Was Russland mit der Ukraine tun sollte
Was Russland mit der Ukraine tun sollte (russisch Что Россия должна сделать с Украиной Tschto Rossija dolschna sdelat' s Ukrainoj), auch Was soll Russland mit der Ukraine tun? ist ein antiukrainischer Artikel von Timofei Sergeizew, welcher von der russischen staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti veröffentlicht wurde.[1] Der Text spricht der Ukraine ihr Existenzrecht ab und legitimiert den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022.[2]
Der Artikel wurde am 3. April 2022 veröffentlicht, am Tag, als das russische Massaker von Butscha an ukrainischen Zivilisten bekannt wurde. Der Inhalt wurde international auch aufgrund der erstmaligen Verbreitung durch ein russisches Staatsmedium heftig kritisiert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach davon, dass der propagandistische Artikel einen Genozid legitimiere.[3]
Inhalt[Bearbeiten]
Der Text ruft unter dem Vorwand der „Entnazifizierung“ zur Vernichtung der Ukraine und der ukrainischen Identität auf. Der Autor fordert, dass jeder „maximal zerstört“ werden soll, der zur Waffe greift. Er fordert eine „totale Lustration“.[4] Eine territoriale Integrität wird abgelehnt. Ukrainische Städte wie Charkiw, Odessa, Dnipro und Mariupol werden als „russische Städte“ bezeichnet.
Faschismus-Unterstellung[Bearbeiten]
Der Text behauptet, die Ukraine sei ein Nazi-Staat und eine Entnazifizierung sei „unausweichlich“. Eine Entnazifizierung bedeute eine „De-Ukrainisierung“. Die Eliten werden als „Bandera-Eliten“ und die ukrainischen Kämpfer als Nazis bezeichnet. Weiter behauptet er, dass die Mehrheit des ukrainischen Volkes wahrscheinlich Nazis seien. Diese sollen nicht nur politisch, sondern auch kulturell und im Bildungsbereich umerzogen werden.
Der Autor sagt, dass ein Verzicht auf einen NATO-Beitritt bei gleichzeitiger Aufnahme in die Europäische Union kein Kompromiss sei, denn der Weg der Ukraine in die Unabhängigkeit von Russland und die Annäherung an „den Westen“ sei versteckter Nazismus. Er behauptet, dieser angebliche Nazismus sei eine „größere Bedrohung für die Welt als der deutsche Nationalsozialismus unter Hitler“.[5]
Des Weiteren wirft er der Ukraine vor, ein „Werkzeug des Westens“ zu sein, um „Russland zu destabilisieren“.
Ablauf einer angeblichen „Entnazifizierung“[Bearbeiten]
Der Text enthält auch einen Plan für die ersten Schritte zur angeblichen „Entnazifizierung“, darin wird unter anderem genannt:
- Die „Liquidation aller bewaffneter Formationen“. Der Autor nennt explizit auch die Streitkräfte der Ukraine.
- Die Veröffentlichung der Namen der Komplizen des angeblichen „Nazi-Regimes“ und ihre Bestrafung durch Zwangsarbeit, sofern sie nicht durch Hinrichtung oder Gefängnis bestraft werden.
- Die Rücknahme des Bildungsmaterials und der Bildungsprogramme, welche Richtlinien der „Nazi-Ideologie“ enthalten.
- Massenermittlungen zur Feststellung der persönlichen Verantwortlichkeit für die „Verbreitung von NS-Ideologie“, die Unterstützung des angeblichen NS-Regimes sowie die Beteiligung an “eventuellen Kriegsverbrechen”.
Die Dauer dieser angeblichen Entnazifizierung betrage eine Generation und Russland habe dabei keine Verbündeten. Auch werde der angebliche „Totalitarismus des Westens“ ausgemerzt.
Autor[Bearbeiten]
Timofei Sergeizew ist ein russischer Politik-Berater, Philosoph und Schriftsteller. Er ist Mitglied des Sinowjew-Clubs des staatlichen Medienunternehmens MIA Rossija Sewodnja (zu dem RIA Novosti und Sputnik gehört), für die er seit 2014 als Kolumnist arbeitet.
Von 1998 bis 2000 beriet er Wiktor Pintschuk in der Ukraine, 1999 arbeitete er im Wahlkampf für den ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma. Im September 2004 war er Berater von Viktor Janukowitsch beim Präsidentschaftswahlkampf.
2012 war Sergeizew an der Produktion des russischen Spielfilms Match (Матч), dem Ukrainophobie vorgeworfen wurde, beteiligt. Dieser Film wurde 2014 vom Goskino der Ukraine verboten.[6]
Sergeizew ist Autor der Bücher Das Schicksal des Imperiums. Russische Sicht auf die europäische Zivilisation (Судьба империи. Русский взгляд на европейскую цивилизацию), Weltkrise. Ost und West im neuen Jahrtausend (Мировой кризис. Восток и запад в новом веке) und Das Schicksal der Imperien (Судьба империи) sowie einer der Autoren des Buches Die russische Staatsideologie (Идеология русской государственности).
