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Walduniversität Mörfelden-Walldorf

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Logo der Wald-Uni Mörfelden-Walldorf

Die Walduniversität Mörfelden-Walldorf, im Gründungsaufruf als Freie Volksuniversität Startbahn West – Walduniversität Mörfelden-Walldorf benannt und später nur noch als Wald-Uni Mörfelden-Walldorf (kurz: Wald-Uni), war ein mehrheitlich von Wissenschaftlern[1], überwiegend Angehörigen der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, getragene Initiative zur Unterstützung der Bevölkerung des Rhein-Main-Gebiets im Kampf gegen die Startbahn West am Flughafen Frankfurt am Main. Die Wald-Uni war Teil der im Anschluss an die 68er-Bewegung entstandenen Neuen Sozialen Bewegungen und nahm einen konzeptionellen Ansatz vorweg, der später in ähnlicher Weise von den Bürgeruniversitäten oder der Bewegung Scientists for Future aufgegriffen und weiterentwickelt wurde.

Die Gründung der Wald-Uni[Bearbeiten]

In einem Artikel in der Wochenzeitung Die Zeit von Ende 1984 heißt es:

„Doch halt, es gibt sie, die ersten Bildungsstätten für ein Lernen in Bewegungen wie kleine Blumen am Rand einer Straße, auf der die Bewegung zieht (und mit ihr nicht wenige Lehrer und andere Pädagogen, die sich ausdrücklich nur engagieren, wenn ihr Einsatz nichts mit Pädagogik oder Bildungspolitik zu tun hat). Einige dieser Blumen sind direkt an den Orten des Widerstands gewachsen, wie die "Walduniversität Startbahn-West" oder die "Volkshochschule Wyhler Wald"; andere wurden gezielt gegründet, weil die Bedürfnisse nach Innehalten, nach Erfahrungsaustausch und Einüben von Neuem schlicht auch Räume benötigen.“

Lernen in der "Bewegung", DIE ZEIT, Ausgabe 50/1984 vom 7. Dezember 1984

Die in dem Zitat erwähnte Volkshochschule Wyhler Wald entstand 1975 in den Auseinandersetzungen um das Kernkraftwerk Wyhl (KKW). Ihre Entstehungsgeschichte im Kontext des Widerstandes gegen das KKW ist relativ gut dokumentiert[2], während über die Wald-Uni nur spärliche Informationen vorliegen. Erstmals für die Öffentlichkeit erkennbar wurde sie mit dem Gründungsaufruf vom 14. November 1981. Soweit nachvollziehbar, wurde dieser Aufruf von dem Politikwissenschaftler Egbert Jahn alleine verfasst.

In einem ersten Rundschreiben an die Unterstützer des Projekts gibt Jahn am 6. Januar 1982 dazu einige Hintergrundinformationen. Demnach hatte ein studentisches Organisationskomitee sich spontan für die Mitarbeit bei der Wald-Uni bereit erklärt und innerhalb von drei Tagen die Unterschriften der Unterstützer eingeholt. Zu diesen zählten neben den schon erwähnten Hochschullehrern auch der damalige Bürgermeister von Mörfelden-Walldorf, Bernhard Brehl (* 1941, † 6. Juli 2020)[3], der als Umweltpfarrer bekannt gewordene Kurt Oeser und der Satiriker, Schriftsteller und Theaterleiter Rudolf Rolfs. Zwei der Erstunterzeichner, die Theologen Hans Kessler und Siegfried Wiedenhofer, zogen Ende November 1981 ihre Unterschrift unter dem Gründungsaufruf wieder zurück. „Die linke Orientierung der Politiker sowie einige Formulierungen des Aufrufes ließen sie nachträglich daran zweifeln, daß die Walduniversität wirklich zur gewaltfreien Konfliktlösung beitragen könne.“[4]

Das Datum 14. November 1981, das unter dem Aufruf steht, verweist auf den historischen Kontext, in dem die Wald-Uni an die Öffentlichkeit treten sollte. An diesem Tag demonstrierten in Wiesbaden mehr als 120.000 Menschen gegen die Startbahn-Pläne und übergaben dem Landeswahlleiter 220.000 Unterschriften für ein Volksbegehren gegen das Ausbauvorhaben.

Während dieser Demonstration sollte der Aufruf verlesen werden, wozu es aber nicht kam. Stattdessen fand dann am 25. November 1981 in Mörfelden-Walldorf eine Pressekonferenz statt, auf der Jahn den Aufruf in Gegenwart von Brehl, Oeser, einem Vertreter der Bürgerinitiative und Mitgliedern des studentischen Organisationskomitees der lokalen Presse vorstellte.[4]

Jahn hatte den Aufruf am 24. November auch in gleichlautenden Briefen an den damaligen Hessischen Ministerpräsidenten Holger Börner, und an Kultusminister Hans Krollmann geschickt, eine erste Reaktion kam aber von deren Koalitionspartner, dem von der FDP gestellten Innenminister Ekkehard Gries. In einem mit Gries empört über Volksuniversität im Wald überschriebenen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen (FAZ) bezeichnete er das Vorhaben als einen „neuerlichen Gipfelpunkt der Herausforderung“ und als eine pseudowissenschaftliche Veranstaltung zur Unterstützung der Agitprop-Bemühungen der Gegner des Flughafenausbaus. Weiter heißt es in dem Artikel:

„Ekkehard Gries meinte gestern, die unverholene Mißachtung des Rechtsstaates und der demokratischen Ordnung und eine immer scheinheiliger anmutende Diskussion über angebliche Gewaltfreiheit könnten nur noch Kopfschütteln hervorrufen. Daß zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs zur Gründung der sogenannten Freien Volksuniversität ein Landtagsabgeordneter (der Sozialdemokrat Wolfram Heyn, früher Lehrer an der Fachhochschule Frankfurt) und ein Bürgermeister (Bernhard Brehl von Mörfelden-Walldorf) gehörten, sagte Gries, könne mittlerweile kaum noch verwundern. Empörend sei es allerdings, daß die erdrückende Mehrheit der Unterschriftsleistenden ihr Gehalt aus öffentlichen Kassen beziehe. Der Bürger werde sich mehr und mehr fragen, wer und was aus mit Steuermitteln gespeisten Kassen direkt und indirekt finanziert werde.“

Gries empört über Volksuniversität im Wald: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28. November 1981, im Faksimile abgedruckt bei Egbert Jahn[4]

Nach dieser heftigen Attacke aus der hessischen Politik konnte Jahn zwar von weiteren politischen und publizistischen Auseinandersetzung um die Wald-Uni berichten, musste aber auch eingestehen, dass bislang für „die Gründung der Walduniversität [..] praktisch sehr wenig geleistet“ worden sei – auch nicht aus dem Kreis der Erstunterzeichner heraus. Deshalb wurde die Gründungsveranstaltung verschoben und aus dem Kreis der Erstunterzeichner ein Vorbereitungsausschuss gebildet, der ein Veranstaltungsprogramm planen, ein Konzept für organisatorische Regelungen erarbeiten, Gespräche mit Parteien und Behörden führen und die materiellen Voraussetzungen klären sollte.[4]

Nach mehrfachen Verschiebungen fand am 6. und 7. März 1982 im Bürgerhaus Mörfelden die Eröffnungsveranstaltung für die Walduni statt. Der erste Tag hatte einen eher festlichen Anstrich und begann mit einleitenden Beiträgen von Kurt Oeser, Bernhard Brehl und Egbert Jahn. Zwei Vorträge – „Das Leben mit Lärm“ (R. Denk) und „Gewaltfreier Widerstand in parlamentarischen Demokratien. Die Erfahrungen Martin Luther Kings und die amerikanische Bürgerrechtsbewegung“ (Egbert Jahn) – wurden eingerahmt von literarischen Beiträgen von Urs Widmer und Eva Demski. Dazwischen konstituierten sich Arbeitsgruppen, die auch am folgenden Tag noch tagen sollten:

Arbeitsgruppen Initiatoren (Fettdruck: Erstunterzeichner
des Aufrufs vom 14. November 1981)
Mörfelden-Walldorf: »Widerstandsgeschichten«; Erinnerungen aus der Geschichte des
Widerstandes gegen die Startbahn West seit 15 Jahren
Walter Raitz[5]; Klaus Bergmann, Werner Heinz
Bemühungen zur Wiederherstellung der Wahrheit. Ein Versuch, zu verstehen, wie die
Presse funktioniert. Am Beispiel der Berichterstattung zum 14/15. November 81
Gisbert Lepper; Dieter Seitz
Wie mit Gutachten Politik gemacht wird. Die falsche Alternative: Ökologie oder
Ökonomie anhand von Materialien zum Gorleben und Startbahn-Hearing
Egon Becker
Sozialer Wohnungsbau: Realität und konkrete Utopie D.W. Dreysse[6]
Frauen im Widerstand gegen die Startbahn West. Probleme und Erfahrungen AG Frauen gegen Startbahn West
Gewaltfreie Aktion: Diskussion und Training Elke Cezanne; Thomas Rohm
Theater-Eingriffe, Theater in Straßen und Wäldern Theaterleute aus Frankfurt
Archiv des Widerstandes. Sammeln und Auswerten Martin Kessel; Gerd Zimmermann
Bruch des Landfriedens AG Juristen, Frankfurt
Der Teil und das Ganze. Politik mit der Atomkraft. Am Beispiel AKW Biblis-C
und Startbahn West
Gottfried Meyer-Thoss

