Linke Militanz
Linke Militanz gehört zu den Strategien von Strömungen der politischen Linken und ist Gegenstand politikwissenschaftlicher Forschung und staatlicher Präventionsprojekte. Militanz ist eine aggressive, gewaltsame Vorgehensweise.[1] Die Bundeszentrale für politische Bildung bestimmt Militanz als Kampf „für eine politische oder religiöse Überzeugung mit gewaltsamen Mitteln“.[2] Als gegenständlichere Beschreibung steht der Terminus „linke Militanz“ in der Politikwissenschaft in Konkurrenz zum umstrittenen Begriff „Linksextremismus“.[3] [4] Linke politisch motivierte Gewalt gilt als „theorieinduziert“ und ist mit einem hohen Bildungsstand korreliert. Sie wird im vor allem im Jugendalter verübt, inbesondere von männlichen Jugendlichen.[5]
Forschung[Bearbeiten]
Der Bewegungsforscher Sebastian Haunss misst der linken Militanz einen stark symbolischen Charakter bei. Dies erkläre, dass aus der autonomen Bewegung keine terroristischen Gruppen hervorgegangen sind. In einer Analyse der linksautonomen Zeitschrift interim (1988 bis 2001) resümiert er, Militanz komme bei Autonomen fast ausschließlich im Kontext von politischen Veranstaltungen vor und stelle keinen Wert an sich dar. Haunss erkennt zudem eine „klare Maxime [...] keine Gewalt gegen Personen anzuwenden“.[6] Anders urteilt Armin Pfahl-Traughber, langjähriger Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz, mit Verweis auf Selbstzeugnisse der linksautonomen Szene: Militanz bilde nicht nur handlungsbezogenes, sondern auch ein zentrales „identitätsbezogenes Merkmal“ der Autonomen. Unter Autonomen werde Gewalt nicht nur als Mittel zum Zweck verstanden. Vielmehr artikuliere sich in Gewaltbereitschaft und Gewaltanwendung „ein für das Selbstverständnis wichtiges Lebensgefühl“.[7] Pfahl-Traughber sieht linke Militanz als Mittel „einer Frontstellung gegen den Staat“, welche „den Autonomen daher wichtiger als die Verbesserung eines Missstandes in der Gesellschaft“ sei. Gewalt gelte unter militanten Linken „als allgemein akzeptierter Handlungsstil“.[8] Angegriffen würden dabei nicht nur Einrichtungen, Fahrzeuge und Gebäude, sondern auch gezielt Personen wie Polizeibeamte und Rechtsextremisten.[7]
Der Historiker und Politikwissenschaftler Udo Baron verwendet die Begriffe Gewalt und Militanz weitgehend synonym.[9] Der Extremismusforscher Karsten Dustin Hoffmann vertritt einen weiter gefassten Begriff von linker Militanz. Den Extremismusbegriff hält er für zu eng und damit für zu wenig brauchbar, um das Problem zu beschreiben. Seine Beitrag zur Definition von linker Militanz lautet: „Insofern dürfen nicht nur diejenigen zur militanten Linken gezählt werden, die selbst Straftaten begehen, sondern auch alle Personen, die sich durch ihre Anwesenheit oder sympathisierende Äußerungen mit linken Straftätern solidarisieren.“[10]
Selbstverständnis linker militanter Aktivisten[Bearbeiten]
Im Szeneverlag "Assoziation A" erschien im Juni 2003 das Buch Autonome in Bewegung - aus den ersten 23 Jahren. Die Verfasser, ein Autorenkollektiv von fünf Männern, die sich lange Zeit und zum Teil bis in die Gegenwart als Autonome empfinden, treten unter dem Pseudonym "A.G. Grauwacke" auf. Auf gut 400 Seiten mit vielen Bildern wird ein Rückblick auf die Geschichte der Autonomen gegeben. Das Buch ist eine Mischung aus persönlichen Erlebnissen und Reflexionen, Aufarbeitung und politischer Einordnung der autonomen Bewegung. Der Schwerpunkt liegt auf der sich verändernden Bedeutung von Militanz. In Unterkapiteln werden Ereignisse und Kämpfe aus der Zeit von 1987 bis zu Beginn der 90er Jahre in Kurzform wiedergegeben. Eine zentrale Rolle spielen dabei die militanten Aktionen gegen die Jahrestagung von IWF und Weltbank 1988 in West-Berlin.
