kipp- und Vexiergedichte. In: Chaussee. Zeitschrift für Literatur und Kultur der Pfalz Heft 41, 2018, S. 101–108, ISSN 1436-1442.
  • Thomas Maria Mayr: Stellen Sie sich vor. Kippgedichte - Vexiergedichte. Geest-Verlag, Visbek 2023, ISBN 978-3-86685-951-7.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Hier ein Beispiel von Iris Macke:[1]
  2. [2]


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