Diese Eröffnungsveranstaltung fand allerdings bereits in einem veränderten politischen Umfeld statt. Am 15. Januar 1982 hatte der Staatsgerichtshof des Landes Hessen entschieden, dass der Antrag, ein Volksbegehren gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens durchzuführen, dem Grundgesetz widerspreche, da der Luftverkehr Angelegenheit des Bundes sei. „Damit versagte das letzte Rechtsmittel der Ausbaugegner.“[7] Für den praktischen Widerstand gegen die Startbahn West hatte die Wald-Uni fortan keine praktische Bedeutung mehr.[8] Diese Resignation durchaus begünstigende neue Ausgangslage könnte auch ein Grund dafür sein, dass trotz vieler Rundschreiben Aktivitäten für die Wald-Uni aus dem Kreis der Erstunterzeichner kaum zu verzeichnen waren, wie schon ein Blick in die Tabelle zeigt. Nur noch vier aus ihrem Kreis (Egon Becker, Gisbert Lepper, Walter Raitz und Dieter Seitz) gehörten zu den Initiatoren von Arbeitsgruppen und blieben zumindest mittelfristig dem Projekt verbunden.

Diskussionen über den Gründungsaufruf[Bearbeiten]

Wolfgang Beer sah in der Geschichte der Wald-Uni „die Geschichte eines Lernprojektes, dessen Proklamation und Konzeption schon vor dem Start, vor der ersten Veranstaltung, einen bundesweiten Pressewirbel auslöste“.[9] Dieser Pressewirbel – Egbert Jahn berichtete von 12 Beiträgen alleine in der Frankfurter Rundschau und in der FAZ bis zum 6. Januar 1982[4] – stützte sich vor allem auf die Kritik, die dem Projekt aus der Landespolitik entgegen schlug. Darüber hinaus gab es aber auch Kritik, die sich um Klarstellung manch vager Formulierungen im Aufruf selber bemühte.

Positionen der Hessischen Landesregierung[Bearbeiten]

Hessens Innenminister Gries hatte, wie oben schon erwähnt, den politischen Angriff auf die Wald-Uni eröffnet. Ihm, wie auch dem Ministerpräsidenten und dem Kultusminister, hatte Jahn den Gründungsaufruf am 24. November 1981, einen Tag vor der von ihm mitgetragenen Pressekonferenz, zugeschickt. Börner antwortete am 3. Dezember 1981 mit einem zweiseitigen Brief, in dem er zwei Fragenkomplexe thematisierte. Er ging davon aus, dass per Gründungsaufruf das Ziel der Volksuni die Verhinderung der Startbahn West sei. Das aber sei eine einseitige Parteinahme zugunsten der Startbahngegener, die mit Jahns eigenem „Anspruch nach ‚Versachlichung‘ und ‚Rationalität‘ sowie nach wissenschaftlicher Objektivität (falls ich letzteres als ihren Anspruch unterstellen darf)“[10] nicht zu vereinbaren sei. Rhetorisch stellte er die Frage: „Teilen Sie nicht meine Auffassung, daß eine als ‚Universität‘ bezeichnete Einrichtung zumindest beiden Seiten, Startbahngegnern und Startbahnbefürwortern, gleiche Chancen zur Aufklärung der Bevölkerung einräumen müßte?“[10]

Börners zweiter Fragenkomplex zielte auf die behauptete Notwendigkeit eines gewaltfreien Widerstandes gegen die Startbahn West. Für Börner ist das nur eine Spielart des aktiven Widerstands, der von den Startbahngegnern propagiert werde und begrenzte Regelverletzungen sowie Gewalt gegen Sachen einschliesse. Wiederum beschließt er seine Ausführungen mit einer Frage: „Ist nicht [..] zu befürchten, daß die Walduniversität dieser bedenklichen Entwicklung noch eine wissenschaftliche und moralische Legitimation verleiht?“[10]

Hatte Gries den Unterzeichnern des Gründungsaufrufs indirekt mit Sanktionen gedroht, in dem er sie darauf hinwies, dass sie ihr „Gehalt aus öffentlichen Kassen beziehe[n]“ würden (siehe oben), hält sich Börner mit derartigen Drohungen zurück. Intern aber wurden derartige Maßnahmen sehr wohl geprüft. In einem dreiseitigen Aktenvermerk aus dem Dezember 1981 wurde die Frage erörtert, ob gegen den in alphabetischer Reihenfolge ersten Unterzeichner des Gründungsaufrufs, den Landesplaner Hans-Egon Baasch, nicht diziplinarrechtliche Schritte einzuleiten seien, weil er möglicherweise gegen seine Dienstpflichten verstoßen habe. Der Verfasser des Vermerks kommt jedoch zu der Einschätzung: „Der Aufruf zur Gründung der Freien Volksuniversität Startbahn West ist sicherlich eine Art kritische Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber des Angestellten Baasch. Er geht aber nach meinem Dafürhalten von Inhalt und Zielrichtung nicht über das hinaus, was von einem angestellten Mitarbeiter als Kritik nicht mehr hingenommen werden kann. [..] Zusamenfassend halte ich die Erwägung arbeitsrechtlicher Konsequenzen gegen den Angestellten Baasch für nicht gerechtfertigt.“[11] Dass derartige Schritte auch gegen die anderen Erstunterzeichner nicht erwogen wurden, ergibt sich aus einem handschriftlichen Vermerk eines leitenden Mitarbeiters des Hessischen Landwirtschaftsministerium vom 30. Dezember 1981, der dem Minister zur Kenntnis gegeben wurde. Darin heißt es: „Der Brief des MP [Ministerpräsidenten] an Prof. Jahn enthält auch nicht andeutungsweise die Absicht disziplinarrechtlichen Vorgehens. Ein solches ist auch vom KM [Kultusminister] nicht beabsichtigt. St [Staatssekretär] Bartholomäi teilt mit, daß keine weiteren Schritte der StK [Staatskanzlei] beabsichtigt sind. Vorschlag: Vorgang auch hinsichtlich H.-E. Baasch schließen.“[12]

Am 5. Januar 1982 erhielt Jahn ein Schreiben von Kultusminister Krollmann, wobei dieser sich auf einen nicht dokumentierten Brief vom 21. Dezember 1981 bezog.[13] Krollmann wirft Jahn vor, in unzulässiger Weise ein von Gandhi und Martin Luther King abgeleitetes Konzept eines gewaltfreien Widerstandes zu propagieren, das er den historisch gewachsenen Widerstandsbegriffen des Grundgesetzes (Artikel 20, Absatz 4) und der Hessischen Verfassung (Artikel 147) entgegensetze. Krollmann sah darin eine „sinnvarierende Begriffsverwendung“, die auf „semantische Täuschung und politische Irreführung hinaus[laufe]“. Sarkastisch heißt es dann: „Ich begrüße es, daß Sie im Rahmen ihres Vorhabens 'Volksuniversität' zur Entwirrung der Widerstandsdiskussion beitragen wollen. Nur hätte ich es bisher nicht als Aufgabe eines Wissenschaftlers angesehen, zunächst zur Verwirrung der Begriffe beizutragen, um dann die denkerische Energie der Klärung der Mißverständnisse zu widmen.“[13]

Weiter geht Krollmann der Frage nach, welchen Begriff von Legitimität Jahn habe, wenn er politisch legitimierten Mehrheitsentscheidungen die Legitimität abspreche, sobald diese die Rechte einer Minderheit berührten. Einer solchen Minderheit ein Veto gegen eine Mehrheitsentscheidung einzuräumen, sei keine Frage der politischen Moral, sondern ein Ausdruck staatsethischer Konfusion.[13] Krollmann verweist auf die verfassungsmäßig garantierten Minderheitenrechte und folgert: „Was also würde die Anerkennung Ihrer Forderung nach Minderheiten-Akzeptanz als Maxime staatlichen Handelns bedeuten angesichts der Tatsache, daß jedes relevante Großprojekt, sei es Mülldeponie, Startbahn, Kraftwerk oder Strafanstalt, heute auf den Protest anwohnender Bevölkerungsteile trifft? Ich wiederhole: Dies würde die Preisgabe der demokratischen Staatsordnung überhaupt bedeuten, ihre Ablösung durch ein Regime, das nur die Alternative zwischen Regierungsunfähigkeit oder Anarchie hätte.“[13] Krollmann schließt mit den Worten, Jahns irritierender Aktion – der beabsichtigten Gründung der Walduni – könne man vor diesem Hintergrund allenfalls „zubilligen, daß diese idealistisch motiviert, also gut gemeint ist. Aber das ist bekanntlich das Gegenteil von gut.“[13]

