Ansprache anlässlich der Verleihung des Karlspreises 2016 (Papst Franziskus)
Die Ansprache von Papst Franziskus anlässlich der Verleihung des Karlspreises an ihn fand am 6. Mai 2017 im Vatikan statt. Sie behandelte vor allem das Thema „Integration und Dialog in Europa“ und kann wie folgt zusammengefasst werden:
Einleitung[Bearbeiten]
„Dennoch bin ich überzeugt, dass die Resignation und die Müdigkeit nicht zur Seele Europas gehören
und dass auch die ‚Schwierigkeiten zu machtvollen Förderern der Einheit werden können‘.“
Seine Rede zur Verleihung des Karlspreises eröffnet Papst Franziskus mit einem geschichtlichen Rückblick auf die Gründungszeit der Europäischen Union und stellt diesem Rückblick die aktuelle Problematik eines von vielen als „müde“ wahrgenommenen Europas gegenüber. Er nimmt Bezug auf seine Ansprache an das Europaparlament aus dem Jahr 2014 und skizziert das Bild eines „müden und gealterten Europas, das nicht fruchtbar und lebendig ist, [...] wo die großen Ideale, welche Europa inspiriert haben, ihre Anziehungskraft verloren zu haben scheinen“.
Den Grund für diese Eindrücke sieht der Papst in einer fehlenden Rückbesinnung auf die europäische Vergangenheit und die europäischen Gründerväter, daher ist es gut, „die Gründerväter in Erinnerung zu rufen“. Die Gründerväter der europäischen Einigung verstanden es, die zur damaligen Zeit bestehenden Systeme der Gewalt und Zerstörung zu ändern, und zwar durch Solidarität und Großzügigkeit. Daher sind ihre Pläne von bleibender Aktualität. So ist es auch für das heutige Europa wichtig, sich auf die Fundamente zu besinnen und neue Fundamente zu legen. Durch eine erneute Besinnung auf das europäische Gedächtnis kann Europa einen neuen, dreifachen Humanismus hervorbringen, der die Fähigkeit zur Integration und zum Dialog und die Fähigkeit, etwas hervorzubringen, beinhaltet.
Hauptteil[Bearbeiten]
„Die europäische Identität ist und war immer
eine dynamische und multikulturelle Identität.“
Europa muss ein sinnvolles Zusammenleben seiner verschiedenen Einrichtungen auf allen Ebenen erreichen, denn die kulturellen Reichtümer und Errungenschaften der Völker fußen auf deren innerer Verbundenheit. Eine jede Vereinheitlichung führt letztlich in die Isolation der Exklusion, die „Feigheit, Enge und Brutalität“ hervorbringt. Die Exklusion war jedoch nie Bestandteil der europäischen Kultur, denn diese wurde vielmehr durch eine dynamische und multikulturelle Identität geprägt.
In diesem Geiste ist die Europäische Union aufgefordert, eine Integrationspolitik zu betreiben, die auf Solidarität gegründet ist und aus dieser Solidarität heraus den Menschen Möglichkeiten bietet. Integration ist nicht eine geografische Ansiedlung und Verortung von Menschen, sondern eine kulturelle Eingliederung, die die Würde des Menschen im Blick haben muss. Die Vergangenheit Europas soll bei diesem Vorhaben als Vorbild dafür dienen, die aktuellen Dialoge zu gestalten und auf diese Weise die drohende Gefahr einer Uniformierung des Menschen abzuwehren.
„Der Frieden wird in dem Maß dauerhaft sein,
wie wir unsere Kinder mit den Werkzeugen des Dialogs ausrüsten
und sie den ‚guten Kampf‘ der Begegnung und der Verhandlung lehren.“
Von herausragender Bedeutung ist für den Papst die Förderung einer Kultur des Dialogs. Der Dialog ermöglicht es, den jeweils anderen in seiner Würde und Subjektivität anzuerkennen und wahrzunehmen. Für die Schaffung einer solchen Kultur des Dialogs ist es von großer Bedeutung, sämtliche sozialen Handlungsträger miteinzubeziehen und die nachfolgenden Generationen im Geiste des Dialogs zu erziehen. So können mithilfe einer solchen Dialogfähigkeit Koalitionen geschaffen werden, „die nicht mehr nur militärisch oder wirtschaftlich, sondern kulturell, erzieherisch, philosophisch und religiös sind“.
„Der Dialog und alles, was er mit sich bringt, erinnern uns daran,
dass keiner sich darauf beschränken kann, Zuschauer oder bloßer Beobachter zu sein.