Für die A.G. Grauwacke verkörpert „Militanz“ eine „grundsätzliche, radikale, politische Haltung aus, die sich Kompromissen verweigert“. Die A.G. Grauwacke versteht Militanz und damit einhergehend „politische Gewalt“ als „Konsequenz der [kapitalistischen] Umgebungsbedingungen“ und führen sie ursächlich auf ein falsches Gesellschaftssystem zurück. Militanz, die sich in Form von „Straßenkampf“ (sogenannte „Massenmilitanz“) oder im Rahmen von „Kleingruppen-Aktionen“ äußern kann, sei „identitätsstiftender, prägender Bestandteil der Bewegungserfahrung“ der Autonomen.[11] Das einschlägige Theorie-Kapitel 2.6 ist mit „Mehr als nur kämpferische Haltung: Autonome Militanz“ betitelt. Die Autoren der A.G. Grauwacke definieren Militanz wie folgt:
„Militanz ist in unseren Augen notwendiger Bestandteil linksradikaler Politik, sowohl im allgemeinen Sinn der konsequenten, kämpferischen Haltung an sich, als auch im engeren Sinn von politischer Gewalt. Dass dies ein höheres Mal an Verantwortung erfordert als das Bilden von Lichterketten, ist selbstverständlich. Doch wer auf die Option der Militanz verzichtet, beraubt sich selbst der Notwendigkeit gegen ein System der Herrschaft, dem allein mit den besseren Argumenten nicht beizukommen ist.“
Die Antifaschistische Linke International (A.L.I.), eine seit Mai 2004 bestehende Gruppe in Göttingen, beschreibt in einem Artikel über Feminismus und Militanz die Grundlagen von militanten Aktionen wie folgt:
„Linke Militanz ist grundsätzlich ein allgemeiner Ausdruck einer radikalen, antagonistischen Haltung gegenüber den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen von Kapitalismus, Rassismus und eben auch Patriarchat. Sie negiert das Gewaltmonopol des Staates und vermittelt entschlossene Handlungsbereitschaft.“
Die Broschüre Prisma setzt auf den Kampf mittels klandestiner Anschläge:
„Wir wollen hier für militante Aktionen plädieren, die gezielt, gut geplant und wohl dosiert sind; die keine Menschenleben gefährden, kein Eigentum Unbeteiligter unnötig in Mitleidenschaft ziehen und natürlich keinen Terror, d.h. ungezielt Angst und Schrecken, verbreiten. Linksradikale militante Praxis heißt für uns zum Beispiel direkte Aktionen gegen staatliche Institutionen, rechte Strukturen, Verantwortliche für gesellschaftlichen Rassismus, Sexismus oder kapitalistische Ausbeutung.“
Linke Militanz im Nachkriegsdeutschland[Bearbeiten]
Studentenbewegung[Bearbeiten]
Militanz setzt voraus, einen Gegner zu bestimmen und das Bewusstsein, man selber sei auf der richtigen Seite und müsse den Gegner mit allen Mitteln bekämpfen.[13] Dies zeigt sich am Beispiel der westdeutschen Studentenbewegung der 1960er Jahre. Die einzelnen Gruppierungen dieser Studentenbewegung, die sich im Ringen um die richtige Lehre und Strategie untereinander bekämpften, hatten in der Gewaltsehnsucht eine fundamentale Gemeinsamkeit.[14] Die Studentenbewegung war fasziniert von Gewalt. Gewalt ging nur von einer kleinen Minderheit aus, die allermeisten Akteure waren nicht gewalttätig. Doch diesen als „revolutionär“ verstandenen Gewalttaten galt wiederum ihre heimliche Sehnsucht und Bewunderung.[15] Nicht wenige K-Gruppen machten es ihren männlichen Mitgliedern zur Pflicht, bei der Bundeswehr zu dienen, um für den erwarteten Krieg der Klassen gerüstet zu sein.[16]
Nach dem Attentat auf Rudi Dutschke nahm der Grad der geforderten und auch der praktizierten Gewalt deutlich zu. Einen Höhepunkt der Auseinandersetzung stellte die „Schlacht am Tegeler Weg“ in Berlin im November 1968 dar. Die Spaßguerilla wurde von den Stadtguerillas abgelöst. Bereits im Winter 1968/69 wurden in der Kommune I Brandbomben gefunden. In anderen, neuen Kommunen wurde das Motto „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ kultiviert. Die Radikalstem machten sich bereit, zum Terrorismus zu gehen: Die RAF entstand.
