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Teutonia Dorpat

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Die Teutonia Dorpat war die einzige Studentenkorporation, deren Mitglieder aus der Mitte der deutschen Siedler-Kolonisten aus Südrussland oder Wolgaregion kamen. Sie hatte von 1908 bis 1918 (von Juni 1915 bis März 1917 verboten) ihren Sitz an der Universität Dorpat.

Couleur und Wahlspruch[Bearbeiten]

Ihr Wahlspruch lautete: „Fest und treu“, und das Wappen trug die Farben hellgrün, weiß und rosa.

Geschichte[Bearbeiten]

Die Universität Dorpat spielte eine herausragende Rolle bei der Ausbildung der ersten Akademiker aus den Reihen der deutschen Siedler-Kolonisten im Russischen Reich, der sog. Schwarzmeer-, Wolga-, Kaukasus- oder Wolhyniendeutschen. Seit Ende des 19. Jhs. verzeichnete die Universität eine wachsende Zahl an dort studierenden „Kolonistensöhnen“, was schließlich zur Bildung der einzigen „klassischen“ Studentenverbindung aus ihren Reihen in ganz Russland führte:[1] Am 17. Februar 1908 riefen sechs Gründungsmitglieder den „Südländerverein Teutonia“ ins Leben. Einige Monate später, am 4. Dezember konstituierte sich der Verein als Korporation.[2]. Zweck und Ziele wurden folgendermaßen formuliert:

„Die „Teutonia“ ist eine korporative Verbindung deutscher Studenten aus dem Süden bzw. anderen Teilen Russlands und verlangt von jedem Einzelnen ein treues, gewissenhaftes Streben nach folgenden Idealen: Pflege und Wahrung des Deutschtums, Freundschaft und Geselligkeit, Sittlichkeit.“[3]

Ähnlich wie bei studentischen Verbänden, Landsmannschaften und Korporationen anderer russländischer Nationalitäten versuchten die angehenden schwarzmeer-- oder wolgadeutschen Akademiker das Nationalbewusstsein ihrer Landsleute zu wecken, Sprache und Kultur zu pflegen und sich für den „Dienst an Volk und Heimat“ vorzubereiten.

Am 9. April 1912 bestätigte der Minister des Inneren das Statut dieser Studentenverbindung. Die offizielle Aufnahme in den bereits bestehenden Zusammenschluss vom Corps der Universität, dem Chargierten-Convent, fand am 23. November d. J. statt.[4] Insgesamt konnten 67 Mitglieder der Teutonia festgestellt werden. [5] Nur sieben von ihnen rechnete man zu den Angehörigen anderer Stände;[6] regional gesehen kamen 18 Korporierte aus Bessarabien, 23 aus anderen Schwarzmeerregionen, elf aus dem Transkaukasus, zehn aus den Gouvernements Samara und Saratow, vier aus Wolhynien und Podolien und einer aus Livland.[7] Das beliebteste Studienfach war Medizin (von 28 Mitgliedern gewählt), gefolgt von Theologie (22) und Rechtswissenschaft (9). Nur ganz wenige belegten Chemie (4), historisch-philologische Wissenschaften (2), Agrarwissenschaften (1) oder Mathematik (1).

Zu Beginn des Jahres 1915 zählte die Teutonia 29 aktive und 15 sog. assoziierte (russ.: sorewnowateljnye) Mitglieder. Die überwiegende Mehrheit der Teutonen verstand sich als russländische Patrioten; die Mediziner etwa, auch Studenten der älteren Semester, dienten in der Russischen Armee als Ärzte; einige wurden verwundert oder fielen im Kampf gegen das Deutsche Reich und seine Verbündeten. Die meisten verblieben in ihrer Heimat, die nun nach der bolschewistischen Machtergreifung 1917 Sowjetrussland bzw. die UdSSR hieß.

Anfang Juni 1915, mitten im Ersten Weltkrieg, wurde diese Studentenverbindung aufgelöst. Nach der bürgerlichen Februarrevolution 1917 begannen die wenigen an der Universität verbliebenen Corpsbrüder mit dem Verbandsaufbau; erst am 24. Februar 1918 teilten sie dem Vereinigten Convent mit, dass die Teutonia offiziell wieder existiert.[8] Angesichts der gesellschaftspolitischen Umbrüche, v.a. der Bildung eines unabhängigen estnischen Staates und der Abtrennung von Russland, konnte die wiederbelebte Verbindung nur wenige Monate in Dorpat weiterwirken.