Krollmann grenzte sich also scharf von der Walduni ab, vermied aber jegliche Drohung mit diziplinarrechtlichen Maßnahmen, die Jahn in der Tat erspart blieben – trotz entsprechender Forderungen aus den Reihen der CDU-Landtagsfraktion: Am 16. Februar 1982 wurde in einer kleinen Anfrage der CDU-Abgeordneten Gottfried Milde senior, Heinrich Lauterbach und Arnulf Borsche die Qualifikation von Egbert Jahn für eine politikwissenschaftliche Professur massiv bestritten. Er betreibe eine „verbale Harmonisierung von Ungereimtheiten“ und sei mit den „elementaren Bedingungen der demokratischen Ordnung nicht vertraut.“ Wegen dessen „fataler Minderqualifikation“ sei seine „führende Funktion in der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, die mit bedeutenden Landesmitteln gefördert wird“ nicht zu verantworten.[14]

Universitärer Beistand für Börner und Krollmann[Bearbeiten]

Börners und Krollmanns Argumentationslinien waren direkt anschlussfähig für einige Kollegen Jahns aus seinem direkten Arbeitsumfeld, dem Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität, darunter Ernst-Otto Czempiel[15], Manfred Knapp, Ulrich Oevermann und Kurt Leo Shell.[16] In einer offensichtlichen Fehlinterpretation der Argumentation Theodor Eberts[17], nachdem die „innovative Gründung von Bildungseinrichtungen [..] in die zweite Eskalationsstufe des gewaltfreien Widerstandes“ gehöre[16], erwies sich für sie „die Walduniversität nicht als Vermittlungsinstrument, sondern als ein Konfliktmittel“, vergleichbar etwa der Freien Universität Berlin (FU Berlin), die als Gegenpol zur Vereinnahmung der Humboldt-Universität zu Berlin durch den SED-Staat gegründet worden sei. Da in Hessen keine vergleichbaren Verhältnisse herrschten wie die, die zur Gründung der FU Berlin geführt hätten, lautet ihr Resümee:

„Mit der ‚Freien Volksuniversität‘ wird ein Instrument für einen Konflikt geschaffen, der in der erforderlichen Größe und Intensität zweifelsfrei nicht besteht. Dieser Widerspruch kann nur in einer Alternative aufgelöst werden: in der Funktionslosigkeit der Walduniversität oder in der Eskalation des Konflikts bis zu den durch die Walduniversität bereits vorweggenommenen Stufen.“

Ernst-Otto Czempiel et al.: Zur Diskussion: Walduniversität[16]

Ein aus der Hessischen Verfassung oder dem Grundgesetz abgeleitetes Widerstandsrecht halten sie, wie Börner und Krollmann, für unzulässig, weil es „eine den Widerstand rechtfertigende strukturelle Gewalt in der Bundesrepublik“ nicht gebe. Ebenso wenig könne Widerstand unter Berufung auf basisdemokratische Entscheidungen legitimiert werden, denn „damit wird Demokratie nicht bewirkt, sondern ausgehebelt. Man tut nicht ihr, sondern nur den – rechten wie linken – Feinden der Demokratie einen Gefallen, wenn man der Verletzung der demokratischen Entscheidungsregeln durch gewaltsame oder durch doch nur so genannte ‚gewaltfreie‘ Aktionen mit der Einrichtung einer ‚Freien Volksuniversität‘ auch noch ein Symbol zukommen läßt.“[16] Ihr abschließendes Statement:

„Wir sind der Meinung, daß die Einrichtung der Freien Volksuniversität Startbahn West auf einer Fehlanalyse der Situation in Hessen und einem Mißverständnis der Basisdemokratie beruht.“

Zur Diskussion: Walduniversität[16]

In einer Erwiderung auf Börners oben schon zitierten Brief vom 3. Dezember 1981, in der Jahn auf die Stellungnahme seiner Fachbereichskollegen nicht direkt einging[18], bekräftigte er zunächst noch einmal, dass es, „gerade weil die Neigung zur Gewalttätigkeit unter den Startbahngegnern wächst, [..] darauf an[kommt], den gewaltfreien Widerstand der überwältigenden Mehrheit der Startbahngegner zu unterstützen“.[19] Der Begriff gewaltfreier Widerstand, wie er im Gründungsaufruf für die Walduni verwendet werde, sei der Versuch, „die geschichtlichen Erfahrungen erfolgreichen gewaltfreien Widerstands in die Debatten der Bürgerinitiativen über ihr bisheriges und zukünftiges Verhalten einzubringen“ und stehe „in der Tradition demokratischer Selbsterziehung“, die „sowohl die Achtung vor der Rechtsordnung, als auch den Anspruch auf Anpassung der Gesetze an das sich wandelnde Rechtsbewußtsein“ beinhalte.[19] Jahn grenzt sich von Versuchen ab, gewaltfreien Widerstand in „gewaltfreien, aber aktiven Widerstand“ umzudeuten und damit Gewaltfreiheit „zu relativieren und körperliche Verdrängungsgewalt, Gewaltanwendung gegen Sachen und moralische Erpressung zu legitimieren“.[19] Im Anschluss daran wendet er sich der „großen Verwirrung“ zu, die in den letzten Wochen um den Begriff des Widerstandes entstanden sei. Er stellt klar, dass gewaltfreier Widerstand in der Tradition von Gandhi oder Martin Luther King nichts mit dem Widerstandsbegriff zu tun habe, der als politische Erfahrung in die entsprechenden Artikel der Hessischen Verfassung (HV) und des Grundgesetzes (GG) eingeflossen seien.

„Die irrtümliche Berufung auf Art. 147 HV und Art. 20 GG in den Bürgerinitiativen gehört deshalb zu den zentralen Problematisierungen, die die Volksuniversität zu leisten hat.“

Egbert Jahn: Erwiderung auf Ministerpräsident Börners Brief vom 3. Dezember 1981[19]

Jahn betont gleichwohl seine eindeutige Parteinahme gegen die Startbahn West und definiert die Wald-Uni als Plattform, die über ihren Anstoß, den Starbahnkonflikt, hinaus „dem neuen ökologisch-ökonomischne Bewußtsein in der Bevölkerung und in der Wissenschaft einen Kommunikationszusammenhang bieten“ soll. In diesem Sinne sei die Einrichtung der Volksuniversität „– nicht als Gegenuniversität zu den Staatsuniversitäten, sondern als in ganz Hessen bewegliches Kommunikationsforum zwischen Bevölkerung und Wissenschaft und zwischen engagierten Vertretern unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen mit einem symbolischen und organisatorischen Stützpunkt in Mörfelden-Walldorf – [..] ein politischer und wissenschaftspolitischer Akt“.[19] Und abschließend noch einmal direkt an Börner adressiert, schreibt Jahn:

„Mögen auch die Chancen für eine derart verstandenes Vorhaben relativ realitätsfern oder naiv scheinen und die Aussichten auf eine weitere Gewalteskalation an der Startbahn sehr realsitisch sein, so meine ich doch, daß die Sache einen Versuch wert ist und keinesfalls die von Ihnen befürchteten Konsequenzen einer Legitimation von Gewalt zur Folge hat.“

Egbert Jahn: Erwiderung auf Ministerpräsident Börners Brief vom 3. Dezember 1981[19]

Konzeptionelle Bedenken und Kritik[Bearbeiten]

Der Gründungsaufruf ist – wie oben nachzulesen – relativ allgemein gehalten. Er stellt sich in den Dienst einer „gewaltfreien Bewegung“ und verweist wiederholt auf Methoden des gewaltfreien Widerstands, die es zu unterstützen gelte. Innerhalb dieses Rahmens sollen zwei Schwerpunkte die Arbeit der Wald-Uni bestimmen:

  • Aufklärung nach außen, um über die ökologischen Folgen der geplanten Startbahn und über ökonomische Alternativen zu informieren, sowie Aufklärung nach innen über Widerstandsoptionen und alternative Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeits- und Lebensverhältnisse.
  • Forschung als Unterstützung der Aufklärungsarbeit sowie als Anstoß für laufende wissenschaftliche Arbeiten in den Hochschulen, als Anstoß für „neue öko-ökonomische Forschungsprojekte“ und für „Untersuchungen über gewaltfreie Konfliktaustragungsformen“.

Ein weiterer benannter Schwerpunkt, Aufklärung zur Vorbereitung des Volksbegehrens und des Volksentscheids, hatte sich nach dem 15. Januar 1982, dem Tag der Ablehnung des Volksbegehrens, schon früh erledigt.