Autonome[Bearbeiten]
Den autonomen Gruppen kommt als Kernszene, aus der heraus Gewalttaten verübt werden, eine Schlüsselrolle zu.[17] Gewalt mit linksextremistischem Hintergrund wird fast ausschließlich von sogenannten Autonomen begangen. Einen eigenen Legitimationsrahmen für ihre Militanz setzen sich diese Akteure aus diffusen anarchistischen, kommunistischen und sozialromantischen Ideologiefragmenten zusammen. Gewalt wird als notwendiges Mittel deklariert, um sich gegen die angebliche „strukturelle Gewalt“, gegen ein System von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung zu wehren.
Die Handelnden erleben die in der Masse ausgeübte Militanz als sinnstiftend, Gewalt drückt einen lifestyle aus. Strategien der Gewaltanwendung sind in der autonomen Szene regelmäßig Gegenstand von Diskussionen. Plattform für diese sogenannte „Militanzdebatte“ sind Szenepublikationen wie „Interim“, „radikal“ und „prisma“.
Die Gewaltanwendung der Autonomen kann heute in vier verschiedene Formen unterschieden werden können: Konfrontative Gewalt, Initialisierende Gewalt, Klandestine Gewalt, Diskursive Gewalt:
- Von konfrontativer Gewalt wird gesprochen, wenn die direkte Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner oder Organen des Staates gesucht wird, insbesondere bei Demonstrationen. Gewalt wird oft aus dem „Schwarzen Block“ heraus begangen, der Anonymität und dadurch Schutz vor Strafverfolgung bieten sollen.
- Die initialisierende Gewalt wird bei zunächst friedlichen öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen eingesetzt. Dabei versuchen Autonome den Veranstaltungen einen militanten Charakter aufzuzwingen, indem sie aus der Deckung der friedlichen Demonstranten heraus Gewalttaten begehen.
- Die klandestine Gewalt ist eine im Verborgenen verübte Gewalt, eine konspirative Planung und Durchführung von Straftaten, beispielsweise Anschläge auf Polizeidienststellen oder Fahrzeuge der Bundeswehr.
- Die diskursive Gewalt: Gewalt gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten zeigt, dass Autonome Gewalt gegen politische Gegner als legitimes Mittel betrachten. Die nach außen hin proklamierte Unterscheidung zwischen „Gewalt gegen Personen“ und „Gewalt gegen Sachen“ verliert zunehmend an Trennschärfe.[18]
Militanzdebatte[Bearbeiten]
Maßgeblich zur Verbreitung operaistischer Theorieansätze in der autonomen Bewegung trug die Zeitschrift Autonomie (1975–1979, später Autonomie – Neue Folge) bei. Bis Mitte der 1990er Jahre gehörte die Zeitschrift radikal zu den wichtigsten Plattformen für Diskussionspapiere, Berichte und Bekenntnisse zu Anschlägen. In den 1990er Jahren avancierte die Zeitschrift Interim zum zentralen Medium der autonomen Szene.[19] Dort heißt es:
„Die Anwendung von Gewalt/revolutionärer Gewalt halten wir unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur für legitim, sondern auch für unverzichtbar. Wir werden uns nicht an den vom Staat vorgeschriebenen legalen Rahmen von Protest und Widerstand halten. Denn damit wären wir auch kontrollier-, berechen-, und beherrschbar. [...] Also - eine Absage an Gewalt wird es von uns nicht geben - nicht heute und auch nicht in Zukunft!!!!!“