Verein Deutscher Studierender Kolonisten in Tübingen, 1919‒1933[Bearbeiten]

Einige nach Deutschland geflüchtete Studenten, aber vor allem die an baltischen Gymnasien eingeschriebenen Schüler oder deren Absolventen gründeten am 13. Juni 1919 an der Universität Tübingen eine Studentenorganisation, die gewisse äußere Kontinuitäten zu Teutonia Dorpat trug. Dieser „Verein Deutscher Studierender Kolonisten“ (V.D.St.K.) trat als lose Vereinigung landsmannschaftlicher Art hervor.[9] Erst am 29. November 1932 stellte der Verein an den Aussschuss Vereinigter Tübinger Korporationen das Gesuch, den Zusatz "Teutonia" führen zu dürfen. Auf den Einwand, dass dieser Beiname zur Verwechslung führe und man möge den Zusatz "Teutonia-Dorpat" aufnehmen, erwiderte der Vertreter des V.D.St.K.:

„... Verein sich nicht dazu verstehen könne, "Dorpat" in die Vereinsbezeichnung aufzunehmen. Für sie weise Dorpat nur in die Vergangenheit, nicht in die Zukunft. Die Beziehungen zu Dorpat seien endgültig abgebrochen und nur trübe Erinnerung.[10]

Im Wintersemester 1933/34 ging diese Studentenverbindung in der Vereinigung Auslanddeutscher Studenten Tübingen auf.

Bekannte Mitglieder[Bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten]

  • Harald Seewann: Teutonia Dorpat/Tübingen – eine Verbindung deutscher studierender Kolonistensöhne aus Rußland (1908–1933). In: Einst und Jetzt, Bd. 34 (1989), S. 197–206.
  • Michael Doeberl et al. (Hrsg.): Das akademische Deutschland. Band 2: Die deutschen Hochschulen und ihre akademischen Bürger. C. A. Weller, Berlin 1931. S. 1039.

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Weitere Studentenorganisationen kolonistischer Herkunft existierten an der Universität Odessa („Deutscher Studentenverein“, gegründet im November 1909) und St. Petersburg (Korporation „Wolga“, erste Versammlung fand am 20. November 1912 statt), siehe etwa bei: Paul Ssymank: Die deutsche Studentenschaft in Russland vor dem Ausbruch des Weltkrieges 1914. In: Die Grenzboten 1915, S. 206‒213, hier S. 212.
  2. Eduard Steinwand, Arnulf Baumann: Die Kolonistenverbindung „Teutonia“ zu Dorpat. In: Jahrbuch der Deutschen aus Bessarabien. Heimatkalender 2013, S. 50‒53, zit. S. 52.
  3. Zitiert nach: Eesti Ajalooarhiiv [Estnisches Historisches Archiv (Tartu), weiterhin EAA], Bestand 1846, Verzeichnis 1, Akte 1 = EAA_1846_1_1.
  4. Die neue Kolonistenkorporation in Dorpat. In: Volkszeitung (Saratow) vom 31. Januar 1913; Eine kurze Mitteilung der Rigaschen Zeitung vom 24. November 1912: [1].
  5. Errechnet nach den Semester-Mitgliederverzeichnissen: EAA_402_7_728
  6. Die überwiegende Mehrheit gehörte dem Bauernstand, der nach 1871 in Russland speziell für die Nachkommen der einstigen Kolonisten geschafft wurde: Ansiedler-Eigentümer, oft mit dem Zusatz: ehemalige Kolonisten. Zu der Terminologie ausführlich Viktor Krieger: im Definitionsdschungel
  7. Einige Fotos der Corpsstudenten
  8. Entnommen der Archivakte: EAA_1846_1_12
  9. Harald Seewann: TEUTONIA Dorpat/Tübingen – eine Verbindung deutscher studierender Kolonistensöhne aus Rußland (1908–1933). In: Einst und Jetzt. Band 34, 1989, S. 197–206.
  10. ibid., S. 202
  11. Eduard Steinwand
  12. Heinrich Roemmich: Professor Immanuel Koch. In: Heimatbuch der Deutschen aus Russland 1964, S. 132‒139. Liste der Stalin-Opfer von Memorial, russ.: Кох Эммануил Христианович
  13. Alexander Henning, in: Herold Belger: Russlanddeutsche Schriftsteller. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Biographien und Werkübersichten. Berlin 2010, S. 79–80.
  14. Biographie von G. Birth: „Ihr Ende schaut an...“ Evangelische Märtyrer des 20. Jahrhunderts, hg. v. Harald Schultze und Andreas Kurschat unter Mitarbeit von Claudia Bendick, Leipzig 2. Aufl. 2008, S. 571; Biographie (Russ.). Liste der Stalin-Opfer von Memorial, russ.: Бирт Густав Яковлевич


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