Unabhängig davon, dass der Gründungsaufruf auch den organisatorischen Rahmen für die Wald-Uni mit den zwei Entscheidungsgremien „Volksausschuss“ und „Wissenschaftlerausschuss“ nur abstrakt benennt und damit das Verhältnis zwischen Bewegung und Wissenschaft nur oberflächlich thematisiert, lassen die beiden Arbeitsschwerpunkte nicht erkennen, ob sich in ihnen ein aus der Bewegung kommendes Bedürfnis nach Unterstützung durch wissenschaftliche Kompetenz manifestiert, oder ob das Konzept nicht mehr der Versuch von eher am Rande der Bewegung stehender Menschen war, die sich politisch verpflichtet fühlten, ihre berufliche Kompetenz einer Bewegung andienen zu müssen. Letzteres war jedoch allenfalls bedingt der Fall, denn ein Teil der Erstunterzeichner – zum Beispiel Egon Becker, Gisbert Lepper, Walter Raitz oder Dieter Seitz – hatte schon in anderen Zusammenhängen den Protest gegen die Startbahn West unterstützt. Sie gehörten nach der Anti-Startbahn-Demonstration am 15. November 1981 auch zu den Initiatoren beziehungsweise Erstunterzeichnern eines „Offenen Briefs Frankfurter Hochschullehrer an die Hessische Landesregierung, den Frankfurter Oberbürgermeister und den Generalbundesanwalt“, in dem sie sich gegen die disziplinarische und strafrechtliche Verfolgung von Alexander Schubart wandten und zugleich die Landesregierung aufforderten, die Bauarbeiten an der Startbahn West sofort einzustellen und die Polizei aus dem Waldgelände abzuziehen.[20]

Im Hinblick auf die zu gründende Wald-Uni befürchtete Jahn dennoch, dass der Versuch, sich explizit als Wissenschaftler in die Anti-Startbahn-Bewegung einbringen zu wollen, zu Konflikten führen könnte und mit zwei Formen von Vorurteilen zu rechnen sei:

„Zum einen mit einer traditionellen Ehrfurcht und zugleich Furcht vor der Wissenschaft, die zu einer überaus starken Distanz zwischen Wissenschaftlern und anderen Bürgern, vor allem auch älteren Arbeitern, Angestellten, Handwerkern, Kaufleuten usw. beiträgt; zum anderen müssen wir mit einer gewissen antiwissenschaftlichen und antitheoretischen Einstellung vor allem bei der Jugend und sehr vielen umweltpolitisch und in Demonstrationen engagierten Studenten rechnen, die jegliche Sachargumentation, Tabelle oder Zahlenreihe unter Technokratieverdacht stellen, die meisten Probleme für intellektuell gelöst halten und nur noch auf politische Durchsetzung ihrer Erkenntnisse drängen.“

Egbert Jahn: Rundschreiben vom 23. November 1981, vermutlich an die Erstunterzeichner des Gründungsaufrufs und weitere interessierte Kolleginnen und Kollegen.[21]

Diese Fragen zur Rolle der Wissenschaft standen auch inneruniversitär schon früh zur Diskussion. Im Nachgang zu einem Teach-in, das am 4. Dezember 1981 an der Universität Frankfurt stattfand, schrieb Jahn – abermals die geringe Beteiligung der Erstunterzeichner betonend –, dass auf dieser Veranstaltung „die unterschiedlichen Verständnisse von der Rolle der Wissenschaft im Startbahnkonflikt und allgemein in der gegenwärtigen wissenschaftspolitischen Situation deutlich [wurden], die in das Projekt Walduniversität eingehen werden“.[4] Auf diese „unterschiedlichen Verständnisse von der Rolle der Wissenschaft im Startbahnkonflikt“ geht der Artikel Walduni – eine Alternative? ein, der in der Ausgabe Januar/Februar 1982 des AStA-Infos der Universität Frankfurt abgedruckt war. Der oder die Verfasser lassen keine Zweifel an ihrer Solidarität gegenüber der Wald-Uni oder Egbert Jahn aufkommen, postulieren aber Forderungen, die auf ein „Projekt 'Walduni' [.. als] Möglichkeit einer politisierten Wissenschaft“ abzielen, durch das „die gesellschaftlich produzierte Arbeitsteilung von Wissenschaft hier und Erfahrung und Gesellschaft dort“[22] aufgebrochen wird. Gefordert wird eine parteiliche Wissenschaft im Dienste des Widerstandes, die Problemstellungen aufgreift, „die im Widerstand aufgetaucht sind und deren Bearbeitung für diesen Widerstand wichtig ist“ – auch im Sinne einer Selbstreflexion der Bewegung.[22] Erkennbar gegen den Aufruf-Schwerpunkt Aufklärung gerichtet, heißt es weiter: „Es geht nicht darum, erneut mit Statussymbolen, die den Schein von Wissenschaftlichkeit verbreiten sollen, Eindruck zu schinden. Auch wenn große Teile der Bevölkerung auf Doktor- und Professorentítel abfahren, erreichen wir keine neue Qualität von Wissenschaft, indem wir diesen Zauber in unsere Strategie übernehmen.“[22] Dezidiert an die Adresse Jahns gerichtet, heißt es dann: „Wir sind bereit, trotz z. T. unterschiedlicher Positionen [..] mit Egbert uns für die Volksuni zu engagieren und ihm auch Feuerschutz zu geben, wenn er ‚angeschossen‘ wird. Dies setzt allerdings voraus, daß er sich nicht als ‚Gründungsrektor‘ fühlt, der die (Wissenschafts-)Richtlinien der Politik bestimmt, sondern daß er behutsam (wie sich das für einen Neuling im Widerstand gehört) mit uns in diesem Projekt kooperiert.“[22]

Wolfgang Beer konstatierte, dass anfangs die „enorm starke Betonung des Wissenschaftsanspruches und der notwendigen Wissenschaftlichkeit der Walduniversität [..] bei den vom Startbahnbau betroffenen Bürgern in Mörfelden-Walldorf Mißtrauen und Verunsicherung“ erzeugt habe[23], die erst durch vertrauensbildende Maßnahmen überwunden werden mussten, „die die Menschen davon überzeugten, daß Wissenschaftler auch etwas einsetzen, daß sie nicht nur eine den Leuten unklare Form von Wissenschaft, die ihnen eh eine suspekte Angelegenheit ist, ihnen überstülpen wollen, etwas aus ihm herausholen, 'Verobjektivieren' wollen, sondern sie riskieren etwas, setzen selbst etwas ein mit ihrer Arbeit. Und das bringt auch Glaubwürdigkeit“.[24] Dass der Preis für den Nachweis, etwas eingesetzt zu haben, für die von außen gekommenen Wissenschaftler dennoch hoch war, thematisiert Walter Raitz, einer der Erstunterzeichner des Gründungsaufrufs, vor dem Hintergrund der Repressionsandrohungen gegen Mitglieder aus diesem Kreis mit den Worten: „Was ist schon ein Ukas vom Universitätspräsidenten oder Kultusminister gegen einen Gummiknüppel, den ich auf den Kopf kriege.“[24]

Beer befand, dass im Laufe der Entwicklung der wissenschaftliche Vermittlungsanspruch der Wald-Uni zurückgenommen wurde und diese dadurch mehr Resonanz bei der Bevölkerung fand. Dadurch „ergaben sich in der konkreten Zusammenarbeit eine Reihe positiver Erfahrungen auch in der Begegnung zwischen Wissenschaftlern aus dem Hochschulbereich und aktiven Startbahngegnern, sowohl im Kreis der Organisatoren der Walduni, als auch in den einzelnen Arbeitsgruppen und Informationsveranstaltungen“[24], und für den schon zitierten Norbert Winkler wurde die Wald-Uni schließlich „ein Ort, wo man den Aufbruch diskutieren kann“.[25]

Administrative Auflagen[Bearbeiten]

Auch wenn die Hessische Landesregierung offenbar keine disziplinarischen Schritte gegen Jahn und seine universitären Mitstreiter erwog, war damit nicht gewährleistet, dass diese ihr Engagement für die Wald-Uni auch in ihr universitäres Arbeitsfeld einbringen konnten. Zwar hoffte Jahn am 10. Februar 1982 in einem Schreiben der Vorbereitungsgruppe für die Wald-Uni darauf, dass „Forschungsvorhaben aus möglichst vielen Fachbereichen die Folgen des nunmehr wohl nicht mehr oder kaum noch zu verhindernden Startbahnbaus in den nächsten Jahren in allen Aspekten gründlich untersuchen“ würden, und berichtete auch von einem Gespräch mit dem Universitätspräsidenten, in dem dieser seine Bereitschaft erklärt habe, „die wissenschaftliche Debatte über industrielle Großprojekte zu fördern“[26], doch Hartwig Kelm, der damalige Präsident der Goethe-Universität, stellte dies wenig später schlicht in Abrede. Bezugnehmend auf angeblich angestrebte Gespräche mit Startbahn-Befürwortern und seine vorgebliche Bereitschaft, Debatten zu fördern, schreibt er:

„Diese Aneinanderreihung der Aussagen suggeriert, ich sei bereit, beide Aktivitäten, nämlich die der sogenannten Walduniversität und die besagte Debatte zu fördern. Dies ist jedoch nicht der Fall. Ich mache darauf aufmerksam, daß ich in unserem Gespräch, an dem auch der Kanzler unserer Universität, Herr Dr. Busch, teilnahm, erklärte, daß Sie die Aktivitäten der sogenannten Walduniversität aufgeben und die wissenschaftliche Debatte in die Universität verlagern sollten. Ich hatte deutlich gemacht, daß ich die Existenz der sogenannten Walduniversität als schädlich für die Johann Wolfgang Universität Frankfurt erachte und mich energisch dagegen ausspreche. Sie haben jedoch im Bewußtsein meiner Einstellung und Aussage die oben erwähnte Formulierung in Ihrem Aufruf gewählt. Angesichts Ihres Verhaltens behalte ich mir vor, eine Darstellung meiner Aussage und Meinung an die Adressaten Ihres Aufrufs zu richten, sobald mir die Liste zugegangen ist.“

Hartwig Kelm: Brief an Egbert Jahn vom 3. März 1982, Betreff: Ihr Aufruf zur sogenannten Walduniversität[27]

Mit dem gleichen Schreiben untersagte Kelm Jahn für alle Aktivitäten, „die nicht in unmittelbarem und nachweislichen Zusammenhang mit Ihren Dienstaufgaben als Professor an unserer Universität“ stehen, den Versand von Post über die Poststelle der Universität und die Nutzung von Diensträumen oder anderer Räume der Universität für Versammlungen.

Jahn versuchte in einem Schreiben vom 15. März 1982 die Wogen teilweise zu glätten, spricht von falschen Interpretationen des Präsidenten und versucht mit einem längeren Zitat von Karl Jaspers Kelms ablehnende Haltung gegenüber dem Projekt Wald-Uni zu revidieren. Doch dieser lässt ihm am 26. März 1982 durch seinen Kanzler mitteilen:

„Die Walduniversität Mörfelden-Waldorf/freie Volksuniversität Startbahn-West hat nichts, aber auch gar nichts mit der J.W. Goethe-Unifiersität Frankfurt am Main zu tun. Sofern sich Mitglieder oder Angehörige der J.W. Goethe-Universität an dieser Walduniversität betätigen, so gehört dies nicht zu ihren Aufgaben aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung über Fragen des Ausbaues der Startbahn-West können Sie sich zu Recht auf die von Ihnen unter Ziff. 4 in Ihrem Schreiben vom 15.3.1982 angeführten Rechtsvorschriften berufen. Das führt jedoch noch nicht dazu, daß Ihre Aktivitäten in der Vorbereitungsgruppe für die Walduniversität Mörfelden-Waldorf zu Dienstaufgaben würden. Vielmehr ist dieser Bereich Ihrem außerdienstlichen Verhalten zuzurechnen, bei dem Sie sich als Beamter der politischen Mäßigung zu bedienen haben.“

Wolfgang Busch: Brief an Egbert Jahn vom 26. März 1982, Betreff: Ihr Aufruf zur sogenannten Walduniversität[27]

Am 13. April 1982 teilte Jahn den universitären Unterstützern der Wald-Uni mit, dass der Präsident unter Berufung auf sein Hausrecht eine Vorbereitungsveranstaltung für die Wald-Uni im AfE-Turm verboten habe und diese deshalb in einem nahegelegenen Restaurant stattfinden müsse. Unmittelbar davor fände aber in dem ursprünglich vorgesehenen Raum die vorgesehene Besprechung eines interdisziplinären Veranstaltungsprogramms statt.[28]

Inneruniversitär war die Wald-Uni fortan auf der offiziellen Ebene kein Thema mehr, und auch der Namensbestandteil Uni musste bald aufgegeben werden. Als der zu ihrer Unterstützung gegründete Trägerverein sich im Vereinsregister eintragen lassen wollte und zu diesem Zweck seine Satzung vorlegte, erhielt er vom Amtsgericht Groß-Gerau die Mitteilung:

„Gegen die Zulassung des Wortes "Uni" als Bestandteil des Vereinsnamens bestehen Bedenken. "Uni" ist das allgemein gebräuchliche stud. Kurzwort für "Universität"; eine andere offizielle Auslegung ist lt. DUDEN (Band 1, 18. Aufl., S 716) nicht zulässig. Die Universitäten des Landes Hessen sind keine Vereine, sondern rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtungen (§ 1 Abs. 2 HUG).
Der Vereinsname ist daher zu ändern.“

Amtsgericht Groß-Gerau: Schreiben vom 18. Oktober 1982 an die „Wald-Uni, z. Hd. Herrn Leo Spahn, c/o Umweltbüro, Langgasse 40, 6082 Mörfelden Walldorf“[27]

Alltagssprachlich änderte sich durch diese behördliche Intervention nichts, und auch im Logo blieb der Name erhalten.

Aus der Arbeit der Wald-Uni[Bearbeiten]

Um die Jahreswende 1991/1992 lud der inzwischen als Verein zur Förderung von Frieden, Demokratie und Umweltschutz firmierende Förderverein der Wald-Uni zu einer Veranstaltung am 22. Januar 1992 ein, auf der zu seiner Auflösung ein Liquidator bestellt werden sollte.[29] Der immerhin zehnjährige Weg bis zu diesem Ende war nicht zuletzt auch ein Abschied von zu hoch gegriffenen Erwartungen, die sich schon im Gründungsprozess als nicht realisierbar erwiesen hatten. Bereits am 13. August 1982 räumte Egbert Jahn in einem Rundschreiben ein:

„In den vergangenen Monaten hat sich leider erwiesen, daß die Gründung einer Walduniversität Mörfelden-Walldorf als einer kommunalen Bildungseinrichtung zur Vermittlung zwischen Interessen, Bedürfnissen, Fragen und Erfahrungen von Bürgern einerseits und Fragestellungen und Erkenntnissen von Wissenschaftlern an den Universitäten, Hochschulen und Forschungsinstituten andererseits zur Zeit nicht möglich ist. Insbesondere das mangelnde Interesse von Wissenschaftlern in den Fachdisziplinen, die durch die Startbahnproblematik besonders gefordert sind (z.B. Ökonomie, Recht, Medizin, Biologie), das sich in den Nicht-Reaktionen auf die Einladung des Vorbereitungsausschusses der Walduniversität für ein Planungstreffen am 19. April zeigte, ließ uns vorerst von der Gründung der Walduniversität Abstand nehmen.“

Egbert Jahn: Schreiben vom 13. August 1982, adressiert an die inneruniversitären Erstunterzeichner[27]

Jahn gab damit auch die Auflösung der interdisziplinären Arbeitsgruppe an der Goethe-Universität bekannt, die eigentlich die Wald-Uni hätte vorbereiten sollen. Er kündigte zugleich eine andere Vorgehensweise an, die darin bestehe, sich darauf zu konzentrieren, „wissenschaftliche Vorträge zu organisieren und in Diskussionsveranstaltungen die Erfahrungen der Bürger in der Flughafenregion im Sinne einer demokratischen, gewaltfreien Politik zur Aufarbeitung von Gewalterlebnissen und -bedürfnissen an der Startbahn West aufzuarbeiten“. Dazu verweist er einen bereits gehaltenen Vortrag von Iring Fetscher über Ökologische Probleme und parlamentarische Demokratie und auf einen Vortrag über Ökologische und rechtliche Fragen zum wasserrechtlichen Verfahren, der gemeinsam von einem Rechtsanwalt und einem Forstbeamten gehalten worden sei. Ganz im Sinne dieses Kurswechsels war dann doch ein recht ambitioniertes Veranstaltungsprogramm für den Herbst 1982 entstanden.[30]

Über eine in dem Programm nicht angekündigte Veranstaltung Bürgerbeteiligung und Recht – am Beispiel Startbahn West berichtete die Frankfurter Rundschau (FR) am 15. November 1982 und sprach von einer Beteiligung von über 300 Bürgerinnen und Bürgern.[31] Es war eine Gemeinschaftsveranstaltung mit der Evangelischen Akademie Arnoldshain, an der neben Landtagsabgeordneten auch Iring Fetscher, Peter Härtling, Alexander Schubart und der damals noch als Staatssekretär in Rheinland-Pfalz wirkende Klaus Töpfer teilnahmen.

Neben diesem Veranstaltungsangebot gab es im Herbst 1982 auch noch 5 Arbeitsgruppen[32], die weitgehend auf denen basierten, die bei der Eröffnungsveranstaltung ins Leben gerufen worden waren.