Die Militanzdebatten bei den Autonomen folgten oft auf eine abflauende Mobilisierung und zeichnen sich durch eine hohe Zyklizität aus: Im Abstand weniger Jahre werden mehr oder minder dieselben Argumente wieder aufs Neue diskutiert. Eine deutliche Weiterentwicklung der eigenen Praxis und der Debatte ist dabei nicht zu beobachten. Der Bewegungsforscher Sebastian Haunss unterscheidet zwei Verständnisse von Militanz, die grundlegend verschieden sind: Den Bewegungsmilitanz-Frame und den Revolutions-Frame. Der Bewegungsmilitanz-Frame versteht die Autonomen als Teil anderer sozialer Bewegungen (Anti-AKW-Bewegung, Stadtteilinitiativen, Antifaschismus, Antirassismus etc.), der sich durch besondere Entschlossenheit und Radikalität abhebt und sich durch den Rahmen der Legalität in seinen Aktionen nicht einschränken lassen will. Militantes Handeln gilt hier als eine Aktionsform neben anderen. Der Bewegungsmilitanz-Frame ist mit einer Bandbreite verschiedener Aktionen kompatibel, formuliert zugleich aber einen gewissen Avantgardeanspruch. Der Revolutions-Frame üerhöht dagegen Militanz zum Wert an sich. Von dieser Warte aus wird Militanz eine Avantgardefunktion zuerkannt. Die eigene militante Praxis wird in den Kontext weltweiter revolutionärer Bewegungen gestellt, die klandestine, militante Kleingruppe als Organisationsform propagiert. Mit dieser geforderten Organsiatonsform stellt dieser Frame die Forderung nach einer Kongruenz von alltäglicher Lebenspraxis und politischer Analyse, wie sie in der Politik der ersten Person enthalten ist, infrage. Beim Revolutions-Frame ist Militanz der Dreh- und Angelpunkt autonomer Politik.[20]
Die Anwendung von Gewalt wird innerhalb der autonomen und antifaschistischen Szene fortlaufend kontrovers diskutiert. Die Tötungsdelikte an der Startbahn West, bei denen am am 2. November 1987 am Frankfurter Flughafen zwei Polizisten von Demonstranten erschossen wurden, stießen auf scharfe Kritik innerhalb der autonomen Szene: „Uns kotzen diese Schüsse an“, erklärten Anarchisten und Autonome des "Libertären Zentrums" in Frankfurt, „diese Form von Gewalt wirft uns um eine halbe Ewigkeit zurück“.[21] Andererseits konnte, so der unter dem Pseudonym Geronimo autretende Autor, „der (…) gewünschte Kniefall vor dem Dogma der Gewaltfreiheiheit als Demuts- und Unterwerfungsgeste an die bürgerlichen Herrschaftsnormen energisch zurückgewiesen werden.“[22]
Im Jahr 2001 stieß militante gruppe (mg), die das Wort Militanz bereits im Namen führt, eine Debatte darüber an, inwieweit im politischen Kampf Gewalt gegen Personen gerechtfertigt sein könnte. Die Gruppe erklärte offen ihre Bereitschaft, im politischen Kampf „alle Aktionsformen unterhalb von politischen Exekutionen“ zu praktizieren. Szeneintern wurde diese Debatte fortgeführt, ohne dass sich eine einheitliche Meinung durchsetzen konnte.[23]
Das französische Autorenkollektiv Comité Invisible, das der autonomen Szene zugeordnet wird,[24] fasst in seinem Text Der kommende Aufstand (2007) den Einsatz von Gewalt als Widerstandsrecht und damit als legitim auf[25]:
„Es gibt keinen friedlichen Aufstand. Waffen sind notwendig: Es geht darum, alles zu tun, um ihren Gebrauch überflüssig zu machen.“
Jüngere Vergangenheit und Gegenwart[Bearbeiten]
Zur Jugendgewalt, die dem linksradikalen politischen Lager zugeschrieben wird, gehörten die sogenannten Chaostage in Hannover, gehören nach wie vor die jährlichen Eskalationen zum 1. Mai in Berlin und in anderen Großstädten sowie gewalttätige Ausschreitungen, zu denen es anlässlich der Räumung besetzter Häuser kam. Ein weiteres Aktionsfeld sind militante Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten. In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends entwickelte sich Globalisierungskritik zu einem Kristallisationspunkt jugendlicher Militanz, die sich vor allem an den alljährlichen Gipfeltreffen der Weltwirtschaftsmächte entzündete. Dazu trat das Abbrennen von „Nobelkarossen“ als Protestform gegen Gentrifizierung. Als Hauptakteure linksradikaler Gewalt gelten die ‚Autonomen‘.[27]