Politische Hintergründe in der Ukraine und Russland[Bearbeiten]
In der Parlamentswahl in der Ukraine 2019 erzielte die stärkste rechtsextreme Partei Swoboda 2,4 % und verpasste somit die Fünf-Prozent-Hürde. Kleinere rechtsextremistische Parteien (darunter das „Nationalkorps“, der politische Flügel des Regiments Asow) schlossen sich der Swoboda in einem Wahlbündnis an. Das Wahlresultat lag somit tiefer als bei russlandfreundlichen Parteien wie der Oppositionsplattform – Für das Leben, welche 13,05 % erzielte.[7]
Zum Vergleich: Bei der Parlamentswahl in Russland 2021 bekam die rechtsextreme Partei LDPR 7,5 %.[8]
Internationale Rezeption[Bearbeiten]
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete den Artikel als ein Beweisstück für ein zukünftiges Tribunal.[3] Der Botschafter der Ukraine in Kanada Roman Waschtschuk (ukrainisch Роман Ващук) nannte den Artikel „eine rhetorische Lizenz zum Töten“.[9]
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann erstattete Strafanzeige gegen den Autor des Artikels.[10]
Inhaltliche Auseinandersetzung[Bearbeiten]
Der Philosoph Moritz Rudolph setzte sich kritisch mit der Idee auseinander, die Ukrainer seien der „kleine Bruder“ Russlands und der „große Bruder“ sei verpflichtet, im „Interesse der Familie“ (der „ganzen Rus“, vgl. den Titel des orthodoxen Patriarchen von Moskau und der ganzen Rus) den „kleinen Bruder“ auf den „Pfad der Tugend“ zurückzuführen, ihn „umzuerziehen“, notfalls sogar zu töten. Seit der Französischen Revolution habe das Ideal der Brüderlichkeit immer wieder zu Versuchen geführt, Menschen mit Gewalt zum Teil einer homogenen, autoritär regierten Masse zu machen.[11] Tatsächlich solle die als gegeben behauptete „Bruderschaft“ von Russen und Ukrainern durch den Krieg erst hergestellt werden.
Siehe auch[Bearbeiten]
Weblinks[Bearbeiten]
- Englische Übersetzung des Originaltextes durch die ukrainische Denkfabrik „Zentrum für Freiheitsrechte“ (ukrainisch Центр Громадянських Свобод)
- Deutsche Übersetzung des Orginaltextes durch Manfred Quiring in Blätter für deutsche und internationale Politik
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ Timofei Sergeitsev: Что Россия должна сделать с Украиной. In: RIA Novosti (Hrsg.): ria.ru. 3. April 2022 (русский, ria.ru [abgerufen am 16. April 2022]).
- ↑ Timothy Snyder: «Ein Nazi ist ein Ukrainer, der sich zuzugeben weigert, dass er Russe ist» – nun gibt es auch eine russische Anleitung zum Völkermord in der Ukraine. In: Neue Zürcher Zeitung (Hrsg.): nzz.ch. 12. April 2022 (nzz.ch [abgerufen am 16. April 2022]).
- ↑ 3,0 3,1 Kateryna Tyshchenko: Zelenskyy on RIA Novosti article: One piece of evidence for a future tribunal. In: Ukrajinska Prawda (Hrsg.): pravda.com.ua. 4. April 2022 (english, com.ua [abgerufen am 16. April 2022]).
- ↑ „Ria Novosti“ ruft zur Vernichtung der Ukraine auf. In: Der Tagesspiegel (Hrsg.): tagesspiegel.de. 7. April 2022 (tagesspiegel.de [abgerufen am 16. April 2022]).
- ↑ Tzvi Joffre: Russian state media claims ‘Ukronazism’ greater threat to world than Hitler. In: The Jerusalem Post (Hrsg.): jpost.com. 4. April 2022 (jpost.com [abgerufen am 19. April 2022]).
- ↑ Что еще запретить Украине Госкино Украины ввело запрет еще на две российские киноленты — «Матч» Андрея Малюкова и «Август. Восьмого» Джаника Файзиева. [1]
- ↑ Результаты внеочередных выборов народных депутатов Украины 2019. In: Ukrajinska Prawda (Hrsg.): pravda.com.ua. 21. Juli 2019 (українська, com.ua).
- ↑ Предварительные итоги голосования. Abgerufen am 19. April 2022.
- ↑ Chris Brown: A Kremlin paper justifies erasing the Ukrainian identity, as Russia is accused of war crimes. In: CBC (Hrsg.): cbc.ca. 5. April 2022 (english, cbc.ca [abgerufen am 19. April 2022]).
- ↑ Michael Hanfeld: CDU-Abgeordneter erstattet Anzeige wegen Aufrufs zum Völkermord. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (Hrsg.): faz.net. 8. April 2022 (faz.net [abgerufen am 19. April 2022]).
- ↑ Moritz Rudoph: Der Bruder als trojanisches Pferd? In: philosophie Magazin. 16. Mai 2022, abgerufen am 21. Mai 2022.
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