Sowohl das Veranstaltungsprogramm als auch die Arbeitsergebnisse der Arbeitsgruppen sind kaum dokumentiert. Das liegt auch daran, dass eine Arbeitsgruppe Archiv des Widerstands nie recht zum Laufen kam.[33] Damit fehlt auch ein systematischer Überblick über die Folgeaktivitäten. Vom November 1982 liegt zwar noch ein Programmentwurf für das 1. Halbjahr 1983 vor[34], doch inwieweit der noch umgesetzt wurde, lässt sich nicht beurteilen. Immer wieder tauchen in Rundschreiben Hinweise darauf auf, dass Veranstaltungen oder Arbeitsgruppentreffen schlecht besucht worden seien. Im Frühjahr 1983 gab Schwierigkeiten bei der Besetzung des Vorstandes des Fördervereins, sodass „die Weiterarbeit der Wald-Uni ernsthaft in Frage gestellt“ sei.[35]

Aus einem Schreiben Egbert Jahns vom 19. April 1984, das vermutlich an die universitären Erstunterzeichner ging, geht hervor, dass er „nach den öffentlichen und universitären Auseinandersetzungen um diese ‘Walduniversität’ [..] von der SPD-Landtagsfraktion zu einem Einleitungsvortrag für eine Anhörung zum Startbahnkonflikt am 16. Juni 1983 eingeladen“ worden war. Eine überarbeitete Ausarbeitung seines Vortrags bot er nun seinen ehemaligen Mitstreitern für 8.00 DM zum Kauf an.[36]

Dokumentiert ist für September 1984 ein Vortrag zur „Einführung in das ökologische und biologische Bauen“[37], und exakt ein Jahr später ist in einer Einladung zur Jahresmitgliederversammlung 1985 nachzulesen, dass eine ABM-Stelle für die Planung und Durchführung des Projekts „Startbahnkonflikt und Wissenschaftsdokumentation und Analyse des Wissenschaftsengagements im Zusammenhang mit dem Startbahnkonflikt“ eingerichtet werden solle. Außerdem sei eine Publikation des Erzählkreises „Widerstandsgeschichten“ in Vorbereitung.[38] In einer Anlage zur Einladung vom 10. Februar 1986 zur Mitgliederversammlung am 13. März 1986 ist zu lesen, dass das „das Buch "Widerstandsgeschichten", das die Arbeitsgruppe Erzählgeschichten seit Jahren erarbeitet fertiggestellt werden [soll]. Klaus Heuer wurde mit der endgültigen redaktionellen Überarbeitung beauftragt, da sich die Arbeitsgruppe nicht in der Lage sah, dies aus eigener Anstrengung zu leisten. Bis zum Januar soll das Buch druckreif vorliegen.“[39] In einem weiteren Rundschreiben vom 10. Juli 1986 heißt es, dass das Buch druckreif und ein Verlag gefunden sei. Es wurde eine Veranstaltung dazu für den Winter ins Auge gefasst.[40] Ob es dazu tatsächlich gekommen ist, ließ sich nicht verifizieren; weder unter dem Stichwort „Widerstandsgeschichten“, noch unter dem Namen Klaus Heuer findet sich dazu ein Hinweis im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek.

Unabhängig von diesem Buchprojekt zeugen die beiden eben zitierten Papiere von einer gewissen Aufbruchstimmung. Die bisherige Beschränkung der Wald-Uni auf einzelne Vortragsveranstaltungen soll aufgegeben werden. Dafür sollen künftig vermehrt Projekte bei Wissenschaftlern in Auftrag gegeben werden, deren Ergebnisse dann der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden sollen. Beispielhaft könne hierfür eine „Expertise zur kommunalen Energieversorgung einer Gemeinde“ sein, für die das Öko-Institut in Darmstadt in Frage käme. Vorträge sollten darüber nicht gänzlich aufgegeben werden. Nachgedacht wurde beispielsweise über eine Vortragsreihe mit Mitarbeitern der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung und eine weitere mit dem Schwerpunkt Naturheilkunde.[39] Als Folge konnte das Rundschreiben vom 10. Juli 1986 vermelden:
- einen Vortrag über Bauökologie mit etwa 20 Teilnehmern;
- ein Referat über energiesparendes Bauen und Wohnen mit ca. 30 Teilnehmern;
- eine Veranstaltung über Stadt und Gesundheit mit 10 Teilnehmern („bei starker Konkurrenz durch die Fußball-WM“).[40] Darüber hinaus wurden weitere Veranstaltungen für den Herbst 1986 vorgestellt und gehofft, durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit in Mörfelden-Walldorf sichtbarer zu werden. Ebenso solle die Wald-Uni auch außerhalb Mörfelden-Walldorfs bekannter gemacht werden.

Auch wenn weiterhin unter dem Namen Wald-Uni agiert wird, zeigt spätestens die Programmplanung für die 2. Jahreshälfte 1987, dass sich der Verein anders entwickelt hat und eher als eine alternative oder ökologische orientierte Volkshochschule in Erscheinung tritt. Geplant waren: „Workshops zur Heizungssanierung, Wohnraumisolierung, Regenwassernutzung und Energiesparumbau einer Wasch- nd Spülmaschine. Gedacht ist auch an einen Umwelttag evtl. gemeinsam mit dem BUND, dem Umweltbüro und evtl. Gartenbauvereinen.“[41]

Das Aus für die Wald-Uni und ihren Trägerverein kommt 1991. In einer Einladung zu einer Mitgliederversammlung vom 30. März 1991 heißt es:

„Nachdem wir mit unserer letzten Veranstaltungsreihe zur Energiepolitik und Alltagsökologie, sowie unserer Beteiligung am Stromsparwettbewerb des Energiewendekomitees weitgehend unter uns geblieben sind, was, wie hier ausdrücklich betont werden soll, keineswegs gegen die Qualität der Veranstaltungen spricht, sind die Aktivitäten des Vereins weitestgehend zum Erliegen gekommen. Da der jetzige Vorstand eine Wiederaufnahme der Vereinsarbeit gemäß den Satzungszielen nach den gemachten Erfahrungen nicht mehr für erfolgversprechend hält, schlagen wir die Auflösung des Vereins vor und stellen dies hiermit der Mitgliederversammllung zur Diskussion.“

– Einladung zur Mitgliederversammlung des Vereins zur Förderung von Frieden, Demokratie und Umweltschutz vom 30. März 1991[27]

Am 22. April 1991 folgt die Mitgliederversammlung diesem Vorschlag. Der Vorstand, dem als letzte Erstunterzeichner des Gründungsaufrufs noch Egbert Jahn und Walter Raitz angehörten, wurde entlastet und das verbleibende Vereinsvermögen dem Ökoinstitut Freiburg übertragen. So dann heißt es:

„Der Vorschlag, die Aktivitäten mit einer Abschlußveransteltung zu beenden, wurde angenommen. Dies soll am Pfinstsonntag, 19. 5. 91 im Anschluß an einen Gottesdienst mit Peter Härfiling an der Hüttenkirche zwischen Mörfelden und Walldorf geschehen. Der Gottesdienst beginnt ca. 17 Uhr, das anschließende Gepräch im lockeren Rahmen zum Thema "Was ist in den letzten zehn Jahren an Veränderung der politischen Kultur geblieben?" wird gegen 18 Ühr beginnen.“

– Protokoll der (letzten) Mitgliederversammlung der Wald-Uni, Verein zur Förderung von Frieden, Demokratie und Umweltschutz vom 22.4.91, Mörfelden-Walldorf, 11. Mai 1991[27]

Der allerletzte Akt war dann die eingangs erwähnte Bestellung eines Vereins-Liquidators.

Die Wald-Uni und ihre Folgen[Bearbeiten]

Was die Wald-Uni in den zehn Jahren ihrer Existenz zur Veränderung der politischen Kultur beigetragen hat, ist empirisch nicht belegt, und ebenso wenig die Selbsteinschätzungen ihrer verbliebenen Akteure dazu. Eine gewisse Ausnahme besteht in Bezug auf Egon Becker, der zu den Erstunterzeichnern des Gründungsaufrufs für die Wald-Uni gehörte und die Arbeitsgruppe Wie mit Gutachten Politik gemacht wird moderierte. Im Programm von 1982 hieß es dazu:

„Diese Arbeitsgruppe wollte sich "in den Dschungel von Instanzen, Kompetenzen, Bürokratien, Gerichten ... begeben, in dem seit über 10 Jahren die politischen und juristischen Entscheidungen über den Bau der Startbahn fallen. Dabei konzentrieren wir uns auf die verschiedenen wissenschaftlichen Gutachten, mit denen in diesem verworrenen Prozeß versucht wurde, Entscheidungen rational zu begründen. Wir möchten die Zuspitzung auf die Alternative Ökonomie gegen Ökologie, Arbeitsplätze gegen Lebensqualität als Scheinalternativen aufweisen. Ziel der Arbeit ist es, so etwas wie einen Wegweiser durch den politisch-juristischen Dschungel zu erarbeiten, mit dem in kommenden Konflikten um technische Großprojekte die Betroffenen arbeiten können.“

– Programm der Walduni Herbst 82: Arbeitsgruppen[32]

Knapp 25 Jahre später schrieb Thomas Kluge dazu:

„Dort wird intensiv darüber diskutiert, wie sich die parlamentarische Politik gegenüber Einsprüchen von Bürgerinitiativen verhält, welche Rolle der Wissenschaft in diesen Prozessen zukommt, wie mit wissenschaftlichen Gutachten Politik betrieben wird und welche Bedeutung dem Laien-Wissen zukommt. Diese Diskussionen wirken auf den Hochschulbetrieb zurück: In Vorlesungen und Seminaren einer kleinen Professorengruppe aus mehreren Fachbereichen werden Themen behandelt, die in einer osmotischen Verbindung zu diesen politischen Prozessen stehen: Bei Becker geht es um das Verhältnis Mensch/Natur/Gesellschaft in verschiedenen Wissenschaften, den neuzeitlichen Naturbegriff, die Naturfrage bei Marx, den Sozio-Biologismus, ... Heute ist es nur noch schwer verständlich, wie derartige scheinbar bloß akademische Themen untergründig mit dem Startbahn-Konflikt verbunden waren - aber sie waren es.“

Thomas Kluge: Ökologie und Politik[42]

Dass die Veranstaltungen der Wald-Uni nicht nur auf das Denken und Handeln ihrer Teilnehmer einwirken wollten, sondern für alle Akteure bedeutsam waren, machte Becker 2008 in einem Interview deutlich. Gefragt, wer oder was ihn in seinem Engagement für die Umwelt besonders geprägt habe, antwortete er: „Umweltpolitisch geprägt haben mich in den 1970er und 1980er Jahren Konflikte wie die um den Bau der Startbahn West des Frankfurter Flughafens. Eine prägende intellektuelle Herausforderung waren für mich in dieser Zeit Texte wie die Studie des Club of Rome über Die Grenzen des Wachstums oder Hans Magnus Enzensbergers Kritik der politischen Ökologie.“[43]

Auch die Arbeitsgruppe "Widerstandsgeschichten" hatte mit Walter Raitz einen Moderator aus dem Kreis der Erstunterzeichner des Gründungsaufrufs. Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, „individuelle Erfahrungen aus dem Kampf der Bürger zu sammeln und in geeigneter Weise zu veröffentlichen“.[32] Der Gruppe gehörten – neben Studenten und Literaturwissenschaftlern – überwiegend Frauen an, die schon seit Jahren im Widerstand gegen die Startbahn West aktiv waren.[44]

„Die Frauen aus Mörfelden-Walldorf erzählen in der Gruppe Erfahrungen, Erlebnisse, biographische Entwicklungen, eben Geschichten aus ihrer Widerstandsarbeit, die dann gemeinsam mit den Wissenschaftlern und Studenten bearbeitet und einer größeren Öffentlichkeit verständlich gemacht werden sollen. Die erzählten Geschichten werden auf Band aufgenommen, abgeschrieben und anschließend in kleinen Untergruppen und im Plenum weiterdiskutiert und bearbeitet. Es geht also darum, aus dem Erzählten Literatur zu machen, ohne daß die Authentizität der Erzähler und der Erzählsituation dabei verloren geht.“

Wolfgang Beer: Frieden – Ökologie – Gerechtigkeit, S. 109-111

Ob das aus dieser Arbeitsgruppe hervorgegangene und oben bereits erwähnte Buch Widerstandsgeschichten tatsächlich erschienen ist, ist unklar. Spuren davon haben sich erhalten in Form einer Postkartenserie, mit der kurze Erzählsequenzen aus der Arbeitsgruppe publiziert wurden.[45]

Quellen[Bearbeiten]

  • Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden:
    • HHStAW, Signatur 509, Nr. 12534: Gründung der Walduniversität Mörfelden-Walldorf (Freie Volksuniversität Startbahn). Diese Akte entstammt dem Ministerbüro des Hessischen Landwirtschaftsministeriums.
    • HHStAW, Signatur, 505, Nr. 2060, Band 3: Sachakte Luftverkehr im Allgemeinen. Die Akte stammt aus dem Hessischen Justizministerium.
  • Innerhalb der Wald-Uni gab es eine AG Archiv, die aber, wie aus einem Rundschreiben vom 8. März 1982 hervorgeht, wenig Interessen gefunden hat: Neben ihrem Initiator Martin Kessel[46], der zuvor schon zuvor Material über die Anfänge des Protests gegen die Startbahn West gesammelt hatte, hatten sich nur zwei Personen für diese AG angemeldet. Kessel verwies in dem Rundschreiben auf die vielen Menschen, die privat Materialien gesammelt, diese aber nicht einer systematischen Erfassung und Auswertung zugänglich gemacht hätten. Daran scheint sich auch nach diesem Rundschreiben wenig geändert zu haben, und so verwundert es nicht, dass im Internet und auch in den Hessischen Staatsarchiven kaum Material über die Wald-Uni zu finden ist. Sie ist auch nur in dem nachfolgend angezeigten Buch von Wolfgang Beer explizit Gegenstand einer eingehenderen Auseinandersetzung. Deshalb stammen viele für diesen Artikel herangezogenen Materialien aus der privaten Sammlung von Egon Becker:
    • Aufruf zur Gründung der Freien Volksuniversität Startbahn West (Walduniversität Mörfelden-Walldorf), Wiesbaden, 14. November 1981.
    • Egbert Jahn: Rundbrief vom 6. Januar 1982 an die Unterstützer der Wald- oder Volksuniversität (das Rundschreiben trägt irrtümlich das Datum 6. Januar 1981).
    • Brief der Vorbereitungsgruppe Walduniversität Mörfeldn-Walldorf – Freie Volksuniversität Startbahn-West vom 10. Februar 1982.
    • Programm zur Eröffnungsveranstaltung der Walduniversität Mörfelden-Walldorf Freie Volksuniversität »Startbahn West« am 6. und 7. März 1982 mit Themenvorschlägen für Arbeitsgruppen.
    • Egbert Jahn: Brief an Kultusminister Krollmann vom 31. März 1982. Im Anhang:
      • Auszüge aus einem Interview mit Hans Krollmann, Hessischer Rundfunk, 26. Januar 1982.
    • Walduni – eine Alternative?, in: AStA-Info des AStA der Goethe-Universität Frankfurt, Januar/Februar 1982.
  • Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE). Im Archiv des Instituts befinden sich zwei Ordner:
    • Materialien zur Startbahn West, gesammelt von Egon Becker
    • Signatur EB 3.3.82 - Materialien der Arbeitsgruppe Wie mit Gutachten Politik gemacht wird
  • Freie Volks-Uni Startbahn West: Die Walduniversität wird Realität, in: umwelt express. Zeitung der Bürgerbewegung gegen die Startbahn West, Walldorf, Februar 1982, S. 4. Der hier genannte Eröffnungstermin 14./15. Februar 1982 kam nicht zu Stande. Zugleich scheint diese kurze Notiz mit dem Hinweis, dass die Wald-Uni „nach lange verzögerter Geburt [..] nun endlich da“ ist, die einzige in der innerhalb der Startbahn-Bewegung weit verbreiteten Zeitung gewesen zu sein, in der auf die Wald-Uni Bezug genommen wurde.
  • Drucksache 9/6050 – Hessischer Landtag, 9. Wahlperiode: Kleine Anfrage der Abg. Milde, Lauterbach und Borsche (CDU) betreffend Qualifikation für eine Politologie-Professur, Wiesbaden, 16. Februar 1982

Literatur[Bearbeiten]