Am 5. Oktober 2011 veranstaltete das Deutsche Jugendinstitut in Halle/Saale das Hearing „‚Linke‘ Militanz im Jugendalter – Erscheinungsformen und Erklärungsansätze“. Michaela Glaser machte auf dieser Konferenz drei aktuelle Hauptfelder linker Militanz aus: Gewalt bei Großveranstaltungen wie den Ausschreitungen am 1. Mai in Berlin, das Abbrennen von Autos in deutschen Großstädten und gewalttätige Konfrontationen im „Kampf gegen Rechts“.[28] Pfahl-Traugber (2014) erkennt folgende Formen der Gewalt: Bei Demonstrationen komme es oft zu Ausschreitungen, die meist relativ spontan erscheinen, aber szeneintern vorbereitet wurden. Daneben gibt es klandestine Aktionen, bei denen geplant und gezielt Brand- und Sprengstoffanschläge durchgeführt werden.[7]
Insbesondere die "militante gruppe" (mg) und die "Revolutionären Aktionszellen" (RAZ) erhöhten in den letzten Jahren die Zahl ihrer Anschläge, konnten aber mit dieser Form der Gewalt in der linken Szene wenig Anhänger und Nachahmer finden.[7]
Präventionsprojekte und Gegenkritik[Bearbeiten]
Das Projekt „Linke Militanz in Geschichte und Gegenwart. Aufklärung gefährdeter Jugendlicher über Linksextremismus und Gewalt“ im Rahmen der Arbeit der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen zielt darauf ab, Jugendliche, die in der Gefahr politischer Radikalisierung stehen, über die jeweilige Peer-Group (durch eine Diskussion im Klassen- bzw. Kursverband) auch indirekt zu erreichen.[29]
Kritiker dieses Programms befürchten eine Delegitimierung von zulässigen und verfassungsrechtlich geschützten Formen radikaler Gesellschaftskritik und bewerten das staatliche Vorgehen als Relativierung des aus ihrer Sicht viel bedrohlicheren Phänomens des Rechtsextremismus. Dabei verweisen sie auf einen qualitativen Unterschied der verübten Gewalt: Während sich fremdenfeindliche und rechtsextreme Gewalt gegen wehrlose Opfer richte, richte sich linke Militanz entweder gegen Sachen oder es in Form von Konfrontationsgewalt gegen einen zumindest potenziell zur Gewaltausübung bereiten, wehrhaften politischen Gegner.[30]
Maximilian Fuhrmann kritisierte in einem Aufsatzband der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der „Containerbegriff“ „Linksextremismus“ werde nun durch den „Containerbegriff“ „linke Militanz“ ersetzt. Dieser neue Begriff liefere keine Anknüpfungspunkte für eine sinnvolle pädagogische Arbeit. Probleme müssten konkret benannt werden, anstatt sie in „Containerbegriffe“ zu fassen.[31]
Literatur[Bearbeiten]
- Udo Baron: Linksautonome auf dem Weg zum Linksterrorismus? Das Gefahrenpotential einer neuen Form sozialrevolutionärer Gewalt, in: Armin Pfahl-Traughber (Hrsg.): Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2013, Brühl 2014, S. 137‒160.
- Harald Bergsdorf / Rudolf van Hüllen: Linksextrem – Deutschlands unterschätzte Gefahr? Zwischen Brandanschlag und Bundestagsmandat, Paderborn 2011.
- Christian Gräb: Wege in die Gewalt: Die 68er zwischen Kritik und Militanz, Bonn 2014.
- Sebastian Haunss: Die Autonomen - eine soziale Bewegung zwischen radikaler Gesellschaftskritik und Subjektivismus, in: René Schultens / Michaela Glaser: "Linke" Militanz im Jugendalter, Halle 2013, S. 26-46.
- Karsten Dustin Hoffmann: Die militante Linke in Deutschland. Eine Annäherung, in: Gerhard Hirscher (Hrsg.): Linksextremismus in Deutschland. Bestandsaufnahme und Perspektiven, München 2014.
- Armin Pfahl-Traughber: Linksextremismus, Wiesbaden 2014.