Alle, vom Kleinsten bis zum Größten, bilden einen aktiven Part
beim Aufbau einer integrierten und versöhnten Gesellschaft.“
Eine Kultur des Dialogs bringt es mit sich, dass sich alle Menschen daran beteiligen und dass sich jeder Einzelne einbringt. Dies gilt vor allem für die jungen Menschen in Europa, denn sie sind nicht allein die Zukunft, sondern auch die Gegenwart der Völker. Europa ist nicht vorstellbar, ohne dabei die jungen Menschen miteinzubeziehen. Eine wirkliche Teilhabe kann jedoch nur gegeben sein, wenn die Menschen würdige und lukrative Arbeitsmöglichkeiten erhalten.
Daher ist es nötig, dass neue Wirtschaftsmodelle, in denen Inklusion und Gerechtigkeit einen höheren Stellenwert besitzen, erschlossen werden. Der Papst spricht von einer sozialen Wirtschaft, „die in die Menschen investiert“, und hebt ausdrücklich die soziale Marktwirtschaft als Modell hervor. Eine menschenwürdige Zukunftsperspektive kann für Europa letztlich nur erschlossen werden, wenn Inklusion und Integration durch eine „würdige, freie, kreative, beteiligte und solidarische Arbeit“ erreicht werden.
Schluss und Handlungsaufforderung[Bearbeiten]
„Mit dem Verstand und mit dem Herz, mit Hoffnung und ohne leere Nostalgien,
als Sohn, der in der Mutter Europa seine Lebens- und Glaubenswurzeln hat,
träume ich von einem neuen europäischen Humanismus.“
An der Entwicklung Europas kann und soll sich die Kirche beteiligen, betont Franziskus. Diese Aufgabe ist mit der missionarischen Sendung der Kirche deckungsgleich und kann nur durch die Beteiligung von Menschen gelingen, die im Geiste des Evangeliums leben, denn nur „eine Kirche, die reich an Zeugen ist, vermag von Neuem das reine Wasser des Evangeliums auf die Wurzeln Europas zu geben“.
Am Ende seiner Ansprache skizziert Papst Franziskus seine Vorstellung von einem neuen europäischen Humanismus, indem er der Reihe nach einzelne Problemfelder und Anliegen anspricht – vom Schutz der Kinder und Familien bis hin zu einer würdigen Behandlung alter Menschen. Europa muss einen solchen neuen Humanismus hervorbringen, der gekennzeichnet ist von einer neuen Hinwendung zum Menschen und seinen konkreten Anliegen.
Literaturempfehlungen[Bearbeiten]
- Homeyer, Josef: Was trägt uns in Europa? Die Kirche und ihre Verantwortung, München 2004.
- Hünermann, Peter: Das neue Europa. Herausforderungen für Kirche und Theologie, Freiburg i. Br. 1993.
- Kirschner, Martin; Ruhstorfer, Karlheinz: Die gegenwärtige Krise Europas. Theologische Antwortversuche, Freiburg i. Br. 2018.
- Losansky, Sylvia: Öffentliche Kirche für Europa. Eine Studie zum Beitrag der christlichen Kirchen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Europa, Leipzig 2010.
- Müller, Joseph: Die Kirche und die Einigung Europas. Dokumentierte Darlegung, Saarbrücken 1955.
- Nachsynodales Apostolisches Schreiben „Ecclesia in Europa“ von Papst Johannes Paul II. an die Bischöfe und Priester, an die Personen gottgeweihten Lebens und an alle Gläubigen zum Thema „Jesus Christus, der in seiner Kirche lebt – Quelle der Hoffnung für Europa“, Rom 28. Juni 2003.
- Opyd, Edyta: Der Dialog zwischen Glaube und Kultur und dessen Implikationen für das Gespräch über die christlichen Wurzeln Europas in den Texten Johannes Paul II. und Benedikt XVI., Passau 2011.
- Schulz, Sabine: Der Aachener Karlspreis, Aachen 1988.
- Schwarz, Jürgen: Katholische Kirche und Europa. Dokumente 1945–1979, München 1980.
- Derselbe: Die katholische Kirche und das neue Europa. Dokumente 1980–1995, Band 1 und 2, Mainz 1996.
- Sedmak, Clemens: Die Seele Europas. Papst Benedikt XVI. und die europäische Identität, Regensburg 2011.
Links[Bearbeiten]
- Ansprache von Papst Franziskus zur Verleihung des Karlspreises
- Ansprachen von Papst Franziskus zum Thema „Europa“
- Der Internationale Karlspreis zu Aachen
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