  • Wolfgang Beer: Frieden – Ökologie – Gerechtigkeit. Selbstorganisierte Lernprojekte in der Friedens- und Ökologiebewegung, Westdeutscher Verlag, Opladen 1983, ISBN 3-531-11649-5, S. 102–121.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Unter den 35 Erstunterzeichnern des Gründungsaufrufs war nur eine Frau, die Frankfurter Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin Elisabeth Troje.
  2. Axel Mayer: Volkshochschule Wyhler Wald: Lernen im AKW - Widerstand, Mitwelt Stiftung Oberrhein, 1. November 2019
  3. Hans Mattes: „Kraftvoller Lobbyist“ im Ruhestand, Frankfurter Allgemeine (FAZ), 15. Juli 2007, & Stadt Mörfelden-Walldorf: Stadt trauert um Ehrenbürgermeister Bernhard Brehl, Pressemitteilung vom 20. Juli 2020
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 Egbert Jahn: Rundbrief vom 6. Januar 1982 an die Unterstützer der Wald- oder Volksuniversität
  5. * 1940, emeritierter Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Goethe-Universität. (Germanistenverzeichnis: Walter Raitz, Prof. Dr.)
  6. „Monsieur l’Architecte“ Der Architekt DW Dreysse über Grenzerfahrungen, moderne Regional, Heft 3, 2018
  7. Letzte Hürde brach vor 30 Jahren, op-online.de, 14. Januar 2012
  8. So Ende November 1982 das Resümee von Norbert Winkler, damals Magistratsmitglied in Mörfelden-Walldorf und in dieser Funktion auch Mitglied der Vorbereitungsgruppe, hier zitiert nach Wolfgang Beer: Frieden – Ökologie – Gerechtigkeit, S. 103. Winklers Sohn Thomas ist seit dem 20. Juli 2019 Bürgermeister der Stadt Mörfelden-Walldorf. (Bürgermeister Thomas Winkler & Thomas Winkler: Ich möchte mich Ihnen vorstellen)
  9. Wolfgang Beer: Frieden – Ökologie – Gerechtigkeit, S. 103
  10. 10,0 10,1 10,2 Brief Holger Börnes an Egbert Jahn vom 3. Dezember 1981, in: HHStAW, Signatur 509, Nr. 12534
  11. Aktenvermerk zur Erstunterschrift des Verwaltungsangestellten Hans-Egon Baasch unter dem Aufruf zur Gründung der Freien Volksuniversität Startbahn West, Dezember 1981, in: HHStAW, Signatur 509, Nr. 12534
  12. Dieser handschriftliche Vermerk befindet sich auf dem zuvor zitierten Brief Holger Börners aus der Akte des Landwirtschaftsministeriums. (HHStAW, Signatur 509, Nr. 12534)
  13. 13,0 13,1 13,2 13,3 13,4 Brief von Kultusminister Krollmann an Egbert Jahn vom 5. Januar 1982, in: HHStAW, Signatur, 505, Nr. 2060, Band 3
  14. Drucksache 9/6050 - Hessischer Landtag, 9. Wahlperiode: Kleine Anfrage der Abg. Milde, Lauterbach und Borsche (CDU) betreffend Qualifikation für eine Politologie-Professur, Wiesbaden, 16. Februar 1982
  15. Jahn und Czempiel waren nicht nur am Fachbereich Kollegen. Von 1969–1970 war Jahn Wissenschaftlicher Assistent bei Czempiel in Marburg und ging dann mit diesem nach Frankfurt, wo er Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) und später dort Leiter einer Forschungsgruppe wurde. Czempiel war in dieser Zeit (bis 1996) Vorstandsmitglied der HFSK.
  16. 16,0 16,1 16,2 16,3 16,4 Ernst-Otto Czempiel et al.: Zur Diskussion: Walduniversität, in: UNI-REPORT. Zeitung der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M., Jg. 15, Nr. 1, 6. Januar 1982, S. 2. Der im UNI-Report veröffentlichte Text war allerdings als offener Brief schon im Dezember veröffentlicht und der Presse übergeben worden. Am 19. Dezember 1981 erschien in der Frankfurter Rundschau bereits der Artikel Wald-Uni: „Konfliktmittel“. Acht Hochschullehrer gegen Anti-Startbahn-Protest.
  17. Das von Ebert konzipierte Konzept der sozialen Verteidigung und des gewaltfreien Widerstands ist für die Autoren eine Erfindung für einen offenbar nur hypothetischen Notfall, weshalb sie folgern: „Ihre Instrumente und ihre Taktiken im politischen Alltag einzusetzen, ist sowohl im Hinblick auf diesen Anlaß wie im Hinblick auf die nicht auszuschließende Möglichkeit echten Bedarfes schlechterdings unzulässig.“ Ernst-Otto Czempiel et al.: Zur Diskussion: Walduniversität, in: UNI-REPORT. Zeitung der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M., Jg. 15, Nr. 1, 6. Januar 1982, S. 2)
  18. Unter der Überschrift Frontüberschreitende Gespräche zur Abrüstung der Gewaltpotentiale dokumentierte die Frankfurter Rundschau (FR) am 12. Januar 1982 auf mehreren Seiten den Briefwechsel zwischen Jahn, Börner, Krollmann, Gries und Czempiel et al. In der FR wird Jahns später im UNI-REPORT veröffentlichter Brief an Börner auf den 21. Dezember 1981 datiert und damit auch als Antwort auf den wenige Tage zuvor veröffentlichten offenen Brief von Czempiel et al.
  19. 19,0 19,1 19,2 19,3 19,4 19,5 Egbert Jahn: Erwiderung auf Ministerpräsident Börners Brief vom 3. Dezember 1981, abgedruckt in: UNI-REPORT. Zeitung der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M., Jg. 15, Nr. 2, 20. Januar 1982, S. 2
  20. Der offene Brief ist abgedruckt im diskus. frankfurter studentenzeitung, 5–6/1981, S. 11–13. Universitätspräsident Kelm lehnte mit Brief vom 30. November 1981 dessen Veröffentlichung im UNI-REPORT ab, „da es sich meiner Ansicht nach zumindest um eine völlig einseitige Darstellung handelt. Mögliche juristische Implikationen werden zur Zeit geprüft.“ (Zitiert nach einer Kopie des Briefs im ISOE-Archiv, Signatur EB 3.3.82 - Materialien der Arbeitsgruppe Wie mit Gutachten Politik gemacht wird, Register 14)
  21. ISOE-Archiv: Materialien zur Startbahn West, gesammelt von Egon Becker
  22. 22,0 22,1 22,2 22,3 Walduni – eine Alternative? (siehe Quellen)
  23. Wolfgang Beer: Frieden – Ökologie – Gerechtigkeit, S. 116
  24. 24,0 24,1 24,2 Walter Raitz, zitiert nach Wolfgang Beer: Frieden – Ökologie – Gerechtigkeit, S. 117
  25. Norbert Winkler, zitiert nach Wolfgang Beer: Frieden – Ökologie – Gerechtigkeit, S. 118
  26. Brief der Vorbereitungsgruppe Walduniversität Mörfeldn-Walldorf – Freie Volksuniversität Startbahn-West vom 10. Februar 1982
  27. 27,0 27,1 27,2 27,3 27,4 27,5 Materialien aus der privaten Sammlung von Egon Becker
  28. Egbert Jahn, Rundschreiben vom 13. April 1982; Materialien aus der privaten Sammlung von Egon Becker
  29. Undatierte Einladung zur Wahl eines Liquidators; Materialien aus der privaten Sammlung von Egon Becker
  30. Programm der Walduni Herbst 82: Veranstaltungen; Materialien aus der privaten Sammlung von Egon Becker
  31. Hans-Helmut Kohl: „Solange wir uns bewegen, wird der Beton nicht hart“, FR, 15. November 1982
  32. 32,0 32,1 32,2 Programm der Walduni Herbst 82: Arbeitsgruppen; Materialien aus der privaten Sammlung von Egon Becker
  33. Martin Kessel: Rundschreiben zum Archiv des Widerstands vom 8. März 1982; Materialien aus der privaten Sammlung von Egon Becker
  34. Einladung vom 11. Oktober 1982 zu einem Treffen des Programm-Ausschusses am 15. Oktober 1982; Materialien aus der privaten Sammlung von Egon Becker
  35. Undatiertes Rundschreiben (vermutlich Ende Mai 1983): „Nochmalige Mitgliederversammlung“; Materialien aus der privaten Sammlung von Egon Becker
  36. Egbert Jahn: Rundschreiben vom 19, April 1984; Materialien aus der privaten Sammlung von Egon Becker
  37. Undatierte Einladung zum Vortrag zur „Einführung in das ökologische und biologische Bauen“ am 21. Sewptember 1984; Materialien aus der privaten Sammlung von Egon Becker
  38. Einladung vom 2. September 1985 zur Jahresmitgliederversammlung 1985; Materialien aus der privaten Sammlung von Egon Becker
  39. 39,0 39,1 Einladung zur Mitglieder Versammlung am 13. März 1986 nebst Anlage zur aktuellen Situation der Wald-Uni, Mörfelden-Walldorf, 10. Februar 1986; Materialien aus der privaten Sammlung von Egon Becker
  40. 40,0 40,1 Mitglieder-Rundschreiben vom 10. Juli 1986; Materialien aus der privaten Sammlung von Egon Becker
  41. Protokoll der Mitgliederversammlung am 18. Februar 1987; Materialien aus der privaten Sammlung von Egon Becker
  42. Egon Becker: Keine Gesellschaft ohne Natur. Beiträge zur Entwicklung einer Sozialen Ökologie. Campus Verlag, Frankfurt / New York 2016, ISBN 978-3-593-50555-8, Einleitung zum Kapitel „Ökologie und Politik“ von Thomas Kluge, S. 13–16, hier S. 15.
  43. 12 FRAGEN AN EGON BECKER, in: GAiA. ÖKOLOGISCHE PERSPEKTIVEN FÜR WISSENSCHAFT UND GESELLSCHAFT, Ausgabe 17/1, 2008, S. 6. Der zitierte Aufsatz von Enzensberger ist erschienen im Kursbuch 33, Kursbuch/Rotbuch Verlag, Berlin, 1973, S. 1–42
  44. Wolfgang Beer: Frieden – Ökologie – Gerechtigkeit, S. 109–111
  45. „Alle Postkarten tragen auf der Rückseite den Vermerk: Das im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen an der Startbahn 18 West entstandene Erzählseminar der Wald-Uni veröffentlicht mit dieser Serie Erzählungen von Betroffenen.“ Die nachfolgenden Postkarten stammen aus der privaten Sammlung von Egon Becker.
  46. MARTIN KESSEL: „Man wollte mir ein Stück meines Lebens rauben", Frankfurter Rundschau vom 18. Mai 2012


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