Selbstdarstellung militanter Aktivisten[Bearbeiten]
- Sergio Bologna: Acht Thesen zu einer militanten Geschichtsschreibung (ca. 1975). Mit einer Einleitung von Bernd Hüttner und Anmerkungen zu einer Re-Lektüre von Sergio Bologna, in: Bernd Hüttner / Gottfried Oy / Norbert Schepers (Hrsg.): Vorwärts und viel vergessen. Beiträge zur Geschichte und Geschichtsschreibung neuer sozialer Bewegungen (Neu-Ulm: AG Spak 2005) S. 159-172.
- A.G. Grauwacke, Autonome in Bewegung - aus den ersten 23 Jahren, 2003
- Geronimo (Pseudonym), Feuer und Flamme. Zur Geschichte und Gegenwart der Autonomen. Amsterdam-Berlin 1990
- Geronimo u.a., Feuer und Flamme 2.Kritiken, Reflexionen und Anmerkungen zur Lage der Autonomen. Berlin-Amsterdam 1992
- Tomas Lecorte (Pseudonym), Wir tanzen bis zum Ende. Die Geschichte eines Autonomen. Hamburg 1992
- Der Stand der Bewegung. 18 Gespräche über linksradikale Politik, Lesebuch zum Autonomie-Kongress 1995, Berlin 1995
- Thomas Schultze/Almut Cross, Die Autonomen. Ursprünge, Entwicklung und Profil der autonomen Bewegung, Hamburg 1997
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ Militanz, wissen.de
- ↑ Thurich, Eckart: pocket politik. Demokratie in Deutschland 2006 Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2006
- ↑ Vgl. Maximilian Fuhrmann: Mehr Dissens wagen!
- ↑ Maximilian Fuhrmann: Konjunkturen der Containerbegriffe Das neue Bundesprogramm «Demokratie leben!» in extremismustheoretischer Hinsicht, in: Friedrich Burschel (Hrsg.): Durchmarsch von rechts – Völkischer Aufbruch: Rassismus, Rechtspopulismus, rechter Terror, Rosa-Luxemburg-Stiftung, 2016, S. 131-137, S. 131. (online)
- ↑ R. Eckert / H. Willems: Politisch motivierte Gewalt, in: Informationszentrum Sozialwisenschaften (Hrsg.): Gewalt in der Gesellschaft: eine Dokumentation zum Stand der Sozialwissenschaftlichen Forschung seit 1985, Bonn 1993, S. 27- 59, S. 50.
- ↑ Vgl. Sebastian Haunss: "Die Autonomen - eine soziale Bewegung zwischen radikaler Gesellschaftskritik und Subjektivismus", in: René Schultens / Michaela Glaser: "Linke" Militanz im Jugendalter, Halle 2013, S. 26-46, 36f. (online)
- ↑ 7,0 7,1 7,2 7,3 Die Autonomen zwischen Anarchie und Bewegung, Gewaltfixiertheit und Lebensgefühl
- ↑ Armin Pfahl-Traughber: Linksextremismus, Wiesbaden 2014, 143-146.
- ↑ Vgl. Udo Baron: Linksautonome auf dem Weg zum Linksterrorismus? Das Gefahrenpotential einer neuen Form sozialrevolutionärer Gewalt, in: Armin Pfahl-Traughber (Hrsg.): Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2013, Brühl 2014, S. 137‒160.
- ↑ Karsten Dustin Hoffmann: Die militante Linke in Deutschland. Eine Annäherung, in: Gerhard Hirscher (Hrsg.): Linksextremismus in Deutschland. Bestandsaufnahme und Perspektiven, München 2014, S. 28.
- ↑ Autonome in Bewegung - aus den ersten 23 Jahren, S. 142
- ↑ Antifaschistische Linke International (A.L.I.): Antifa heißt Feminismus - Feminismus heißt Militanz
- ↑ Gernot Folkers: Die Studentenbewegung und die Gewalt. Eine kritische Selbstreflexion. In: Tobias Schaffrik/Sebastian Wienges (Hrsg.): 68er Spätlese – Was bleibt von 1968, S. 24.
- ↑ Gernot Folkers: Die Studentenbewegung und die Gewalt. Eine kritische Selbstreflexion. In: Tobias Schaffrik/Sebastian Wienges (Hrsg.): 68er Spätlese – Was bleibt von 1968, S. 24.
- ↑ Gernot Folkers: Die Studentenbewegung und die Gewalt. Eine kritische Selbstreflexion. In: Tobias Schaffrik/Sebastian Wienges (Hrsg.): 68er Spätlese – Was bleibt von 1968, S. 19.
- ↑ Gernot Folkers: Die Studentenbewegung und die Gewalt. Eine kritische Selbstreflexion. In: Tobias Schaffrik/Sebastian Wienges (Hrsg.): 68er Spätlese – Was bleibt von 1968, S. 24f.
- ↑ Matthias Mletzko: Gewalthandeln linker und rechter militanter Szenen, 28. Oktober 2010
- ↑ Militanz, Verfassungsschutz Bayern
- ↑ Vgl. Sebastian Haunss: "Die Autonomen - eine soziale Bewegung zwischen radikaler Gesellschaftskritik und Subjektivismus", in: René Schultens / Michaela Glaser: "Linke" Militanz im Jugendalter, Halle 2013, S. 26-46, 29. (online)
- ↑ Vgl. Sebastian Haunss: "Die Autonomen - eine soziale Bewegung zwischen radikaler Gesellschaftskritik und Subjektivismus", in: René Schultens / Michaela Glaser: "Linke" Militanz im Jugendalter, Halle 2013, S. 26-46, 36. (online)
- ↑ „Wir machen Rambo auf links“. In: Der Spiegel. Nr. 46, 1987, S. 18 (online).
- ↑ Geronimo (Pseudonym), Feuer und Flamme. Zur Geschichte und Gegenwart der Autonomen, Amsterdam-Berlin 1990, S. 190
- ↑ Autonome und sonstige gewaltbereite Linksextremisten, Verfassungsschutz Niedersachsen
- ↑ Alexander Straßner: Aufstand und Demokratie: Counterinsurgency als normative und praktische Herausforderung. Das Problem: Insurgency in Theorie und Praxis. Hrsg.: Martin Sebaldt, Jürgen Stern. 1. Auflage. VS Verlag, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-18254-4, S. 49 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Markus S. Kleiner: Mit Pop ist keine Revolution zu machen, in: Marcus S. Kleiner, Holger Schulze (Hrsg.) SABOTAGE!: Pop als dysfunktionale Internationale, transcript: Bielefeld 2013, 43-90, 78.
- ↑ Unsichtbares Komitee: Der kommende Aufstand. (Originaltitel: L’insurrection qui vient.) Edition Nautilus, Hamburg 2010. De* L’insurrection qui vient, französischer Originaltext auf lafabrique.fr (PDF, 471 KB). deutsche Erstausgabe, ISBN 978-3-89401-732-3, S. 105.
- ↑ Michaela Glaser: ‚Linke‘ Militanz im Jugendalter – ein umstrittenes Phänomen, in: René Schultens / Michaela Glaser (Hrsg.): Linke Militanz im Jugendalter. Halle 2013, S. 4-21, S. 5-7.
- ↑ Michaela Glaser: «Linke» Militanz im Jugendalter – ein umstrittenes Phänomen, in: René Schultens / Michaela Glaser (Hrsg.): Linke Militanz im Jugendalter, Halle (Saale) 2014, S. 6f. (online)
- ↑ Linke Militanz in Geschichte und Gegenwart. Aufklärung gefährdeter Jugendlicher über Linksextremismus und Gewalt
- ↑ Michaela Glaser: «Linke» Militanz im Jugendalter – ein umstrittenes Phänomen, in: René Schultens / Michaela Glaser (Hrsg.): Linke Militanz im Jugendalter, Halle (Saale) 2014, S. 8.
- ↑ Maximilian Fuhrmann: Konjunkturen der Containerbegriffe Das neue Bundesprogramm «Demokratie leben!» in extremismustheoretischer Hinsicht, in: Friedrich Burschel (Hrsg.): Durchmarsch von rechts – Völkischer Aufbruch: Rassismus, Rechtspopulismus, rechter Terror, Rosa-Luxemburg-Stiftung, 2016, S. 131-137. (online)
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